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Die Ortsnamen im Kreisgebiet

Karte: Elmar Rettinger

Ortsnamen im engeren Sinn sind Namen für bewohnte Siedlungen, Ortsnamen im weiteren Sinn sind Namen, die sich auf Lokalitäten im allgemeinen beziehen (Flurnamen, Landschafsnamen, Gewässer, Berge usw.). Je nach Situation zum Zeitpunkt der Namenvergabe spiegeln sich in den Namen natürliche Gegebenheiten, Ereignisse oder Personen wider. Ortsnamen gehen oft auf den Gründer des Ortes bzw. den Grundherren zurück. Es gibt Namen, die aus einfachen Substantiven oder Ableitungen mit bestimmten Suffixen wie -ing oder -ach bestehen; am häufigsten sind jedoch Namen, die mit Ortsbezeichnungen wie -heim, -hausen oder -dorf, Gewässernamen wie -au, -bach oder -see bzw. mit Flurbezeichungen wie -feld oder -moos zusammengesetzt sind.
Die frühen Ortsnamen sind oft in kirchlicher Überlieferung, z.B. aus Anlass von Besitzübertragungen oder Güterverzeichnissen überliefert. Da es im hiesigen Raum sehr viel kirchlichen Besitz gab, und die Schriftlichkeit insbesondere in Klöstern weiter fortschritten war als bei weltlichen Herren, sind viele Orte in unserer Region schon sehr früh erwähnt. Von 90 -heim-Orten werden 68 zwischen 764 und 800 in der Überlieferung des Klosters Lorsch genannt. Allerdings sagt der Zeitpunkt der ersten Erwähnung noch nichts über das tatsächliche Alter der Siedlung aus. Man kann die Form des Ortsnamens (z.B. die -ing/-ingen-Orte oder die -heim-Orte) nicht bestimmten germanischen Stämmen zuordnen. Ohne Zweifel wurden aber zu bestimmten Zeiten bestimmte Ortsnamen bevorzugt; d.h. der Name einer Siedlung gibt einen Hinweis auf ihr Alter.

Einfache Ortsnamen sind oft die ältesten. Das gilt vor allem für die Gewässernamen (Selz, Nahe, Rhein), aber auch für Siedlungsnamen (Mainz, Bingen, Olm usw.). Kontinuität des Namens ist ein Zeichen für Kontinuität der Siedlung, auch wenn die ethnische Zusammensetzung der Bewohner sich gewandelt hat. Die Römer haben zum Teil die keltischen Namen der Siedlungen übernommen, ebenso griffen germanische Stämme auf keltische und römische Vorgängernamen zurück. In nachrömischer Zeit waren jedoch Neugründungen mit neuen Ortsnamen die Regel. Im Kreisgebiet häufen sich auffällig Ortsnamen, die auf -heim enden. Diese Ortsnamen sind in der Regel mit einem Personennamen (dem des Gründers der Siedlung) verbunden, d.h. sie zählen zu den so genannten Besitzernamen. Die Franken, die unseren Raum in nachrömischer Zeit besiedelten, gründeten zwar nicht ausschließlich Orte mit -heim-Namen, sie bevorzugten jedoch eindeutig -heim-Namen für ihre Siedlungen. Die Existenz einer großen Zahl von -heim-Orten in unserem Bereich ist somit ein Reflex der fränkischen Besiedlung des 6. und 7. Jahrhunderts.

Im Kreisgebiet finden sich neben den -heim-Orten auch andere Ortsnamen: Zum Teil wurden ältere Formen einfach übernommen (Mainz, Bingen, Selzen). Zum Teil haben die Ortsnamen auch andere Endungen (z.B. Sprendlingen, Guntersblum). Ortsnamen mit der Endung -hofen, -dorf weisen auf spätere Besiedlungsphasen hin. Ergänzungen wie Nieder-, Ober-, Groß-, Klein- sind oft später hinzugefügt worden, um Siedlungen gleichen Namens zu unterscheiden (Ober-, Nieder-Olm, Groß-, Klein-Winternheim).

Die Ortsnamen in der heutigen Verbandsgemeinde Nieder-Olm

Unter dem Aspekt der Ortsnamen lassen sich die Ortsgemeinden in zwei Gruppen aufteilen: Zu den -heim-Orten gehören Elsheim, Essenheim, Jugenheim, Klein-Winternheim und Zornheim; die zweite Gruppe besteht aus den Nicht-heim-Orten Ober- und Nieder-Olm, Sörgenloch und Stadecken. Alle -heim-Orte haben als Hauptbestandteil einen Personennamen. Elsheim, 1170/80 als Igilsheim erstmals erwähnt, ist das Heim des Egil. Essenheim, 1145 Isenheim genannt, ist das Heim des Iso. Jugenheim, das 1289 als Guginheim in der Überlieferung auftaucht, ist das Heim des Gugo. Klein-Winternheim, 1189/90 erstmals als Wintirheim erwähnt, ist das Heim des Wintero. Der Zusatz Klein- dient zur Unterscheidung der Siedlung von Groß-Winternheim bei Ingelheim. Die Personennamen sind durch die Sprachentwicklung so weit verändert, dass sie in ihrer ursprünglichen Form nur schwer wiederzuerkennen sind. Dass die Ortsnamen auch heute noch einem Lautwandel unterliegen, zeigt die Betrachtung der Dialektformen. In den örtlichen Mundarten sind die -heim-Endungen oft zu einem bloßen -m abgeschwächt, dem teilweise nur noch ein sog. "Murmelvokal" vorausgeht. Ober-OlmNieder- und Ober-Olm sind aus einer gemeinsamen Gemarkung entstanden, die 994 erstmals als Ulmena erwähnt wird. Der Name kann nicht auf den Baum "Ulme" zurückgehen, da die Ulmen damals elm oder ilm hießen. Vielmehr hängt der Name mit der Selz zusammen. Der Name der Selz (Salusa) stammt aus vorgermanischer Zeit. Germanische Siedler nannten die Selz Ulmena und gaben diesen Namen auch der neuen Siedlung. (Weiter selzaufwärts dagegen ist der Flussname auch als Ortsname weitergegeben worden - Selzen). Sörgenloch wird 1290 erstmals erwähnt. Der Name ist von den örtlichen Gegebenheiten hergeleitet. Er deutet darauf hin, dass der Ort in der Nähe eines sumpfigen Waldes entstand. Bei Stadecken, erstmals im 13. Jahrhundert als Stadeck erwähnt, handelt es sich um eine Siedlung, die um eine an der Selz errichtete Burg entstand und den Namen von dieser Burg übernahm (Siedlungen, die um eine Burg entstanden haben meist einen Namen mit -berg, -eck, -fels oder -stein). Die Burg Stadeck wurde auf dem Gebiet der Siedlung Hedensheim errichtet. Die Einwohner verließen das Dorf und siedelten sich im Schutz der Burg an. 1325 wird der Ort in der bezeichnenden Formulierung Stadecken sive Hedensheim letztmals erwähnt. Heute erinnert nur ein kleiner bewaldeter Hügel mitten im Feld links der Straße von Nieder-Olm nach Stadecken-Elsheim (kurz vor Stadecken) an die ehemalige Ortschaft.