Speyer in der Pfalz

0.Speyer in der Reformationszeit

Speyer um 1550 (Holzschnitt aus Sebastian Münsters 'Cosmographia unversalis')[Bild: Sebastian Münster [gemeinfrei]]

Speyer war als eine der freien Reichsstädte ein potenter und aktiver Mitspieler im politisches Gefüge des Heiligen Römischen Reiches. Wie viele andere Reichsstädte auch suchte Speyer seine unabhängige Stellung u.a. gegenüber dem Bischof stets zu behaupten und war somit in politischen Konflikten mit Kaiser und Reich 'geschult'. 

Die Bedeutung der Stadt steigerte sich jedoch im Laufe des 'Reformationsjahrhunderts' erheblich, mitunter bildete die Stadt Speyer eines der Mittelpunkte des Reiches. Zahlreiche Hoftage, Reichsdeputationstage, Tagungen des Reichskammergerichts und vor allem Reichstage wurden in der Stadt abgehalten und machten sie damit zu einem Zentrum der Reichspolitik. Gerade im Zeitalter der Reformation ging von den auf den Reichstagen gefällten Beschlüssen eine enorme Bedeutung und Strahlkraft aus - auch die Stadt Speyer ist auf diese Weise mit historischen Landmarken verknüpft.

1527 wurde Speyer Sitz des Reichskammergerichts, des höchsten Gerichts im Reich. Dauerhaft bestand sie bis 1689, als das Gericht infolge des Pfälzischen Erbfolgekrieges nach Wetzlar verlegt wurde. Das Reichskammergericht war und blieb 'traditionell' katholisch geprägt.

0.1.Die Reichstage in Speyer

Von den insgesamt 30 Reichstagen des 16. Jahrhunderts wurden fünf in Speyer abgehalten. Besonders die Versammlungen von 1526 und 1529 sind für die politische, theologische und historische Entwicklung von Bedeutung, fanden sie doch in der Frühphase der Reformation statt und waren mit den gefassten Beschlüssen die Initiatoren für den weiteren Verlauf der konfessionellen Streitigkeiten.

Reichstag von 1526

Die Versammlung tagte von Juni bis August in der Stadt Speyer und stand nicht allein unter dem Eindruck der Reformation: es sollte dringend das Problem der Türkengefahr in Ungarn und das militärische Vorgehen diskutiert werden. Nach dem Wormser Edikt von 1521 wollten die lutherischen Kräfte auf dem Reichstag jedoch zuerst die reformationsrelevanten Themen geklärt wissen.

König Ferdinand von Böhmen führte in Vertretung seines Bruders, Kaisers Karl V., den Vorsitz über den Reichstag. Der strenggläubige Katholik und entschiedene Gegner der Reformation hatte von seinem Bruder die Anweisung erhalten, die strengen Vorgaben des Wormser Edikts - Ächtung Martin Luthers und Verbot der Lektüre sowie Verbreitung seiner Schriften - zu lockern: die Entscheidung über die Einhaltung des Edikt sollte jeder Landesfürst bzw. die Reichsstände nach eigenem Gewissen treffen bzw. auslegen. Diese Entscheidung kam einem Toleranzbeschluss gleich und verhalf der reformatorischen Durchdringung des Reiches zu neuer Kraft.

Reichstag von 1529

Der Beschluss von 1526 hatte bei den katholischen Kräften im Reich Unmut hervorgerufen; immer mehr Reichsstände und Landesfürsten bekannten sich zur neuen Lehre. Dies sollte unter Führung des Kaisers rückgängig gemacht werden und als Instrument wurde das Wormser Editk erneut eingeführt. Daraufhin richteten sechs Landesfürsten und 14 Reichsstädte eine Protestation an den Kaiser und verweigerten ihm die militärische Unterstützung in den Türkenkriegen.

0.2.Die Reformation in der Stadt

Abseits der Reichstage - deren Außenwirkung auf die Stadt natürlich nicht außer Acht gestellt werden darf - begann sich die Bevölkerung der Stadt bereits sehr früh in den 1520er Jahren für die reformatorischen Gedanken zu begeistern. Viele in der Region tätige Theologen und Reformatoren wirkten auch in der Stadt und nahmen Einfluss.

Schon die Speyerer Bischöfe selbst hatten den Lebenswandel des Klerus beklagt und forcierten damit die Umgestaltung der religiösen Verhältnisse, die ab den 1540er Jahren richtig in Schwung kam und sukzessive, aber zielgerichtet umgesetzt wurde. So wurde 1540 mit Michael Diller der erste evangelische Pfarrer in der Stadt angestellt - nur wenig später nahm die Stadt offiziell den lutherischen Glauben an. Kirchen wurden umfunktioniert und für die neue Lehre genutzt.
Katholisches Leben blieb jedoch weiterhin in der Stadt präsent, nicht zuletzt aufgrund der Präsenz der Jesuiten und vor allem durch die Ansiedlung des vornehmlich katholisch geprägten Reichskammergerichts und seiner Angehörigen. Auch Calvinisten hatten eine Gemeinde in der Stadt: im Zuge der Förderung des Calvinismus durch den pfälzischen Kurfürsten wurde die Stadt damit ein tri-konfessionelles Zentrum.

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0.3.Unvergessene Protestation: Die Gedächtniskirche von Speyer

Gedächtniskirche zu Speyer[Bild: Immanuel Giel [public domain]]

Die Gedächtniskirche in Speyer wurde in den Jahren 1893 bis 1904 errichtet und steht gemeinhin für die Erinnerung an die Protestation von Speyer 1529 - auf dem dort abgehaltenen Reichstag hatten sich 21 Fürsten und Reichsstädte geweigert, die Ächtung der lutherischen Religion hinzunehmen.

Das protestantische Gotteshaus ist ein Kind seiner Zeit: in Zeiten des Kulturkampfes symbolisierte ihr Bau das Selbstbewusstsein der evangelischen Kirche und setzte ganz beabsichtigt einen Gegenpol zum bis dato die Stadtsilhouette beherrschenden katholischen Kaiserdom. Die Verwirklichung des neugotischen Kathedralbaus war ein Gemeinschaftswerk der gesamten protestantischen Glaubensgemeinschaft, auch die protestantische Kaiserfamilie leistete ihren Beitrag zum Bau und verhalf dem Bau damit zu seinem Prestige.

Hier erfahren Sie mehr zur Gedächtniskirche!

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Verfasserin: Katharina Ücgül

Literatur:

  • Ammerich, Hans: Kleine Geschichte der Stadt Speyer, Stuttgart 2008.
  • Klotz, Fritz: Speyer. Kleine Stadtgeschichte ( = Beiträge zur Speyerer Stadtgeschichte; 10), 5., erw. Aufl., Speyer 2008.
  • Lang, Alexander: Die Protestation zu Speyer von 1529. "Geburtsstunde des Protestantismus", 16. April 2004. www.ekd.de/aktuell_presse/news_2004_04_16_1_475_jahre_protestation.html [Homepage der Evangelischen Kirche in Deutschland, abgerufen am 25.11.2013] Stand 2018 ist dieser Link nicht mehr abrufbar. 
  • Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz: Stadt Speyer (Band 1), Denkmaltypographie Bundesrepublik Deutschland, bearb. von Herbert Dellwing, Düsseldorf 1985.

Erstellt: 25.11.2013