Zur Geschichte von Beilstein
Beilstein in römischer Zeit
Erste Siedlungsspuren auf dem Gebiet der heutigen Ortsgemeinde Beilstein stammen aus der Römerzeit. So deuten mehrere Funde von spätrömischen Keramikbruchstücken darauf hin, dass sich die heute noch erhaltenen Reste der mittelalterlichen Burg Metternich auf dem Standort einer früheren spätantiken Höhensiedlung befinden. [Anm. 1] Zudem wurden auf dem Bergrücken zwischen der Burg und dem alten jüdischen Friedhof die Überreste dreier Steinsarkophage gefunden, die sich in die spätere römische Kaiserzeit oder das Frühmittelalter datieren lassen. [Anm. 2] Hiervon abgesehen finden sich für die weitere Zeit des Frühmittelalters keine schriftlichen oder archäologischen Überlieferungen über Beilstein.
Beilstein in mittelalterlicher Zeit
Der heutige Ort Beilstein liegt am rechten Ufer der Mosel und erstreckt sich entlang der Täler zweier in die Mosel einmündender Bäche. Der Ortsname stammt von Crafto von Beilstein, dem Besitzer einer gleichnamigen Burg, der 1129 erstmals urkundlich überliefert wurde. [Anm. 3] Nach dem Aussterben der Herren von Beilstein im Jahr 1268 ging die Burg Beilstein (heutige Burg Metternich) als Reichslehen in den Besitz der Grafen von Braunshorn über, die seit 1098 im Hunsrück nachgewiesen werden können. [Anm. 4] Vermutlich bestand bereits zu dieser Zeit eine kleine Ansiedlung zu Füßen der Burg. [Anm. 5] 1309/10 gewährte König Heinrich VII (1308-1347) seinem Hofmeister Johann von Braunshorn (ca. 1270-1347) das Recht zur Errichtung einer Stadtbefestigung und zur Ansiedlung von 40 christlichen Bürgern mit deren Familien und zudem von zehn jüdischen Familien in Beilstein. [Anm. 6] Diese Freiheiten wurden 1316 und 1330 von königlicher bzw. kaiserlicher Seite bestätigt und die Beschränkung der Einwohnerzahl schließlich aufgehoben.
In der Folgezeit entwickelte Beilstein sich schrittweise zu einem eigenständigen Residenzort: Im Jahr 1316 sprach König Ludwig der Bayer der Gemeinde das Recht zu, einen Wochenmarkt abzuhalten. [Anm. 7] Eine Stadtmauer wurde bis zum März 1363 vollendet. [Anm. 8] Bereits 1310 hatte Johann von Braunshorn eine Jesus Christus, der Jungfrau Maria und dem heiligen Christopherus geweihte Kapelle gestiftet, die 1313 zur Pfarrkirche erhoben wurde. [Anm. 9] Beilstein war seit dem Mittelalter vor allem landwirtschaftlich geprägt. Von herausragender Bedeutung war hierbei der auf den Hängen rund um den Ort betriebene Weinbau; darüber hinaus spielte vermutlich auch die Moselschifffahrt eine gewisse Rolle. [Anm. 10]
Eine jüdische Gemeinde ist in Beilstein seit den Pestpogromen von 1349 sicher belegt.[Anm. 11] Ein Großteil der Gemeinde fiel diesen Pogromen zum Opfer, jedoch ist bereits im August 1349 wieder ein in Beilstein ansässiger Jude bezeugt.[Anm. 12] Der aus Beilstein stammende Rabbiner Isaak HaLewi gründete nach 1349 eine bedeutende Talmud-Hochschule in Heidelberg und machte sich als Verfasser von Gedichten für den Gottesdienst (hebräisch Pijjut) einen Namen, die in Gebetsbüchern nach den Riten von Avignon, Rom und der Romagna überliefert sind.[Anm. 13] Eine größere jüdische Gemeinde ist in Beilstein allerdings erst seit dem 16. Jahrhundert belegt.[Anm. 14]
Nach dem Aussterben der Grafen von Braunshorn in männlicher Linie im Jahr 1362 ging Beilstein in weiblicher Erbfolge an die Herren von Winneburg-Beilstein über. [Anm. 15] Zwischen 1363 und 1366 mussten Cuno von Winneburg und dessen Bruder Gerlach allerdings die Hälfte ihrer Herrschaft über Stadt und Burg Beilstein an die Erzbischöfe von Kurtrier verpfänden und 1389 schließlich verkaufen, womit die Herren von Winneburg zunehmend in die Abhängigkeit des Trierer Erzbischofs gerieten. [Anm. 16] Sie wandten sich daher bei der Kurpfalz um Hilfe , die ihrerseits an einem Ausbau ihres Einflusses an der Mosel interessiert war. [Anm. 17] Dies führte 1488 zum Ausbruch des sogenannten Beilsteiner Krieges, den Kurtrier im Dezember desselben Jahres für sich entscheiden konnte; durch einen Schiedsspruch wurden die Rechte des Trierer Erzbischofes schließlich bestätigt. [Anm. 18] Erst 1539 gelang es Philipp Freiherr von Winneburg-Beilstein, die an Kurköln und Kurtrier verpfändete Hälfte der Herrschaft Beilstein zurückzuerhalten. [Anm. 19]
Frühe Neuzeit
Obgleich die Herren von Winneburg zwischen 1584 und 1636 als Anhänger der Reformation galten, konnte sich die Reformation nicht in Beilstein durchsetzen. [Anm. 20] Während des Dreißigjährigen Krieges war die Burg Beilstein zwischen 1620 und 1634 von spanischen und später schwedischen Truppen besetzt. [Anm. 21] Nachdem die Dynastie von Winneburg 1636 ausgestorben war, fiel die Herrschaft über den Ort Beilstein als Lehen an Kurtrier zurück. Ort und Burg kamen zunächst vorläufig und 1652 endgültig als Lehen in den Besitz der Reichsfreiherren von Metternich, deren Namen die Burg bis heute trägt. [Anm. 22] Bereits ein Jahr nach dem Herrschaftsantritt der Herren von Metternich erfolgte 1637 die Gründung eines Karmeliterklosters.[Anm. 23] Während des Pfälzischen Erbfolgekriegs wurde die Burg Beilstein von französischen Truppen unter Generalleutnant Graf Montalt schwer zerstört, Ort und Kloster blieben hingegen verschont. In der Folgezeit verlegte Franz Ferdinand Graf von Metternich seine Residenz nach Koblenz und ließ sich in Beilstein in der Folgezeit durch die im heute noch erhaltenen Amtshaus am Markt residierenden Vögte vertreten.
Der Verlust der Eigenständigkeit
Im Zuge der Besetzung des Rheinlandes durch französische Revolutionstruppen wurde die Herrschaft Beilstein 1794 aufgelöst und der Besitz der Grafen von Metternich inklusive der Burg an Privatleute verkauft. [Anm. 24] Beilstein wurde 1801 Teil des französischen Départements de la Sarre. Hiermit endete die jahrhundertealte Tradition Beilsteins als Haupt- und Residenzort eines eigenständigen Herrschaftsträgers endgültig. Mit dem Wiener Kongress fiel Beilstein mit dem Moselland als Teil der neu geschaffenen Rheinprovinz an das Königreich Preußen. Beilstein verlor seine vorherige zentralörtliche Bedeutung und wurde als Teil der Amtsbürgermeisterei Senheim dem Landkreis Zell zugeschlagen. 1803 erfolgte die Auflösung des Karmeliterklosters. [Anm. 25]
Beilstein im 20. und 21. Jahrhundert
Die meisten der Beilsteiner Juden waren bereits vor dem Machtantritt der Nationalsozialisten aus Beilstein u.a. nach Cochem, Trier und Koblenz gezogen. [Anm. 26] Die letzte jüdische Familie verließ den Ort im Jahr 1939. Nach Angaben der internationalen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem wurden 14 aus Beilstein stammende oder für längere Zeit dort wohnhafte Juden während der NS-Herrschaft ermordet. [Anm. 27]
Seit 1946 ist Beilstein Teil des neu geschaffenen Bundeslandes Rheinland-Pfalz. Zwei Jahre später erfolgte die Neugründung des Karmeliterklosters von Beilstein. Seit 1969 gehört der Ort zur Verbandsgemeinde Cochem im Landkreis Cochem-Zell. Beilstein hat heute (Stand: 31. Dezember 2020) 131 Einwohner.
Nachweise
Autor: Max Hartmann
Verwendete Literatur:
- Alicke, Klaus-Dieter: Lexikon der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum. Bd. 3. Gütersloh 2008. URL: www.jüdische-gemeinden.de (Zugriff: 01.06.2022).
- Brauksiepe, Bernd: Beilstein, Karmeliterkloster. Geschichtlicher Abriss. In: Klöster und Stifte in Rheinland-Pfalz. URL: http:⁄⁄www.klosterlexikon-rlp.de/mosel-saar/beilstein-karmeliterkloster.html (letzter Aufruf: 13.04.2022).
- Friderichs, Alfons/ Gilles, Karl-Josef: Beilstein an der Mosel. Neuss 1980 (Rheinische Kunststätten, Bd. 242).
- Hansel, Wilfried: Die Judenschule in Beilstein. In: Jahrbuch für den Kreis Cochem-Zell, hg. v. der Kreisverwaltung Cochem-Zell, 1988, S. 99-101.
- Jost, C. A.: Beilstein: Burg Metternich und spätrömische Höhensiedlung. In: Landschaft an der Mosel, hg. v. Axel von Berg, Stuttgart 2005 (Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland, Bd. 46), S. 66.
- Mötsch, Johannes: Johann von Braunshorn und die Herrschaft Beilstein. In: Sobernheimer Gespräche, Bd. 3: Das Land an der Mosel. Kultur und Struktur, hg. v. Klaus Freckmann. Köln 1995, S. 107-114.
- Mötsch, Johannes: Winneburg-Beilstein. In: Handbuch Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich 15.IV: Grafen und Herren, hg. v. Werner Paravicini. Ostfildern 2012, S. 1706–1709.
- Schleindl, Angelika: Spuren der Vergangenheit. Jüdisches Leben im Landkreis Cochem-Zell. Briedel 1996.
- Schommers, Reinhold: Die Beilsteiner Judengemeinde und ihre Synagoge. In: Sobernheimer Gespräche, Bd. 3: Das Land an der Mosel. Kultur und Struktur, hg. v. Klaus Freckmann. Köln 1995, S. 115-130
Veröffentlicht am 27.07.2022
Anmerkungen:
- Jost 2005, S. 66. Zurück
- Ebd., S. 66 f. Zurück
- Friderichs/Gilles 1980, S. 3. Zurück
- Mötsch 2012, S. 1712; Mötsch 1995, S. 108. Zurück
- Mötsch 1995, S. 111. Zurück
- Mötsch 1995, S. 110; Schleindl 1996, S. 132. – Nach Einschätzung von Reinhold Schommers handelte es sich bei den erwähnten jüdischen Familien um Kammerjuden vom Mittelrhein, insbesondere aus Oberwesel, Schommers 1995, S. 115. – Siehe hierzu auch Schleindl 1996, S. 132. Zurück
- Mötsch 2012, S. 1712. Zurück
- Mötsch 2012, S. 1712. Zurück
- Mötsch 1995, S. 111. Zurück
- Siehe hierzu Mötsch 2012, S. 1712. Zurück
- Mötsch 1995, S. 112. Zurück
- Mötsch 2012, S. 1713; Schommers 1995, S. 116 f. Zurück
- Mötsch 1995, S. 114; Schleindl 1996, S. 132. Zurück
- Mötsch 1012, S. 1713. Zurück
- Johann von Braunshorn und dessen Sohn Gerlach erhielten 1332 von Kaiser Ludwig das Recht, die Reichslehen an Gerlachs Tochter Elisabeth weiterzuvererben. Tatsächlich trat ihr Ehemann Cuno nach dem Tod Gerlachs dessen Nachfolge in den entsprechenden Lehen an, Mötsch 2012, S. 1700. Zurück
- Mötsch 2012, S. 1709; Friederichs/Gilles 1980, S. 3. Zurück
- Mötsch 1995, S. 113; Mötsch 2012, S. 1709. Zurück
- Mötsch 2012, S. 1710. Zurück
- Mötsch 1995, S. 113; Schommers 1995, S. 117. Zurück
- Siehe hierzu Mötsch 2012, S. 1710. Zurück
- Friderichs/Gilles 1980, S. 4; Mötsch 2012, S. 1710. Zurück
- Friderichs/Gilles 1980, S. 4. Zurück
- Brauksiepe: Beilstein. Zurück
- Der letzte Inhaber der Herrschaft über Beilstein war der spätere österreichische Staatskanzler Clemenz Wenzel Fürste von Metternich (1773-1859), Friderichs/Gilles 1980, S. 4. Zurück
- Brauksiepe 2022. Zurück
- Schleindl 1996, S. 135. Zurück
- Alicke 2008. Zurück