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Aus dem Tagebuch des Georg Friedrich Krapp (1754-1832): Über das Verstecken von liturgischem Gerät vor den Franzosen, einer Teuerung und dem Wuchergeist

von Werner Krapp

Kurzregest

Dürkheim, 1794, 1814, 1817

Georg Friedrich Krapp (1754-1832) verfasst Tagebucheinträge zum Verstecken von liturgischem Gerät vor den Franzosen in den Jahren 1794 und 1814 und zu einer Teuerung im Jahr 1817.

Vollregest

Dürkheim, 1794, 1814, 1817

Georg Friedrich Krapp (1754-1832), Schneidermeister und Almosenpfleger in Dürkheim, beschreibt detailliert in zwei Tagebuch-Einträgen das Verstecken des Kirchenschatzes vor dem Einzug französischer Truppen. 1794 auf Anweisung des Superintendenten Klevesahl auf dem Kirchhof unter dem Sarg eines Bestatteten und 1814 auf Bitten des Oberpfarrers Hartmann durch Einmauern im Keller des „Wolf'schen Hauses“.

In einem Eintrag zum Jahr 1817 beschreibt er die damalige „Teirung“ mit ausführlichen Angaben zu Lebensmitteln und deren Preisen. Auch beklagt er im Zusammenhang damit den „Wucher-Geist des Geld-Länens“ und zitiert dazu einen Bibelspruch (Psalm 15.5).

Quellenbeschreibung

Stadtmuseum Bad Dürkheim: Vorlass Werner Krapp (Urkundensammlung);

Tagebuchfragment, 8 Seiten Quart.

Paläographische Transkription

1794

Jen[n]era) 1.ten

Kame[n] dieb) Fransosen zu uns in Dürkheimc)

Als Feinte, sie zogen die Leute auf der

Gaß und in den Häusern aus, namen ihnen

Geld Schu[h] und Stüfel von den füsen

und was sie sonst funten[Anm. 1], dass ihnen

Gefühl u. war den ganzen Monat durch

ein groses Elentt mitt nämen und Gäben.

Den 1.ten Jen[n]er des nachts um 1 Uhr

Begruben Wir, Ich Georg Fried[rich] Krapp

also Evangelisch Luterischer Almosen

Pfläger, schon im 9ten Jar dieses

meines Amtes, Mitt dem Bürger und

Schreiner Meister, wie auch zu der Zeitt

gewäsener Totengräber auf Auftrag

des Gewäsenen Herrn Superintenten[ten]

Klafensahl[Anm. 2] Unser Evangelisch Luterisch

Satagrafi oter unsern Kürchen Reichtum

oter Schönheitt, welcher zu dem Hoch

Heiliger Abent Mahl gebrauchet würt.d)


Begraben wir Zwey Mit namen angefürte

men[n]er des Nachts um 1 Uhr da alles

Stille mit einem Schub Karg, dass

rad ver Bunten mit Stroh, auf den

Gottesacker und Begruben die Küst

wo alles innen gezürtt und sehr wohl

verwarett gewäsen. Wir gruben

einen Toten aus dem seinen Grab und

Machten dass Grab gröser und Düfer

und senckten die Küst Hinein und

Stellenten den Toten wieter auf die

Küst und Machten wieter ein Grab daraus.

Der Blatz war 5 Schu[h] hinter der Hinteren

Kürchen Thür gägen den Walt.


Anno 1814

Begab es sich, dß durch den Krieg die

Fransosen wieter zurück aus Russland

mit grosen Verlust geschlagen würten.

War unserer gansen Gägent Sär Bange –

Teils weil wir gezwungen waren 19 Jahr

unter fransösischem Schutz zu stehen

dass durch den abzug der Fransosen

uns Mögte genom[m]en wärten. So Lis

Mich Wieter in der nacht um 8 Uhr

im Monat Abril als 1814 der Herr

Oberpfarrer oter Presitend Herr

Hartman des Evangelisch Luterich

L[…]at Konsistorium zu sich Kom[m]en

Weilen Herr Notari Koch als Senior

der Luterischen Vorste[he]r dass Satagrafi

schon Biß 8 oter 9 Jahr in seiner

Verwar gehabt, er Mögte mit dem

selben Neh[migen]e) groser Gefahr Man

solte es aus seiner Behausung holen

oter er wäre genötigt es auf dass

Radhauß zu gäben.

Jetzt waren wir alle in Grosen ängsten

von wägen dem Vortgang der Fransosen

wie auch vor der an Kunft der Rusen.

Herr Präsitent Hardman Bat mich

wieter dass Satagravi Zu verwaren

ich aber getachte noch an daß erste mal

weilen ich aus Ängsten des Gottesacker

eine Kranckheitt von elf Wochen davon

getragen Habe und doch Lies ich es

in daß Wolfen Hauß[Anm. 3] in den Köller

ein Mauren. Die Fransosen Gähen Bey uns

gähn gutt und friedlich in der nacht ab

und rusen Kamen Gutt zu uns

ohne zu Beleitigen nicht Ein Kintt.


Geschichte von der grosen Teirung

welche Bey uns 1817 gewäsen.[Anm. 4]

 

Daß ich es Kurz sage,

an Läbens Mittel aller Arten

mangelt Es nicht, aber der Geist

des Wuchers ist so Hoch gestiegen,

daß daß Par Malder, nemlich

Ein Malter Korn und Ein Malder Gerst

Jetes 8 Süm[m]ern[Anm. 5] nente Man Ein Barb)

ist gestiegen Biß auf 66 G[ulden] sage

Sächzig Säch[zig] Gulden

und die Krumbürnen

welche in diesem Jahr ver Kaufett würten

Stiegen vom Jahr 1816 von Michaelis oter

in dem Monatt Abril Biß zu dem Monat

May gägen Pfingsten im Jahr 1817

daß Süm[m]ern von 4 Kreuzer Biß auf 1 G[ulden] 30 kr.

daß war daß Malter 12 G[ulden] Sage zwelf Gulten.

Vom Gewicht Fleisch und Brod.

[7 und ½ ]e) Pfuntt Brott Kosten 1 G[ulden] 32 Kreuzer

2 Lott Wäck vor 1 Kreuzer

1 Pfuntt Rintfleisch vor 16 Kreuzer

1 Pfuntt Schweinefleisch 20 Kreuzer


daß Pfuntt Ham[m]elfleisch: 14 Kreuzer

daß Pfuntt Kalbfleisch 10 Kreuzer

daß Pfuntt Butter 36 auch Kreuzer

und daß war alles

sehr Schlägt

und noch Betrug im Gewicht

daß Malder Weismehl Kam auf 49 G[ulden] 4 kr.

sage Vürzig Neun Gulden vier Kreuzer.

Nun stellett Euch vor

wie die Menschen Manglen Musten.

Man sahe Es vielen Menschen an

im Gesicht wie sie Manglen Musten.

Dan der Wein, welche die Menschen gewönett

waren zu Trinken war geringsten

14 auch 16 Kreuzer der Schopen.

Man Muste sich daß Wein Wie auch

daß Fleisch Enthalden.


Vom Wucher Geist

daß Geld Länens

in diesen Jahrgängen

Es gab in 3 Jahr fast gar wenig Wein

Des Wägen die Armutt sähr gros gewäsen

auch Bey Leute welche Hauß und Güter

Besaßen. Wir haben die Erfahrung

daß man Einer wollte 100 G[ulden] Lehnen

Muste So auf Ein Halb Jahr 25 G[ulden]

Erträge verschreiben.

 

Auch War eine Erfahrung, daß Einer

auf Ein Jahr 300 G[ulden] gelähnett und

muste verschreiben 400 G[ulden] wieter zu gäben.

Him[m]el Schreiente Sünten, dan es Heist

Im Psalm Buge wer sein Geld nicht

auf Wuger gibt, und näm[m]t nicht geschencke

von denn Unschuldigen. Wer daß Tutt

der wirtt wohl Bleiben.[Anm. 6]- - - - - -

und doch Haben die Geld heben

gar Keine Barmherzig Keitt

sie Schickten Kurz vor dem Herbst Exkursion

auch [späd]e) des Tags da 14 kr. den 2ten tag 25 kr.

und so […]t auch den Sontag Liesen

sie den Leiten die Trauben in den

Wingert verstägern.


Auch Hütet Euch

vor Schlächten Hauß Leutt

Ein Man Namens Georg Philip Miller.


Textkritischer Apparat:

a) Mit nachfolgender Schleife, ähnlich dem deutschen x („Abstands-Schnörkel“?).

b) Hier wie auch an anderen nicht eigens ausgewiesenen Stellen wurde bei unsicherer Groß-/Klein- Schreibung normalisiert.

c) Recht darüber: Folierung 16 (Dabei handelt es sich wahrscheinlich um die Ahnennummer für G. F. Krapp bezogen auf meinen Vater, also sein Ururgroßvater).

d) Es folgt Weiser: Begaben.

e) Nicht eindeutig lesbar.

Nachweise

Verfasser: Dr. Werner Krapp

Redaktionelle Bearbeitung: Dominik Kasper

Erstellt: 3.11.2010

Anmerkungen:

  1. Dergleichen geschah damals durch die Vorfahren unserer heutigen Freunde überall in unserer grenznahen Region durch die sog. Ausleerungskommission (Commission de grippe); so hatte die Pfalz damals die civilisation francaise kennen gelernt. Zurück
  2. Gemeint ist Dr. Erich Christian Klevesahl aus Wismar a.d. Ostsee. K. war vor 1779 ordentl. Universitätsprofessor und Prediger in Gießen, von 1779-1802 Superintendent in Dürkheim und anschließend bis 1807 Prediger in Amorbach bei den Leiniger Grafen. Von ihm haben sich Aufzeichnungen erhalten, worin er das hier geschilderte Vorkommnis ebenfalls beschreibt (Pfälzer Anzeiger, 16.03.1949). S. auch dazu „Die Rheinpfalz“ vom 20.02.1963. Auch hier wird das Vergraben der Kirchenschätze in einer kleinen Abhandlung behandelt. Unter den so versteckten Utensilien wird ein Abendmahlskelch („Mannsfelder Kelch“) besonders erwähnt, der noch heute bei der lutherischen Gemeinde in Amorbach in Gebrauch ist. Zurück
  3. Gemeint ist Haus seiner Schwiegereltern am Obermarkt (Weinwirtschaft zum „Scharfen Eck“) das 1945 durch Fliegerbomben zerstört wurde. Zurück
  4. In der Dochnahl'schen Chronik von Neustadt liest man zum Jahr 1817: „…Große Theuerung und Hungersnot. … 1 M. Korn 40 fl., Gerste 37 fl., 1 Simmern Kartoffeln 1 fl. 20 kr., 1 Brod von 9 Pfund 1 fl. 36 kr., 1 Pfund Fleisch 17 kr. …“ Anm.: Georg Friedrich Krapp hat sein großes Wohnhaus in der Strauchelgasse 10 im Jahr 1790 für 1475 Gulden gekauft. – Es galt: 1 Gulden = 60 Kreuzer = 2/3 Taler (Taler-Währung in den Norddeutschen Staaten), Um 1700 besaß der Gulden eine Kaufkraft, die heute etwa 80 € entspräche 1876 wurde der Gulden außer Kurs gesetzt. Zurück
  5. Simmer (Sümmer), Getreidemaß, in Rheinbayern 12 ½ Liter, Hessen-Darmstadt 32 L, Frankfurt 28, 682 L…Zum Getreidemaß in Rheinhessen siehe: Wagner, Frank: Verbreitung der Getreidemaße im rheinhessischen Raum (Stand 1802), in: www.regionalgeschichte.net [12.10.2010], URL: http://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/aktive/frank-wagner/startseite/getreidemasse.html Zurück
  6. Psalm 15.5: „…wer sein Geld nicht auf Wucher gibt und nimmt nicht Geschenke gegen den Unschuldigen: wer das tut, der wird wohl bleiben.“ Zurück