Gauß-Gymnasium Worms

Heinrichs IV. Privileg für Worms (18. Januar 1074)

 

Im Namen der heiligen und ungeteilten Dreifaltigkeit. Heinrich [IV., König 1056- Es ist Aufgabe königlicher Gewalt und Güte, den Dienst aller Leute mit an­gemessenen guten Gaben zu entgelten [belohnen], in der Weise also, dass diejenigen, die sich in der Ergebenheit des Dienstes besonders bereitwillig zeigen, auch beim Entgelten des Dienstes sich freuen können, als besonders verdienst­lich und besonders erhaben beurteilt zu werden. Und unter diesen haben Wir die Ein­wohner der Stadt Worms nicht eines ganz kleinen, sondern eines ganz großen und be­sonderen Entgelts für würdig, nein: für würdiger als alle Bürger jeglicher Städte ange­sehen – sie , von denen Wir wissen, dass sie in der ganz großen Erschütterung des Reiches mit ganz großer und besonderer Treue gewonnen hatten. Und diese Treue ha­ben Wir deswegen so hervorragend genannt: Während alle Fürsten des Reiches unter Missachtung des heiligen Bandes der Treue gegen Uns wüteten, gaben sie allein sich gleichsam dem Untergang preis und unterstützten Uns gegen den Willen aller. Denn während alle Städte [...] bei Unserem Herannahen die Tore schlossen, während man Wachposten zur Nacht abwechselnd verteilte [...], hat allein Worms mit der allgemeinen Zustimmung der Bürger [...] uns einziehen lassen. [...] Daher sollen sie bei der gebührenden Belohnung ihres Dienstes allen als Beispiel die­nen, die alle in der Bewahrung des heiligen Bandes der Treue übertroffen haben. [...]

Diese Förderung lässt sich zwar in wenigen Worten zusammenfassen, doch in deren Einschätzung selbst wird sie nicht als geringfügig, sondern als willkommen und ehrenvoll angesehen. Denn die Abgaben, die man in deutscher Sprache als „Zoll“ be­zeichnet, welche die Juden und die anderen Wormser in allen Zollstätten des Königs – also Frankfurt, Boppard, Hammerstein, Dortmund, Goslar, Enger – bei der Durchreise zu zahlen verpflichtet waren, haben Wir den Wormsern erlassen, so dass sie künftig keinen "Zoll“ mehr zahlen.

Und dies haben Wir in Gegenwart Unserer Fürsten – also Liemars des Erzbischofs von Hamburg, der Bischöfe Ebbo von Naumburg, Dietrich von Verdun, Hermann von Bamberg und Burkard von Basel – sowie der übrigen Getreuen von Christus und von Uns rechtskräftig gemacht. Dass diese Rechtsbestätigung, die über die Aufhebung des genannten „Zolls“ stattfand, keiner unserer Nachfolger, also keiner der Könige oder Kaiser, aufhebt, bitten wir inständig, und Wir verbürgen Uns für die wünschenswerte Dauerhaftigkeit der Handlung eines jeden. Wer – und das sei ferne! – Uns dabei irgendwie schwächt, möge gewiss sein, dass er sich selbst und was er tut schwächt. Diese Bestätigung, die, wie man unten sieht, mit eigener Hand auf dieser Urkunde, die Wir haben schreiben lassen, eingeschrieben und mit dem Aufdruck Unseres Siegels versehen ist, haben Wir der Kenntnis allen künftigen und gegenwärtigen Volkes hinterlassen.
Handzeichen des Herrn Heinrich IV., des allerdemütigsten und unüberwindlichsten Königs. Ich, Kanzler Adalbero, habe in Vertretung des Erzkanzlers Siegfried die Aus­fertigung beglaubigt. Gegeben am 18. Januar, im Jahre der Geburt des Herrn 1074, in der 12. Indikation [=Steuerzyklen], aber im 19. Jahr des Herrn Heinrich, des 4. Königs seines Namens, dem 17. Jahr seines Königtums; geschehen zu Worms; Heil und Segen im Namen Gottes. Amen.

 

Zitiert nach: Quellen zur deutschen Verfassungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte bis 1250. Ausgewählt und übersetzt von Lorenz Weinrich. Darmstadt 1977. (=Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe, Bd. 32), S. 133 u. 135. (Gekürzt und geringfügig sprachlich bearbeitet).