Rheinbreitbach am Mittelrhein

Die Pfarrkirche St. Maria Magdalena

Über den Kirchenbau in Rheinbreitbach von deren Anfängen bis zur Gegenwart

Es dürfte für die katholischen Christen in Rheinbreitbach eine wahre Freude gewesen sein als im Jahre 1620 die Urkunde aus Köln kam, dass nun die Kirchengemeinde eine eigene Pfarrei sei. Jahrzehntelang hatte man für eine Abspaltung von der Kirche in Unkel gekämpft. Als Gründe hatte man die große Anzahl Christen sowie die stetig wachsende Glaubensgemeinschaft angeführt. Zudem war der Weg nach Unkel in den dunklen Herbst- und Wintermonaten auf den unausgebauten und schlammigen Feldwegen für die Kirchgänger beschwerlich und führte dazu, dass die Rheinbreitbacher Christen oftmals mit schlammigem Schuhwerk und dreckigen Kleidersäumen in der Kirchmesse saßen. Außerdem wollte man im Ort einen eigenen Pfarrer als Geistlichen haben.

Mit der Trennung von der Mutterkirche in Unkel, welche sie bis heute für die katholischen Christen in Rheinbreitbach ist, wurde nun ein neues Kapitel des christlichen Gemeindelebens in Rheinbreitbach aufgeschlagen. Zwar hatte es seit mindestens der Frankenzeit Christen in Rheinbreitbach gegeben, doch waren diese nie stark genug gewesen, um eine eigene Kirchenpfarrei mit eigenem Priester zu bekommen. Christliche Gebetsräume sowie Vorgängerbauten der Kirche St. Maria Magdalena am Kirchplatz dürfte es bereits zur Frankenzeit gegeben haben, mit welcher die Christianisierung eingesetzt hat. Sicher ist, dass es im Mittelalter eine Kirche mit Glockenturm und einem Hof (Templerhof) an der Stelle der heutigen Kirche gab. Diese wurde im kurkölnischen Krieg (1583–1588), als die Truppen des konvertierten protestantischen Erzbischofs Gebhard Truchsess von Waldburg plündernd durch Rheinbreitbach zogen, in Brand gesetzt. Der romanische Kirchenbau sowie der angrenzende Templerhof wurden hierbei bis auf die Grundmauern zerstört. 

Die katholischen Christen ließen sich hierdurch jedoch nicht entmutigen und bauten ihre Kirche im gotischen Stil wieder auf, was einen enormen finanziellen Aufwand für die kleine Gemeinde Rheinbreitbach bedeutete.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich die Verantwortlichen der kurkölnischen Verwaltung von den Katholiken in Rheinbreitbach sowie Gemeindevertretern in der Trennungsurkunde von 1620 bestätigen ließen, dass zur Finanzierung des Kirchenbaus sowie zur Besoldung des Pfarrers Zehnterträge und Abgaben im Wert von 100 Thalern, auch in Krisenzeiten, verpflichtend zu entrichten seien. Hiermit wollte man sich in Köln, von sämtlichen zukünftigen Kosten lossagen. Dies hing wohl auch mit der gesamtpolitischen Situation in Europa zusammen, da gerade der Dreißigjährige Krieg (1618–1648) losbrach und Söldnerheere der jeweils anderen Konfession plündernd und raubend durch die Lande zogen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Zerstörungen von Kirchenbauten kommen könnte, war daher sehr hoch. Zum Nachteil der katholischen Christen in Rheinbreitbach erfüllte sich dieses Schreckensszenario dann auch, als Gustav Adolf von Schweden mit seinen Truppen durch den Ort zog und die Kirche wohl ein zweites Mal in Brand setzte. Der Mythos einer Prinzessin des Geschlechtes von Breitbach, die mit ihrer Schönheit und Kühnheit das Dorf vor der Zerstörung gerettet hat, ist hierbei eine reine Fiktion.

Doch die Rheinbreitbacher Christen ließen sich hierdurch nicht beirren, bauten ihre Kirche unter großen Mühen in den folgenden Jahren wieder auf und es entstand eine neue gotische Kirche, die später im 18. Jahrhundert mit mehreren Barockaltären sowie einer reich verzierten Kanzel mit Engel erweitert wurde. Innen verzierten bunte Bemalungen die Wände und Rundbögen. Farbige Blumen sowie Szenen aus der Landwirtschaft zeigten die Verbundenheit der Menschen zur Natur und dem Bewusstsein, dass ihr Überleben nur davon abhängt, ob die nächste Ernte gut oder schlecht wird. In der Kirche baten sie Gott daher um seinen Segen und dankten ihm für das, was sie von der Natur bekommen hatten. Der barocke Kirchenbau dieser Zeit war von einer gewissen Einfachheit gekennzeichnet, der entgegen der katholisch-christlichen Tradition wenig Goldverzierungen aufwies. Selbst der Tabernakel war farbenreich, aber keinesfalls überproportional mit Gold geschmückt.

Kirche St. Maria Magdalena in Rheinbreitbach um 1920
Kirche St. Maria Magdalena in Rheinbreitbach um 1920[Bild: Privatarchiv Napp]

An den Schlusssteinen des Rippengewölbes der Kirche waren die Köpfe von Heiligen aus der Bibel angebracht. Die Kirche konnte zu diesem Zeitpunkt von mehreren Stellen aus betreten werden. Der Haupteingang lag unter dem Kirchturm. Im Norden (Richtung des alten Friedhofs) gab es eine kleine Außentüre, genau wie es im Süden einen kleinen Eintritt gab. Die Sakristei mit den Gewändern und Gebetsbüchern lag im Nordosten und war direkt neben dem Altar und dem Tabernakel angegliedert. Im Nordteil der Kirche war einst der Beichtstuhl aufgestellt. Der Kirchturm mit seinen Glocken sowie die Empore mit Orgel waren nur über eine Außentreppe zu erreichen. Der Kirchraum war so groß, dass bis zu 400 Personen an der Kirchmesse in Rheinbreitbach teilnehmen konnten. Eine Besonderheit der alten Kirche war hierbei, dass man die Verstorbenen eng bei sich haben wollte, sodass der Friedhof direkt neben der Kirche im Schatten von altgewachsenen Bäumen lag. Reich verzierte Grabsteine erinnerten an ganze Generationen von katholischen Christen, die in der Kirche St. Maria Magdalena gebetet und gelebt hatten. Erst als der Friedhof zu klein wurde, errichtete man in den 1930er Jahren den neuen Waldfriedhof an der Westerwaldstraße.

Im 1. Und 2. Weltkrieg lieferte die Kirchengemeinde auf Anordnung der Regierung die Kirchenglocken zur Einschmelzung ab, um aus dem Metall Waffen und Munition herzustellen. Nach beiden Kriegen beschaffte die christliche Gemeinde neue Glocken, die mit großen finanziellen Anstrengungen verbunden gewesen waren. Gerade nach dem 1. Weltkrieg und der Weltwirtschaftskrise in den 1920er Jahren schafften es die Christen in Rheinbreitbach nur mit äußerster Mühe neue Glocken für die Kirche zu besorgen.

In den 1950er Jahren begann man unter Pfarrer Ermert trotz großer finanzieller Probleme in der Nachkriegszeit eine aufwändige Renovierung des Kirchengebäudes, welches die Rheinbreitbacher ihrem findigen Pfarrer mit einer eigenen Figur im Rippengewölbe dankten. Mit viel Kreativität und Einsatz hatte Ermert das Geld für die Renovierung der Kirche in der schwierigen Zeit aufgebracht, die weitgehend von Kriegszerstörungen verschont geblieben war.

Bis 1966 bestand die gotische Kirche St. Maria Magdalena in dieser Form fort, bevor der damalige Pfarrer meinte, dass die Kirche für die Anzahl der katholischen Christen in Rheinbreitbach nicht mehr ausreichen würde. Tatsächlich hatte es zum damaligen Zeitpunkt einen Bauboom sowie ein Bevölkerungswachstum gegeben, was mit einem Anstieg der Anzahl der Christen verbunden war. Somit entschied man sich den über 400 Jahre alten Friedhof neben der Kirche abzubrechen, die Gräber zu entfernen und den kompletten Nordteil der Kirche (fast 33 Prozent der alten Kirche) abzureißen. An die Stelle des Friedhofs wurde ein als damals modern geltender wuchtiger Backsteinbau mit Betondach gesetzt.

Blick auf die Kirche vom Weinberg während der Umbauarbeiten 1966
Blick auf die Kirche vom Weinberg während der Umbauarbeiten 1966[Bild: Heimatarchiv Rheinbreitbach/Schultheis]

Trotz Protest der Bevölkerung sowie manchem Gemeindemitglied wurde der Bau umgesetzt. Schmerzlich mussten die Angehörigen mit ansehen, wie die Gräber ihrer Vorfahren ausgehoben und deren Knochen auf Lastwagen abtransportiert wurden. Auch die Grabkreuze wurden dem Bauschutt beigegeben. Die alte Sakristei wurde abgerissen, die hunderte Jahre alten Beichtstühle auf den Müll geworfen und der Treppenaufgang zum Kirchturm niedergelegt.

Bei diesen Arbeiten fand man im Untergrund die Überreste und Fundamente des ehemaligen Templerhofes, dem Ursprungsbau der Kirche St. Maria Magdalena. Wissenschaftlich unbewertet betonierte man diese zügig zu, um das Fundament für den Neubau errichten zu können, der dann erst 1978 vollständig fertig gestellt werden konnte. Über die Architektur der Kirche scheiden sich bis heute die Geister. Während die einen meinen, dass es sich um eine gelungene Verbindung von Alt und Neu handelt, sagt die Architekturwissenschaft hier etwas gänzlich anderes. Form, Größe und Materialauswahl seien überdimensioniert und unpassend ausgewählt worden. Der Neubau zolle dem alten Teil der Kirche keinen Respekt und verschlucke diesen förmlich.

Bei der Konzipierung des Kirchenanbaus 1966 ging man noch von einem weiteren Wachstum der Ortsgemeinde Rheinbreitbach und einem Zuzug von Christen aus. Doch hierbei kam es anders. Durch die Gastarbeiter aus der Türkei sowie Zuzüge aus dem Ausland stieg zwar weiterhin die Anzahl der Einwohner:innen, aber diese hatten eine andere Konfession oder Religion (muslimisch, evangelisch) oder waren konfessionslos. Durch die 68er Bewegung traten viele junge Menschen zudem bereits aus der Kirche aus, um dem starren System zu entkommen. Es gab zwar noch einen leichten Anstieg an Christen, aber dieser wurde immer mehr abgebremst. Bereits 1996 schreibt der Heimatkundler und kirchenkundige Rheinbreitbacher Franz Josef Federhen in seinem Heft „Kirchen in Rheinbreitbach“, dass die tatsächliche Anzahl der Christen bezüglich des Kirchenanbaus unter den eigentlichen Erwartungen zurückgeblieben seien. Auch machte sich hier bereits der Priestermangel spürbar, der eine Bündelung und Verringerung von Messen bedeutete.

Blick auf die Kirche vom Kirchplatz 2023
Blick auf die Kirche vom Kirchplatz 2023[Bild: Thomas Napp]

Die Situation sollte sich hier noch verschlimmern. Durch die Missbrauchsfälle Anfang des 21. Jahrhunderts und dem Umgang der katholischen Kirche hiermit sowie dem sozialen Rückzug aus Kindergärten und Schulen aus finanziellen Gründen, traten immer mehr Menschen aus der Kirche aus. 2005 waren von den ca. 4500 Einwohner:innen Rheinbreitbachs noch 2300 Menschen katholisch. Im Jahre 2023 sind es nur 1700 Menschen, was einem Verlust von 13 Prozent bedeutet. Die Zahlen sinken weiter.

Aus diesem Grund gibt es seit 2023 Überlegungen die Kirche wieder auf das alte Maß zu verkleinern, da die Sorge besteht, dass auf Dauer die finanziellen Ausgaben für die Kirche die Einnahmen übersteigen könnten und das Überleben der Pfarrei dadurch gefährdet wäre. Entsprechende Anregungen an das Erzbistum Köln sowie die zuständigen Stellen blieben zunächst unbeantwortet. Erst als eine öffentliche Unterschriftensammlung zum Rückbau der Kirche gestartet wurde, fand das Anliegen Gehör. Die Idee stieß bei der Bevölkerung auf gemischte Gefühle. Manche fanden die Idee eines Rückbaus sehr sinnvoll, andere wiederum reagierten sehr emotional. Letztlich wurde die Unterschriftensammlung abgebrochen, da die auslegenden Geschäftsinhaber von Einzelpersonen bedroht wurden.

Wie die Entwicklung um die katholische Kirche in Rheinbreitbach sowie die Kirchengemeinde jetzt weiter geht, steht in den Sternen. Eines ist jedoch sicher: Einfach so weitermachen wie bisher wird keinesfalls funktionieren. Die aktuellen Probleme der Kirche müssen behandelt und mutig gelöst werden, auch wenn dies mit schmerzlichen Eingeständnissen einhergeht. Andernfalls wird in nicht allzu ferner Zukunft die Eigenständigkeit der Pfarrei auf dem Prüfstand stehen, weil schlichtweg zu wenig Christen in der Ortsgemeinde wohnen. Dies wäre dann das Ende der über 400-jährigen Geschichte der Pfarrei und Kirche in Rheinbreitbach.

Nachweise

Verfasser: Napp, Thomas

Redaktionelle Bearbeitung: Bugert, Jonathan

Verwendete Literatur:

  • Brungs, Johann Josef: Chronik Rheinbreitbach. Rheinbreitbach 1950.
  • Federhen, Franz Josef/Hamacher, Bernd: Kirchen in Rheinbreitbach. Rheinbreitbach 1999.
  • Keune, Karsten/Heinrich, Dankward: Von Kreuzrittern, Mönchen und dem letzten Seligmacher. Rheinbreitbach 2013.
  • Neu, Heinrich: Kunstdenkmäler der Rheinprovinz. Kreis Neuwied. Bd. 16. Düsseldorf 1940.

Aktualisiert am: 11.10.2023