Kaltenengers am Mittelrhein

Zur Geschichte von Kaltenengers

Kelten, Römer und Franken

Luftansicht von Kaltenengers [Bild: M. Rünz]

Menschen halten sich in der Gegend des heutigen Kaltenengers bereits ab der Altsteinzeit auf. Bronzezeitliche Grabfunde beweisen eine frühe land- und weidewirtschaftliche Nutzung des Bodens. Ab ungefähr 450 vor Christus lässt sich die Ausdehnung der keltischen Latènekultur in die Gegend um Kaltenengers archäologisch fassen. Eine kontinuierliche Besiedlung des Ortes seit römischer Zeit ist sicher. Kanalbauarbeiten brachten zu Anfang der 1980er Jahre Reste römischer Keller und Gebäude aus dem 2. oder 3. Jahrhundert zu Tage. Der Bimsabbau der vorigen Jahrhunderts führte zur stellenweisen Freilegung des römischen Wasserleitungssystems (des sogenannten „Römerganges“). Der zivilsatorische Einfluß Roms ist archäologisch bis ins 5. Jahrhundert hinein eindeutig fassbar und geht daraufhin allmählich in die fränkische Kulturepoche über, wobei der genaue Standort der fränkischen Siedlung nicht mehr genau zu bestimmen ist. Diese dürfte jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach nördlich der heutigen Hauptstraße in der Nähe des Rhein-Hochufers gelegen haben, wo sich noch heute der älteste Bereich des Ortes befindet. Bauarbeiten des Jahres 1885 brachten merowingische Grabfunde zu Tage, die darauf hindeuten, dass es sich bei Kaltenengers um einen fränkischen Herrensitz gehandelt haben dürfte.  Die These von der römischen Siedlungskontinuität wird durch die Übernahme der römischen Gäberfelder durch die Franken bestärkt. Die fränkischen Reihengräber werden um 700 durch die Anlage von Kirchfriedhöfen abgelöst. In der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts dürfte der Ort für einige Jahrzehnte unter alemannischem Einfluß gestanden haben. Mit dem Vertrag von Verdun aus dem Jahr 843 wird Kaltenengers zunächst Teil Lotharingiens. Im Jahre 870 fällt der Ort an das West-, zehn Jahre darauf an das Ostfrankenreich. Wann genau Kaltenengers erstmals urkundlich erwähnt wurde ist umstritten. Sollte, wie vielfach angenommen, Kaltenengers identisch sein mit dem frühmittelalterlichen „Dürrenmüntze“ oder „Dürrenmuntze“ fällt die Ersterwähnung bereits in das Jahr 755. Hält man eben dieses „Dürrenmüntze“ jedoch für einen wüst gewordenen Ort, ist die Ersterwähnung sicher auf den 7. April des Jahres 1302 zu datieren. Das entsprechende Dokument hat die Besitzungen des Koblenzer Deutschordenshauses zum Inhalt und vermerkte vier Morgen Ackerlandes zwischen den Orten parvum Engers und superius Engers. Letzteres dürfte sich entweder auf den rechtsrheinisch gelegenen heutigen Neuwieder Stadtteil Engers beziehen oder auf den benachbarten Ort St. Sebastian, der in früheren Jahrhunderten auch als Sebastianengers firmierte. Die Gleichsetzung von parvum Engers mit Kaltenengers deutet auf eine etymologische Entwicklung aus Klein-Engers hin. Sicher ist die Namensherkunft des Ortes jedoch nicht zu klären. Andere Interpretationen verweisen auf eine Herleitung aus dem Begriff „kahl“, da Kaltenengers im Vertrag von Meerssen dem westfränkischen Reich Karls des Kahlen zugeschlagen worden war. Wieder andere halten einen keltischen Ursprung für wahrscheinlich, wobei „Kaltenengers“ auf einen ausgetrockneten Rheinarm verweisen würde: Diese Version würde zumindest die Bezeichnung des Ortes oder eines Hofes in demselben als „Dürrenmüntze/Dürrenmuntze“ erklären. Die deutschsprachige Form „Callen-Engers“ wird im Jahre 1438 erwähnt. Bis zum Beginn der Industrialierung besteht Kaltenengers im Wesentlichen aus einer Häuserzeile am Fluß, die nach Westen hin in gartenbaulich genutztes Gelände ausläuft.

Von Kurtrier nach Rheinland-Pfalz

Katholische Pfarrkirche St. Sylvester in Kaltenengers[Bild: Bereitgestellt durch die Verbandsgemeinde Wei]

Seit dem 13. Jahrhundert wächst der Einfluß Kurtriers in der Region, wobei das Amt Bergpflege entsteht, das von einem kurtrierischen Vertreter aus dem Hause Waldbott von Bassenheim administriert wird. Seit dieser Zeit gehörte Kaltenengers zur Urmitzer Vogtei. Das Gemeindeleben des Ortes bleibt bis ins 19. Jahrhundert hinein auf das benachbarte Urmitz fokussiert, wo sich nicht nur die Vogtei befindet, sondern auch die Pfarrkirche und ab dem 18. Jahrhundert ein Schulgebäude. Das Trierer Feuerbuch aus dem Jahre 1563 verzeichnet für Kaltenengers 17 Haushalte, was rund 100 Einwohnern entsprochen haben dürfte.  Während des Dreißigjährigen Krieges wurde das Untere Mittelrhein-Gebiet zum beliebten Durchmarschgebiet feindlicher Heere. Bei dieser Gelegenheit wird Kaltenengers im Jahre 1620 durch spanische Truppen niedergebrannt. Auch in den Pfälzischen Erbfolgekrieg wird der Ort verwickelt, als die Kaiserliche Armee von Kaltenengers aus die französisch besetzte Burg Kunostein, den Vorgängerbau des heutigen Engerer Schloßes, unter Beschuß setzte. Das 17. Jahrhundert hatte sich insgesamt verheerend ausgewirkt: Zählt man für 1624 14 Familien in Kaltenengers, geht diese Zahl bis 1683 auf bloße 10 zurück. Die ab 1794 einsetzende französische Herrschaft bringt zwar einerseits die Befreiung der landwirtschaftlich beschäftigten Bevölkerung aus ihren feudalen Wirtschafts- und Lebensverhältnissen, andererseits jedoch hohe Steuer- und Kriegslasten. In dieser Zeit kommt es zur bis heute in den ortsüblichen Familiennamen sichtbaren Niederlassung französischer Familien in Kaltenengers. Die französische Gemeindeordnung bleibt auch in der Preußenzeit ab 1815 weitgehend in Kraft. Die neue preußische Gemeindeordnung von 1845 beschert der Gemeinde sogar noch tiefgreifendere Haushaltsrechte. Im Jahre 1856 wird das linksrheinische Eisenbahnteilstück von Koblenz nach Rolandseck eingeweiht, wobei das nahegelegene Urmitz einen Haltepunkt erhält. Noch vor dem Ersten Weltkrieg werden ein Jungesellen- und ein Gesangsverein gegründet. Nachdem die Kaltenengerer Pfarrgemeinde bereits zwei Jahre zuvor aus dem Urmitzer Sprengel herausgelöst worden war, wird die neue, dem Heiligen Sylvester geweihte Pfarrkirche, im Jahre 1871 geweiht. Das Jahr 1905 bringt die Anbindung der Gemeinde an das Fernsprechnetz und das Kriegsjahr 1916 mit dem Bau der Kronprinz-Wilhelm-Brücke in Urmitz den ersten begehbaren Rheinübergang in der Nähe der Gemeinde. Ansonsten haben die Turbulenzen des Krieges unter anderem die Einstellung von vier Flurhütern zum Schutz vor Plünderern und die Einrichtung einer Bürgerwehr zur Überwachung der Heeresauflösung des Herbstes 1918 zur Folge. Im Jahr 1919 ist ein amerikanisches Infanterieregiment im Ort untergebracht. Die Zwischenkriegszeit in Kaltenengers ist sowohl durch bedeutende technische Neuerungen (der Anschluß an das elektrische Stromnetz erfolgt noch im letzten Kriegsjahr, die Einführung der zentralen Wasserversorgung im Jahre 1926, die Straßenbeleuchtung an Hauptstraße und Rheinufer folgt ein Jahr darauf) als auch durch ein aufblühendes Vereinsleben geprägt. Politisch ist eine vergleichsweise starke KPD bemerkenswert. Nach der Machtergreifung setzt sich die NSDAP jedoch rasch durch. Im Oktober des Jahres 1933 überschreitet Kaltenengers die Marke von 1000 Einwohnern. Die nationalsozialistische Ära und der aus ihr hervorgehende Zweite Weltkrieg hat für das Dorf ähnliche Begleiterscheinungen wie der Erste Weltkrieg zwei Jahrzehnte zuvor: Der landwirtschaftliche Arbeitskräftemangel wird erneut durch den Einsatz von Zwangsarbeitern beholfen, Truppen werden zum Durchzug nach Frankreich einquartiert. Gegen Kriegsende finden Volkssturmübungen am Sonntagvormittag statt. Auch in diesen Jahren finden sich „Hamsterer“ aus den Städten im Ort ein. Im Frühjahr 1944 wird Kaltenengers von amerikanischer Artillerie eingeschlossen und am 8.3. von einer Panzer-Division besetzt. Erst am 11.2. des Folgejahres wird die Urmitzer Rheinbrücke zerstört und erst neun Jahre darauf wiederaufgebaut. Insgesamt hat der Krieg dem Ort 53 gefallene und 24 vermisste Söhne gekostet. Nach Kriegsende folgt erneut die französische Besetzung. Die Nachkriegszeit ist insbesondere durch eine bauliche Erweiterung des Gemeindelebens geprägt: Die sechziger Jahre bringen eine Dorferweiterung sowie die Kanalisierung des Ortes mit sich. Im Jahre 1997 überschreitet die Gemeinde die 2000-Einwohner-Marke.

Quelle: Stoffel, Dorfchronik Kaltenengers, s. rechte Spalte; red. Bearb. K.H.