Gauß-Gymnasium Worms

Das Privileg für die Wormser Juden (1090)

 

Die Urkunde (>>Urkundentext) beinhaltet Regelungen, die die politischen, juristischen und religiösen Rechte der Wormser Juden im Mittelalter betreffen. Verliehen wurde sie von Kaiser Heinrich IV. Jedoch ist dieses Dokument uns nicht im Original erhalten, sondern hat eine lange Überlieferungsgeschichte.

 

 

Zur Überlieferung:

 

In seinem Privileg übernahm Heinrich IV. 1090 Bestimmungen, die schon im 9. Jahrhundert von Ludwig dem Frommen zum Zwecke des Schutzes seiner jüdischen Kaufleute ausgestellt worden waren.

1157 bestätigte Friedrich I. Barbarossa das Judenprivileg Heinrichs IV. und sicherte somit die Erhaltung des Dokumentes. Sein Enkel, Friedrich II. bestätigte und erweiterte das Dokument (in der Fachsprache „Transsumpt“), indem er die Rechte der Wormser Juden auf alle jüdischen Untertanen ausdehnte.

Knapp hundert Jahre später, im Jahr 1260, wurde die Urkunde vom Wormser Erzbischof Eberhard abgeschrieben und erneut bestätigt. Ein zweites Mal erfolgte eine beglaubigte Abschrift 1360 durch den Kölner Erzbischof. Diese Urkunde stellt damit die letzte uns noch heute erhaltene Abschrift dieses wichtigen Privilegs dar. 

 

Zum Inhalt:

 

Die Bestimmungen des Privilegs von 1090 regeln verschiedene Bereiche des Lebens: politische, juristische, wirtschaftliche und religiöse.

 

  • Handel und Gewerbe:
    Laut Privileg dürfen die Juden freien Handel ausüben, (ohne Zoll zahlen zu müssen). Sie dürfen ihre Waren an Christen verkaufen und ihr Eigentum wird geschützt. Wenn Diebesgut, das sie gekauft haben, bei ihnen gefunden wird, müssen sie eidlich den Preis nennen und der ursprüngliche Besitzer kann sein Eigentum durch Rückzahlung wieder erhalten. Diese Maßnahmen mindern das Risiko beim Handel und fördern damit den wirtschaftlichen Erfolg.
  • Gerichtswesen:
    Wenn es zwischen Juden und Christen zu Streitigkeiten kommt, „gilt das Recht des Betroffenen“, d.h., dass auch die Juden durch einen Schwur oder einen Zeugen ihr Recht beweisen können. Gottesurteile dürfen nicht angewendet werden. Bei Schwierigkeiten steht den Juden offen, sich an den Kaiser und das königliche Hofgericht zu wenden. Streitigkeiten zwischen Juden sollen von der jüdischen Gemeinde selbst entschieden werden. Willkürliche Verurteilungen vor dem christlichen Richter sollen damit unterbunden werden. Folterungen in jeglicher Art sind strengstens verboten und bei Ermordungen oder Verletzungen sind Geldbußen an den Kaiser zu zahlen.
  • Religion:
    Zwangstaufen jüdischer Kinder sind verboten. Möchte ein Jude freiwillig getauft werden, so geschieht dies erst nach 3 Tagen, um seinen eigenen Willen zur Taufe zu beweisen. Sein Recht auf das Erbe verlischt. Dadurch wird der Austritt aus der jüdischen Religionsgemeinschaft durch den Kaiser erschwert und die jüdische Gemeinschaft geschützt. Allerdings wird den Juden gestattet, christliche Mägde und Ammen und christliche Arbeitskräfte in ihren Häusern zu beschäftigen, sofern diese die christlichen Sonn- und Feiertage einhalten können. Hier zeigt sich, dass enger Kontakt zwischen Juden und Christen vorhanden war.

 

Es wird deutlich, dass die Wormser Juden durch die Gewährung der Sonderrechte und des besonderen Schutzes eine enge Verbindung zum Kaiser haben. Dafür beansprucht Heinrich IV. jedoch auch eine Gegenleistung in Form von finanziellen Abgaben. Diese werden zwar nicht konkret im Privileg genannt, ergeben sich aber aus der Zugehörigkeit zur „Finanzkasse des Kaisers“, der Kammer. Man erkennt somit deutlich die Abhängigkeit der Wormser Juden vom König – Abhängigkeit von seinem Schutz.

Mit dem Schutzversprechen ist jedoch nicht automatisch eine Schutzgarantie gegeben (zu den Grenzen siehe das Kapitel Das Pogrom 1096). Die Durchsetzung von Privilegien war damals weitgehend Sache des Urkundenempfängers.

 

Darüberhinaus kann uns die Urkunde auch Hinweise zum Alltagsleben geben:

Die Juden besaßen innerhalb und außerhalb der Stadtmauer Häuser und Grundstücke. Wo sie leben wollten, konnten sie offenbar  selbst entscheiden. Juden und Christen lebten in Nachbarschaft - anders als in späterer Zeit, in der ein abgeschlossenes Ghetto existierte. Sie besaßen Weinberge, Gärten, Häuser und Sklaven, lebten also nicht nur von Geldverleih.  Die Juden waren als Geldwechsler tätig, handelten aber auch mit Arznei, Kräutern und Wein. Abgaben oder Frondienste mussten sie nicht leisten. Ihr Eigentum sollte durch die Androhung von Geldbußen vor Diebstahl geschützt werden.

 

 

(Text: Paola Cura-Daball, Jessica Feist, Rebecca Herbel, Elisabeth Weniger)