Weisenau in Rheinhessen

Redaktioneller Hinweis: Der nachfolgende Text stammt aus der Publikation "Rheinhessen in Vergangenheit und Gegenwart" von Karl Johann Brilmayer, die 1905 erschienen ist. Brilmayer gab keine Belege an und die Aussagen sind auch nicht von der Redaktion überprüft worden. Im Allgemeinen gilt Brilmayer aber als recht zuverlässig. Bei einer Benutzung Brilmayers für eine Veröffentlichung sollten die Angaben im Detail überprüft werden.


Weisenau bei Karl Johann Brilmayer

Weisenau, früher Wizenoven (1192), Wizenouwen (1207), Wissenauwia (1250), Wissenowe (1271), Wiszenowe (1300), Wissenawe (1322), Weizenauwe (1342) wird urkundlich vor dem Jahr 1192 nicht genannt. Dass aber der Ort schon zur Römerzeit bewohnt war und sich dessen Bewohner mit Schifffahrt beschäftigten, zeigt ein schöner Grabstein, welcher hinter dem ersten Haus auf der Anhöhe gefunden wurde. Eine römische Heerstraße zog durch den Ort, aber nicht unten am Rhein vorbei, sondern von Mainz gerade über die Höhe bis nach Oppenheim und weiter den Rhein hinauf. Auf der Anhöhe bei Weisenau soll ein römisches Kastell zum Schutz der Mainzer Festung gewesen sein.

Der Ort war Eigentum der Erzbischöfe von Mainz, welche die Vogtei über denselben an eine alte freie Familie, welche sich deshalb von Weisenau (de Weizenauwe) nannte und das Kammeramt der Stadt Mainz erblich durch einige Generationen verwaltete, als Lehen übergeben hatten. Diese Familie besaß im Dorf eine Burg, die, wie der Ort selbst, zum erstenmal urkundlich im Jahr 1192 genannt wird, indem Kaiser Heinrich VI. von hier aus der Abtei Echternach ihre Rechte, Freiheiten und Besitzungen bestätigte. Der letzten dieser Fmailie, der das Kämmereramt und die Herrschaft über Weisebau inne hatte, war Embricho V., der im Jahr 1215 ohne Kinder starb und nur einen Bruder hinterließ, der Geistlicher war und die Herrschaft über Weeisenau nicht erben konnte. Sie fiel daher an die weibliche Abstammung und zwar an die damals mächtige Familie von Bolanden.

Gegen Mitte des 13. Jahrhunderts wurde die Burg von den Mainzer Bürgern zerstört, wie aus einem Befehl des römischen Königs Wilhelm hervorgeht, den er im Jahr 1250 von Mainz aus erließ, worin er seinen und den Städten des Reiches, seinen Gönnern und Freunden befiehlt, sich der Erbauung einer Festung im Umfang von 4 Meilen um die Stadt Mainz oder der Wiederherstellung des um des Reiches Wohl zerstörten Schlosses Weisenau zu widersetzen.

Im Jahr 1253 teiten Werner IV. von Bolanden und sein Bruder Philipp von Falkenstein, kaiserlicher Truchseß, mit ihrem Vetter Philipp III. von Hohenfels den Platz, auf welchem einst die Burg Wissenowe, gewöhnlich das Burgstadel genannt, erbaut war, so dass dem letzteren die Hälfte des Platzes zufiel und Erzbischof Gerhard von Mainz brachte in demselben Jahr zwischen Philipp von Hohenfels und den Bürgern von Mainz einen Vertrag zustande, wonach ersterer wegen der schon lange zwischen ihm und den Bürgern von Mainz bestehenden Streitigkeiten für sich und seine Erben das Burgstadel gegen eine Zahlung von 250 Mark abtrat. Doch erst am 6. März 1259 verzciheten die übrigen bolandischen Agnaten, Philipp I. von Falkenstein, seine Söhne Philipp II. und Werner I., Philipp und Werner V. von Bolanden und deren Brüder Gerhard und Friedrich gegen die Stadt Mainz wegen des ihrem Bruder, Oheim und Vater Werner IV. von Bolanden durch die Zerstörung der Burg in Ingelheim, der Mauer in Kastel und der Burg in Weisenau zugefügten Schadens auf ihre Ansprüche, wobei der Grund, auf welchem diese Burg stand, der Stadt zugesrochen und ihr gestattet wurde, die Steine von den Überresten beliebig zu verwenden.

Im Jahr 1329 ließ Erzbischof Balduin von Trier als Verweser des Erzstifts Mainz die Burg in Weisenau wieder einigermaßen herstellen, um die Bürger von Mainz, die ihn nicht anerkennen wollten, besser im Zaum zu halten. Die Bürger jedoch zerstörten die Burg noch ehe sie vollkommen vollendet war. Nach dieser Zeit hörte man nichts mehr von der Burg in Weisenau. Sie ist spurlos verschwunden, nur im Volksmund heißt die Gegend, wo sie gestanden hatte, bis auf den heutigen Tag "auf der Burg" und der Weg, welcher aus dem Dorf dahin führt, wird jetzt noch "Burgweg" genannt.

Das Dorf Weisenau selbst behielt die Falkenstein-Münzenbergische Linie als ein Mainzer Lehen. Als aber im Jahr 1418 mit Werner von Falkenstein, Erzbischof von Trier, diese Linie im Mannesstamm erlosch, fielen die Besitzungen desselben an die Kinder seiner damals bereits verstorbenen beiden Schwestern Luitgarde und Agnes. Die erstere war vermählt mit Eberhard von Eppstein, die letztere mit Otto von Solms. Bei der im Jahr 1420 erfolgten Gütertrennung fiel Weisenau (und das nehegelegnen Hechtsheim) an die Töchter der Agnes von Falkenstein, Anna und Elisabeth von Solms, von denen die erstere an Gerhard Graf von Sayn, die letztere an Dietherich I. von Isenburg-Büdingen verheiratet war. Zu dieser Teilung gaben die drei übrigen Geschwister, die Grafen Bernhard und Johann von Solms und Agnes von Solms, verheiratet mi Ruprecht von Virneburg, ihre Zustimmung. Somit war Weisenau (und Hechtsheim) vom Jahr 1420 an in gemeinschaftlichem Besitz von Sayn und Isenburg. Im Jahr 1486 kam der Saynische Anteil durch Kauf ebenfalls an Isenburg.

 Wie lange Isenburg im Besitz von Weisenau und Hechtsheim blieb, ist unbekannt, aber noch im Jahr 1559 war der Graf Reinhard von Isenburg im alleinigen Besitz von Hechtsheim. In der Folge verpfändeten die von Isenburg die Orte Weisenau und Hechtsheim an die Grafen von Schönburg und im Jahr 1632 wurde der Graf Johann Karl von Schönburg durch ein kaiserliches Dekret in den Besitz des ganzen Dorfes Hechtsheim und des Isenburgischen Anteils von Weisenau gesetzt. Am 27. Januar 1658 verkaufte sein Sohn Emanuel Maximilian Wilhelm das Dorf Hechtsheim und seinen Anteil an Weisenau an den Mainzer Domdekan Johann von Heppenheim, genannt von der Saale und entließ in einem Schreiben am 27. Januar 1658 seine Untertanen ihres Eides und ihrer Pflichten. Am 5. Februar 1658 huldigten beide Gemeinden ihrem neuen Herrn in Hechtsheim, wohin auch die Bürger von Weisenau eingeladen worden waren. Über die Feier der Huldigung wurde ein eigener Notariatsakt aufgenommen, welcher sich im Großherzoglichen Staatsarchiv in Darmstadt befindet. Diesem zufolge geschah die Huldigung im Schönburgischen Hof in Hechtsheim, weil das Rathaus verfallen war. Nach der Huldigung nahm der Domdekan den seitherigen Schönburgischen Beamten auch zu seinem Amtmann an und setzte ihn in sein Amt ein. Bei der Mahlzeit überreichten drei Jungfrauen des Ortes dem neuen Herrn einen Rosmarinstrauß und brachten die Glückwünsche des Dorfes dar. Von Hechtsheim begab sich der neue Herr nach Weisenau, kehrte in einem Wirtshaus ein, sah von einem Fenster aus, wie weit sich die Herrlichkeit erstreckte, bestätigte den Schultheiß Sebastian Hees und nahm auch hier wieder den Rosmarinstrauß, ein ausgenähtes Schnupftuch sowie den Glückwunsch von drei Weisenauer Jungfrauen entgegen. Dann ging er zu dem Platz, wo das Isenburgische Wappen in einen Stein eigehauen war, besah dann noch den ganzen Ort und kehrte am Abend nach Mainz zurück.

Doch die neue Ortsherrschaft dauerte nicht lange. Noch in demselben Jahr trat der Kurfürst von Mainz, Johann Philipp von Schönborn, in den Kauf seines Freundes und Vetters. Durch eine Urkunde vom 20. September 1658 versprach er ihm auf Ehre und auf sein fürstliches Wort, ihn gänzlich schadlos zu halten. So war endlich das Erzstift Mainz im Besitz wenigstens des größten Teils dieser der Stadt Mainz so nahegelegenen Orte Weisenau und Hechtsheim.

Doch scheint der Domdekan Johann von Heppenheim, genannt von der Saale, sich bei der Abtretung des genannten Orte die Vogteirechte über den Ort vorbehalten zu haben, da er in sienem Testament vom Jahr 1672 diese Rechte dem erzbischöflichen Seminar in Mainz überwies, welches dieselben im Jahr 1702 an den Kurfürst Lothar Franz von Schönborn abtrat.

Von dieser Zeit an war Weisenau unter drei Herrschaften geteilt. Der größte Teil gehörte dem Kurfürsten von Mainz und seinem Vizedomamt, ein zweiter Teil gehörte dem St. Viktorstift und der dritte gehörte der städtischen Verwaltung von Mainz. Der viktostiftliche Anteil von Weisenau wurde im Jahr 1783 vom Stift an Kurmainz mit allen Vogteirechten unter gewissen Bedingungen abgetreten, sodass von diesem Jahr an Kurmainz im Besitz von ganz Weisenau war, mit Ausnahme der 11 ersten Häuser, welche erst 1823 dem Dorf Weisenau zugeteilt wurden. Weisenau bildete unter dem Vizedomamt Mainz eine eigene Amtsvogtei. Es blieb beim Kurstaat bis zum Untergang desselben.

Großes Ungemach erlitt Weisenau in den französischen Revolutionskriegen am Ende des 18. Jahrhunderts. Bei der Belagerung von Mainz im Jahr 1793 wurden die Kirche, das Pfarr- und Schulhaus, die Synagoge sowie 72 bürgerliche Wohnhäuser durch Brand zerstört. Nur die Mauern der Kirche blieben stehen. Bei der Belagerung der Stadt von 1794 und 1795 wurden wieder viele Häuser aus Mangel an Holz abgerissen. Alle Einwohner waren ausgewandert, der Ort leer und nur von den sogenannten Rotmänteln besetzt. Diese große Not hatte wenigstens für Weisenau das Gute, dass die eine Häuserreihe am Rhein, meistens aus armen Fischerhütten und Judenhäusern bestehend, welche die Hauptstraße verengten und die Aussicht auf den Rhein verhinderten, ganz niedergerissne und nicht mehr aufgebaut wurde, wodurch die andere Häuserreihe die freie Aussicht auf den Rhein gewann und der ganze Rheinteil des Ortes in seiner langen Linie ein schöneres Ansehen erhielt.

Vom Jahr 1793 an teilte der Ort gleiches Schicksal mit den übrigen Orten Rheinhessens. Es kam unter französische Herrschaft zum Departement des Donnersbergs, wurde dem Kreis Alzey und dem Kanton Nieder-Olm zugeteilt, wurde 1815 wieder deutsch und kam 1816 zum Großherzogtum Hessen.