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6) Der Betrieb der Kleinbahn

Nassauische Kleinbahn, Lok [Bild: Joachim Lutz (CC BY-SA 4.0) ]

Die dampfbetriebene Kleinbahn mit einer Spurweite von 1.000 mm („Meterspur“) wurde auf einer Gleislänge von 87 km eingesetzt. 74 km davon waren für den öffentlichen Verkehr vorgesehen. [Anm. 1] Seit dem Jahr 1900 führte bis zum Rückbau der Strecke ein eigenes Telefonnetz über Telegrafenmasten entlang der Strecke. [Anm. 2]

Als Betriebsmittel wurden für die NKAG im Jahr 1928 in einer Veröffentlichung aufgeführt:  12 Dampflokomotiven, 9 Personenwagen, 4 Gepäckwagen und 258 Güterwagen. [Anm. 3] Die größeren Bahnhöfe auf der Strecke bestanden aus einer kleinen Halle mit Fachwerk, das mit Ziegelsteinen ausgemauert war („Fachwerk mit Backsteinen“), [Anm. 4] die kleineren Haltepunkte boten mit einer Fachwerk-Wartehalle oder einer Blockhütte für die wartenden Reisenden Schutz vor der Witterung. [Anm. 5]

119 Personen betrieben die Nassauische Kleinbahn laut einer Veröffentlichung von 1928. [Anm. 6] 1902 wurden 15.630 Personenfahrkarten verkauft, im darauffolgenden Jahr waren es bereits 22.924 Fahrkarten, die für Personenfahrten verkauft wurden. [Anm. 7]

In den ersten Nachkriegsjahren gab es wegen erforderlicher Hamsterfahrten einen Ansturm auf die Kleinbahn. Für 1947 wird von über 700.000 Fahrgästen berichtet, gegenüber 250.000 vor Kriegsbeginn. Nach der Währungsreform 1948 sank die Zahl jedoch schnell wegen der zunehmenden Busfahrten und des sich vergrößernden Individualverkehrs. [Anm. 8] Im Jahr 1908 gab es 30 Beamte und 18 ständige Arbeiter, die sich um den Betrieb der Kleinbahn kümmerten. 1928 gab es insgesamt 119 Beschäftigte, 1936 und für das Jahr 1938 wurden 62 Arbeitskräfte im Dienst der NKAG ausgewiesen. [Anm. 9]

Der Betrieb baute auf die Langlebigkeit der Lokomotiven, die nach der Erstanschaffung von acht dreiachsigen Loks 1899 teilweise über 50 Jahre im Dienst waren. [Anm. 10] Ab 1910 wurde, bedingt durch das wachsende Güteraufkommen, auf vierachsige Tenderloks umgestellt. [Anm. 11]

Problematisch war für die NKAG, dass die Bahn 1931 bereits 900.000 RM (= Reichsmark) Schulden auswies, für die zirka 50.000 RM Zinsen aufzubringen waren. Bis 1941 stiegen die Schulden auf nahezu 1,3 Millionen RM und die Zinslast auf 60.000 RM. [Anm. 12]

Bis zum Zweiten Weltkrieg wurde der Schienenverkehr wegen seiner Langsamkeit zunehmend weniger genutzt und Busse und LKWs eingesetzt. Die erste „Personenkraftfahrlinie“ führte 1938 per Bus viermal täglich von St. Goarshausen nach Nastätten und zurück, zudem einmal nach Miehlen und einmal nach Zollhaus. [Anm. 13] Als die Fahrzeuge aber kriegsbedingt eingezogen wurden, stieg man in Kriegszeiten bis in die Nachkriegszeit wieder auf die Kleinbahn um. [Anm. 14] Dies änderte sich mit der beginnenden privaten Motorisierung durch den wirtschaftlichen Aufstieg nach dem Krieg. Daher wurde die Personenbeförderung per Bahn bald wieder eingeschränkt und von der NKAG wurden ab 1948 vermehrt Busse eingesetzt. [Anm. 15]

1951 wurde noch eine fünfachsige Tenderlok gekauft sowie gebrauchte Loks für den Braubacher Inselbetrieb oder zur Nutzung beim Streckenabbau. [Anm. 16]

NACHWEISE

Verfasserin Text: Marion Nöldeke

Verwendete Literatur:

  • Dauer, Karlheinz; Ott, Winfried: Auf den Spuren der Nassauischen Kleinbahn. Schriftenreihe „Blaue Blätter“, Band 12. Nastätten 2002.

  • Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (Hg.): Nachrichtliches Verzeichnis der Kulturdenkmäler Rhein-Lahn-Kreis, Mainz 2018, www.denkmallisten.gdke-rlp.de/Rhein-Lahn-Kreis.pdf, S. 64, zum ehemaligen Bahnhof in Nastätten (Aufruf: 04.03.3021).
  • Ott, Winfried: Einsteigen bitte! Erinnerungen an die Nassauische Kleinbahn. Heimatpflegeverein Blaues Ländchen. Schriftenreihe „Blaue Blätter“, Band 15. Nastätten 2004.

Erstellt am: 21.05.2021

Anmerkungen:

  1. Ott 2004, S. 13.  Zurück
  2. Ott 2004, S. 141.  Zurück
  3. Ott 2004, S. 13. Die Information wurde im „Handbuch der deutschen Straßenbahnen, Kleinbahnen und Privatbahnen“ 1928 mit anderen Daten der NKAG veröffentlicht. Ott beschreibt an anderer Stelle, dass die Höchstzahl von über 250 Güterwagen bereits im Laufe des Ersten Weltkrieges erreicht wurde. Vgl. ebd., S. 114. Auf den S. 115-120 beschreibt der Autor technische Hintergründe zu den Güterwagen.  Zurück
  4. Ott 2004, S. 19.  Zurück
  5. Ott 2004, S. 28 und 32.  Zurück
  6. Ott 2004, S. 13. Die Information wurde im „Handbuch der deutschen Straßenbahnen, Kleinbahnen und Privatbahnen“ 1928 mit anderen Daten der NKAG veröffentlicht.  Zurück
  7. Ott 2004, S. 83. Die Beförderungszahlen im Personenverkehr schwankten stark. Von 1904 bis 1913 konnte man von circa 200.000 Fahrgästen ausgehen, von 1925 bis 1931 sanken die Zahlen hingegen von 80.000 auf 50.000 beförderte Fahrgäste. 1942 waren es fast 93.000 Personen. Ott 2004, S. 135. 1928 wurden über die Güterbeförderung und insgesamt 77.820 Fahrgästen Einnahmen von 412 Tausend RM erzielt. Ott 2004, S. 13. Zur Umrechnung der Reichsmark (RM): siehe Bundesbank-Liste „Kaufkraftäquivalente historischer Beträge in deutschen Währungen“ (www.bundesbank.de/resource/blob/615162/d55a20f8a4ecedd6d1b53e01b89f11c4/mL/kaufkraftaequivalente-historischer-betraege-in-deutschen-waehrungen-data.pdf, Aufruf 04.03.3021)  Zurück
  8. Ott 2004, S. 135-136. Die Personenzüge wurden von Schaffnern und Oberschaffnern gefahren, die Güterzüge von Hilfsschaffnern. Technische Details zu den Personenwagen sind auf S. 114 erläutert.  Zurück
  9. Ott 2004, S. 86. Ott berichtet von einem Zeitungsartikel, in dem 1950 die Rede von 120 Beschäftigten war. Diese Zahl hält er jedoch für zu hoch. Bei den Beamten geht die Kleinbahnliteratur eher von „beamtenähnlichen Angestellten“ aus, da sie selbst ihre Beiträge zur Pensionskasse entrichten mussten. Vgl. ebd., S. 90.   Zurück
  10. Ott 2004, S. 92. Die ersten acht Tenderloks mit 160 bis 200 PS wurden 1899 bei der Firma Henschel in Kassel gekauft. Das heutige Nachfolgeunternehmen im Bereich Industrietechnik/Antriebstechnik blickt auf eine Firmenhistorie seit 1810 zurück, Henschel 2021, www.henschel.eu/fileadmin/user_upload/Unternehmen/Historie/Historie_Henschel.jpg, (Aufruf: 04.03.3021). Auf den Seiten 94-107 stellt der Autor die Loks mit ihren technischen Details vor. Tenderloks führen bei einer Dampflokomotive die Wasser- und Brennstoffvorräte in Behältern auf der Lokomotive selbst mit.  Zurück
  11. Ott 2004, S. 93. Tenderloks führen bei einer Dampflokomotive die Wasser- und Brennstoffvorräte in Behältern auf der Lokomotive selbst mit. Diese vierachsigen Lokomotiven hatten ein Gewicht von bis zu 39 Tonnen.  Zurück
  12. Ott 2004, S. 134. Zur Umrechnung der Reichsmark (RM): siehe Bundesbank-Liste „Kaufkraftäquivalente historischer Beträge in deutschen Währungen“ (www.bundesbank.de/resource/blob/615162/d55a20f8a4ecedd6d1b53e01b89f11c4/mL/kaufkraftaequivalente-historischer-betraege-in-deutschen-waehrungen-data.pdf, Aufruf 04.03.3021). Das Jahreseinkommen eines durchschnittlichen Arbeiters betrug 1925 = 100 RM. Siehe Statistisches Bundesamt: „Von den zwanziger zu den achtziger Jahren. Ein Vergleich der Lebensverhältnisse der Menschen“, S 34. https://www.statistischebibliothek.de/mir/servlets/MCRFileNodeServlet/DEMonografie_derivate_00000284/5106155-9783824600021.pdf;jsessionid=ACE326873541E9C454BFE9E5AC52C534 (Aufruf 04.03.3021).  Zurück
  13. Ott 2004, S. 123. Ott führt auf, dass im Geschäftsbericht der NKAG für 1939 beim Busverkehr von über 59 Tsd. gefahrenen Kilometern mit über 48 Tsd. Personen gesprochen wurde, während die Bahn nur circa 30 Tsd. Personen beförderte.  Zurück
  14. Ott 2004, S. 90 und S. 123.  Zurück
  15. Ott 2004, S. 123. Auf den Seiten 123-130 stellt der Autor die gerade in der Anfangszeit zum Teil kurios anmutenden Busfahrzeuge reich bebildert detailliert vor.  Zurück
  16. Ott 2004, S. 93.  Zurück