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0.Leben unterm Hakenkreuz

0.1.Rheinbreitbach und Umgebung im dritten Reich

Es war am 8. Mai 1945 auf dem heutigen Kirchplatz von Rheinbreitbach als sich dort eine Menschentraube vor dem öffentlichen Bekanntmachungsbrett der Gemeinde bildete. Seit Wochen hatte es keinerlei Nachrichten gegeben. Die wenigen Radios im Ort waren entweder gestohlen worden oder zerstört. Einen Postverkehr gab es nicht mehr. Nun endlich hatte vor einigen Minuten am Bekanntmachungsbrett ein Vertreter der Verwaltung eine amerikanische Zeitung aufgehangen. Dort war in großen Buchstaben zu lesen: NAZIS SURRENDERS: EUROPE WAR COMES TO END. Die wenigen Rheinbreitbacher, die die englische Sprache beherrschten übersetzten den Anderen die Neuigkeiten. Wie ein Lauffeuer ging die Nachricht der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands durch den kleinen Rheinort, welche erst am 07. Mai 1945 von Generaloberst Alfred Jodl (Wehrmacht), General Oxenius (Luftwaffe) und Admiral von Friedeburg (Kriegsmarine) unterzeichnet worden war. Das dritte Reich hatte aufgehört zu existieren. 12 Jahre Terror, Mord, Krieg, Folter und zahlreiche Entbehrungen lagen nicht nur hinter den Menschen in Rheinbreitbach. Bombenangriffe hatten zahlreiche Gebäude im Ort zerstört und hatten Einwohner, Nachbarn und Freunde getötet. Lebensmittelknappheit machte sich langsam in der Region breit. Einheimische sowie ehemalige Zwangsarbeiter plünderten die Lebensmittelgeschäfte und die örtliche Marmeladenfabrik. Amerikanische Soldaten machten sich über das Eigentum der Bewohner in den Häusern her, um ein Souvenir aus Deutschland mit nach Amerika zu nehmen.

Dabei waren die Rheinbreitbacher am Anfang des dritten Reiches keinesfalls mehrheitlich überzeugte Nazis gewesen. Als Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt wurde und zwei Monate später die Reichstagswahlen am 5. März 1933 stattfanden, kamen die Nationalsozialisten trotz der Drangsalierungen der Wählenden an den Wahlbüros durch SA, Polizei und NSDAP Mitglieder lediglich mit 171 Stimmen auf den zweiten Platz hinter die christliche Zentrumspartei mit 532 Stimmen. Im Vergleich zum Landkreis Neuwied schnitten die Nationalsozialisten sogar wesentlich schlechter in Rheinbreitbach bei der Wahl ab, da der Stimmenunterschied zwischen der Zentrumspartei (23066) und der NSDAP (21380) im Kreisgebiet lediglich 1686 Stimmen betrug.[Anm. 1]

Aber auch die SPD verbesserte ihr Ergebnis von der letzten Reichstagswahl von 59 auf 67 Stimmen in Rheinbreitbach. Ein Trend, der sich im Kreisgebiet Neuwied und im Kreis Bonn Land nicht fortsetzte. Lediglich die Kommunisten verloren in Rheinbreitbach an Wahlstimmen, was jedoch auch von der allgemeinen kritischen Berichterstattung gegenüber den Kommunisten und dem Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 herrühren dürfte. Schließlich wurde in diesem Prozess ein niederländischer Kommunist beschuldigt, den Reichstag angezündet zu haben. Dieser Stimmenverlust lässt sich auch gut im gesamten Landkreis Neuwied sowie dem Kreis Bonn-Land nachvollziehen. Rheinbreitbach scheint mit diesen Wahlergebnissen somit keine Hochburg des Nationalsozialismus gewesen zu sein, so wie es der spätere Neuwieder Landrat und in Rheinbreitbach wohnhafte Dr. Reppert behauptete.

7. März 1933: Ergebnisse der Reichstagswahl Rheinbreitbach und Kreis Neuwied
Partei Rheinbreitbach Kreis Neuwied Kreis Bonn-Land
NSDAP 171 (92) 21380 (13897) 18808 (7855)
Sozialisten 67 (59) 8157 (8709) 5448 (6885)
Kommunisten 50 (87) 5253 (7073) 5026 (6521)
Zentrum 532 (523) 23066 (21948) 24993 (24697)
Deutschnationale Partei 61 (53) 3781 (3582) 4345 (3412)
Deutsche Volkspartei 18 (18) 1130 (1593) 633 (933)
Staatspartei - (1) 181 (136) 61 (78)
Volksdeutsche - (3) 239 (264) 208 (261)

Dr. Reppert war es jedoch, der von Rheinbreitbach aus tatsächlich die heutige Verbandsgemeinde Unkel und später den Landkreis Neuwied nazifizierte. Hierbei bedienten sich die Nazis einer besonders perfiden Taktik. Da die NSDAP bzw. die Listen der NSDAP in der heutigen Verbandsgemeinde Unkel keinerlei Mehrheiten im Gemeinderat erreicht hatten, begann man nach den Reichstagswahlen mit wilden Anschuldigungen unbequeme Amtsträger zu diskreditieren und deren Vertrauen bei der Bevölkerung zu beschädigen. Eine weitere Taktik war die Bestellung eines parteikonformen NSDAP-Mitgliedes, welches den nicht genehmen Amts- und Würdenträgern beigestellt wurden.

In der Amtsbürgermeisterei Unkel betraf dies den Bürgermeister Decku, der vom damaligen NSDAP-Kreisleiter Dr. Reppert den parteikonformen Josef Schultz aus Linz beigestellt bekam. Dieser notierte sich alle Angelegenheiten des Bürgermeisters und versuchte bei jeder Gelegenheit den Bürgermeister schlecht zu machen. Weitere Beistellungen dieser Art gab es auch in der Bürgermeisterei Leutesdorf.[Anm. 2]

Die schleichende Einschüchterung und Unterwanderung der Kommunalpolitiker und der Bevölkerung lässt sich jedoch auch noch an anderen Dingen erkennen. In Unkel z.B. wurde das Thema von Straßenumbenennungen auf die Tagesordnung gebracht. Vorrangig ging es hierbei darum, dass die Straßen und Plätze, die z.B. nach christlichen Politikern benannt wurden (z.B. Karl Trimborn), aus der Straßenkarte gelöscht bzw. umbenannt werden sollten. Dies gelang den Nationalsozialisten wenige Monate später auch, in dem der Karl Trimborn Platz dem NSDAP Reichsleiter Robert Ley umgewidmet wurde.[Anm. 3]

Auch die Wahl des Gemeindevorstehers brachte Probleme mit sich, da die Nationalsozialisten natürlich einen ihnen wohl gesonnenen Kandidaten durchsetzen wollten. Wer sich hier jedoch genauer die Stimmenverteilung anschaut, stellt schnell fest, dass die Zentrumspartei mit 6 Mandaten im Gemeinderat Unkel die Oberhand und die NSDAP lediglich einen Sitz hatte.[Anm. 4]

Nachdem die Nationalsozialisten mit dem Ermächtigungsgesetz am 24. März 1933 die absolute Oberhand gewonnen hatten, begann nun ab dem 2. Mai 1933 die systematische Auflösung der letzten demokratischen Bollwerke. Hierzu gehörten unter anderem die Gewerkschaften, Vielfalt der Vereine und der Vielparteienstaat (u.a. Verbot der SPD). Es ist daher nicht verwunderlich, dass Ende April 1933 die ersten Ratsmitglieder in der Amtsbürgermeisterei Unkel zur NSDAP übertraten. Hier ist vor allem der Übertritt des ehemaligen Zentrumsvorsitzenden des Kreises Neuwied Buse zu nennen, der öffentlich als (Schein-)Begründung verschiedene politische Machenschaften in seiner Partei anbrachte. Auch die Bürgerpartei in Unkel trat geschlossen zur NSDAP über. Gleichzeitig wurde die freie Presse (wie z.B. die Neuwieder Zeitung) ausgeschaltet und die Neuwieder Ausgabe der nationalsozialistischen Zeitung „Koblenzer Nationalblatt“ im gesamten Kreis Neuwied eingeführt.[Anm. 5]

Doch die Auflösung und Vernichtung der letzten demokratischen Instanzen genügte den Nationalsozialisten vor Ort immer noch nicht. Gerade dem zukünftigen Landrat Dr. Reppert war der Bürgermeister Decku in Unkel immer noch ein Dorn im Auge, sodass ihm verschiedene Versäumnisse angelastet wurden. Ein Angriffspunkt waren unter anderem die laufenden Straßenbauprojekte, die nach Ansicht der NSDAP nicht richtig umgesetzt wurden. Die ständigen Anschuldigungen gegen Bürgermeister Decku schlugen diesem irgendwann so auf die Gesundheit, dass dieser sich von seinem Amt beurlauben ließ. Sonderbarerweise hatte Decku im September 1933 bei einer Reise in die Cochemer Gegend einen schweren Motorradunfall. 1934 wurde er jedoch von all seinen Vorwürfen bezüglich seiner Straßenbauprojekte freigesprochen und zog im Oktober 1934 nach Niederbreisig. Vorher bekam er im April 1934 jedoch noch das Schlageterschild verliehen als Anerkennung für seine Leistungen in der Zeit der Besetzung des Rheinlandes. Unter anderem war er zu dieser Zeit von den Franzosen in Haft genommen worden.[Anm. 6]

0.2.Der Straßenbau als Prestigeprojekt der Nationalsozialisten

Sonderbarerweise wurden nach der Beurlaubung von Decku die Straßenbauprojekte (wie z.B. der Bau der heutigen B42) von den Nationalsozialisten als herausragende und bedeutende Bauprojekte angepriesen, welches noch im Herbst desselben Jahres fertig werden sollten. Tatsächlich sollte die Straße jedoch erst Ende März 1934 eröffnet werden. Ähnliche Projekte gab es ebenfalls in Rheinbreitbach beim Ausbau der Korfgasse und der Verrohrung des Breitbaches. Ebenso im April, Oktober und Dezember 1935, in dem die Straße von Rheinbreitbach zum Auge Gottes, die Erpeler Straße zur Erpeler Ley und weitere Straßen im Kreis Neuwied ausgebaut wurden. Die propagandistische Nutzung von (Straßen-)Bauprojekten, um Arbeitslose in Lohn und Brot zu bekommen, stellte eines der wichtigsten Mittel vor Ort dar, um weitere Sympathien für den Nationalsozialismus bei den Menschen zu wecken und den Erfolg der neuen Machthaber zu unterstreichen. Auch der deutschnationale Schriftsteller Rudolf Herzog, der in der Oberen Burg in Rheinbreitbach lebte, hielt an der Universität Athen einen Vortrag über die Erfolge des Nationalsozialismus, nahm Stellung zur Judenfrage und betonte die positiven Beziehungen Deutschlands zu Griechenland. Im Oktober 1933 sollte Deutschland dennoch aus dem Völkerbund austreten, zu deren Gründungsmitgliedern auch Griechenland gehörte.[Anm. 7]  

Doch der Bau der Umgehungsstraßen und die Sanierung der Ortsstraßen waren nicht nur reine Propaganda. Wie anhand von zahlreichen Zeitungsartikeln gesehen werden kann, gab es vor und nach 1933 in den Ortschaften Erpel, Unkel und Rheinbreitbach immer wieder Unfälle mit schweren Verletzungen oder Toten. Im September 1933 verunglückte tödlich eine 19-jährige Fahrradfahrerin aus Kripp in Unkel in der Frankfurter Straße. Grund war ein LKW mit Anhänger, der auf Grund einer scharfen Kurve und Vereisung ins Schleudern kam und die Fahrradfahrerin an eine Hauswand quetschte. Ein Unfall, der sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ereignet hätte, wenn es zu diesem Zeitpunkt bereits die Umgehungsstraße von Unkel gegeben hätte. (14. September 1933 HVZ)

Doch auch nach dem Bau der Umgehungsstraße von Unkel gab es immer noch zahlreiche Unfälle in den anderen Ortsgemeinden von der Bürgermeisterei Unkel (heutige VG Unkel). Gefährliche Verkehrsstellen gab es unter anderem vor dem Erpeler Neutor mit einer scharfen Kurve zum Rhein hin und in Rheinbreitbach an der heutigen Apotheke. Um Rheinbreitbach ebenfalls vom Durchgangsverkehr zu entlasten, wurde bereits im November 1933 eine Umgehungsstraße für den Ort geplant (aber nicht umgesetzt). Der Verlauf sollte dabei die heutige B42 sein. Alternativ sollte die Hauptstraße von Rheinbreitbach eine Einbahnstraße werden. Im Januar 1937 wurde diese Forderung wiederholt, aber ebenfalls nicht umgesetzt. Die „Todeskurve“ von Erpel wurde mit dem Beschluss von 1935 beseitigt, indem eine neue Umgehungsstraße um Heister herum geplant und eine hochwasserfreie Straße an Erpel vorbei gebaut wurde. Der Verlauf folgte dabei der heutigen B42 zwischen Unkel und Linz am Rhein.[Anm. 8]  

Dennoch sollte es noch eine Weile dauern bis diese Engstellen auf der damaligen Reichsstraße von Neuwied nach Bonn, die durch die Ortschaften führte, beseitigt waren. Zahlreiche Motorradunfälle (unter anderem von höheren Parteifunktionären wie dem NSDAP Ortsgruppenleiter von Unkel oder einem SA Mann in Erpel), Zusammenstöße von LKWs und Personenwagen sowie dem weiter steigenden Autoverkehr auf der Straße zeugen davon, dass die Gefahr durch den Verkehr für die Anwohner keinesfalls gebannt war. In Scheuren lief zum Beispiel im September 1937 ein Mädchen aus dem Haus und vor ein Motorrad und erlitt eine schwere Gehirnerschütterung. Auch die Häuser an der Hauptstraße wurden durch die Fahrzeuge in Mitleidenschaft gezogen, in dem z.B. LKWs die Fundamente beschädigten oder wie bei einem Verkehrsunfall vom 16. Februar 1938 sogar ganze Fachwerkwände einrissen. Manche Vorfälle wurden sogar vor Gericht verhandelt. Ein LKW Fahrer, der einen älteren Mann in Rheinbreitbach auf der Straße angefahren hatte, wurde dabei zu 20 Mark Geldstrafe verurteilt. Auch ein Autofahrer aus Erpel wurde verurteilt, weil er an einem dunklen Januarabend in den engen Gassen von Erpel zu schnell unterwegs gewesen war.[Anm. 9]

0.3.Über Verbrecher und Mörder in der NS-Zeit

Aber neben den zahlreichen Verkehrsunfällen gab es auch andere Unfälle und vor allem dubiose Verbrechen in der Amtsbürgermeisterei Unkel in der Zeit des dritten Reiches. Auch wenn sich die Nationalsozialisten gerne damit brüsteten für Ruhe und Ordnung zu sorgen, so setzten sich zahlreiche Verbrechen genauso im dritten Reich fort wie in der Weimarer Republik. Ende Februar 1934 ereigneten sich zum Beispiel mehrere Einbrüche in Rheinbreitbach, unter anderem bei dem Schriftsteller Rudolf Herzog in der Oberen Burg. Eine nennenswerte Beute machten die Diebe hierbei zwar nicht, aber bei weiteren Einbrüchen in einer Villa am Rhein und ein paar Tage später bei einem Haus in Unkel  wurde silbernes Besteck erbeutet. Im Februar 1938 kam es zudem in der Rheinbreitbacher Marmeladenfabrik zu einem Einbruch, bei welchem jedoch nichts entwendet wurde, da die Einbrecher von den Einwohnern gestört wurden.
Bei Verbrechen dieser Art blieb es in Rheinbreitbach jedoch nicht. Ab September 1935 wurde durch den Ortsgemeinderat von Rheinbreitbach verkündet, dass kein Jude mehr nach Rheinbreitbach ziehen dürfe und jedem, der in irgendeiner Weise mit Juden verkehre, keinerlei Unterstützung von der öffentlichen Hand bekommen werde. Kritik an der neuen NS-Führung wurde nicht geduldet. Aus dieser Gemütslage heraus entstanden gerade in Rheinbreitbach zwei Gerichtsprozesse. Ein Prozess befasste sich mit der Beleidigung des Ortsgruppenleiters der NSDAP in Rheinbreitbach. Der Angeklagte (und später verurteilte) J.K. wurde zu einem Monat Gefängnishaft verurteilt. Ähnlich erging es einem jungen Mann aus Rheinbreitbach, der sich über bestimmte Amtsträger in der Kreisverwaltung ausgelassen hatte. Beide Beispiele zeigen, dass es trotz der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten im Januar 1933 immer noch Menschen im Ort gab, die ihre eigene Meinung offen gegen die Amtshaber der NSDAP aussprachen. 

In Rheinbreitbach und Umgebung gab es aber auch schwere Schicksalsschläge und Dramen genau wie es sie heutzutage ebenfalls immer wieder vereinzelt gibt. Zum Beispiel verunglückten von der Erpeler Ley (vermutlich wegen fehlender Sicherheitsvorkehrungen) mehrere Kinder, die von den Spitzen des Felsens in die Tiefe hinabstürzten.[Anm. 10]

Besondere Aufmerksamkeit erlangte auch eine nicht öffentliche Gerichtsverhandlung vom 13. März 1935. Der Angeklagte E.L. aus Rheinbreitbach wurde hierbei von der Strafkammer Neuwied zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, weil er mit zwei minderjährigen Schülerinnen unzüchtige Handlungen vorgenommen habe. Auch ein schwerer Unfall vom Bootsanleger in Rheinbreitbach (heute am Campingplatz Salmenfang) wurde vor dem Gericht in Linz am Rhein verhandelt. Konkret zog sich hierbei eine Frau einen doppelten Beinbruch durch einen Sturz zu, der vermutlich durch die fehlende Ausleuchtung der Landebrücke in Rheinbreitbach verursacht wurde. Ausschlaggebend soll eine Kette gewesen sein, über welche die Frau im Dunkeln gestolpert sein soll. Das Gericht wollte nun klären, wer dafür haftbar gemacht werden sollte (Ortsgemeinde Rheinbreitbach oder der Verkehrs- und Verschönerungsverein).

Doch auch ein schwerer Unfall in der katholischen Volksschule im Juli 1935 und ein Selbstmord eines Bürgers im August 1934 sorgten im Ort für Gesprächsstoff. Eine Besonderheit stellte auch der Vorfall dar, wo ein Sohn regelmäßig seine Mutter verdrosch und dafür zu 200 Mark Strafe verurteilt wurde. Besonders schlimm galt der Verdacht einer zugezogenen Mutter das eigene Kind ermordet zu haben. Bei all diesen Fällen (besonders wo es um Verhaftungen und Verurteilungen geht) muss jedoch immer im Hinterkopf behalten werden, dass die neuen Machthaber mit Absicht unliebsame Personen mit teilweise an den Haaren herbeigezogenen Begründungen einsperrten. Gleichzeitig wurden natürlich tatsächliche Verbrechen öffentlich ausgeweitet, um zu zeigen, dass die neuen Machthaber auch hart gegen Verbrecher jeglicher Art vorgingen (so wie sie es immer propagiert hatten).  Sonderbar erscheint daher ein Fall, in dem ein Rheinbreitbacher aus der Amtskasse zuerst 40 Mark und danach 120 Mark aus der Pensionskasse unterschlagen hat. Für diese Straftaten erhielt er jedoch lediglich 4 Monate Haft und es wurde besonders betont wie milde das Gericht geurteilt hätte, da der Angeklagte ja noch ein junger Mensch sei.[Anm. 11]

0.4.Die wirtschaftliche Entwicklung Rheinbreitbachs

Wirtschaftlich entwickelte sich Rheinbreitbach und die Region in der Zeit des Nationalsozialismus stetig weiter. Durch die groß angelegten Kredite des dritten Reiches, die vornehmlich auf die Einrichtung einer autarken Kriegsindustrie ausgerichtet waren, wurde in Rheinbreitbach und der Amtsbürgermeisterei Unkel vor allem die Landwirtschaft gefördert. Hierzu zählen unter anderem die Anlegung neuer Weinbergs- und Landschaftswege (in Rheinbreitbach die heutigen Betonwege im Mühlenweg) und die Einrichtung von Spritzbrühmischanlagen zur Herstellung von Düngemitteln.[Anm. 12]

In Rheinbreitbach wurden unter anderem 1938 durch Staatszuschüsse auch bisher unfruchtbare Böden wieder fruchtbar gemacht, um dem Mangel an landwirtschaftlichen Böden für die Bevölkerung entgegen zu wirken. Organisiert wurde diese Maßnahme durch den Bodenverbesserungs- und Weidenverein von Rheinbreitbach. Zwei Jahre zuvor wurde im Jahre 1936 eine neue und ertragreichere Erdbeersorte in Rheinbreitbach eingeführt. Hierfür wurden über 100.000 Erdbeerpflanzen der Sorte „Rotkäppchen“ kostenlos an die (Klein-)Bauern in Rheinbreitbach durch den Kreisgartenbauinspekteur Hermann Grill aus Linz verteilt. Ziel dieser Maßnahme war es, dass die Bauern einen höheren Ernteertrag bei den ortsansässigen Konservenfabriken abliefern konnten.[Anm. 13]  

Insgesamt spielte die Land- und Forstwirtschaft in der Amtsbürgermeister Unkel und in Rheinbreitbach eine große Rolle. Die Menschen lebten als Kleinbauern von den Erträgen der Felder, sodass Krankheiten oder Wildschäden an den Pflanzen auch Auswirkungen auf die Ernährung (und somit auch auf die Zufriedenheit) der Bevölkerung hatte. Im Mai 1934 breitete sich zum Beispiel in Rheinbreitbach der Borkenkäfer in den Fichtenwäldern und den Obstbaumplantagen aus. Ein Problem, welches wir heute immer noch kennen und Einbußen bei der Holz- und Obsternte bedeutete. Zusätzlich brach in Rheinbreitbach in diesem Jahr die Monilia Krankheit aus, die die Baum- und Astspitzen absterben ließ. Hier waren vor allem Plantagen rund um die alte Ziegelei betroffen.[Anm. 14]

Wie wichtig der landwirtschaftliche Zweig für die Rheinbreitbacher war, lässt sich auch an einem Gerichtsprozess des Baumschulenbesitzers Albert Abendroth nachvollziehen. Dieser hatte einen Schaden von 470 Mark erlitten, weil Wildtiere (vermutlich Wildschweine) seine Plantage verwüstet hatten. Bei einer Begutachtung durch die Ortsgemeinde Rheinbreitbach und die Polizei wurde festgestellt, dass er es unterlassen hatte, einen Abwehrzaun zu errichten und somit selbst Schuld an seiner Lage sei. Abendroth verklagte hierauf die Jagdgenossenschaft Rheinbreitbach, da diese ihrer Pflicht nicht nachgekommen sei die Wildtiere abzuschießen. In erster Instanz wurde Abendroth zum Teil Recht gegeben und die Jagdgenossenschaft musste die Hälfte der Kosten (235 Mark) zahlen. Da die Jagdgenossenschaft und auch Abendroth sich hiermit nicht zufrieden gaben, legten beide Parteien Revision gegen das Urteil ein. Diese endete vor dem Oberverwaltungsgericht und sprach Abendroth die volle Entschädigungssumme von 470 Mark zu. Begründet wurde dies unter anderem damit, dass die Jagdgenossenschaft bei einem ähnlichen Wildschaden dem Besitzer die volle Summe erstattet hatte.[Anm. 15]

Welche besondere Rolle die Landwirtschaft in Rheinbreitbach (und auch in der Blut und Boden Ideologie der Nationalsozialisten) spielte, lässt sich gut an der Einrichtung des Landjahrlagers im ehemaligen Haus Hubertus in Rheinbreitbach nachvollziehen. Das ehemalige Haus Hubertus stand einst an der Stelle der heutigen Volksbank von Rheinbreitbach. In diesem wohnte bis zum Jahre 1933 der NS Landrat Dr. Rudolf Reppert. Nachdem dieser Landrat geworden war, baute er sich in der Rheinblickstraße eine große und prächtige Villa, die bis heute noch existiert. Das Haus Hubertus vermietete er zuerst nach Renovierungsarbeiten an die Landjahrjugend 1935 bevor er es letztlich ganz an diese verkaufte. Die Landjahrjugend war dabei eine besondere, arbeitspolitische Maßnahme für Jugendliche zwischen 14 und 15 Jahren, die die 8. Klasse abgeschlossen hatten, keine Arbeitsstelle fanden und dennoch eine sinnvolle Tätigkeit in der Landwirtschaft finden sollten. Die Idee für diese (freiwillige) Maßnahme stammte dabei aus der Weimarer Republik und sollte auch Begeisterung bei den Jugendlichen für landwirtschaftliche Berufe fördern. Ab 1933 wurde diese Idee des Landjahrlagers jedoch pervertiert. Jeder Jugendliche von 14 bis 21 Jahren (teilweise auch bis 25 Jahren) musste das Landjahrlager besuchen und als Landarbeiter bzw. Erntehelfer seinen Dienst für einen sehr geringen Lohn ableisten. Die Landjahrlager waren dabei auch politische Erziehungsanstalten und bereiteten die Jugendlichen auf den Wehrdienst vor. So wurden die männlichen Jugendlichen in ihrer Dienstzeit vormilitärisch ausgebildet und im Schwimmen, Leichtathletik und Boxen unterrichtet. Weitere Fächer waren Werkarbeit, Arbeit im Lager, im Garten und beim Bauern. Gerade die militärische Ausbildung der Jugendlichen spiegelte sich im Wachdienst, Appellen, Ordnungsübungen und dem Einüben von Paraden wieder. Besonders herausragende Jugendliche bekamen sogar die Chance in eine nationalpolitische Erziehungsanstalt (kurz: Napola) zu kommen. Eine interessante Anekdote aus dem Jahre 1937 bietet hier der Besuch des Landjahrlagers von Rheinbreitbach, die mit dem Schiff nach Bad Godesberg fuhren, um dem Führer Adolf Hitler in Bonn-Bad Godesberg (wahrscheinlich Hotel Dreesen) einen kräftigen Marsch zu spielen. Als Belohnung gab es vom „sichtlich erfreuten Führer“ 200 Reichsmark und anerkennende Worte.[Anm. 16]

Anders hingegen wurden weibliche Jugendliche im Landjahr erzogen. Sie wurden in Gymnastik, Leichtathletik, Schwimmen, Spiel und Tanz unterrichtet. Beruflich wurden sie in den Bereichen Küchenarbeit, Hausarbeit, Wäschepflege, Nähen und Flicken, Gartenarbeit und Hilfe im Dorfkindergarten weitergebildet. Ein neuer Dorfkindergarten (bei welchem die Landmädel sicherlich auch zum Einsatz kamen) wurde mit 21 Kindern in Rheinbreitbach im Mai 1938 geschaffen. Der Standort des Kindergartens ist in dem entsprechenden Artikel nicht überliefert worden. Gerade die berufliche Ausbildung der Mädchen zeigt, welche Rolle die Nationalsozialisten von der zukünftigen „deutschen Frau“ erwarteten. Kinder erziehen und den Haushalt führen.[Anm. 17]

Das Landjahrlager für Mädchen und Jungen darf dabei nicht mit dem Reichsarbeitsdienst verwechselt werden, zu welchem ebenfalls zahlreiche junge Männer und Frauen eingezogen wurden. Die beiden Instanzen konkurrierten miteinander, was ganz im Sinne der nationalsozialistischen Idee war. Wenn zwei Institutionen sich streiten, hat die dritte Vereinigung die Kontrolle über die beiden anderen Organisationen. Ähnliche Vorgänge kennen wir bereits aus der Konkurrenz zwischen SA/SS und der Wehrmacht im dritten Reich. Beide Organisationen wurden dabei immer wieder von Hitler selbst gegeneinander ausgespielt. Im kleineren Maßstab passierte dies auch zwischen Reichsarbeitsdienst und Landjahrdienst. Später kam auch noch das Pflichtjahr als konkurrierende Instanz hinzu. Alle Maßnahmen im Landjahrlager hatten jedoch das Ziel die Jugendlichen für die Landwirtschaft zu begeistern und sie auch auf dem Land zu halten. Hintergrund war dabei, dass ausreichend Bauern (vor allem in der Kriegszeit) die deutsche Bevölkerung ernähren sollten. Der Ausbau der Landwirtschaft in Rheinbreitbach (auch mit Hilfe des Landjahrlagers) passt somit ganz ins Bild des Nationalsozialismus. 

Neben der oben erwähnten Landwirtschaft stellte die Viehzucht einen wichtigen Wirtschaftszeig in Rheinbreitbach dar. Im Dezember 1934 gründete sich daher in Rheinbreitbach ein zweiter Viehzuchtverein unter Anleitung des Landrates Reppert, dem Kreisbauernführer Heinemann, dem Bürgermeister Hartdegen (Unkel) und dem Kreisbaumeister Heinemann. Ziel der neuen Viehzuchtgenossenschaft war es ein ca. 30 Morgen großes Grundstück hinter der Ziegelei „Im Rohren“ für Rinder der Westerwälder Rasse fruchtbar zu machen. Hierfür schlossen sich direkt 12 Landwirte zusammen, um dieses Projekt umzusetzen. Was aus dem ersten Viehzuchtverein in Rheinbreitbach aus dem Jahre 1924 geworden ist, lässt sich nur erahnen. Sicherlich dürfte er bis zur gesellschaftlichen Gleichschaltung aller Vereine im Jahre 1934 noch existiert haben. Sonderbar erscheint es jedoch, dass eine neue Viehzuchtgenossenschaft dann Ende des Jahres von den Nationalsozialisten angestoßen wurde und im März 1935 (vor allem für die Kleinbauern der Ortsgemeinde) umgesetzt wurde. Warum die erste Viehzuchtgenossenschaft aufgelöst wurde, um danach eine neue Genossenschaft zu gründen, lässt sich nicht mehr sicher beantworten. Eventuell spielte die politische Einstellung der Amtsträger in der vorangegangenen Viehzuchtgenossenschaft eine Rolle.[Anm. 18]

Sparkassenbücher boten den Menschen die Möglichkeit ihre täglichen Geschäfte abzuwickeln.[Bild: Heimatarchiv Rheinbreitbach 1C8]

Um neben dem Erwerb als Kleinbauer oder Viehzüchter lokale Arbeitsplätze zu schaffen, wurden zahlreiche Infrastruktur- und Wirtschaftsprojekte in der Zeit des dritten Reiches umgesetzt. Eine der ersten Maßnahmen im April 1934 stellte in Rheinbreitbach die Wiedereröffnung der alten Ziegelei dar (an der heutigen Westerwaldstraße gelegen). Durch Kredite der Kreissparkasse Neuwied konnten 24 Arbeiter eingestellt werden und hatten somit einen sicheren Arbeitsplatz. Im selben Jahr eröffnete im September zudem die Kreissparkasse eine eigene Bankfiliale in Rheinbreitbach in den Geschäftsräumlichkeiten des Johannes Klein. Dies bedeutete für die Rheinbreitbacher täglich von 15 bis 17 Uhr finanzielle Geschäfte direkt vor Ort abwickeln und Kredite aufnehmen zu können. Auch ein eigenes (Lohn-)Konto bei der Kreissparkassenfiliale vor Ort war somit besser möglich.[Anm. 19]  

Verkehrstechnisch wurde neben den Umgehungsstraßen auch an einer Verbesserung des Schienennetzes gearbeitet. Seit vielen Jahren schon hatte die Ortsgemeinde Rheinbreitbach immer wieder angefragt, ob es nicht möglich sei in der Höhe des Mühlenweges an den Bahngleisen eine Haltestation einzurichten. Diesem Ansinnen wurde im April 1935 eine endgültige Absage erteilt. Der Grund hierfür lag (wie leider heute auch) in dem zu geringen Abstand zum Bahnhof Bad Honnef und Unkel. Gleichzeitig sorgten die neuen Machthaber jedoch dafür, dass die alte Fährverbindung im Februar 1935 wieder nach Oberwinter eingerichtet wurde. Von dort aus konnten Arbeiter und Geschäftstreibende vom Bahnhof Rolandseck direkt zu den großen Industriegebieten von Köln und Koblenz gelangen. Auch die Neueinrichtung einer Zugverbindung vom Bahnhof Unkel aus über die fertiggestellte Ludendorffbrücke ins Ahrtal und die Öffnung der Eisenbahnbrücke für Fußgänger und Fahrradfahrer schaffte den Menschen vor Ort die Möglichkeit weiter entfernte Arbeitsplätze anzunehmen. Gerade der Bahnhof in Unkel blühte zu dieser Zeit auf, in dem neue Büro- und Laderäumlichkeiten zur Warenabwicklung geschaffen wurden.[Anm. 20]

0.5.Tourismus, Vereine und besondere Ereignisse in Rheinbreitbach

Aber auch touristisch entwickelte sich der Rheinort Rheinbreitbach weiter und sicherte somit den Einwohnern als Vermieter von Gastzimmern oder als Gastwirt gute Nebeneinnahmen. Um den Ort zu bewerben, schaltete der Verschönerungsverein von Rheinbreitbach verschiedene Anzeigen und Artikel und ließ im März 1935 sogar einen eigenen Werbeflyer für den Luftkurort Rheinbreitbach drucken. Diesen verschickte der Verein deutschlandweit an alle Tourismusbüros. Dass diese Anstrengungen (die auch andere Ortschaften wie Unkel unternahmen) durchaus Früchte trugen, lässt sich an einem Artikel aus dem Jahre 1937 ableiten. Dort wird beschrieben, dass verschiedene KdF Züge (Kraft durch Freude Züge) in den Kreis Neuwied und die Amtsbürgermeisterei Unkel kamen. Die Besucher stammten dabei aus Sachsen, der Kurmark, Westfalen und Hannover. Im August 1939 wurde sogar eine Verdoppelung der Besucherzahlen in der Stadt Unkel verkündet. 

Als Anmerkung muss hier jedoch gemacht werden, dass für viele Besucher eine Urlaubsfahrt mit der KdF eine der ersten Urlaubsausflüge überhaupt in ihrem Leben und ein Teil eines ausgeklügelten Planes der NS-Machthaber war. Ziel war es dabei, die Menschen von dem neuen System und seinen Errungenschaften zu überzeugen und einzunehmen.[Anm. 21]

Doch neben der positiven Entwicklung in der Lokalwirtschaft, deren Grundlagen zum Großteil bereits in der Weimarer Republik gelegt worden waren, verlief das gesellschaftliche Alltagsleben genau so weiter wie vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten auch. Sonderbarerweise schaffte es sogar ein Verein in Rheinbreitbach trotz der Gleichschaltung 1933 ein dem äußeren Anschein nach „normales“ Vereinsleben weiterzuführen. Hierbei handelte es sich um den rührseligen Verkehrs- und Verschönerungsverein von Rheinbreitbach, der aller Wahrscheinlichkeit nach nur überlebte, da er sich mit den NS-Machthabern arrangierte und zahlreiche Prestigeprojekte für den Ort umsetzte. Hierzu zählte unter anderem im August 1933 die feierliche Errichtung und Einweihung eines Gedenksteines für die Abwehr der rheinischen Separatisten. Der ehemalige Brunnen neben der heutigen Leonarduskapelle wurde dabei zu einer Steinsäule umgebaut, auf der eine Bronzetafel mit der Inschrift „Hier begann am Vorabend des 15 November 1923 die Separatistenschlacht im Siebengebirge“ angebracht wurde.

Diese Inschrift und auch die feierliche Eröffnung mit paramilitärischen Ehren passten ganz in das neue Selbstverständnis der nationalsozialistischen Machthaber. Die „Abwehrschlacht im Siebengebirge“ wurde somit zu einem Symbol umgedeutet, bei welchem (angeblich) nationalgesinnte Kräfte die Abspaltung des Rheinlandes von Deutschland verhindert hätten. Wer die Hintergründe jedoch sachlich einmal betrachtet, wird schnell feststellen, dass diejenigen, die sich gegen die Separatisten stellten vor allem den Schutz des Eigentums und die Wiederherstellung einer öffentlichen Ordnung im Sinne hatten. Die berechtigte Angst vor separatistischen Plünderungen, wie sie unter anderem in Linz am Rhein stattgefunden hatten, war in den Köpfen der Verteidiger fest verankert.[Anm. 22]

Doch der Verkehrs- und Verschönerungsverein organisierte auch noch weitere Projekte zum Wohle des Ortes. Er pflegte unter anderem das Koppelplateau und errichtete dort die bis heute existierende Aussichtsplattform aus Bruchstein. (27. Januar 1934 HVZ)
Zudem eröffnete er erfolgreich mit Hilfe von öffentlichen Geldern ein Waldschwimmbad, welches sich in kürzester Zeit großer Beliebtheit in der Region erfreute. Weitere Planungen sahen vor, dass das Bad als Heilbad ausgebaut wird, wo Augenkrankheiten behandelt werden könnten.

Neben dem Schwimmbad kümmerte sich der Verschönerungsverein auch um den Abriss der alten Ölmühle, deren Ruinen seit über 20 Jahren am heutigen Gesindehaus der Unteren Burg verrotteten. Die Mühle war vor dem 1. Weltkrieg abgebrannt. Eine Besonderheit stellte auch die erfolgreiche Einrichtung der alten Fährverbindung zwischen Oberwinter und Rheinbreitbach vom 01. April bis 01. Oktober eines Jahres dar. Hierdurch verbesserte sich vor allem im Sommer der Personenverkehr zwischen den beiden Rheinseiten (auch, um die Zugverbindungen vom Bahnhof Rolandseck nach Bonn und Koblenz zu nutzen).[Anm. 23]

Weitere einschneidende Ereignisse und Feierlichkeiten betreffen vor allem lokale Würdenträger und markante Gebäude. Zum Beispiel stirbt der ehemalige Bürgermeister von Unkel und Reichstagsabgeordnete Gustav Biesenbach im Oktober 1934. Er lebte bis zum Schluß in seiner Villa in der Hauptstraße 8 (heutige Parkstraße) und war einer der letzten verbliebenen Politiker der Zentrumspartei. Mit seinem Tod starb auch ein Stück der (teil)demokratischen Strukturen des Kaiserreichs und somit eine potentielle Symbolfigur gegen das amtierende NS-Regime.[Anm. 24]

Auch die Feierlichkeiten zum silbernen Priesterjubiläum des Pfarrers Ermert in Rheinbreitbach stellen einen wichtigen Symbolakt dar. Es zeigt, wie fest der christliche Glaube trotz des unreligiösen NS-Regimes in Rheinbreitbach verankert war und welche Stellung der örtliche Pfarrer bei den Gläubigen nach wie vor hatte. Mündliche Überlieferungen besagen, dass gerade Pfarrer Ermert immer wieder mit den lokalen NS-Machthabern oder NS-Sympathisanten aneinander geriet. Dies zeigt auch die Geschichte rund um den verlorenen Brunnenengel vom Kirchplatz. Auch wurden die Predigten von Pfarrer Ermert (wie von vielen anderen Pfarrern auch) überwacht. Die jungen Christen, die zum Beispiel nicht zur Hitlerjugend wollten oder Messdiener waren, wurden mit allen Mitteln drangsaliert und genötigt nicht zur Kirche zu gehen. Auch die Sanierung und Instandsetzung der Leonarduskapelle zeigt, dass die örtlichen Christen bereit waren öffentlich etwas für ihren Glauben und die christliche Gemeinde zu investieren.[Anm. 25]

Welche besondere Bedeutung Rheinbreitbach in der Zeit des Kaiserreichs und des Nationalsozialismus durch Rudolf Herzog zukam, lässt sich durch die Todesanzeige des General Litzmann erkennen. General Litzmann, ein hochdekorierter Infanteriegeneral des 1. Weltkrieges, war öfters bei Rudolf Herzog zu Besuch. Dies rührte durch die alte „Kriegsfreundschaft“ der beiden Männer her. Litzmann war ein erklärter Gegner der Weimarer Republik, war zum Schluss NSDAP Abgeordneter im preußischen Landtag sowie im Reichstag gewesen und überzeugter Anhänger von Adolf Hitler, den er als großen Führer der Nation sah. Über seinen Tod im Mai 1936 wurde ausgiebig in den lokalen Zeitungen berichtet und zahlreiche Rheinbreitbacher kannten ihn als Symbolfigur aus Kriegszeiten. Litzmann war nur einer von vielen Besuchern des Schriftstellers Rudolf Herzog, die mit den NS-Machthabern sympathisierten.[Anm. 26] 

Eine weitere Möglichkeit das öffentliche Leben durch die NS-Machthaber zu beeinflussen war die Sanierung von geschichtsträchtigen Bauten und deren politische Instrumentalisierung. Ein herausragendes Beispiel stellen hier die Sanierungsarbeiten an der Unteren Burg von Rheinbreitbach dar. Durch Fördergelder des Provinzialkonservators der Rheinprovinz sowie der Kreissparkasse Neuwied sollte das aus dem Jahre 1620 stammende Jagdschlösschen saniert werden (erst später fand man heraus, dass die Burg aus dem 13. Jahrhundert stammt). Die Untere Burg, welche zusehends dem Verfall preisgegeben war, entwickelte sich in der Bevölkerung zu einem „Schandfleck“. Durch die Sanierung der Burg (die wohl zeitweise auch als Treffpunkt der Hitlerjugend dienen sollte) kam der Nationalsozialismus seinem Anspruch der Pflege des Deutschtums nach, welche sich in den alten mittelalterlichen Burgen ebenfalls widerspiegelte und ideologisch genutzt werden sollte. Doch in der Realität wurde die Burg nur teilweise instandgesetzt. Durch den Zweiten Weltkrieg fehlte es an Baumaterial und Arbeitskräften, sodass die Burg nach dem Krieg immer weiter zerfiel. Letztlich stürzte der ehemalige Bergfried nach vorne in den Anbau der Burg. Die stehen gebliebenen Ruinen wurden später von einem Traktor eingerissen.[Anm. 27]

0.6.Rheinbreitbach im 2. Weltkrieg

Als am 1. September 1939 mit dem Beschuss der Westerplatte bei Danzig durch das Linienschiff „Schleswig-Holstein“ der Zweite Weltkrieg ausbrach, war die Freude in Rheinbreitbach alles andere als groß. Die ältere Generation hatte bereits im 1. Weltkrieg gekämpft und lediglich die jüngere Generation konnte dem ausgebrochenen Krieg etwas Abenteuerliches abgewinnen. Gerade junge Männer, die als Soldaten nach Afrika, Russland oder Paris zogen, kamen das erste Mal in ihrem Leben aus dem häuslichen und dörflichen Umfeld heraus. Welch hohen Preis diese dafür zu zahlen hatten, zeigte sich an den verlustreichen Schlachten und dem Grauen des Zweiten Weltkrieges. Rationierungen in der Heimat waren an der Tagesordnung, genauso wie der Motorendonner der alliierten Bomber, die ihre tödliche Fracht Tag und Nacht auf die Großstädte herniederregnen ließen. Das Heulen der Fliegersirene wurde mit dem Fortschreiten des Krieges zu einer immer häufiger zu hörenden Maßnahme. Je mehr Bomben fielen, desto lauter wurden die Durchhalteparolen des NS-Regimes gebrüllt. Immer mehr Menschen kamen durch die Kriegsereignisse ins Denken und veränderten ihre Meinung zum dritten Reich und zu Hitler als Führerfigur. Um ein konservatives und christliches Deutschland wieder zu begründen, wagten daher am 06. Juni 1944 mehrere Wehrmachtsoffiziere ein Attentat auf Hitler, bei welchem auch ein Abkömmling aus Rheinbreitbach beteiligt war. Es handelte sich hierbei um den Juristen und Reserveoffizier Randolph von Breidbach-Bürresheim. Dieser stammte aus der Adelslinie derer von Breitbach ab, dessen Familiengeschichte eng mit der Unteren Burg von Rheinbreitbach seit dem Mittelalter verbunden ist. Als Randolph von Breidbach-Bürresheim begann die Verbrechen der Wehrmacht in Russland aufzuschreiben und zu dokumentieren, wurden diese Berichte bei einer Durchsuchung der Gestapo in einer Kanzlei aufgefunden. Grund der Durchsuchung war das fehlgeschlagene Attentat auf Hitler von Canaris, Oster und Klaus Bonhoeffer. Nach der Durchsuchung wurde Randolph verhaftet und kam nach dem gescheiterten Stauffenberg-Attentat auf Hitler als verdächtiger Mittäter in das KZ Sachsenhausen. Dort starb Randolph am 13. Juni 1945 an Tuberkulose. Rheinbreitbach hat bis heute dieser Persönlichkeit keine Erinnerung in Form einer Straßenbenennung zuteilwerden lassen. Die Geschichten vom Ritterkreuzträger aus Rheinbreitbach, der als „Wehrmachtsheld“ in Russland mehrere Panzer abgeschossen hat, halten sich indes lebhaft in der Bevölkerung.[Anm. 28]   

Die Zivilbevölkerung in Rheinbreitbach bekam die von Randolph von Breitbach beschriebenen Schrecken des Krieges erst teilweise am Ende des Zweiten Weltkrieges hautnah zu spüren. Nachdem die Wehrmacht ihren Mythos der Unbesiegbarkeit in der Schlacht von Stalingrad verloren hatte und die Alliierten an allen Fronten (u.a. durch die Landung in der Normandie 1944) vorrückten, kamen die Amerikaner im März 1945 an den Rhein. Dort fanden sie zu ihrer eigenen Überraschung die Ludendorffbrücke zwischen Remagen und Erpel unversehrt vor und nahmen diese am 07. März 1945 gegen den Widerstand weniger deutscher Kräfte ein. Ein amerikanischer Brückenkopf bildete sich auf der Erpeler Seite, von welchem aus in den Westerwald, nach Bad Honnef und nach Linz am Rhein vorgestoßen werden konnte. Um ungehindert und mit möglichst wenigen Verlusten durch die Ortschaften vorrücken zu können, bombardierten die Amerikaner und Briten immer wieder im Vorfeld die Ortschaften, was zu zahlreichen Toten unter der Zivilbevölkerung führte. In Scheuren (einem heutigen Ortsteil von Unkel) konnte von einer Familie, dessen Haus von einer Bombe am 02. März 1945 voll getroffen worden ist, nur noch die zerstückelten Leichen geborgen werden.[Anm. 29]

Am gleichen Tag flogen die Engländer vormittags einen Fliegerangriff auf den Südteil von Rheinbreitbach und nachmittags bombardierten sie den Nordteil Rheinbreitbachs Richtung Bad Honnef. Hierbei explodierte eine Luftmine beim Haus in der Sonne. Diese forderte mehrere Todesopfer. Lediglich ein französischer Zwangsarbeiter überlebte, da er sich rechtzeitig auf den Boden warf und sein Gesicht in die Erde presste, um das Platzen der Lungen zu verhindern. 

Gleichzeitig kämpfte die Wehrmacht weiter, um den Amerikanern etwas entgegen zu setzen. Den Wehrmachtsberichten zufolge, versuchten Pioniere ein Eisenbahntrajekt bei Rheinbreitbach und Oberwinter zu bauen. Vermutlich sollte hier versucht werden den Nachschub auf die andere Rheinseite bzw. der unkoordinierte Rückzug der deutschen Armee von der Westfront sicher zu stellen. Dieses Projekt erledigte sich jedoch spätestens mit der Einnahme der Ludendorffbrücke durch die Amerikaner am 07. März 1945. Einheimische berichteten, dass die Wehrmacht zu diesem Zeitpunkt ein zusammengewürfelter Haufen von Soldaten gewesen ist, der den Amerikanern nichts mehr groß entgegen setzen konnte. Die Uniformen waren verdreckt und zerrissen. Die Männer ungepflegt, hungrig und demoralisiert. Sofern noch Geschütze oder Fahrzeuge vorhanden waren, wurden diese von Kühen oder den Soldaten selbst gezogen.[Anm. 30]

In der Nacht vom 6. auf den 7. März 1945 lag Rheinbreitbach unter schwerem Artilleriebeschuss durch amerikanische sowie deutsche Artillerie. Viele Häuser im historischen Ortskern wurden in Rheinbreitbach schwer beschädigt (u.a. die Kirche, die Kapelle, das Schulhaus, die Häuser Steeg (Margarethenhof), Waldorfhof, die Obere Burg uvm.) Ab diesem Zeitpunkt wurden auf direkten Befehl des Landrates Dr. Reppert sämtliche Geheimakten der Amtsverwaltung in Unkel vernichtet. Sonderbarerweise überlebte das Rheinbreitbacher Ratsbuch aus dieser Zeit die Vernichtung durch die Nationalsozialisten. In Unkel-Scheuren versuchten währenddessen versprengte deutsche Truppen Stellungen auszuheben, um die bald anrückenden Amerikaner aus Erpel aufzuhalten.[Anm. 31]

Am darauffolgenden Tag, dem 08. März 1945, kam in Rheinbreitbach ein motorisiertes Pioniersturmregiment der Heeresgruppe B aus Düsseldorf an. Das Regiment kam von der Pionierkampfschule in Wahn und teilte sich in zwei Bataillone auf. Kommandiert wurden die beiden Abteilungen vom dem 27-jährigen Major Heinz Bödicker aus Eschwege. Das 1. Bataillon rückte nach Hohenunkel vor, um dort seinen Gefechtsstand einzurichten. Das 2. Bataillon marschierte gegen Scheuren, um dort die ausgehobenen Stellungen zu besetzen. Aus ungeklärten Gründen zogen sich die Soldaten jedoch relativ schnell wieder zu ihrem Gefechtsstand in Rheinbreitbach zurück. Gerade gegen Abend des 8. März begehrten zahlreiche Soldaten bei den Einwohnern Einlass, um dort erschöpft und mutlos in einen tiefen Schlaf zu fallen.[Anm. 32]

In der Nacht auf den 9. März 1945 versuchte ein Offizier in Rheinbreitbach sich die Umgebung am Rhein zeigen zu lassen, um dort die Amerikaner zurückschlagen zu können. Sonderbarerweise wusste dieser jedoch anscheinend noch nicht, dass die Amerikaner bereits am 7. März über den Rhein gekommen waren und auch motorisierte Boote auf dem Rhein zum Übersetzen nutzten. Ein Einwohner von Rheinbreitbach überzeugte daher den Leutnant, dass es sinnlos sei eine Verteidigung am Rheinufer zu errichten. Dieser Meinung schloss sich auch der örtliche Volkssturm an, der es als sinnlos ansah gegen die Übermacht der anrückenden Amerikaner zu kämpfen. Dennoch wurden sämtliche Männer (auch minderjährige Jungen) am folgenden Tag zum Dienst in die Wehrmacht „einberufen“. Alles deutete darauf hin, dass es einen schweren Kampf um den Ort Rheinbreitbach geben würde. Aus diesem Grund zog sich die Bevölkerung in eigens gegrabene Bunker (wohl eher Erdlöcher) unter den Koppelberg zurück.[Anm. 33]

Die führenden NS-Lokalgrößen wie der in Rheinbreitbach lebende Landrat Dr. Reppert sowie der Ortsbauernführer Weitze hatten sich zu diesem Zeitpunkt schon aus Rheinbreitbach verabschiedet. Dr. Reppert hatte sein Büro schon vorzeitig nach Datzeroth verlegt. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Flucht des Ortsbauernführers Weitze, der einen Wagen voller Lebensmittel sowie seine Kinder und Eltern mitnahm, jedoch seine Frau allein zurückließ. Weitze kehrte erst am 14. Mai 1945 wieder in den Ort zurück, da er gemerkt hatte, dass die Entnazifizierung durch die Amerikaner noch nicht begonnen hatte. Seine Hoffnung war vermutlich, dass er unbehelligt aus der ganzen Sache herauskam. Später musste er sich jedoch wie der NS-Landrat Dr. Reppert vor einem Gericht verantworten.[Anm. 34] 

Doch bevor die Entnazifizierung nach dem Zweiten Weltkrieg beginnen konnte, mussten die Amerikaner zuerst in Rheinbreitbach einmarschieren. Dies geschah am 9. März 1945 zwischen 10 und 13 Uhr, indem mehrere Infanteristen und ein Sherman Panzer nach Rheinbreitbach einrückten. Die amerikanischen Panzer sowie die Infanteristen kämpften sich vom Rhein aus nach Rheinbreitbach unter schwerem Gewehr-und Maschinengewehrfeuer vor und nutzten die Rheinstraße als Tor in den Innerort. Dort schoß  auf Höhe der Rheinstraße 57 ein amerikanischer Panzer auf deutsche Einheiten am Koppelhang.[Anm. 35]

In Rheinbreitbach stießen die Amerikaner nur auf wenig Widerstand. Das Pionierregiment, was Rheinbreitbach verteidigen sollte, zog sich am frühen Morgen aus Hohenunkel zurück. Major Bödicker, der mit seinem Fahrer zu einem Panzerdurchbruch fahren wollte, wurde auf Höhe der Kirche (vermutlich an der Leonharduskapelle) von einem Panzer abgeschossen und schwer verwundet. Daraufhin begann ab 12 Uhr Mittag der Rückzug des Pioniersturmregiments nach Bad Honnef. Hierbei starben im Wald bei Rheinbreitbach drei deutsche Soldaten und eine Reihe von amerikanischen Panzern bezogen Stellung Richtung Bad Honnef, um dort die Frontlinie zu halten. Mündliche Überlieferungen besagen, dass beim Durchzug der Amerikaner im Innerort an der Ecke Rheinstraße/Hauptstraße auch ein Hitlerjunge oder Wehrmachtssoldat gefallen sei. Dieser hatte versucht, einen amerikanischen Panzer mit einer Panzerfaust abzuschießen, der seinen Weg in den Innerort suchte. Seine Leiche wurde als Abschreckung mehrere Tage dort öffentlich liegen gelassen. Zudem belegen andere Quellen weitere Tote rund um Rheinbreitbach wie den Tod eines jungen Ritterkreuzträgers und den Abschuss eines Panzer IV auf Höhe des heutigen Fußballplatzes.[Anm. 36] 

Nach dem Durchzug der Amerikaner wurde am Rhein für mehrere Tage ein amerikanischer Flugplatz eingerichtet. Von dort wurden Verwundete mit Gleitflugzeugen ausgeflogen. Die Bevölkerung von Rheinbreitbach musste für die Einquartierung von Soldaten teilweise ihre Häuser räumen und bekam (solange die Kämpfe andauerten) eine Ausgangssperre. In dem Haus Ecke Grendel/Schulstraße (Haus Helene) wurde eine amerikanische Funkstation eingerichtet, da von dort aus die Kämpfe im Ort und auch weiter ins Tal gut überblickt werden konnten. Die Hauptstraße und die Josefstraße wurden zu einer Einbahnstraße umfunktioniert, um den amerikanischen Transport von Lebensmitteln, Waffen und Munition flüssig zu gestalten.[Anm. 37]

Dennoch standen Plünderungen von Soldaten, Einheimischen und Zwangsarbeitern an der Tagesordnung. Lebensmittelgeschäfte wurden ausgeräumt und die örtliche Marmeladenfabrik wurde bis auf den letzten Sack Zucker ausgeraubt. Selbst die mahnenden Worte des Pfarrers, der in der Kirche dieses Vorgehen verurteilte, rührte kaum jemanden dazu sein Diebesgut wiederzugeben. 

Ab dem 10. März 1945 wurde das Ausgehverbot gelockert. Täglich durften die Bewohner morgens zwei Stunden aus dem Haus gehen, um die alltäglichen Dinge wie z.B. Wasser zu besorgen. Erst vier Wochen später, am 10. April, konnte durch den Bürgermeister von Rheinbreitbach (Heinrich) ein Ausweis ausgeteilt werden, auf welchem der persönliche Fingerabdruck eingetragen wurde. Mit diesem Ausweis war es gestattet zuerst 6 Kilometer im Umkreis und später im gesamten Landkreis Neuwied zu reisen. Die Einhaltung der Reisekriterien wurde durch Hilfspolizisten gewährleistet, die auch Waffen, Uniformen, Fotoapparate, Heeresgut und Munition von der Bevölkerung einsammelten und für Ordnung in den Lebensmittelschlangen sorgten. Gerade vor den örtlichen Bäckern kam es immer wieder zu langen Schlangen, da die Versorgung mit Brot knapp wurde. Ein berühmtes Foto zeigt die Bäckerei Renzel in der Hauptstraße, vor welcher zahlreiche Menschen für einen Laib Brot anstehen. Später sollte sich die Lage durch den Hungerwinter noch verschlimmern.[Anm. 38]

Am 30. April 1945 nahm Hitler sich in Berlin das Leben. Wenig später folgte am 7. und 8. Mai 1945 die endgültige und bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht. Die Kapitulation der Wehrmacht und der Untergang des 3. Reiches wurde durch eine amerikanische Zeitung öffentlich am Kirchplatz angeschlagen. Es schien, als ob das Schlimmste vorüber sei. Doch mit dem Zusammenbruch des Staates wurden auch die Zahlungen von Gehältern, Pensionen und Renten eingestellt bzw. nur noch vereinzelt gezahlt. Beamte, die dem NS-Regime gedient hatten, wurden vorläufig suspendiert oder entlassen. An der ehemaligen Marmeladenfabrik in der Hauptstraße bildete sich in dieser Zeit ein sogenannter Anhalterbahnhof für Flüchtlinge. Dort konnten Reisende per Anhalter auf ein Fahrzeug aufspringen und z.B. Richtung Bad Honnef weiterfahren. Zu diesem Zeitpunkt kann davon ausgegangen werden, dass durch Rheinbreitbach zahlreiche Reisende und Flüchtlinge aus Ostpreußen zogen. Sie alle waren mit Eseln, Fuhrwerken, zu Fuß, per Fahrrad, mit dem Auto oder dem Motorrad unterwegs. Später wurde die Durchreise durch einen Kontrollpunkt am heutigen Kriegerdenkmal (Ecke Rolandseck/Bürresheimer Straße/Hauptstraße) erschwert. Dort verlief die Grenze zwischen der französischen und der britischen Besatzungszone. Die Franzosen quartierten sich ab dem Sommer 1945 in Rheinbreitbach ein.[Anm. 39]

Mitteilungen über den „Heldentod“ von Soldaten waren kurz und knapp gehalten. Besonderes Augenmerk liegt auf der Aufforderung diesen Schicksalsschlag tapfer zu ertragen. Ein weiterer Beweis, wie eine „deutsche Frau“ im Sinne des
Nationalsozialismus sich im Kriege verhalten sollte.
[Bild: Heimatarchiv Rheinbreitbach 1C8]

Abschließend können wir festhalten, dass Rheinbreitbach den Krieg und das NS-Regime weitestgehend unbeschadet überstanden hat. Beim Kampf rund um Rheinbreitbach verloren zwar 33 Menschen ihr Leben, doch sollte der Ort an sich überwiegend intakt bleiben, was in Anbetracht der zerstörten Großstädte durch den Bombenhagel an ein Wunder grenzt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die tiefgläubigen Rheinbreitbacher aus Dankbarkeit seit 1945 regelmäßig zu Christi Himmelfahrt auf die Koppel ziehen, um Gott für die Verschonung im Krieg zu danken. Überhaupt können wir festhalten, dass es zwar zahlreiche Nationalsozialisten in Rheinbreitbach gegeben hat, jedoch viele Menschen in ihrem tiefen christlichen Glauben nicht an das dritte Reich bis zum letzten Atemzug geglaubt haben. Gleichzeitig dürfen jedoch auch nicht die zahlreichen Opfer vergessen werden, die das dritte Reich und deren Ideologie gefordert hat. Die wenigen jüdischen Familien (deren Geschichte in einem gesonderten Beitrag von Klaus Henning Rosen behandelt werden) wurden enteignet und deportiert. Ebenso fielen zahlreiche Ehemänner, Söhne und Brüder als Soldaten, sowie die Zivilbevölkerung dem Größenwahn der Nationalsozialisten zum Opfer. Viele Rheinbreitbacher kehrten erst in den folgenden Jahren aus der Kriegsgefangenschaft zurück und waren für den Rest ihres Lebens körperlich und seelisch gezeichnet. Die Geschichte des Nationalsozialismus in Rheinbreitbach zeigt uns, dass

die Demokratie und der Freiheitssinn ein fragiles Gut sind, auf welches jeder Menschenfreund und Demokrat gut aufpassen sollte. 

0.7.Nachweise

Autor: Thomas Napp

Quellen- und Literaturverzeichnis:

 

  • Dietz, Wolfgang: Der Landkreis Neuwied im Nationalsozialismus. Weimarer Republik. Nationalsozialismus. Nachkriegszeit. Neuwied 1992. 
  • Faber, J. (1945): Nazichronik Rheinbreitbach, Heimatarchiv Rheinbreitbach.
  • Fuchs: Geschehnisse im März 1945. Rheinbreitbach 2005.
  • Honnefer Volkszeitung (01.01. 1933 bis 30.12.1945): General-Anzeiger Archiv.
  • Klein, Ansgar S. (abgerufen am 17.07.2020): Randolph von Breidbach-Bürresheim, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: www.rheinischegeschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/randolph-von-breidbach-buerresheim-/DE2086/lido/57c5881bc07686.63474847.
  • Müller, Helmut M.: Schlaglichter der deutschen Geschichte. Bonn 2007.
  • Weiler, Jakob: Als der Krieg zu uns kam. Der Kreis Neuwied im März 1945. Unkel 2012. 

Erstellt am: 23.07.2020

 

Anmerkungen:

  1. Vgl. HVZ (7. März 1935). Zurück
  2. Vgl. HVZ (1. April 1933). Zurück
  3. Vgl. HVZ (7. April 1933, 11. April 1933). Zurück
  4. Vgl. HVZ (7. April 1933, 13. März 1933). Zurück
  5. Vgl. HVZ (25. April 1933, 03.+ 10. Mai 1933); Dietz 1992, S. 233, 261-262. Zurück
  6. Vgl. HVZ (27. Juni 1933, 06. September 1933, 11. April 1934); Dietz 1992, S. 236, 240, 241. Zurück
  7. Vgl. HVZ (11 Juli 1933, 24. März.1934, 20. September 1933, 22. September.1933, 14. Oktober 1933, 03. April 1935, 28. Oktober 1935, 31. Dezember 1935). Zurück
  8. Vgl. HVZ (22. November 1933, 30.Juli.1934, 20. Februar 1935, 18. April 1935, 03. Januar 1935). Zurück
  9. Vgl. HVZ (02. August 1934, 16. Oktober 1934, 03. Juni 1935, 07. September 1935, 19. Oktober 1935, 14. April 1936, 27. Juli 1936, 08. Dezember 1936, 19. Mai 1937, 09. September 1937, 12. Januar 1938, 30. Juni 1939, 16. Februar 1938, 29. April 1937, 5. Mai 1939). Zurück
  10. Vgl. HVZ (11. Juli 1933, 12.Juli 1934, 12. Februar 1935. Zurück
  11. Vgl. HVZ (06. August 1934, 13. März 1935, 17. Juli 1935, 13. November 1935, 18. März 1939, 24. März 1939). Zurück
  12. Vgl. HVZ (27. Mai 1933). Zurück
  13. Vgl. HVZ (15. Mai 1938, 18 September 1936). Zurück
  14. Vgl. HVZ (03.05.1934, 26.05.1934). Zurück
  15. Vgl. HVZ (25.01.1934). Zurück
  16. Vgl. HVZ (26. Juni 1937). Zurück
  17. Vgl. HVZ (16. Mai 1938). Zurück
  18. Vgl. HVZ (12.12.1934, 27. März 1935). Zurück
  19. Vgl. HVZ (17. April 1934, 11.09.1934). Zurück
  20. Vgl. HVZ (05. Februar 1935, 08. April 1935, 18. April 1935, 21. Juli 1935). Zurück
  21. Vgl. HVZ (20. April 1937). Zurück
  22. Vgl. HVZ (14. August 1933). Zurück
  23. Vgl. HVZ (28.April 1934, 12.Juli 1934, 04.Februar 1935). Zurück
  24. Vgl. HVZ (24. Oktober 1934). Zurück
  25. Vgl. HVZ (8. Februar 1935, 12.Februar 1935). Zurück
  26. Vgl. HVZ (28. Mai 1936, 04. Juni 1936). Zurück
  27. Vgl. HVZ (12. August 1937). Zurück
  28. Vgl. Klein (17.07.2020), Müller 2007, S. 280-281, S. 295 ff. Zurück
  29. Vgl. Weiler 2012, S. 25. Zurück
  30. Vgl. Weiler (2012, S. 29, S. 37, S. 39). Zurück
  31. Vgl. Faber 1945; Weiler 2012, S. 58, 79. Zurück
  32. Vgl. Weiler 2012, S. 106. Zurück
  33. Vgl. Weiler 2012, S. 106; Faber 1945, S. 29. Zurück
  34. Vgl. Faber 1945, S. 30. Zurück
  35. Vgl. Fuchs 2005. Zurück
  36. Vgl. Weiler 2012, S. 128. Zurück
  37. Vgl. Fuchs 2005. Zurück
  38. Vgl. Weiler 2012, S. 146; Faber 1945, S. 30ff. Zurück
  39. Vgl. Faber 1945, S. 30ff., Müller 2007, S. 299-301. Zurück