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„Separatismus“ – Vaterlandsverrat oder Rettung?

„Separatistisches Flugblatt“, vermutlich 1919[Bild: Landesarchiv Speyer, U 284-17]

Entgegen der deutschen Propaganda strebte die französische Regierung keine Annexion des linksrheinischen Gebietes an, sondern die Errichtung eines an Frankreich orientierten Pufferstaates, um damit Sicherheit vor Deutschland zu erhalten. Man setzte dabei auf preußenfeindliche Stimmungen und die Angst des Bürgertums vor den sozialistischen Aufständen in Berlin und München. Die Bevölkerung der Pfalz hoffte man mit der Aussicht auf wirtschaftliche Verflechtungen im Grenzraum zu gewinnen.

Tatsächlich gab es im Rheinland (Konrad Adenauer) und in der Pfalz (Johannes Hoffmann) vielfach den Wunsch nach Autonomie. Ohne den Verband des Reiches zu verlassen, wollten diese Kräfte mit eigenen Ländern eine Verständigung mit Frankreich erreichen. Aber der Umsturzversuch der „Freie-Pfalz-Bewegung“ des Landauer Chemikers Dr. Eberhard Haas am 1. Juni 1919 scheiterte ebenso wie die am gleichen Tag erfolgte Proklamation einer „Rheinischen Republik“ durch den ehemaligen Staatsanwalt Adam Dorten in Wiesbaden.

Aufkleber mit „separatistischer“ Propaganda, 1923[Bild: Landeshauptarchiv Koblenz, 612-7855]

Der Einmarsch französischer und belgischer Truppen in das Ruhrgebiet im Januar 1923 und die Reaktion der Reichsregierung („passiver Widerstand“) hatten verheerende wirtschaftliche Auswirkungen. Erneut kam es im Besatzungsgebiet zu Versuchen der Gründung einer autonomen Staatlichkeit. Jetzt waren die politischen Führer der Bewegung sogar dazu bereit, den Verbund des Reiches zu verlassen. Frei von der Last des deutsch-französischen Konfliktes und mit eigener Währung sollte das Rheinland ein Friedensstaat zwischen Frankreich und Deutschland werden.

Entgegen der nationalistischen Hasspropaganda fanden diese Bestrebungen in allen Schichten Anhänger, blieben aber in der Minderheit, die noch jahrzehntelang später Anfeindungen ausgesetzt war.

Teil eines Plakats der "Separatisten"[Bild: Landesarchiv Speyer, Y 24-5376]

Ludwigshafen, 1. Dezember 1923

„Der Hauptteil der Bevölkerung steht der Rhein[ischen] Republik feindlich od[er] gleichgültig gegenüber. Sie ist nun in allen pfälzischen Städten ausgerufen. Man sagt, auf dem Land habe sie einigen Anhang.“ (Tagebuch Armand Stiegelmann, Privatbesitz)

Demonstration gegen die Autonomiebewegung in Speyer, vermutlich 1923[Bild: Landesarchiv Speyer, X 3-2945]

Texte und Redaktion:
Dr. Walter Rummel (Landesarchiv Speyer), Dr. Hedwig Brüchert; Dr. Ute Engelen, Marion Nöldeke, Dr. Kai-Michael Sprenger (alle Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e.V.), Franziska Blum-Gabelmann M.A. (Haus der Stadtgeschichte Bad Kreuznach), Dr. Eva Heller-Karneth (Museum Alzey), Dr. Armin Schlechter (Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek)