Hochscheid im Hunsrück

Römische Tempelanlage und Ouellheiligtum

Hochscheid, Kr. Bernkastel-Wittlich

Zu besichtigen: Topographie eines römischen Heiligtums.

Anfahrt: Auf der B327 von Koblenz in Richtung Trier nach Hochscheid abbiegen. In Hochscheid in Richtung Südwesten auf der K126 in Richtung Stipshausen. Nach dem Abzweig in Richtung Hinzerath links halten weiter nach Stipshausen, das Heiligtum liegt unmittelbar nördlich der Straße nach der Kreuzung im Quellgebiet.

 

Mitten im Idarwald wurden 1939 südwestlich von Hochscheid in 645 m Höhe die Überreste eines Heiligtums entdeckt. Anlässlich der Erschließung von Süßwasservor­kommen war im Hang­gelände des Idarwaldes, und dem Quellgebiet des Koppelbaches eine Quelle freigelegt worden, die schon in römischer Zeit als Brunnen ausgebaut und von Sandsteinblöcken eingefasst worden war und mitten in einem römischen Tempel lag..

Durch das Museum Trier wurden ein fast quadratischer Tempel von 13,5 x 14 m Seitenlänge, und drei weitere Gebäude ausgegraben. Das als heilwirksam bewertete Quellwasser war in einen Tempel vom Typ des gallo-römischen Vierecktempels mit Umgang einbezogen. Ein kleineres Mauerviereck im Zentrum eines größeren gelegen bildetet die Cella von 6 x 6,25 m Größe und war von der O-Seite her zu­gänglich. Um die Cella führte die Säulenhalle von 13,50 x 14 m und bildete einen Umgang von 2-2,35 m Breite, der Zugang erfolgte ebenfalls von der O-Seite her. Die Cella überragte turmartig den Umgang, dessen mit Säulen oder Pfeilern bestandene Brüstungsmauer ein Schieferdach trug.

Die Cella war über der Quelle erbaut worden, in ihrem Innern wurde neben der Brunnen­fassung der Quelle ein Altar gefunden, der die Weiheinschrift des freigelassenen Tiberius Clau­dius Reburrus an den Gott Apollo trägt. Ein zweiter Altar ist Apollo und der »sancta Sirona« gewidmet. Aus der Cella stammen zwei fast lebensgroße Götterfiguren aus gelblichem Sandstein vor einem thronartigen Reliefrahmen und zeigen das inschriftlich genannte Götterpaar.

Die lebensgroße frontal ausgerichtete Figur der Göttin Sirona ist fast voll­kommen erhalten. Mit einer langen Tunika und einem Mantelumwurf bekleidet, trägt sie über der Stirn ein Dia­dem in dem gewellten Haar. Um den rechten Unterarm windet sich eine Schlange und zün­gelt nach drei Eiern, die die Göttin in einer geneigten Schale in der linken Hand vor sich hält. Das Attribut der Schlange, das Sirona von der griechischen Göttin Hygieia übernommen hat, kennzeichnet sie als Göttin der Gesundheit. Etwa zehn Weihungen der Sirona sind bisher in Heilbädern oder in Heilquellen, z. B. in Wiesbaden, Nierstein, Bitburg und Heiligenbronn gefunden worden.

Die zur Seite der Sirona stehende Figur des Apollo ist nur in Fragmenten erhalten. Ihr rechter Arm und Hand, Bruchstücke von Spiel­bein und Standbein, ein liegender Greif, das Be­gleittier, und die Kithara, das Musikinstrument des Gottes, sichern die Rekonstruktion und Zu­gehörigkeit. Eine zweite, ganz erhaltene Apollo-Statue, jedoch feiner modelliert und kleiner, wurde ebenfalls hier geborgen.

In dem Relief der Sirona und des Apollo sind zwei Kultbilder aus der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. erhalten, die einst in der Tempelcella neben der eingefassten Quelle standen. Das Heiligtum wurde nach den Germaneneinfällen im 3. Jahrhundert n. Chr. nicht mehr besucht und verfiel im Laufe weniger Jahre. Vermutlich entgingen dadurch die Skulpturen einer gewaltsamen Zerstörung durch religiöse Eiferer, stürzten um und ruhten in dem moorigen Grund bis zu ihrer Entdeckung

Etwa 60 m nordöstlich des Tempels stand ein rechteckiges Gebäude von 14,8 x 8,9 m Größe.

Auf einem niedrigen Steinfundament lagerte das Holzgerüst der Lehmfachwerkwände. Das Gebäude wies vier  Räume im Inneren auf. Nach Osten schloss ein 27,2 m langer und 4,4 m breiter Gang an, der vielleicht als offene Pfeilerhalle errichtet worden war. Die Bestimmung des unbeheizten Gebäudes ist unklar, das Fundgut zeigt lediglich die zeitgleiche Datierung und Aufgabe des Gebäudes mit dem Tempelbau an.

Ein weiteres Gebäude fand sich in ca. 120 m Entfernung nordöstlich des Tempelbaus. Die 43x22 m große Herberge war um einen zentralen Hof errichtet worden. Über Flure waren die Kammern der Pilger zugänglich, eine überdachte Säulenhalle, eine Portikus bot Schutz vor der Witterung,  Der Bautyp der Hofherberge findet sich in vielen Heiligtümern Galliens und Britanniens. Auch dieses Gebäude konnte mangels einer Heizvorrichtung nur in den Sommermonaten genutzt werden. Während des Winters machten bittere Kälte und hoher Schnee im Idarwald auf über 600 m Höhe einen längeren Aufenthalt in dem unbeheizten Gebäude unmöglich.

Das Badehaus lag 16 m westlich der Herberge. Im Inneren des 24,5 x 9,10 m großen Gebäudes geben die außergewöhnlich große Wanne des Warmbades (caldarium) und das Kaltbad (frigidarium) Einblick in den römischen Badeablauf. Für angenehme Raumtemperaturen bei jeder Witterung sorgten Fußbodenheizungen (hypokaustum). Einige Räume trugen einen farbigen Wandputz. In dem während der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts errichteten Bad konnten die Pilger durch Trinkkuren und ausgiebige Bäder in dem Wasser, dem einen heilende Wirkung zugesprochen wurde, Genesung finden.

Die Aufgabe des gesamten Heiligtums dürfte in Verbindung mit den Einfällen der Alemannen im Jahre 275/276 stehen. Nach dem 3. Jahrhundert n. Chr. wurde das Quellheiligtum nicht mehr aufgesucht und geriet in Vergessenheit.

 

M. Thoma

 

Literatur:

G. Weisgerber, Das Pilgerheiligtum des Apollo und der Sirona von Hochscheid im Hunsrück, Bonn 1975.

K. Goethert-Polaschek, Das Quelheiligtum von Hochscheid im Hunsrück (Kr. Bernkastel-Wittlich). In: Die Römer an Mosel und Saar, Ausstellungskatalog 12.-28.9.1983 (Mainz 1983) 140-142.

H. Cüppers, Hochscheid WL. In: H. Cüppers (Hrsg.) Die Römer in Rheinland-Pfalz (Stuttgart 1990) 295-297.