Bell im Hunsrück

Bell Grabhügelfeld Fuchshohl

Bell (Rhein-Hunsrück-Kreis)

Eisenzeitliches Grabhügelfeld „Fuchshohl“ und Wagengrab von Bell

Zu besichtigen: Durch militärisch bedingte Maßnahmen wurde der Gemarkungsbereich in den ersten Nachkriegsjahren vollständig eingeebnet. Das Gräberfeld ist im Gelände nicht mehr erkennbar.

Im Gemeindewald Flur „Fuchshohl“ östlich der Hunsrückhöhenstraße wurden 1938 im Zuge von Rohdungsmaßnahmen 29 Grabhügel untersucht. Im Gräberfeld fanden sich insgesamt 47 Bestattungen, darunter acht ohne Beigaben. Es wurden 32 Körpergräber und 15 Scheiterhaufengräber entdeckt. Beide Bestattungsarten können zu kleineren Gruppen innerhalb des Grabhügelfeldes zusammengefasst werden. Das Gräberfeld von Bell ist aufschlussreich für das zeitliche Verhältnis von der älteren Körper- zur jüngeren Brandbestattung in der Jüngeren Hunsrück-Eifel-Kultur (HEK II).

Für die Körpergräber wurde eine Grabgrube ausgehoben, die Bestattung mit Gefäßen, Lanzenspitzen, eisernen Hiebmessern oder Ringschmuck versehen und ein Grabhügel aufgeschüttet. Die unver­brannten Toten wurden ohne Sarg auf Holzbrettern, in Baumsärgen, in Holzkisten und ein­mal in einer Holzkammer (Wagengrab aus Hügel 1) bestattet. Die Bestattung erfolgte in flachen, in den gewachsenen Boden eingetieften Grabgruben, auf der alten Oberfläche und gelegentlich in Grabgruben in der Hügelaufschüttung. Beigabenlose Bestattungen sind selten, in der Regel fand sich nur eine Bestattung unter den Grabhügeln. Die Keramikgefäße, darunter Flaschen, Töpfe mit scharfem Schulterknick und Schalen zeigen typische Formen der „Rhein-Mosel-Gruppe“. Sie datieren in die ältere Stufe der Jüngeren Hunsrück-Eifel-Kultur (4.-3. Jahrhundert v. Chr.).

Die Gräber, sowohl Körper- als auch Scheiterhaufengräber, waren meist NW-SO orientiert. Eine Alters- und Geschlechtsbestimmung ist aufgrund der schlechten Knochenerhaltung nur selten möglich. Mit Hilfe der Beigaben und der anthropologischen Untersuchung der Leichenbrände können sieben Männergräber und zwei Frauengräber sicher bestimmt werden. Sieht man einmal von dem Wagengrab ab, so sind alle Gräber sehr einfach ausgestattet.

Für die im westlichen Teil der Nekropole liegenden Hügel mit Brandbestattungen sind die auf der alten Oberfläche ausgebreiteten Reste von Scheiterhaufen und Brandverfärbungen von etwa 1x2 m Größe charakteristisch. Teilweise blieb der Aufbau der aus Längs- und Querbalken errichteten Scheiterhaufen unter den Erdhügelanschüttungen erhalten. Nach dem Verbrennen der Toten zusammen mit ihren Beigaben wurden diesen bisweilen weitere Gefäße beigegeben. Wobei nicht das Gefäß sondern vermutlich dessen Inhalt, möglicherweise Nahrungsmittel, von besonderer Bedeutung war. Die Schüsseln und Schalen mit abgesetztem Fuß weisen die Brandgräber als den jüngeren Teil des Gräberfeldes aus.

Die Kartierung der Körper- und Scheiterhaufengräber zeigt, dass beide Gräber­gruppen deutlich voneinander abgesetzt sind. Die Körpergräber nehmen die gesamte Ost­hälfte des Gräberfeldes ein und bilden die Kerngruppe der Westhälfte. Die Scheiterhaufen­gräber dagegen sind auf die Westhälfte beschränkt und liegen durchweg am Rand des Gräberfeldes, die Körpergräber der Westhälfte fast halbkreisförmig einschließend. Während die deutliche räumliche Trennung der beiden Grabgruppen auch auf zwei unterschiedlich be­stattende, religiöse Gruppen hindeuten könnte, die gleichzeitig bestatteten, kann die be­sondere, oben charakterisierte periphere Lage der Scheiterhaufengräber nur so gedeutet werden, dass die Scheiterhaufengräber in der Mehrzahl jünger sind als die Körpergräber, da kaum anzunehmen ist, dass das Gräberfeld von außen nach innen gewachsen ist, sondern von innen nach außen.


Deutlich in Aufbau und Bestattungsart unterschied sich der etwas abseits liegende 22 m breite und noch 1m hohe Grabhügel. Um die zentrale Hauptbestattung waren zu einem späteren Zeitpunkt in die Hügelschüttung vier Nachbestattungen angelegt worden. Die hölzerne Grabkammer der Hauptbestattung war Nordwest-Südost orientiert. Bemerkenswert ist die Dachgiebelkonstruktion der 2,5 x 1,8 m großen Grabkammer. Die Grabgrube selbst war nur 0,1-0,2 m in den Boden eingetieft worden. In die Grabkammer fand sich ein vierrädriger Wagen. Für die Räder waren eigens Gruben ausgehoben worden, in denen der Wagen stand. Der nur 0,14 m hohe Wagenkasten war etwa 0,6 m breit, mit bronzenen Ziernägeln verziert, an den Ecken ragten bronzene Aufsätze empor. Erhalten hatten sich die eisernen Beschläge der 1,5 m langen Langfuhr, die Radreifen und Nabenringe.

Unter dem Wagenkasten ruhte der Tote mit dem Kopf nach Südosten. Neben ihm lagen eine Lanzenspitze und der persönliche Schmuck des Toten, eine Fibel aus Bronze. Aus dem gleichen Material war ein großes konisches Gefäß eine Situla gefertigt, die in Hüfthöhe des Toten auf dem Wagenkasten stand. Reste einer Bastmatte mit Wollstoff könnten von der Unterlage und Bekleidung des Toten stammen.

Das Bronzegefäß weist auf weitreichende Handelsbeziehungen mit den Etruskern in Oberitalien hin. Die Etrusker in Norditalien nutzten ihren direkten Zugang von der Po-Ebene über die wichtigsten Al­penpässe und brachten den nördlichen Zinnhandel unter ihre Kontrolle. Die für die Kelten in Deutschland wichtige Nordroute bestand aus verschiedenen Pässen und Wegen, die alle vom Tessin aus auf den Rhein zusteuerten. Diese Strecken erwiesen sich als günstig, da die Zuflüsse des Rheins bis an den Alpenhauptkamm heranreichen. Am Mittel­rhein hatte sich eine kleine Gruppe von wirtschaftlich erfolgreichen Fami­lienoberhäuptern oder Anführern herauskristallisiert und begonnen, ihre höhere soziale Position in Bewaffnung, Festen und Bestat­tungssitten öffentlich darzustellen. Als Vorbild für diese so genannte Ältere Hunsrück-Eifel-Kultur wirkte die Hallstattkultur in Südwestdeutschland, unter anderem auch deren Vorliebe für mediterrane Importe als Symbole für Status und Ansehen. Beliebt im Mittelrheingebiet waren 20-30 cm hohe, aus einem einzigen Bronzeblech zusammengebogene und vernietete »Eimer« (Situlen), in denen Alkoholika serviert wurden. Die Eimerchen stammten aus dem Tessin und wurden auf direktem Wege an die Mosel gebracht.

Die nächsten Parallelen zu dem Wagengrab von Bell finden sich in den späthallstatt- bis frühlatènezeitlichen Wagengräbern Süddeutschlands. Hingegen zeigen die Grabkammer mit Giebeldach, wie auch die Grabgrube mit eingetieften Radgruben einen engen Bezug zu den vergleichbaren Gräbern im Marnegebiet. In Bell vereinen sich an der uralten Fernverbindung entlang der Hunsrückhöhenstraße süddeutsche Einflüsse des Hallstattkreises mit den frühlatènezeitlichen des Marnegebietes und verdeutlichen die weit reichenden Beziehungen des in Bell bestatteten Adligen.

Wagengräber zeichnen sich durch Reichtum und aufwendige Konstruktionen aus, es liegt nahe, die Wagenbei­gabe als Standesabzeichen zu interpretieren. Der Wagen als Statussymbol ist von anderen Kultu­ren der antiken Welt gut bekannt. Beispielsweise die Beschränkung der Wagenfahrt in Rom auf den Kaiser und einige hohe Beamte, etwa die Prätoren oder Stadtpräfekten, oder die Beschränkung der Wagenfahrt auf den cursus publicus für bestimmte Beamte. Interessant ist, dass die auf den etruskischen Sarkophagen dargestellten Prunkwagen offenbar auf den etruskischen Streitwa­gen zurückgehen. Es ist wahrscheinlich, das sich das privilegierte Fahren von Prunkwagen in Etrurien wohl auf die kriegerische Verwendung der Wagen im 7. Jahrhundert v. Chr. zurückführen lässt.

Wenn auch der etruskische Prunkwagen als Abzeichen eines ursprünglich Streitwagen fahrenden Standes diente, so muss die mitteleuropäische Wagenbeigabe doch anders interpretiert werden, in erster Linie deshalb, weil der vierrädrige Hallstattwa­gen keine wesentliche Rolle im Kriegswesen gespielt haben dürfte. Möglich ist, dass die Wagen eine kultische Funktion hatten, die mit einer bestimmten sozialen Gruppe, wohl einem gehobenen Stand, verbunden war. Eine andere Möglichkeit wäre, dass die Wagenbeigabe zur Verherrlichung oder Heroisierung des Toten diente.


M. Thoma


Literatur

H.H. Wegner, Bell, Eisenzeitliches Grabhügelfeld und Wagengrab. In: J. Kunow, H.-H. Wegner (Hrsg.). Urgeschichte im Rheinland (Köln 2006) 304-305.

W. Rest: Das Grabhügelfeld von Bell im Hunsrück. Bonner Jahrbuch 148/1948, 133 ff.

Bonner Jahrbuch 145, 1940, 255

Nachrichten-Blatt für Deutsche Vorzeit 15, 1939, 240 ff

Rheinische Vorzeit in Wort und Bild 2, 1939, 145 f.