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2. Besatzungszeit: Voraussetzungen und Bedingungen

Die folgenden drei Unterkapitel liefern Erklärungen und Erläuterungen zu den Rahmenbedingungen, die die vorliegende Untersuchung umgeben. Kapitel 2.1 beschreibt grob die Geschichte des Ersten Weltkriegs mit besonderer Berücksichtigung der Kriegsbeteiligung der USA. Das Kapitel 2.2 befasst sich mit der Situation zum Zeitpunkt des Waffenstillstands im November 1918 sowie den Bestrebungen eine Besatzung entlang des Rheins einzurichten. Das letzte Kapitel dient der Veranschaulichung der vielen Probleme, die bei Einrichtung der Besatzung sowie in deren weiteren Verlauf auftraten.

2.1 Vom Ersten Weltkrieg und dessen Ende

Amerikanische Truppen während eines Manövers, 1920/22[Bild: Stadtarchiv Koblenz, FA 4,45 Nr. 3]

Der Erste Weltkrieg war der erste allumfassende, weltweite, industrialisierte Krieg in der Geschichte der Menschheit: Er diktierte den Alltag der Menschen der beteiligten Nationen. Die einen wurden in Massenheere gepresst und in die Schlacht geworfen, die anderen mussten durch ihre Arbeit an der Heimatfront die Bedürfnisse eben dieser Heere stillen und ihr Leben ganz den Erfordernissen des Krieges anpassen. Seine Auswirkungen betrafen letztlich jeden Kontinent. Wenn auch nicht unter direkten Kampfhandlungen leidend, so wurden doch wenigstens die Kolonien und verbündeten Staaten in Übersee zur

Unterstützung der europäischen Kriegsparteien herangezogen.[Anm. 1]

„Mehr als jeder frühere war dies ein Krieg des industrialisierten Massenschlachtens. Menschenleiber standen gegen Tötungsmaschinen. […] Die modernen Waffen, in immer größerer Zahl aufgeboten, brachten anonymes Sterben und Zerstörung in nie dagewesenem Ausmaß.“[Anm. 2]

Für die kriegführenden Mächte auf den westeuropäischen Schauplätzen reduzierte sich dieser Krieg bald auf ein tägliches, blutiges Ringen um nur wenige Meter an granaten-, leichen- und stacheldraht-geschwängertem Boden. Nach zwei Jahren Krieg hatte jede Seite hunderttausende von Toten zu beklagen aber ein militärischer Sieg lag für keine von ihnen in greifbarer Nähe.[Anm. 3]

Erschwerend für die Mittelmächte, unter der Führung Deutschlands, war die alliierte Seeblockade, die die Versorgungslage zunehmend prekär werden ließ. Die Entente schien sich in diesem Abnutzungskrieg langsam zu behaupten. Unter den desaströsen Umständen trugen die Mittelmächte im Dezember 1916 ein halbherziges Friedensangebot an die Entente heran. Jedoch im Hinblick auf das Fehlen von konkreten Bedingungen und fehlender Bereitschaft besetzte Gebiete zu räumen, lehnte die Entente das Angebot ab.[Anm. 4] Um den Kriegsverlauf wieder zu eigenen Gunsten zu wenden und insbesondere Großbritannien entscheidend zu schwächen, konzentrierten sich deutsche Planungen zunehmend auf den umfassenden Einsatz von U-Booten gegen britische und französische Nachschublieferungen aus Übersee. Ab dem 1. Februar 1917 gerieten durch diese neue Doktrin des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs nun auch neutrale Schiffe ins Visier deutscher UBoote. Das Risiko, sich durch die Versenkung amerikanischer Schiffe auch die bisher neutralen Vereinigten Staaten zum Feind zu machen, wurde in Kauf genommen. Die deutsche Führung ging davon aus, mit dieser Taktik die Briten und Franzosen ausbluten und zu einem Friedensschluss zwingen zu können, noch bevor die mächtigen USA in Europa würden eingreifen können.[Anm. 5]

Der amerikanische Präsident Woodrow Wilson hatte gehofft, sich und sein Land aus dem Krieg heraushalten zu können. Obwohl seit Kriegsbeginn wiederholt amerikanische Passagiere bei der Versenkung von britischen oder französischen Schiffen umkamen, war die Bereitschaft der amerikanischen Bevölkerung sich an dem Krieg zu beteiligen zunächst nicht besonders hoch. Man hielt dies nach wie vor für einen eher europäischen Krieg. Hinzu kam, dass ein beträchtlicher Teil der Amerikaner von deutschen Auswanderern abstammte und man mitunter erst in erster oder zweiter Generation in den USA lebte. Die Vorbehalte innerhalb dieser deutsch-amerikanischen Bevölkerungsgruppe gegen einen Kriegseintritt waren demnach besonders stark.[Anm. 6] Wilson strebte mit seiner Politik vorrangig eine Vermittlerrolle zwischen den verfeindeten Staaten an. Er favorisierte den baldigen Schluss eines Ausgleichsfriedens anstelle des noch teurer zu erkaufenden Sieg- bzw. Vergeltungsfriedens, der den europäischen Staatenlenkern vorschwebte. Diese bemerkenswert idealistische Politik endete jedoch abrupt, nachdem nun auch eigene Schiffe von deutschen Torpedos versenkt worden waren. Folglich erklärten die USA

Deutschland am 6. April 1917 den Krieg. Gleichsam änderte sich auch das DeutschlandBild in der amerikanischen Bevölkerung: Die deutschen U-Boot-Attacken unterstrichen das, sich nun auch in den USA allmählich verfestigende, Propagandabild der Deutschen als barbarische, gnadenlose Hunnen, deren Eroberungsdrang und Mordbrennerei unbedingt Einhalt geboten werden sollte.[Anm. 7]

Trotz eiliger Mobilmachung gelangte die American Expeditionary Forces (AEF), eine aus drei Armeen mit insgesamt ca. 1 Mio. Mann bestehende Streitmacht, erst im Frühjahr 1918 nach Frankreich. Obwohl Truppenteile schon bald nach Ankunft an den Kämpfen teilnahmen, war die AEF erst Anfang des Sommers vollständig eingetroffen und kampfbereit. Etwa ein halbes Jahr zuvor hatte Deutschland den Krieg mit Russland beenden können; die dortige, durch die Novemberrevolution an die Macht gelangte, bolschewistische Regierung musste harten Friedensverhandlungen zustimmen. Obwohl im Kriegszustand, begrüßte Wilson den angehenden Friedensschluss zwischen Deutschland und Russland. Im Januar 1918 veröffentlichte er seine sogenannten 14-Punkte; eine Agenda für einen Stopp der Kampfhandlungen, einen Ausgleich zwischen den Staaten und eine stabile Nachkriegsweltordnung.[Anm. 8]

Dank der Aufgabe Russlands, startete Deutschland mit den frei gewordenen Ost-Divisionen im Westen eine neue Frühjahrsoffensive, die die Wende bringen sollte. Trotz horrender Verluste auf allen Seiten, insgesamt über eine halbe Million Mann, verschob sich die Frontlinie nur um wenige Kilometer. Die nun in immer größerer Zahl eintreffenden amerikanischen Truppen verhalfen den Alliierten letztlich zu Siegen in der Abwehr der Deutschen und in den folgenden, gemeinsamen Sommer- und Herbstoffensiven, sodass die deutsche Armee bald ins Wanken geriet und drohte komplett zu kollabieren.[Anm. 9]

Neben den deutschen Soldaten, die einen gewaltigen Blutzoll zahlen mussten, erging es der deutschen Zivilbevölkerung kaum besser. Für die meisten Bürger war der Mangel in sämtliche Lebensbereiche vorgedrungen. Das eigene Handeln und Denken beschränkte sich vielfach auf das tägliche Überleben. Trotz der umfassenden Not und einer allmählich breitwirkenden Abneigung gegen den führenden militärischen Komplex, äußerte sich nur selten offener Widerstand gegen diesen. Von jahrelanger Propaganda geprägt und irgendeinen Sinn in den Entbehrungen und Opfern suchend, schwebte den Deutschen noch immer der vage Gedanke an einen Sieg über die verhassten Alliierten vor.[Anm. 10]

Die Unterzeichnung des Waffenstillstandes am 11. November 1918[Bild: Bundesarchiv [CC BY-SA 3.0 DE]]

Die deutsche Generalität unter Hindenburg und Ludendorff hatte den Kaiser während des Kriegs zunehmend entmachtet und beherrschte das Reich inzwischen in einer Art Militärdiktatur. Sie verschwieg der Bevölkerung die sich anbahnende Niederlage, d. h. die insgesamt hohen Verlustzahlen, den desolaten Zustand der Truppe und die Probleme mit den sich abkehrenden, verbündeten Staaten. Um ihr Ansehen innerhalb Deutschlands dennoch soweit wie möglich zu wahren, versuchten die Militärs nun schnellstens einen Frieden auf dem Verhandlungsweg zu erwirken, bevor die deutsche Armee besiegt und die Lage völlig außer Kontrolle geraten würde.[Anm. 11] Erste Verhandlungen um einen Waffenstillstand begannen Anfang Oktober 1918 mit den USA. Diese akzeptierten jedoch nur die bedingungslose Kapitulation und die Abdankung des Kaisers. Über die Forderungen empört, befahl die deutsche Militärführung ihren Soldaten ein fanatisches Weiterkämpfen und die bis dato kaum eingesetzte Flotte sollte in einem heldenhaften Opfergang der britischen Marine noch einmal herbe Verluste zufügen. Die zu opfernden deutschen Matrosen weigerten sich jedoch ein solch selbstmörderisches Unterfangen mitzutragen und übten am 4. November den Aufstand, der sich rasch über die deutschen Häfen ausbreitete. Folglich begann auch die Stimmung im Reich umzuschlagen; vielerorts übernahmen Arbeiter- und Soldatenräte die Kontrolle über einzelne Gebiete. Unter dem Druck der Öffentlichkeit und nun auch der Militärs, die ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen suchten, dankte der Kaiser ab. Eine neue, provisorische Regierung übernahm am 9. November die Amtsgeschäfte und somit die deutsche Führung in den Waffenstillstandsverhandlungen. Das unehrenhafte Unterzeichnen des für Deutschland schmerzlichen Waffenstillstandsabkommens hatten die Generäle so auf ihre politischen Gegner, die parlamentarischen Demokraten, abwälzen können. Seit dem 11. November 1918 schwiegen die Waffen, der Erste Weltkrieg war zu Ende.[Anm. 12]

Anmerkungen:

  1. Vgl. KERSHAW, IAN: Höllensturz. Europa 1914 bis 1949. München 2016, S. 75; REINHARD, WOLFGANG: Die Unterwerfung der Welt. Globalgeschichte der europäischen Expansion 1415-2015. München (3. Aufl.), 2016, S. 1062-1064.  Zurück
  2. Vgl. KERSHAW, 2016, S. 74.  Zurück
  3. Vgl. Ebenda, S. 85-87. WINKLER, HEINRICH A.: Der lange Weg nach Westen. Deutsche Geschichte I. Vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik. Bd. 1. München 2014, S. 337f. Zurück
  4. Vgl. LINK, 1970, S. 32f. Zurück
  5. Vgl. KERSHAW, 2016, S. 87; ROHWER, JÜRGEN: s.v. U-Boot-Krieg. In: Hirschfeld, Gerhard [u. a.] (Hrsg.): Enzyklopädie Erster Weltkrieg. Paderborn (2. Aufl.), 2014, S. 931-934.  Zurück
  6. Vgl. BARNES, 2011, S. 26; Ein oft herangezogenes Beispiel für deutsche Barbarei war die Versenkung des Passagierschiffs „Lusitania“ vor der britischen Küste; Vgl. LARKSON, ERIK: Der Untergang der Lusitania: Die größte Schiffstragödie des Ersten Weltkriegs. Hamburg 2015.   Zurück
  7. Vgl. KERSHAW, 2016, 86f.; ROHWER, 2014, S. 933f.; WINKLER, 2014, S. 343, 360.  Zurück
  8. Vgl. KERSHAW, 2016, S. 91f.  Zurück
  9. Vgl. Ebenda, S. 92-95; WINKLER, 2014, S. 361.  Zurück
  10. Vgl. KERSHAW, 2016, S. 96f.; WINKLER, 2014, S. 360f.  Zurück
  11. Vgl. KERSHAW, 2016, S. 95f.  Zurück
  12. Vgl. BARNES, 2011, S. 8-10; VOGELS, 1925, Der Waffenstillstandsvertrag vom 11. November 1918, S. 36-39; WINKLER, 2014, S. 362-370. Zurück