Geilnau im Rhein-Lahn-Kreis

Zur Geschichte von Geilnau

Die Region um Geilnau war schon in vorchristlicher Zeit besiedelt. Dies zeigen etwa Gräber bei Eppenrod, die um 800 v. Chr. in der sogenannten Hallstattzeit (800–450 v. Chr.) angelegt wurden, sowie Grabhügel bei Horhausen, die um 500 v. Chr. entstanden.[Anm. 1]

Die heutige Siedlung ist allerdings erst wesentlich später gegründet worden. Die – nicht mit der Entstehung  gleichzusetzende – urkundliche Ersterwähnung  datiert  auf das Jahr 1284, als Graf Adolf von Nassau dem Stift Weilburg im Tausch seinen Hof in Geilnau mit angrenzenden Gütern und weiteren Rechten, etwa an zwei Mühlen, übergab.[Anm. 2] Ab 1532 ist  für Geilnau die Existenz einer  eigenen Kapelle  belegt. Geilnau gehörte, wie eine Beschreibung aus dem Jahr 1563 sowie eine Quelle aus dem Jahr 1544 zeigen, zum Kirchspiel Holzappel. 1563 nahm Geilnau die reformierte Konfession an. Im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) war die Gemeinde kurzzeitig abermals katholisch. Wie stark die Entwicklung Geilnaus vom Dreißigjährigen Krieg und den vorbei- bzw. durchziehenden, marodierenden Truppen beeinträchtigt wurde, ist nicht bekannt. In diesem Krieg wurde aber aus ungeklärten Gründen die Wasserquelle im Ort verschüttet.[Anm. 3]

1643 erwarb Peter Melander die Esterau sowie die Vogtei Isselbach und begründete die Rechtsgrafschaft Holzappel. Nach Melanders Tod wurde erneut das reformierte Bekenntnis eingeführt. Als Folge dieser Entscheidung wurden 1685 verbleibende Bilder in der Geilnauer Kapelle entfernt.[Anm. 4] Die Grafschaft Holzappel, die 1656 um die Herrschaft Schaumburg erweitert worden war, wurde im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert vom Haus Anhalt-Bernburg regiert.

Im Jahr 1780 wurden erste Schritte unternommen, die im Dreißigjährigen Krieg verschüttete Geilnauer Quelle wieder freizulegen und zu nutzen. Zehn Jahre später ließ Carl Ludwig von Anhalt-Bernburg-Schaumburg den Brunnen neu fassen und die Abfüllung des Mineralwassers aufnehmen.[Anm. 5]

1806 ging die Grafschaft an das neugegründete Herzogtum Nassau über, das 1866 durch das Königreich Preußen annektiert wurde. Die Bevölkerungszahl Geilnaus war zwischen 1680 und 1817 moderat angewachsen. Die Zählung aus dem Jahr 1680 hatte 34 Einwohnerinnen und Einwohner ergeben. 1817 wohnten 142 Personen in der Gemeinde.[Anm. 6] Im 19. Jahrhundert beschleunigte sich das Bevölkerungswachstum. 1835 hatte Geilnau 249 Einwohnerinnen und Einwohner, im Jahr der Reichsgründung 1871 waren es schon 334.[Anm. 7] Ab 1829 verfügte Geilnau über eine eigene Schule, nachdem die Schülerinnen und Schüler zuvor in Holzappel bzw. Langenscheid zur Schule gegangen waren. Das Schulhaus, das anfangs nur eine kleine Lehrerwohnung besaß, wurde 1874 um einen zweiten Stock erweitert.[Anm. 8]

Spätestens ab dem 19. Jahrhundert scheint eine landwirtschaftliche Betätigung zum Bestreiten eines Lebensunterhalts kaum mehr ausgereicht zu haben. Die Chronik spricht insoweit von landwirtschaftlichen Kleinstbetrieben, in denen jedem Bauern nur ein einziger Acker zur Verfügung gestanden habe, der zudem im Erbfall noch unter den Erben aufgeteilt worden sei. (sog. „Realerbteilung“). Damit begannen alternative Erwerbsmöglichkeiten an Bedeutung zu gewinnen. Diese Erwerbsmöglichkeiten waren aber nicht immer konstant verfügbar. Die Lahnschifffahrt hatte in ihrer Blütezeit im 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine große Bedeutung, wenn auch mit der Lahntalbahn in den 1860er Jahren auf dem Gebiet des Waren- bzw. Rohstofftransports größere Konkurrenz erwuchs. Ein weiterer großer Arbeitgeber war die 1751 eröffnete Holzappeler Grube, in der viele Geilnauer Beschäftigung fanden. Die Grube wurde 1952 geschlossen. In Geilnau selbst wurde 1900 durch die Linzer-Basalt-AG mit dem Abbau der Geilnauer Basaltvorkommen begonnen, wobei sich der Hauptbruch auf dem Mühlberg befand. In diesem Steinbruch arbeiteten zeitweilig 230 Personen. Zudem ließ das Unternehmen eine Verladestation mit Bahnanschluss sowie eine private Eisenbahnbrücke über die Lahn errichten.[Anm. 9]

1907 errichtete die Gemeinde eine Wasserleitung. Im Jahr 1913 votierte der Gemeinderat für den Anschluss an das Stromnetz. Im Ersten Weltkrieg hatte Geilnau 32 Gefallene zu beklagen. Auf die Kapitulation des Deutschen Reichs folgte die Besatzung durch französische Truppen. 1921 wurde ein Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs errichtet.[Anm. 10] 

Für Geilnau bedeutete die Wirtschaftskrise am Ende der 1920er Jahre einen schweren Schlag. 1931 wurden sowohl die Grube Holzappel als auch der Steinbruch in Geilnau zwischenzeitlich stillgelegt.[Anm. 11] Trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten blieb das Wahlverhalten der Geilnauer relativ stabil. Drei Monate vor der Machtübernahme, bei der Reichstagswahl im November 1932, votierten drei Viertel der Geilnauer Wähler für die SPD, aber nur knapp zehn Prozent für die NSDAP.

1933 übernahmen die Nationalsozialisten die Macht im Reich. Über die Zeit des Nationalsozialismus in Geilnau ist wenig bekannt. In der Dorfchronik aus dem Jahr 2009 finden sich nur wenige Angaben: so habe sich zwar in Geilnau eine SA (Sturmabteilung) gebildet, damit sei aber nicht immer auch eine innere nationalsozialistische Haltung verbunden gewesen. In der Kirchengemeinde ist es zudem ab 1938 wohl vermehrt zu Konflikten gekommen. Detailliertere Angaben wären wünschenswert, fehlen allerdings. [Anm. 12] Von Bedeutung für Geilnau war die endgültige Schließung des Basaltsteinbruchs im Jahr 1937. Zahlreiche Geilnauer verließen in Folge dieser Schließung das Dorf. Im Zweiten Weltkrieg fielen 27 Geilnauer, neun Personen wurden vermisst. Am 28. März 1945 besetzten amerikanische Truppen das Dorf. Im Anschluss an den Krieg folgte abermals eine französische Besatzung. Dabei sticht bei Geilnau insbesondere die Aufnahme zahlreicher Flüchtlinge heraus, die in der frühen Nachkriegszeit zumindest zeitweilig in Geilnau Aufnahme fanden. Es handelte sich um insgesamt etwa 24 Familien. Zudem wurde in der frühen Nachkriegszeit versucht, den Betrieb im Basaltsteinbruch – diesmal in der Schwarzlay – wieder aufzunehmen. Dieser Versuch scheiterte aber vorerst. 1969 wurde der Rhein-Lahn-Kreis geschaffen. Zudem musste die Geilnauer Schule in diesem Jahr ihre Pforten schließen. Seit 1972 ist Geilnau Teil der Verbandsgemeinde Diez. Im Jahr 1980 wurde der Basaltsteinbruch tatsächlich wiedereröffnet. Das Unternehmen profitierte dabei vor allem vom Bau der ICE-Strecke zwischen Köln und Frankfurt. Seit 2007 ruht der Betrieb im Steinbruch aber erneut.[Anm. 13]

Die Bevölkerung Geilnaus stagnierte im 20. Jahrhundert weitgehend. 1905 hatte das Dorf 382 Einwohnerinnen und Einwohner. Eine vorläufige Höchstzahl wurde 1961 mit 424 Personen erreicht. 2018 wohnten in der Gemeinde 352 Personen.[Anm. 14]   

Verfasser: Christoph Schmieder

 

Verwendete Quellen und Literatur:

  • Gemeinde Geilnau (Hrsg.): Dorfchronik Geilnau. Geilnau 2009.
  • Herrmann, Wolfgang: Kirche auf dem Weg durch die Zeiten. Die evangelische Kirchengemeinde Holzappel, in: Förderverein "Heimatmuseum Esterau" e.V. Holzappel (Hrsg.): Die Esterau. Aus der Geschichte einer ehemaligen Grafschaft. Holzappel 2004, S. 146–153.
  • Seibert, Hubertus: Der Aufstieg des Nationalsozialismus im Rhein-Lahn-Kreis (1925-1933), in: Allroggen-Bedel, Agnes (Hrsg.): Der Rhein-Lahn-Kreis. Landschaft, Geschichte, Kultur unserer Heimat. Oberwesel/Rhein 1987, S. 219–251.

Zuletzt geändert: 07.09.2020.

Anmerkungen:

  1. Dorfchronik, S. 11. Zurück
  2. Dorfchronik, S. 11. Zurück
  3. Dorfchronik, S. 12f.; Herrmann, S. 147. Zurück
  4. Dorfchronik, S. 12f. Zurück
  5. Dorfchronik, S. 13–15, S. 90. Zurück
  6. Dorfchronik, S. 13, S. 58. Zurück
  7. http://infothek.statistik.rlp.de/MeineHeimat/tscontent.aspx?id=103&l=3&g=0714103045&tp=1027&ts=tsPop01 (31.07.2020). Zurück
  8. Dorfchronik, S. 31. Zurück
  9. Dorfchronik, S. 15, S. 81–88, S. 100. Zurück
  10. Dorfchronik, S. 16f.; S. 70. Zurück
  11. Seibert, Aufstieg, S. 232. Zurück
  12. Dorfchronik, S. 18, S. 25. Dies ist auch auf gezielte Vernichtung von Quellen zurückzuführen. So wurde vor dem Einmarsch der Amerikaner 1945 die Einträge der Jahre 1933 bis 1945 aus der Schulchronik entfernt und vernichtet. Zurück
  13. Dorfchronik, S. 19, S. 63, S. 69, S. 87f. Zurück
  14. http://infothek.statistik.rlp.de/MeineHeimat/tscontent.aspx?id=103&l=3&g=0714103045&tp=1027&ts=tsPop01 (31.07.2020). Zurück