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Zur Geschichte Rheinhessens

Der folgende Text basiert auf dem Aufsatz von Volker Gallé, den dieser 1992 im DuMont-Kunstreiseführer geschrieben hat. Der Text wurde gekürzt, redaktionell bearbeitet und mit weiterführenden Links versehen.

0.1.Vor- und Frühgeschichte

Nahaufnahme eines Haifischzahns
Haifischzahn (Paläontol. Mus. Nierstein)[Bild: ]

Am Ende des Tertiär, als das Meer sich aus Rheinhessen endgültig zurückzog, suchte sich der Ur-Rhein im Laufe der Zeit seinen Weg durch die schon bestehende Grabenzone und bildete das charakteristische "Rheinknie" zwischen Bingen und Worms. Das rheinhessische Hügelland wurde vor ca. 500.000 Jahren von Menschen besiedelt. Archäologische Funde bei Bingerbrück (Werkzeuge des Homo Heidelbergensis), bei Wallertheim, am Mainzer Linsenberg, im Altbachtal bei Westhofen, in Kriegsheim und Pfeddersheim belegen eine kontinuierliche Besiedlung Rheinhessens bis in die Steinzeit hinein.


Schnurkeramik[Bild: ]

In der Jungsteinzeit siedelten die Wanderbauern der Band- und Schnurkeramiker (4.000-2.500 v. Chr.) auch in dieser Gegend. Sie legten auf höher gelegenen Flächen durch Wall und Gräben geschützte Dörfer. Als Siedlungskerne bildeten sich die Bereiche um Alzey, Wörrstadt, Wallertheim, Wöllstein und Partenheim heraus. Zwischen 2.500-1.800 v.Chr. kamen dann die Michelsberger ins Land, sesshafte Ackerbauern, die als Pfahlbauer des Bodensees besondere Berühmtheit erlangt haben. Gegen Ende dieser Epoche drangen Schnurkeramiker und Glockenbecherleute von Nordosten und Westen nach Rheinhessen vor. Sie waren Jäger und Viehzüchter, lebten nicht gerne in festen Siedlungen und kümmerten sich weniger um den Ackerbau. Die Viehzüchter der Adlerbergkultur und der Hügelgräberkultur der frühen Bronzezeit (1.800-1.500 v.Chr.) ließen sich vorwiegend an Furten und Hochuferrändern nieder, um ihr Vieh besser weiden und tränken zu können. Zwischen 1.500 und 800 v.Chr. siedelten sich verstärkt wieder Ackerbauern (Urnenfelderkultur) auf den Plateaus an (Funde im Mainzer Landesmuseum). Aus der Eisenzeit (800-500v. Chr.) sind Siedlungen der Hallstatt-Kultur auf Bergrücken bekannt (Höhensiedlung Wißberg bei Gau-Bickelheim).

Siedlungsraum der Kelten

In der Latène-Zeit (500-100 v. Chr.) gründeten keltische Stämme die ersten Ortschaften (Mainz, Worms, Alzey). In der La--Tène-Zeit (500-100 v.Chr.) kommt es dann zu Ortsgründungen der in Rheinhessen ansässigen keltischen Stämme der Mediomatriker und Treverer. So enstanden in der Zeit vor 300 v.Chr. die Siedlungen Alzey, Mainz, Worms und wahrscheinlich Bingen.


0.2.Rheinhessen in römischer Zeit

Der Raum des späteren Rheinhessens geriet in der Zeit Gaius Julius Caesars (58-51 v. Chr.) in das Blickfeld der Römer, als diese ihr Herrschaftsgebiet bis nach Gallien ausdehnten. Das Gebiet bis zum Rhein wurde damit erstmals in den Bereich der römischen Herrschaft einbezogen. Unter Kaiser Augustus (27 v. Chr. - 14 n. Chr) plante Rom die Eroberung Germaniens. Zu diesem Zweck wurde der Rhein als Aufmarschlinie genutzt und Truppen dorthin verlegt. Der römische Feldherr Drusus (39-9 v. Chr.) ließ im Gebiet der heutigen Stadt Mainz ein Lager für zwei Legionen errichten. Von dort und den befestigten Lagern in Worms und Bingen unternahm Drusus Feldzüge ins rechtsrheinische Germanien.
Nach der Niederlage des Varus im Teutoburger Wald (9 n. Chr.) zogen sich die Römer auf die Rheinlinie zurück und bauten sie als befestigte Grenze aus. Es entstanden die drei Provinzen Germania inferior (Köln und Niederrhein), Germania superior (Mainz und Oberrhein) und Gallia belgica (Trier und Moselgebiet).
Die Römer bauten das keltische Wegesystem zu einem Netz von Fernstraßen aus. Der Rheinweg von Straßburg über Mainz nach Köln und die Pfalzstrecke von Metz über Kaiserslautern nach Worms wurden damals als überregionale Hauptstraßen grundgelegt.
Die Niederlage des römischen Statthalters Varus (7 - 9 n. Chr.) gegen Arminius und der Untergang von drei Legionen im Teutoburger Wald bedeutete den weitgehenden Verlust der rechtsrheinischen Gebiete. Lediglich im Bereich des heutigen Rhein-Main-Gebietes, des Taunus und der Wetterau hielten sich die Römer bis zur Aufgabe des Limes. Abgesehen von jener Region bildete der Rhein nun die Grenze zu den Germanen.
Nach den Aufständen der Treverer, Bataver und Brukterer im 1. Jahrhundert n. Chr. entstand seit ca. 80 n. Chr. auf der rechten Rheinseite ein befestigter Grenzwall, der Limes, der römisches und germanisches Gebiet voneinander trennte. Der Limes ermöglichte eine ungestörte Siedlungsentwicklung im Hinterland. Keltische und römische Kultur verschmolzen miteinander.
Die vom Ende des 1. Jahrhunderts bis in die Mitte des 3. Jahrhunderts herrschende Friedenszeit führte zu einer Blüte der bürgerlichen Kultur. Die germanischen Völker blieben von dieser Entwicklung nicht unberührt. Es kam in vielen Bereichen zu einer Romanisierung von Teilen dieser Volkschaften. Die ländlichen Villen (villae rusticae), in ihrem Wesen kleinbäuerliche Betriebe, Höfe und Staatsgüter, erwirtschafteten aus den günstigen Produktions- und Absatzbedingungen jene Mittel, die es den Bewohnern erlaubten, nicht nur die fortschrittliche römische Ausstattung (Heizung, Bäder, Mosaikböden u.ä.) anzuschaffen, sondern auch die vielfältigen technischen Gerätschaften einer hochentwickelten antiken Ackerbaukultur zu übernehmen. Die keltischen Siedlungen im linksrheinischen Hinterland wurden zu Städten ausgebaut, entweder aus Volksgemeinden der nichtrömischen Bevölkerung wie Speyer (Nemeter), Worms (Vangionen) oder Trier (Treverer) oder aus Legionslagern wie etwa Mainz.
Nach den verheerenden Germaneneinfällen (259/260 und 275) wurde der Rhein wegen der anhaltenden germanischen Bedrohung (Alemannen u.a.) erneut zur Grenze und Rheinhessen damit zu römischem Grenzland. Das Leben konzentrierte sich links des Rheins auf die befestigten Plätze, das ländliche Gebiet verödete. Während Trier zur glanzvollen Kaiserstadt aufstieg, blieb Mainz eine vom Militär geprägte Garnisonsstadt.
Wiederholte Vorstöße germanischer Stämme über den Rhein in den Jahren 350-352, 365 und 368 veranlassten die Römer dazu, die Rheingrenze zu verstärken, Villen zu Wehranlagen umzubauen (Bad Kreuznach) und Siedlungen mit Mauern zu umgeben. Alzey erhielt im 4. Jahrhundert sein Kastell.
Um 400 n. Chr. zogen die Römer einen Teil der Grenztruppen ab und verlegten die Kaiserresidenz von Trier nach Ravenna (Mailand). Daraufhin überschritten Wandalen, Sweben und Alanen in der Neujahrsnacht 406/407 den Rhein. Sie vernichteten den Grenzschutz im Bereich Selz/Bingen. Die Auseinandersetzungen zwangen die Römer, sich langsam vom Rhein zurückzuziehen.
Seit 420 beherrschten die Burgunder den Raum um Worms auf beiden Seiten des Rheins. Da die Burgunder den Römern zu mächtig wurden, schlug im Jahr 436 n. Chr. der römische Feldherr Aetius mit seinen hunnischen Hilfstruppen den Heerkönig der Burgunder vernichtend. Die wenigen Überlebenden wurden an die Rhone ins heutige Burgund umgesiedelt. Diese Ereignisse bildeten die historische Vorlage zum Nibelungenlied. Nach diesem Epos wirbt Siegfried der Drachentöter in Worms beim Burgunderkönig Gunther um dessen Schwester Kriemhild. Er darf sie erst heiraten, nachdem er Gunther hilft, die starke Brünhild im Kampf zu bezwingen.
Infolge des zunehmenden Drucks der germanischen Stämme auf der einen und der Schwäche des römischen Reiches auf der anderen Seite brach Mitte des 5. Jahrhunderts die römische Herrschaft links des Rheins endgültig zusammen. In der sog. "Völkerwanderungszeit" - die Größe dieser "Völker" sollte allerdings nicht überschätzt werden - wurde das linksrheinische Gebiet von Franken und Alemannen besetzt.

0.3.Rheinhessen in fränkischer Zeit

Um 260 n. Chr. bevölkerten die Franken das Gebiet am Niederrhein und Mittelrhein und dehnten sich ins Gebiet der heutigen Niederlande aus. 200 Jahre später hatten sie sich bereits das Gebiet bis zur Somme angeeignet. Seit Mitte des 5. Jahrhunderts beherrschten die Alemannen das südliche Rheinhessen bis Oppenheim, die Franken den nördlichen Teil. König Chlodwig (466-511) drängte die Alemannen 496 bzw. 506 weiter nach Süden zurück. Er enriss ihnen das Gebiet um Main und Neckar und am Oberrhein.
König Chlodwig ließ sich wahrscheinlich am Weihnachtsfest des Jahres 498 taufen. Die Bedeutung der Taufe liegt dabei weniger darin, dass Chlodwig das Christentum dem Heidentum vorzog, sondern um die Entscheidung zwischen traditionellem Katholizismus und der katholischen "Variante" Arianismus. Denn Chlowigs Söhne hatten sich schon vor 496 katholisch taufen lassen. Demnach hatte sich das Christentum schon vor der Taufe Chlodwigs bei den Franken durchgesetzt. Die Taufe Chlodwigs entsprang einem politischen Kalkül: Die Franken waren innerhalb der gallo-römischen Bevölkerung eine kleine Minderheit - ca. 3-5%. Eine Unterwerfung des Gebietes wäre ohne die Unterstützung der Bischöfe, d.h. ohne Übertritt zum Christentum, nicht denkbar gewesen.
Bei dem Herrschaftswechsel von Römern zu Franken hat es sich zweifellos um einen Bruch in der Entwicklung gehandelt; es war allerdings vor allem ein Wechsel in der Führungsschicht. Ansonsten verschmolzen Reste alemannischer Bewohner auf dem Lande und keltisch-römischer Bevölkerung in den Städten mit den fränkischen Eroberern. Zahlreiche wirtschaftliche und kulturelle Phänomene dokumentieren die Kontinuität von römischer zu fränkischer Zeit (z.B. Weinbau, Christentum).
Seit den Tagen König Chlowigs gehörte Rheinhessen zu Austrasien, dem östlichen Teil des Frankenreichs. Rheinhessen blieb lange Zeit Grenzregion. Beim Abzug der Römer hatten nur die Soldaten das Land verlassen, die keltoromanische Bevölkerung blieb dagegen weitgehend im Land wohnen. Auch das römische Rechtssystem wurde weitgehend aufgegeben, doch zahlreiche Rechtsnormen des römischen Rechts behielten bis ins 19. Jahrhundert hinein in Kiche und Staat ihre Gültigkeit. Doch anderes änderte sich grundsätzlich: An die Stelle der auf ein Territorium bezogenen Staatlichkeit der Römer trat das fränkische System des Personenverbandes. Mit diesem neuen System eng verbunden war die Grundherrschaft, die zur Grundlage der Herrschaft über das Land wurde. Auch die Bedeutung der römischen Städte sank, viele villae rusticae wurden aufgegeben. Die Franken bevorzugten ländliche Siedlungen an anderer Stelle. Sie gründeten jetzt jene Dörfer, deren Ortsnamen auf „-heim“ enden. Bis heute gilt, dass die sog. Heim-Orte in fränkischer Zeit gegründet wurden.Das Land wurde in Gaue aufgeteilt, im späteren Rheinhessen wurde der Nahe- und Wormsgau gebildet. Auch die Amtsbezirke der vom König ernannten Grafen entstanden in dieser Zeit. Als sich unter Karl dem Großen (768-814) das Frankenreich bis an die Elbe ausdehnte, wurde aus den Rheinlanden ein Kernland des fränkischen Reiches. Seit den Karolingern bevorzugten die Könige bei ihren Reisen die dortigen Pfalzen (Pfalz Ingelheim 774-87 entstanden) und die Bischofsitze Mainz, Worms und Speyer. Der Rhein wurde zur wichtigsten Verkehrsader des Reiches.
Grundlage der königlichen Macht am Rhein ist das aus fränkischer Zeit stammenden Reichsgut, altes römisches Fiskalgut, das nicht nur zur Versorgung des Königs diente (Tafelgut), sondern auch in Form von Verpfändungen und Verlehnungen dazu herhalten musste, Geld in die königliche Kasse zu spülen bzw. Gefolgsleute gewogen zu halten. Nach dem Teilungsvertrag von Verdun (843) gehörte Rheinhessen zum fränkischen Ostreich. Seit im Jahr 925 König Heinrich I. (919-936) diese Entscheidung bestätigte, gehörte Rheinhessen zum Kernland des deutschen Königtums. Kennzeichen dieses politisch wichtigen Gebietes wurde eine starke territoriale Aufsplitterung des Landes. Königsgut, Kirchenbesitz, Grafschaftsrechte und Grundherrschaften lagen punktuell im Land verstreut. Noch gab es keine geschlossenen Gebietsherrschaft, die Zeit der Territorien oder gar Staaten gehören einer viel späteren Epoche an.

0.4.Kurpfalz und Kurmainz

Wichtigste Mächte in der rheinhessischen Geschichte wurden bis zum Ende des 18.Jahrhunderts das Erzbistum Mainz und die Pfalzgrafschaft. Die Pfalzgrafen bei Rhein waren im Jahr 1790 in 92 rheinhessischen Gemeinden und Städten Ortsherr, der Mainzer Erzbischof bzw. sein Domkapitel in 40 Orten, während in den restlichen 58 Orten 32 verschiedene Herrschaften – darunter die Grafen von Leininger, die Wild-, Rau- und Rheingrafen, die Sponheimer, die Reichsritterschaft - die Ortsherrschaft innehatten.

Der Mainzer Erzbischof Willigis (975-1011) übte als Berater der Ottonischen Könige großen politischen Einfluss aus. Sichtbares Zeichen seines reichspolitischen Bedeutung ist der Neubau des Mainzer Doms. Willigis erwirbt auch die Gegend um Bingen. Im 12. und 13. Jahrhundert mussten sich die die Erzbischöfe verstärkt mit dem erstarkenden Bürgertum in Mainz auseinandersetzen. Während die Mainzer ihre Stadtrechte 1462 wieder an den Kurstaat verlieren, behält Worms seinen Status einer freien Reichsstadt bis Ende des 18. Jahrhunderts, als die Franzosen die Rheinlande besetzten. Nach den Erzbischofsschismen von 1328 und 1381 erschüttert vor allem die Stiftsfehde (1459-84) den Kurstaat. Danach beginnt die Geschichte der Stadt Mainz als Residenz, nach dem Einmarsch der französischen Revolutionstruppen endete im Jahr 1801 die Geschichte des Mainzer Kurstaats.

Seit dem frühen 13. Jahrhundert war Heidelberg die Residenz der Pfalzgrafen. Die Stadt Alzey, altes salisches Erbe, wurde zur gleichen Zeit zur Nebenresidenz ausgebaut. Das Pfalzgrafenamt ist um 1000 in der Nordeifel und um Bonn angesiedelt, dann - unter den sächsischen Kaisern im Moselraum. Unter Pfalzgraf Hermann von Stahleck (1142-55), der in Bacharach residierte, verlagert sich der Schwerpunkt der Pfalzgrafschaft nach Auseinandersetzungen mit dem Trierer und Kölner Erzbischof in den Naheraum und die Nordpfalz. Als die Staufer, welche das salische Erbe nach dem Aussterben der Wormser Herzöge 1039 angetreten hatten, mit Friedrich 1. Barbarossa (1152-90) den Königsthron bestiegen, ernannte Barbarossa seinen Halbbruder Konrad (1156-95) zum Pfalzgrafen. Für ihn und seine Nachfolger wurde Alzey (neben Bacharach und Neustadt) Mittelpunkt ihrer Herrschaft auf dem linken Rheinufer. Da Konrad keinen Sohn hatte, erlangten 1214 die bayrischen Wittelsbacher die Pfalzgrafenwürde. Sie sollten sie bis 1803 behalten. Als sich Mitte des 13. Jahrhunderts das Kollegium der sieben Kurfürsten herausbildete, gehörten die Pfalzgrafen zu jenen Auserwählten, die in Zukunft die Wahl des Deutsche Königs bestimmen sollten. Jh. schälte sich das Recht der Königswahl durch sieben Kurfürsten heraus, zu denen auch der Pfalzgraf gehörte. Während die Pfalzgrafschaft politisch erstarkt, droht dem rheinhesischen Herrschaftsgebiet Gefahr, "als der mit seinem in Heidelberg regierenden Bruder Rudolf verfeindete Ludwig der Bayer (1294-1329) Teile von Alzey an den Mainzer Erzbischof verpfändet, um sich zum deutschen König (1314-47) wählen zu lassen. Rudolfs Sohn, Ruprecht I. (1329-90), festigt im Vertrag von Pavia (1329), den er mit seinem Onkel in Bayern schließt, den rheinischen Besitz. 1373/74 erhält Ruprecht von König Karl IV. (1346-73), der als Gegenkönig zu Ludwig dem Bayer gewählt worden war, Oppenheim mit Nierstein, Gau-Odernheim und den Ingelheimer Grund als Reichspfandschaft, um Karls Sohn Wenzel zum König zu wählen. Damit wird eine dauerhafte Ausweitung kurpfälzischen Besitzes in Rheinhessen begründet. Ruprechts Neffe, Ruprecht II. (1390-98) verweist 1391 die Juden des Landes und verkauft die Alzeyer Judenhäuser zugunsten der Landeskasse. Ruprecht III. gelingt es im Jahr 1402, die Reichspfandschaften Oppenheim, Gau-Odernheim und Ingelheim dauerhaft für Kurpfalz zu sichern. Als er am 18.5. 1410 in Oppenheim stirbt, hat er in seinem Testament die Teilung des Erbes an seine vier Söhne festgelegt. Der Älteste, Ludwig III. (1410-36), erhält die Kurwürde samt den Besitzungen um die Stützpunkte Bacharach, Alzey, Neustadt und Heidelberg. Es entstehen außerdem die Nebenlinien Neumarkt in der Oberpfalz, Simmern-Zweibrücken und Mosbach im Osten des Besitzes. Friedrich 1. (1449-76) erwirbt nach einem Krieg mit Kurmainz 1460 die Stadt Pfeddersheim. 1467 erbt er aus leiningischem Besitz 20 Dörfer südlich von Alzey. Osthofen kommt zu Kurpfalz. Nach Rückschlägen im Landshuter Erbfolgekrieg, in dem der Landgraf von Hessen in Rheinhessen plünderte und brandschatzte, ohne jedoch feste Orte wie Ingelheim erobern zu können, vollzog sich im 16.Jahrhundert der Übergang vom herrschaftlich organisierten Territorium zum obrigkeitlich regierten Territorialstaat."
"1556 führte Kurfürst Ottheinrich (1556-59) die Reformation als Landesreligion ein. Da er ohne Nachkommen starb, folgte ihm Friedrich III. (1559-76) aus der Simmerner Linie, der die enge calvinistische Bindung ins Land brachte. Noch bestehende Klöster wurden aufgelöst und ihr Besitz wurde dem kurpfälzischen Staat einverleibt. 1563 schließlich wurde mit dem Heidelberger Katechismus auch offiziell das reformierte Bekenntnis eingeführt. 1623 ging die pfälzische Kurwürde an Bayern. Erst 1648, am Ende des Dreißigjährigen Krieges, erhielt der Sohn des Winterkönigs, Karl Ludwig, die Kurpfalz zurück sowie eine neue achte Kurwürde."

Nach dem Aussterben der Kurfürsten aus dem Haus Simmern (1685) erhob der französische König Ludwig XIV. im Namen seiner Schwägerin, Liselotte von der Pfalz, Anspruch auf das Territorium. So kam es 1689 zum verheerenden Pfälzischen Erbfolgekrieg. Die französischen Truppen zerstörten Worms und viele anderen rheinhessische Gemeinden. […] Doch dann mussten sich die französischen Truppen zurückziehen. Im Frieden von Rijswijk wird 1697 der französische Anspruch auf Kurpfalz abgewiesen. Die Pfalzgrafschaft übernahm die katholische Linie Pfalz-Neuburg aus Bayern. Im Jahr 1720 gab Kurfürst Karl Philipp das 1689 zerstörte Heidelberger Schloss auf und errichtete seine neue Residenz im erst 1607 gegründeten Mannheim. Nach dem Aussterben der bayrischen Wittelsbacher 1777 werden Kurpfalz und Kurbayern in Personalunion verbunden. 1799 dann, als Kurfürst Karl Theodor ohne legitime Nachkommen starb, ging der gesamte wittelsbachsche Besitz an den Zweibrücker Herzog Maximilian Joseph I., welcher 1806 den Titel eines bayrischen Königs annahm. Das Ende der linksrheinischen Kurpfalz aber war bereits fünf Jahre zuvor im Frieden von Lunéville (1801) besiegelt und Rheinhessen französisch geworden.

0.5.Rheinhessen unter französischer Herrschaft

Die revolutionären Ereignisse in Frankreich wurden auch in Deutschland mit mehr oder weniger großer Sympathie aufgenommen. Es kam zu Unruhen auch in Rheinhessen. So musste der kurpfälzische Landschreiber von Alzey vor der Volkswut fliehen. Im Mainzer Knotenaufstand verlangten die Gesellen „ultimativ die Abschaffung der staatlichen Polizeikommissare, Nachlass von Akzisen sowie die Wiederherstellung der alten Zunftrechte“. Auch in Worms stellten die Bürgervertreter Forderungen auf. Der Mainzer Kurfürst versuchte dem entgegenzuwirken. Französischen Adligen, wie etwa dem Prinzen Condé, wurde Zuflucht gewährt. Kurpfalz und Zweibrücken verhielten sich neutral und wurden daher beim Einmarsch von Custines Revolutionstruppen im Herbst 1792 auch nicht besetzt. Die französische Armee stieß von Landau über Alzey und Oppenheim an den Rhein vor und besetzte im Oktober Worms, Mainz und das kurmainzische Rheinhessen.

Die Eroberung von Mainz 1792

Custines Sekretär, der Wormser Gymnasialprofessor Böhmer, forderte am 25.10.1792 „das gedrückte Volk deutscher Nation“ auf, die Initiative in die Hand zu nehmen und selbst über sein Schicksal zu entscheiden. Custine wollte die mittleren und unteren Schichten gegen Adel und Patrizier mobilisieren und trieb zunächst auch nur von letzteren Kontributionen ein. In diesem liberalen Klima kam es Ende 1792 gehäuft zu Abgabeverweigerungen in vielen Gemeinden Rheinhessens (Nieder-Olm, Bretzenheim, Wöllstein und Nieder-Saulheim). Ca. 50 Freiheitsbäume wurden in Rheinhessen und der Pfalz gepflanzt (Wöllstein, Nieder-Olm, Gau-Algesheim). Am 23.10.1792 wurde in Mainz der Jakobinerklub gegründet. Dessen Vertretern übertrug Custine Mitte November die Landesverwaltung. Um die Republik zu sichern, betrieb man im Dezember eine Abstimmung über die Annahme der französischen Verfassung. 29 von 40 befragten Gemeinden - Kurpfalz und Zweibrücken waren nach wie vor neutral - stimmten zu, ein ermutigendes Ergebnis.

Der Umschwung kam im Winter 1792. Am 15.12.1792 beschloss der Nationalkonvent in Paris „das Aufgeben uneingeschränkter Selbstbestimmung, die klassenkämpferische Akzentuierung des Revolutionskrieges und dessen Einsatz für die nationalen Interessen Frankreichs sowie das Abgehen von einer universalistischen und liberalen Revolutionierung zugunsten einer rigorosen Gleichschaltung der besetzten Gebiete“ (Dumont). Gegen die folgende Zwangsrevolutionierung und den damit verbundenen notwendigen Anschluss an Frankreich regte sich Widerstand. Große Teile der linksrheinischen Bevölkerung bestanden auf politischer Neutralität, vor allem aus Furcht, zwischen den beiden Kriegsparteien zerrieben zu werden. Die französischen Requisitionen und Fouragierungen an Lebens- und Futtermitteln verschlechterten die Stimmung zusätzlich. Selbst im Mainzer Klub wurde diese Wende in der französischen Politik heftig kritisiert. Doch die drei aus Paris geschickten Kommissare de Thionville, Reubell und Haussmann setzten die Wahlen zum Rheinisch-Deutschen Nationalkonvent am 24 2 1793 durch. Wählen durften alle Männer ab 21 Jahre, die einen Eid auf die französische Verfassung ablegten. Letzteres aber verweigerten viele Bürger. Die Wahlbeteiligung war daher sehr unterschiedlich und schwankte zwischen 8% in Mainz und 38% auf dem Land. In einzelnen Gemeinden wie Wöllstein war sie sehr hoch, andere verweigerten sich fast ganz.

Am 17.3.1793 kamen schließlich Deputierte aus 126 Orten in Rheinhessen und der Pfalz im Mainzer Deutschhaus (heute: Landtag) zusammen und proklamierten am nächsten Tag einen Rheinisch-Deutschen Freistaat, der sich Frankreich anschließen sollte. 46 Gemeinden aus Rheinhessen waren daran beteiligt, alle aus den nicht kurpfälzischen Gebieten um Mainz, Worms, Bingen und Wöllstein. Präsident wurde Andreas Joseph Hofmann, sein Stellvertreter Georg Forster. Im Juli besetzten die Preußen Mainz. Das war das Ende der ersten Republik auf deutschem Boden. Goethe schilderte in seiner "Belagerung von Mainz" die Misshandlungen der Jakobiner durch die preußischen Truppen.

Der Aufmarsch der Belagerer und die Kanonade der Stadt hatte viele Bauten im Umfeld der Stadt, aber auch Häuser und Kirchen in Mainz (Liebfrauenkirche, Schloß Favorite) zerstört.1793/94 kamen die Franzosen nach Rheinhessen zurück. Im Frieden von Basel (1795) und von Campio Formio (1797) traten Preußen und Osterreich das gesamte linksrheinische Gebiet an Frankreich ab.

0.6.Das Gebiet des heutigen Kreises Mainz-Bingen im Jahre 1789

Kartographie E. Rettinger

Bevor die Franzosen nach Rheinhessen kamen gehörten die Dörfer und Städte zu folgenden alten Herrschaften: Von 190 Gemeinden des späteren rheinhessischen Raumes gehörten 1789 insgesamt 92 zu Kurpfalz, 40 zu Kurmainz und die restlichen 58 verteilten sich auf 32 verschiedene Herrschaften.

Karte: Das Gebiet des heutigen Kreises Mainz-Bingen im Jahr 1789.


0.6.1.Kurpfalz

Appenheim, Aspisheim, Bacharach, Breitscheid, Bubenheim, Dexheim, Dienheim, Dorn-Dürkheim, Eimsheim, Elsheim, Engelstadt, Essenheim, Frei-Weinheim, Gensingen, Grolsheim, Groß-Winternheim, Horrweiler, Manubach, Nieder-Hilbersheim, Nieder-Ingelheim, Nierstein, Oberdiebach, Ober-Hilbersheim, Ober-Ingelheim, Oppenheim, Schwabenheim, Schwabsburg, Selzen, Stadecken, Steeg, Undenheim, Wackernheim, Waldalgesheim, Weinolsheim, Welgesheim, Wintersheim, Wolfsheim, Zotzenheim.

0.6.2.Kurmainz

Dromersheim, Gau-Algesheim, Gau-Bischofsheim, Heidesheim, Klein-Winternheim, Laubenheim, Münster-Sarmsheim, Nackenheim, Niederheimbach, Nieder-Olm, Oberheimbach, Ober-Olm, Ockenheim, Trechtingshausen, Weiler, Zornheim

0.6.3.Falkenstein

Dalheim, Harxheim

0.6.4.Herzogtum Nassau-Saarbrücken

Jugenheim

0.6.5.Grafschaft Leiningen

Dolgesheim, Guntersblum, Uelversheim

0.6.6.Reichsritterschaft

Badenheim, Friesenheim, Gaulsheim, Hahnheim, Hillesheim, Köngernheim, Lörzweiler, Rudelsheim (später Ludwigshöhe), Mommenheim, Sörgenloch

0.6.7.Markgrafschaft Baden

Sprendlingen, Sankt Johann

0.6.8.Klöster und Stifte

Bingen, Bodenheim, Budenheim, Büdesheim, Dietersheim, Kempten

0.7.Rheinhessen unter französischer Verwaltung 1798-1814

1798 setzte dann die Napoleonische Verwaltungsreform ein, als deren wichtigster Vertreter der Mainzer Präfekt Jeanbon Saint Andre (1802-13) gelten kann. Rheinhessen kam zum Département Donnersberg. Mainz wurde Hauptstadt des Départements, es wurden Kantone als Verwaltungsbezirke gebildet, in Rheinhessen Pfeddersheim, Bingen, Alzey, Worms, Ober-Ingelheim, Mainz und Oppenheim. Es wurde eine Rechtsreform durchgeführt, die bis 1900 Grundlage des geltenden rheinischen Rechts bilden sollte. Die Reaktion der Bevölkerung war insgesamt eher zurückhaltend, es gab aber Regionen, in welchen die Bevölkerung aufgrund der Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen offen mit den Ideen der Revolution sympathisierte. Erstmals seit karolingischer Zeit, d.h. seit mehr als 1000 Jahren, wurde das Gebiet wieder unter einer einheitlichen Verwaltung zusammengefasst. Die Reformen bedeuteten grundlegende Veränderungen in allen Lebensbereichen: Kurmainz und Kurpfalz verschwanden von der politischen Landkarte.
Die Reformen bedeuteten grundlegende Veränderungen in allen Lebensbereichen:

  • Einführung einer hierarchisch strukturierten Verwaltung: Zentralregierung in Paris
  • Bildung von Départements mit einem Präfekten an der Spitze. Das heutige Kreisgebiet gehörte zum größten Teil zum Département Donnersberg mit Sitz in Mainz, das Gebiet nördlich der Nahe zum Rhein-Mosel-Departement mit Sitz in Koblenz.
  • Untergliederung der Départements in Arrondissements (Mittelinstanz, vergleichbar mit den heutigen Bezirksregierungen), in Kantone (vergleichbar mit den heutigen Verbandsgemeinden, sie waren ab 1800 keine eigenen Behörden mehr) und Munizipalitäten (Gemeindeverwaltungen, vergleichbar mit den heutigen Ortsgemeinden)
  • Trennung von Staat und Kirche, von Justiz und Verwaltung
  • Einführung einheitlicher Gesetzbücher (Code civil 1804) und damit Vereinheitlichung der Rechtsprechung
  • Einführung der Gewerbefreiheit. Damit wurde der Zunftzwang aufgehoben.
  • Abschaffung der Leibeigenschaft.
  • Aufhebung der Feudalabgaben, vor allem des Zehnten (Die Abgaben wurden allerdings durch Steuern ersetzt.)
  • Aufhebung von Kirchenbesitz und Adelsgütern und Versteigerung ihres Besitzes. Viele ehemalige Pächter wurden jetzt Eigentümer des Landes. Zahlreiche Güter wurden aber auch von Spekulanten aufgekauft, die diese mit Gewinn weiterveräußerten.

0.8.Gemeinden und Kantonszugehörigkeit im Département Donnersberg

Das Département Donnersberg(Département du Mont-Tonnerre) umfasste im Wesentlichen das Gebiet der heutigen Pfalz und Rheinhessens. Teile der Südpfalz gehörten jedoch zum Département Bas-Rhin mit Sitz in Straßburg. 1798 wurde die Verwaltung des eroberten Gebiets nach französischem Vorbild reorganisiert und damit die Départementseinteilung übernommen. Das Direktorium beauftragte den Elsässer Franz-Josef (François-Joseph) Rudler mit dieser Aufgabe und ernannte ihn zum "Generalregierungskommissar aller eroberten Länder zwischen Maas und Rhein und Rhein und Mosel". Rudler war zuvor Richter am Kassationsgerichtshof in Paris gewesen. Rudlers Einteilung des eroberten Gebietes in vier Departements behielt bis zum Ende der Franzosenzeit und teilweise darüber hinaus Bestand:

  • Roer-Departement (mit Hauptort Aachen)
  • Saar-Departement (mit Hauptort Trier)
  • Rhein-Mosel (Rhin et Moselle)-Departement (mit Hauptort Koblenz)
  • Departement Donnersberg (Mont-Tonnere) (mit Hauptort Mainz)

Das Département umfasstezunächst 37, später 38 Kantone und gliedert sich in die Unterpräfekturen (Arrondissements) Mainz, Speyer, Kaiserslautern und Zweibrücken. Das annektierte Gebiet stand zunächst unter Sonderverwaltung; erst mit der Übernahme der Verfassung von 1802 wurde es den innerfranzösischen Départements gleichgestellt. Wie in Frankreich wurden in den linksrheinischen Gebieten die Privilegien des Adels und alle Feudalabgaben abgeschafft; der Kirchenbesitz als Nationaleigentum beschlagnahmt und an Interessenten verkauft. Die Einführung des Code Civil durch Napoleon garantierte jedem Bürger Rechtsgleichheit und öffentliche Gerichtsverfahren. Die Bevölkerung, die bis dahin in kleinen und kleinsten Territorien gelebt hatte, wurde Teil eines großen Wirtschaftsraums ohne Zoll- und Zunftschranken.

0.9.Die Gemeinden des heutigen Kreises Mainz-Bingen gehörten im Jahr 1800 zu folgenden Kantonen:

Kanton Bacharach:
Bacharach, Breitscheid, Damscheid, Dellhofen, Dichtelbach, Diebach, Erbach, Langscheid, Liebshausen, Manubach, Niederheimbach, Oberdiebach, Oberheimbach, Oberwesel, Perscheid, Steeg, Trechtingshausen, Wiebelsheim

Kanton Stromberg:
u.a. Münster, Sarmsheim, Waldlaubersheim, Weiler

Kanton Bingen:
Bingen,Büdesheim, Dietersheim, Dromersheim, Gaulsheim, Gensingen, Grolsheim, Ibersheim, Kempten, Ockenheim, Sponsheim, Wintersheim

Kanton Mainz:
Stadt Mainz und Kastel

Kanton Nieder-Olm:
Bretzenheim, Drais, Ebersheim, Essenheim, Finthen, Gau-Bischofsheim, Gonsenheim, Harxheim, Hechtsheim, Klein-Winternheim, Laubenheim, Marienborn, Nieder-Olm, Ober-Olm, Sörgenloch, Stadecken, Weisenau, Zahlbach

Kanton Ober-Ingelheim:
Algesheim, Appenheim, Aspisheim, Bubenheim, Budenheim, Elsheim, Engelstadt, Frei-Weinheim, Groß-Winternheim, Heidesheim, Horrweiler, Jugenheim, Mombach,Nieder-Hilbersheim, Nieder-Ingelheim, Ober-Ingelheim, Sauerschwabenheim, Wackernheim

Kanton Oppenheim:
Bodenheim, Dahlheim, Dexheim, Dienheim, Dolgesheim, Eimsheim, Guntersblum, Hahnheim, Köngernheim, Lörzweiler, Mommenheim, Nackenheim, Nierstein, Oppenheim, Rudelsheim (Ludwigshöhe), Schwabsburg, Selzen, Weinolsheim, Wintersheim

Kanton Wöllstein:
u.a. Badenheim, St. Johann, Sprendlingen, Welgesheim, Zotzenheim

Kanton Wörrstadt
u.a. : Ober-Hilbersheim, Wolfsheim

0.10.Das Ende der französischen Herrschaft

Nach der Niederlage Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig (16.-19.10.1813) räumten die Franzosen die linksrheinischen Gebiete. Der 1806 gegründete Rheinbund löste sich am 31.10.1813 wieder auf. Am 31.3.1814 zogen die Alliierten in Paris ein und Napoleon musste am 6.4.1814 abdanken. Am 18.9.1814 begannen die Verhandlungen in Wien (Wiener Kongress) mit dem Ziel, das europäische Staatensystem neu zu befestigen.

0.11.Das Ende des alten Reiches

Heiliges Römisches Reich deutscher Nation war die offizielle Bezeichnung für das Reich, das seit den Tagen Ottos I. (936-973) bis 1806 bestand. Die Formel Römisches Reich gehörte bereits zum Kaisertitel Karls des Großen, der Zusatz "heiliges" tauchte 1157 erstmals auf, ab 1438 findet sich erstmals der Zusatz "deutscher Nation". Seit 1512 ist die offizielle Titulatur des Reiches Sacrum Romanum Imperium Nationis Germanicae (Heiliges Römisches Reich deutscher Nation). Mit der Niederlegung der Reichskrone durch Kaiser Franz II. am 6. August 1806 erlosch das Heilige Römische Reich Deutscher Nation.

0.12.Rheinhessen als Teil des Großherzogtums Hessen

Am 12.7.1816 übernahm der in Darmstadt residierende hessische Großherzog in Mainz auf Grund eines Staatsvertrags zwischen Preußen, Osterreich und Hessen im Rahmen des Wiener Kongresses den nördlichen Teil des Départements Donnersberg: Rheinhessen in seiner heutigen Form war geboren. Die Pfalz dagegen wurde Bayern zugeschlagen. In der Besitzergreifungsurkunde garantierte der Großherzog: „Nur besondere Rücksichten des allgemeinen Besten werden uns zu Änderungen bestehender und durch Erfahrung erprobter Einrichtungen bewegen; die Rechte des Feudalsystems, die Zehnten und Frohnden bleiben in diesem Landesteil unterdrückt. Das wahrhaft Gute, was Aufklärung und Zeitverhältnisse herbeigeführt, wird ferner bestehen.“ Das sagte er mit gutem Grund zu. Die Mehrheit der linksrheinischen Bevölkerung war nämlich nicht mehr bereit, die „französischen“ Errungenschaften“ aufzugeben. Sie wollte die auf einer modernen Eigentumsordnung basierende Sozialstruktur, in der der Adel keine Rolle mehr spielte, keinesfalls aufgeben.
Am 26.3.1818 wurde Ludwig Christian Christoph Freiherr von Lichtenberg zum Regierungskommissionspräsidenten der Provinz Rheinhessen ernannt. Bis 1845, also 27 Jahre lang, sollte er diese Funktion bekleiden. Namensgebung und politische Strukturierung waren damit abgeschlossen. Lichtenberg, der auch Präsident der Handelskammer und des Landwirtschaftlichen Vereins war, setzte eine umfassende Wirtschaftsförderung in Gang. Doch die hohen Auswandererzahlen der 20er Jahre des 19. Jahrhunderts verdeutlichen, dass trotz zunehmender Industrialisierung und Verbesserungen der Infrastruktur, die soziale Not vor allem in den unteren Bevölkerungsschichten groß war. Die ständigen politischen Konflikte zwischen der konservativen Regierung in Darmstadt und der liberalen Opposition in Rheinhessen nahmen zu, als der unbeliebte und reaktionäre Ludwig II. Großherzog wurde und die Regierungsgeschäfte 1829 dem Freiherrn du Thil übertrug, der Metternichs Restaurationspolitik unterstützte. „Mit Edikt vom 4.2.1835 wurden in Rheinhessen Kreise und Kreisräte eingeführt, um die 1821 in der Gemeindeordnung festgelegten Selbstverwaltungsbefugnisse der Gemeinden zu beschneiden. Die großherzoglichen Kreisräte übernahmen die wirkliche Leitung der kommunalen Geschäfte. Es entstanden die Kreise Mainz mit Mainz, Nieder-Olm und Oppenheim, Bingen mit Bingen, Ober-Ingelheim und Wöllstein, Alzey mit Alzey und Wörrstadt sowie Worms mit Worms, Osthofen und Pfeddersheim.
Nach dem Tod Lichtenbergs 1845 wurde der vorherige Wormser Kreisrat Reinhard Carl Friedrich Freiherr von Dalwigk Provinzialkommissar.“ „Im März 1848 bildeten sich überall in Rheinhessen und der Pfalz Bürgerkomitees und verlangten Reformen wie Presse-, Versammlungs- und Kultusfreiheit, direkte Wahlen, Vereidigung des Heeres auf die Verfassung, Aufhebung der Kreisräte u.v.m. In der Mainzer Bundesfestung kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der Bürgergarde und den im Gegensatz zu den Österreichern unbeliebten preußischen Truppen. Bei den Wahlen zur ersten Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche setzten sich die Demokraten durch. Der Monsheimer Heinrich von Gagern wurde sogar zum Präsidenten gewählt. Präsident des neugebildeten rheinhessischen Bezirksrats wurde der Mainzer Rechtsanwalt Franz Zitz.“ […] „Nach der Niederschlagung der Revolution durch die preußischen Truppen wurde Freiherr von Dalwigk, der sich durch abfällige Äußerungen über die „niederen Klassen“ und die demokratischen „Individuen“ gründlich unbeliebt bei den Rheinhessen gemacht hatte, sogar Ministerpräsident in Darmstadt. Seine antipreußische, großdeutsche Politik hätte nach 1866 ,,das Aus für den hessischen Staat und seine Einverleibung in Preußen bedeuten können, wenn nicht England und Russland zugunsten Hessen-Darmstadts wegen der gegenseitigen Verwandtschaft der Herrscherhäuser interveniert hätten“ (Hoffmann, Rheinhessen).1871, als seine Politik endgültig gescheitert war, trat Dalwigk zurück. Bei den ersten Wahlen zum deutschen Reichstag, am 3. 3.1871, wurden in den drei rheinhessischen Wahlkreisen die drei national-liberalen Abgeordneten August Metz (Bingen), Ludwig Bamberger (Mainz) […] und Johann Pfannebecker (Worms) gewählt. Der frühe Tod […] Kaisers Friedrich III., dessen Vertrauter unser Reichstagsabgeordneter Dr. Bamberger gewesen ist, 1888 […] war für Deutschland und Europa eine Katastrophe. Denn von ihm wären die schweren außenpolitischen Fehler seines unreifen Sohnes Wilhelm II., die zum 1. Weltkrieg und seinen Folgen […] führten, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gemacht worden.“ (Hoffmann, Rheinhessen)“

0.13.Rheinhessen im 20. Jahrhundert

1918 wurde Hessen Freistaat, später Volksstaat, endlich wieder Republik. Stärkste Partei bei den Wahlen zum Provinzialrat 1920, 1925 und 1929 wurde jeweils die SPD, zweitstärkste Partei das klerikale Zentrum. Damit schlug neben der liberalen Tradition auch die Geschichte des katholischen Kurmainz und der protestantischen Kurpfalz, übrigens bis heute, politisch durch. Die NSDAP erreichte bei den Wahlen zwischen 1931 und 1933 zwischen 35,8% und 42,2% der Stimmen. Ihr Anteil schwankte jedoch stark in den einzelnen Kreisen. Die Nazis dominierten in den ländlichen Kreisen Alzey und Oppenheim, Bingen blieb zentrums- und Worms SPD-orientiert, während Sozialdemokraten und Zentrum im Kreis Mainz etwa gleich stark waren. 1933/34 wurde in Osthofen ein Konzentrationslager errichtet, von dessen Schrecken heute am selben Ort eine Dokumentations- und Gedenkstätte berichtet. Die Ereignisse dort gaben die Vorlage zu Anna Seghers' Roman „Das siebte Kreuz“. Wie überall im faschistischen Deutschland wurden auch in Rheinhessen Regimegegner und vor allem die jüdischen Bürger erbarmungslos verfolgt. „Zwölf Jahre der nationalsozialistischen Wahnsinnsherrschaft hatten genügt, die seit Jahrhunderten bestehenden Gemeinden Rheinhessens, von denen die mehr als tausend Jahre alten Gemeinden der Städte Mainz und Worms sogar die Verfolgungen des Mittelalters überstanden hatten, zu vernichten.“ (D. Hoffmann, in: 150 Jahre Landkreis Alzey-Worms)
1945 wurden bei Luftangriffen große Teile der Städte Mainz, Worms und Bingen zerstört. Im neugegründeten Land Rheinland-Pfalz stellt Rheinhessen mit Mainz die Landeshauptstadt.

0.14.Quellen

Der vorstehende Text legt sich in weiten Teilen eng an den Aufsatz von Volker Gallé: DuMont Kunst-Reiseführer 1992, an. Der Text wurde stark verkürzt und redaktionell bearbeitet. Bei Gallé finden sich noch viele weitere Informationen zur Geschichte Rheinhessens;

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