Pirmasens in der Pfalz

0.Pirmasens im Ersten Weltkrieg

0.1.Kriegsbeginn

Wie in anderen deutschen Städten hatte der Krieg grundlegende Auswirkungen auf den Alltag der Menschen. Dass allen Beteiligten der Ernst der Lage von Anfang an durchaus bewusst war, zeigt ein Blick in die Ausgaben der Pirmasenser Zeitungen von August 1914.

Im Pirmasenser Anzeiger vom 5. und 7. August finden sich verschiedene Aufrufe, sich freiwillig zu melden, sei es als Spender kriegswichtiger Güter, für den Lazarettsdienst oder als Offizier und Ausbilder. Hurrapatriotisch wirkenden Aufrufen (etwa "In den Krieg!") stehen Artikel gegenüber, die die sozialen (wie etwa die Kündigungsgefahr für eingezogene Soldaten) und militärischen Auswirkungen (etwa die Bedeutung von Schusswaffen für den modernen Krieg) diskutieren. [Anm. 1] Die einschneidendste Wirkung auf den Stadtalltag ist aber wohl im Wirtschaftsbereich zu suchen.

Bereits am 7. August erließ der Pirmasenser Stadtrat eine Verordnung, die die Gewerbefreiheit einschränkte, um die Kriegsrationen der Soldaten zu sichern. In der Verordnung heißt es, „Bäcker, Brot- und Mehlhändler, Metzger und andere zum Feilbieten von Fleisch berechtigte Personen sind verpflichtet, die Preise ihrer Verkaufsgegenstände in ihren Gewerbslokalitäten in deutlicher und auffällig sichtbarer Weise anzuschlagen“. Und weiter: „Es ist den […] bezeichneten Gewerbetreibenden verboten eine Erhöhung der festgesetzten Preise eintreten zu lassen, ohne wenigstens 3 Tage vorher der Ortspolizeibehörde davon Anzeige gemacht oder deren Bewilligung zur früheren Aenderung der festgesetzten Preise erlangt zu haben.“ [Anm. 2]

0.2.Kriegsverlauf

Volksgartenhalle in Pirmasens[Bild: KOMET Druck- und Verlagshaus Pirmasens]

Wie andere Städte in der Pfalz war auch Pirmasens im Ersten Weltkrieg nur am Rande von direkten militärischen Auseinandersetzungen betroffen. Im ersten Kriegsjahr gab es in der Stadt noch keine Militärpräsenz. Dies änderte sich mit der Stationierung des Ersatz-Bataillons des 8. Bayerischen Reserve-Infanterie-Regiments in der Stadt, die notwendig wurde, als im nahen Zweibrücken keine Ersatztruppenteile mehr untergebracht werden konnten. Das Bataillon marschierte am 13.3.1915 in die Stadt ein, Pirmasens wurde so zur Garnisons- und Lazarettstadt. Die eingetroffenen Truppen wurden in Schulen und im Union-Theater untergebracht. Am 17.3.1915 erfolgten die ersten Vereidigungen auf dem Exerzierplatz an der Schlossstraße, sodass das Bataillon durch die hinzugekommenen Rekruten langsam von 1000 auf 2000 Mann anwuchs. Die sogenannte Volksgartenhalle wurde daraufhin als Rekruten-Depot genutzt. Ein Lazarett richtete man in der Wittelsbachschule ein. [Anm. 3]

0.2.1.Fliegerangriffe

Fliegerwarnung[Bild: Stadtarchiv Pirmasens]
Beschädigter Dachstuhl[Bild: KOMET Druck- und Verlagshaus Pirmasens]

Dass Pirmasens dennoch dem Krieg näher als andere deutsche Städte war, zeigt sich darin, dass die Stadt seit 1916 Ziel feindlicher Luftangriffe wurde. Derartige Angriffe erklären sich aus der Bedeutung als Garnisonsstadt. Außerdem befand sich seit 1915 am Pirmasenser Stadtrand ein Feldflugplatz, von welchem aus deutsche Flieger starteten.

Am Luitpoldtag 1916 [Anm. 4] fielen erstmals Bomben auf Pirmasens. Diese gingen in der Joßstraße und vor dem Humanistischen Gymnasium nieder. Infolge der Schäden ruhte der Schulbetrieb 14 Tage lang. Verletzt wurde niemand. [Anm. 5] Der nächste Luftangriff erfolgte ein Jahr später am 30. Oktober 1917, wobei Bomben in der Ludwig-, der Turn-, der Joß-, der Gärtner- und der Schützenstraße sowie über dem Güterbahnhof und dem Gaswerk niedergingen. Es kam zu geringen Sachschäden, eine Person starb. Ein weiterer Angriff am 10. November blieb ohne größere Schäden. Im letzten Kriegsjahr 1918 kam es zu verstärkten Angriffen. Am 20. Februar (acht Verletzte), am 22.-23. August (zwei Tote) und am 30. Oktober (fünf Tote, sieben Verletzte) wurden Bomben abgeworfen. Ein Angriff von 25 Flugzeugen am 4. März konnte von der Flugabwehr erfolgreich verhindert werden. In der Nacht vom 20. auf den 21. Mai bruchlandete außerdem ein feindliches Flugzeug in der Nähe der Stadt, wohl aufgrund eines technischen Defekts, da keine Treffer feststellbar waren. [Anm. 6]

Vor Fliegerangriffen warnte man mithilfe der Rathausglocke und der Dampfpfeifen in den Betrieben, später außerdem noch mit einer Signalbombe. Die Bevölkerung war danach auf öffentliche Bekanntmachung des Bürgermeisters dazu angehalten, sofort ein Gebäude aufzusuchen, wobei Fenster und Türen, ebenso wie höhere Stockwerke zu meiden waren. Um die Bevölkerung mit dem allgemeinen Vorgehen vertraut zu machen, wurden Alarmübungen organisiert, die vorher in der Pirmasenser Zeitung angekündigt wurden. [Anm. 7]

0.2.2.Wirtschaftliche Auswirkungen

Anzeige aus der Pirmasenser Zeitung[Bild: Stadtarchiv Pirmasens]

Das Andauern des Krieges hatte für Pirmasens vor allem wirtschaftliche Konsequenzen. Die Produktion für den Zivilgebrauch wurde entweder stark zurückgefahren oder auf Kriegsproduktion umgestellt. Während die Schwerindustrie von derartigen Entwicklungen profitierte, stürzte die in Pirmasens starke Schuhindustrie in eine Krise. Viele Arbeiter und Unternehmer wurden zum Kriegsdienst eingezogen, was zur Folge hatte, dass zahlreiche Fabriken den Betrieb einstellten und sich Arbeitslosigkeit ausbreitete. Eine Umstellung der Zivilproduktion auf Militärschuhwerk wurde zudem durch den allgemeinen Ledermangel erschwert, der hervorgerufen wurde durch den Wegfall des Handels mit der Entente und Aufkäufe seitens der deutschen Militärbehörden.

Die vollständige Umstellung auf Kriegswirtschaft wurde in Pirmasens erst 1916 erreicht. Militäraufträge führten zu einer kurzen wirtschaftlichen Scheinblüte in der Schuhindustrie, die sich in zahlreichen Fabrikneugründungen bemerkbar machte. So wuchs der Bestand der Schuhfabriken von 243 im Jahr 1913 auf ungefähr 400 drei Jahre später. [Anm. 8] Dies hatte zur Folge, dass das Pirmasenser Handelsgremium über „branchenfremde Geschäftsleute, wie Eierhändler, Gemüsehändler, Bäcker, Schreiner, Gipser, Tüncher, Wirte und dergl.“ klagte, die mit ihren neuen Unternehmen die „reellen Fabrikanten“ in ihrer Existenz bedrohten. [Anm. 9]

Die Kriegskonjunktur flachte seit Ende des Jahres 1916 wieder ab, die Lederknappheit wurde schlimmer. Viele Fabriken gingen zur Kurzarbeit über, die zivile Schuhproduktion erfolgte mit leichter beschaffbaren Ersatzmaterialien, wie Holz, Zellstoff oder Pappe. Die Gewerbefreiheit endete schließlich im März 1917 mit dem Zwangszusammenschluss der Schuhfabriken in Vertriebsgesellschaften, die die Auftragsvergabe und den Vertrieb übernahmen. Kleinere Betriebe mussten schließen, was fatale Auswirkungen für die Wirtschaftsstandorte Pirmasens und Hauenstein hatte. Da diese von Kleinbetrieben geprägt waren, konnten nur 41 der vorher etwa 400 Fabriken in Pirmasens weiterarbeiten, in Hauenstein fünf von zwanzig. Gegen den Zwangszusammenschluss wehrten sich davon negativ betroffene Unternehmer, indem sie einen beträchtlichen Teil der Produktion in sogenannte „Kellerfabriken“ verlagerten, welche durch Schleichhandel den gegen Kriegsende immer stärker wachsenden Schwarzmarkt versorgten. [Anm. 10]

0.3.Kriegsfolgen

Mit fortlaufender Kriegsdauer kam es zu immer stärkeren Rationierungen bei der Bevölkerungsversorgung. Ein langer Winter führte im Frühjahr 1917 zu Missernten, sodass der mittlerweile bei nur 1100 liegende Kalorienwert einer Tagesration weiter sank. Infolge nahmen die Todesfälle unter der älteren Bevölkerung zu.

Am 8. November 1918 wurde in Bayern der Freistaat proklamiert, die Wittelsbacher für abgesetzt erklärt. In Pirmasens bildete sich am 11. November ein Arbeiter- und Soldatenrat, der kurzzeitig in Konflikt mit der Stadtverwaltung unter dem Oberbürgermeister Otto Strobel stand und dessen wohl nennenswertester Beschluss die Ausgabe von Notgeld am 18. November war. Dieser Dualismus löste sich jedoch bereits mit dem Einmarsch französischer Kolonialtruppen in Pirmasens am 1. Dezember auf. Es erfolgte die Einrichtung einer Kommandantur und einer Gendarmerie-Station. Damit begann für Pirmasens die bis 1930 andauernde Besatzung im Rheinland. [Anm. 11]

Nachweise

Verfasser: Lucas Caspar Fischer

Verwendete Literatur:

  • Anstätt, Christian: Die Bombenangriffe auf Pirmasens. München 2005.
  • Steigner, Georg: Im Wellenschlag des Grenzlandschicksals. In: 200 Jahre Schuhstadt Pirmasens. 1763 - 1963. Hrsg. v. der Stadt Pirmasens. Pirmasens 1963. S. 64-84.
  • Stumpf, Evelyn und Stumpf, Gerhard: Geliebtes Pirmasens. Band 10. 1908-1918. Pirmasens 1989.
  • Wagner, Michael: Die Entstehung der südwestdeutschen Industrieregion um Pirmasens (1790-1918). In: Vom Zunfthandwerk zum modernen Industriebetrieb. Schuhe und Schuhherstellung in Deutschland seit dem 18. Jahrhundert. Hrsg. v. Willi Schächter / Michael Wagner. Schriftenreihe des Museums für Schuhproduktion und Industriegeschichte 3 (1998). S. 23-44.

Erstellt am: 16.10.2013

Anmerkungen:

  1. Pirmasenser Anzeiger (05.08.1914) und Pirmasenser Anzeiger (07.08.1914)Zurück
  2. Pirmasenser Bürgermeisteramt: Bekanntmachung vom 5. August 1914. In: Pirmasenser Anzeiger (07.08.1914). Zurück
  3. Stumpf und Stumpf, S. 204. Zurück
  4. Der Luitpoldtag war ein bayerischer Feiertag, der vom bayerischen Prinzregenten Luitpold als Turn- und Spielfest gestiftet und im Mai oder Juni begangen wurde. Zurück
  5. Steigner, S. 65-66. Zurück
  6. Anstätt, S. 15-16. Zurück
  7. Stumpf und Stumpf, S. 212-213. Zurück
  8. Wagner, S. 40-41. Zurück
  9. Schreiben des Handelsgremiums Pirmasens an die Kontrollstelle für freigegebenes Leder v. 28. 8. 1916, Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, MArb 7225. Zitiert nach Wagner, S. 41. Zurück
  10. Wagner, S. 42-43. Zurück
  11. Stumpf und Stumpf, S. 233. Zurück