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Der französische Kataster 1798 – 07.07.1816

Ausschnitt aus der Verwaltungskarte des Départements du Mont Tonnerre 1811

von Reiner Letzner

1798 annektierte Frankreich das Rheinland und teilte es in 4 Departements·

  • Rur / Roer mit Aachen·
  • Rhein-Mosel / Rhin et Moselle mit Koblenz·
  • Donnersberg / Mont Tonnere (Zählnummer 100) mit Mainz·
  • Saar / Sarre mit Trier

Dabei wurden historische Grenzen nur selten im lokalen Bereich beibehalten, i.d.R. gingen die neuen Einheiten über alte Territorialbeziehungen hinweg. Die Grenze des Donnersberg-Departements - das aus vielen kleineren Gebieten, aus großen Teilen der Kurpfalz, kirchlichenBesitztümern und dem Großherzogtum Zweibrücken gebildet wurde - mit dem Nachbardepartement Saar und Rhein-Mosel wurde durch Nahe, Glan und Blies gebildet.

Untergliedert wurden die Departements zunächst (1798-1800) in kleinräumige Kantone, dann (1800-1813) in Arrondissements und Cantone.
Arrondissementhauptstädte – "Sous Préfecture et Tribunal" - waren im Donnersberg-Departement - DÉPARTEMENT DU MONT TONNERRE:

  • Kaiserslautern - KAYSERSLAUTERN mit Canton u.a. Goelheim, Lautereken, Ober Moschel, Otterberg, Rockenhausen, Wolfstein,
  • Mainz - MAYENCE – zugleich „Préfecture et Tribunal“ (Präfekt war seit 1802 Jeanbon St. André) und Residenz Napoleons – mit Canton u.a. Alzey, Bechtheim, Bingen, Kirchheim, Niederolm, Oberingelheim, 0ppenheim, Woelstein, Woerstadt,
  • Speyer - SPIRE mit Canton u.a. Durkeim, Edenkoben, Frankendal, Germersheim, Grunstatt, Mutterstadt, Neustadt, Pfeddersheim, Worms,
  • Zweibrücken - DEUX-PONTS mit Canton u.a. Annweiler, Contwick, Hombourg, Landstuhl, Medelsheim, Neu Hornebach, Pirmasens, Waldficherbach.

Der französische Kataster – im Französischen sagt man „le cadastre“ = der Kataster – basiert auf dem Grundsteuergesetz vom 23.11. 1798, das eine intensive und gerechte Besteuerung des Grund und Bodens ermöglichen sollte. Dazu war das Land nach Parzellen zu vermessen und eine Niederlegung in Karten erforderlich.
Die ersten Anfänge und Irrtümer, die darin bestanden, lediglich die Kulturmassen des ertragsfähigen Grund und Bodens zu vermessen, waren sehr bald überwunden.

In den umfangreichen Beratungen, Verordnungen und letzten Endes in dem Sammelgesetz über das Kataster aus dem Jahr 1811, dem „Recueil méthodique des lois, décrets, règlements, instructions et décisions sur le Cadastre de la France“ ist klar zum Ausdruck gebracht, dass das Steuerkataster nicht letztes Ziel sei, sondern dass man vielmehr den Ausbau zum Eigentumskataster anstrebte. [2] Artikel 703 lautet:
"Das Kataster kann und muss demnächst als Beweismittel dienen, das Eigentum festzustellen. Die Eigentümer haben also auch insofern ein Interesse daran, dass keine ihrer Parzellen vergessen ist, oder dass deren Flächeninhalt zu klein ist.""Mais le cadastre peu et doit un jour servir de titre pour constater la propriété; les propriétaires ont donc encore intérêt à ce qu´aucune de leurs parcelles ne sont omise, et à ce que leurs contenances ne soient point affaiblies."

Ein Dreiecksnetz (örtliches Netz) wurde für jede Gemarkung angelegt, ein Anschluss an ein großräumiges Netz (Oberst Tranchot) unterblieb aber. Maßeinheit war das 1799 eingeführte Meter.
Über die auszusteinenden Grenzen der Gemeinden wurde mit den beteiligten Bürgermeistern unter Anwesenheit des Geometers verhandelt. Es erfolgte zwar die Aufnahme eines Grenzprotokolles (Procés-Verbal), in dem, im Norden beginnend, die Grenzen gegen die Nachbargemeinden beschrieben und in Skizzen dargestellt sind, aber eine Grenzkarte wurde meist nicht gefertigt. Die Länge der Grenzlinien von Stein zu Stein und die Winkel wurden in einem besonderen Verzeichnis niedergelegt.
Eine Vermarkung der Eigentumsgrenzen in der in Sectionen (heute Fluren) - mit Buchstaben bezeichnet - aufgeteilten Gemeinde war nicht vorgeschrieben und unterblieb folglich auch meistens. Falls die Sectionen nicht durch natürliche Grenzen eingeschlossen sind, wurden sie mit Hinzuziehung des Bürgermeisters und der nächsten Beteiligten ausgesteint oder ausgepfählt. Die Kosten der Vermarkung gingen zu Lasten der Gemeinde und der Beteiligten.
Die Versteinung der Einzelflurstücke war Aufgabe der Eigentümer.
Die Grundeigentümer waren verpflichtet, ihre Grundstücke und Grenzen den Vermessungsbeamten anzuzeigen und jedes Grundstück mit einem Stäbchen zu bezeichnen, an welchem der Name des Eigentümers zu befestigen war.
Die Messung wurde mit dem Meßtisch durchgeführt, durch Messungszahlen ergänzt, die aber später - als wertlos angesehen - vernichtet wurden!
Die Flächenberechnung erfolgte nur einmal; zur Kontrolle diente eine Blockberechnung.
Den Eigentümer wurde ein Güterauszug überlassen, dem ein Beschwerderecht gegen die Eigentumsangaben, die Abgrenzung der Flurstücke und die Flächenberechnung beigegeben war.

Im Anschluss an die Erstellung der Flurkarte = plan cadastral, plan parcellaire

- den einzelnen Sectionsblättern (1: 2 500, 1: 1 250 oder 1: 625), die bei Bedarf aus mehreren Abteilungen (premiere, seconde/ usw. division) bestehen konnten, war eine Übersichtskarte (1: 5 000 oder 1: 10 000): Tableau d´Assemblage du Plan cadastral parcellaire de la Commune de …, Canton d´…, Arrondissement de…, Departement du… dem Gemarkungsatlas vorgeheftet,

wurde das umfassende Flurbuch = Verzeichnis der Güter und Güterbesitzer = tableau indicatif des propriétaires et des propriétes

- geordnet parzellenweise nach Flurnummern (topographische Ordnung)tableau indicatif des propriétés bâties bzw. tabl. indic. des propr. non bâties oder auch classement parcellaire
und die Mutterrolle – Liegenschaftsbuch - geordnet nach den Eigentümern:matrice de rôle

und ein alphabetisches Namens-Verzeichnis der Eigentümer – tables alphabétiques des contribuables (Steuerpflichtige) aufgestellt. [3], [4], [5], [6].

In der 1. Epoche von 1807 bis 1821 führte man zwei Steuerregister: eines für den bebauten Besitz – propriétés bâties und das andere für den nicht bebauten Besitz – propriétés non bâties. Die beiden Kategorien wurden von 1822 bis 1881 in einem einzigen Register vereinigt und 1882 erneut getrennt.
Die Grundstücke wurden in 5 Klassen eingeteilt. I.d.R. gehörte jedes Grundstück einer Klasse an, in Sonderfällen auch zwei Klassen. Der Reinertrag wurde in französischen Franken errechnet. Das Ergebnis der Schätzung wurde den Eigentümern in besonderen Auszügen mitgeteilt; sie konnten hiergegen innerhalb eines Monats Beschwerde einlegen.
Zur Kontrolle der Vermessung wurden Revisionslinien gelegt, die an Hand der Flurkarte geprüft wurden; Abweichungen wurden in einem besonderen Verzeichnis niedergeschrieben, Differenzen durften 2/100 nicht überschreiten.


Literatur

[1] Karte des DÉPARTEMENTS DU MONT TONNERE (1811) „Atlas National de France“, abgedruckt in „1994 Alt-Lautre Historische Pläne und Karten“ Stadtsparkasse Kaiserslautern.

[2] Letzner, Reiner Augenspaziergang durch alte Gassen und Fluren des Binger Raumes. Landesamt für Vermessung und Geobasisinformation Rheinland-Pfalz, Koblenz 2002.

[3] Kuhn, Erich Die Katasterwerke von Rheinland-Pfalz. Nachrichtenblatt der Vermessungs- und Katasterverwaltung Rheinland-Pfalz 1958, Heft 2 Seite 27 ff., Heft 3 Seite 2 ff.

[4] Stein, Wolfgang Hans Die Geschichte des rheinisch-pfälzischen Liegenschaftskatasters. Nachrichtenblatt der Vermessungs- und Katasterverwaltung Rheinl.-Pfalz, Heft 3/2005, S. 160-175.

[5] Thum, Karl Systematisches Handbuch des Kadasters. Zum Gebrauche der Bürgermeister, Schöffenräthe, Experten, Geometer und der Besitzer liegender Güter jeder Art. 1. Auflage Mainz 1813 bei Florian Kupferberg, 2. Auflage 1818 - Stadtbiblithek Mainz, Bestand Signatur 7/107.

[6] Rößling, Karlheinz Die Geschichte des Katasters in Hessen-Darmstadt mit ausführlichen Angaben zu dem Kurpfälzer-, Kurmainzer- und französischen Kataster. Sonderheft 1 / 1996 Band 1 und 2 , DVW Landesverein Hessen.