Weisel am Mittelrhein

Zur Geschichte von Weisel

Die ältesten Spuren einer Besiedlung von Weisel stammen aus dem 2. Jahrhundert. Anfang der 1990er Jahre fanden Archäologen die Überreste eines aus dieser Zeit stammenden Grabhügels und eines Gutshofes. Die Weiseler Gemarkung lag im 2. Jahrhundert noch innerhalb des römischen Einflussgebiets. Der Limes verlief unweit der heutigen Gemeinde und schloss auch diese noch mit ein. Anhand der Grabbeigaben wird vermutet, dass es sich um das Grab einer keltischen Adligen handelt. Die Kelten hatten sich zuvor den Römern unterworfen und Elemente der römischen Kultur übernommen.[Anm. 1]

Inwiefern die Gemarkung in den folgenden Jahrhunderten, insbesondere nach dem Ende der römischen Herrschaft, bewohnt war, ist nicht bekannt. Erst etwa 1000 Jahre nach der Bestattung im Weiseler Hügelgrab wurde der Ort erstmals urkundlich erwähnt. 1128 schenkte der Mainzer Erzbischof Adalbert dem Mainzer Domkapitel einige Geldeinkünfte aus verschiedenen Orten, darunter auch „Wizzelo“. Wann der heutige Ort aber tatsächlich gegründet wurde, ist nicht bekannt. Die Schätzungen reichen von einer vorgermanischen Gründung bis ins 11. Jahrhundert.[Anm. 2]

Weisel war wohl in früher Zeit Teil des Einrichgaus. Wahrscheinlich wurde es aber – gemeinsam mit Kaub, Dörscheid und Sauerthal – schon im 11. Jahrhundert aus dem Einrichgau herausgelöst und diente als Mitgift für Adelind, der Tochter Arnolds von Arnstein (1015–1053), die 1040 den Grafen Berthold von Nüringen heiratete. Von den Grafen von Nüringen wurde Weisel weiter an die Herren von Falkenstein und Münzenberg vererbt. Diese wiederum verkauften ihre Rechte in Weisel 1277 und 1289 an die Kurpfalz. Die vier Orte bildeten später das kurpfälzische Unteramt Kaub.[Anm. 3]

Kirchlich gehörte Weisel zur Diözese Trier. Schon früh besaß Weisel eine Pfarrkirche, die dem hl. Andreas geweiht war. Die Weiseler Kirche diente bis 1324 als Pfarrkirche für die Nachbarorte Kaub, Ransel, Dörscheid und Sauerthal. Das Patronatsrecht lag bis 1324 bei der Kurpfalz.[Anm. 4]

1324 erhielt Weisel das Stadtrecht – eine Versöhnungsgeste Kaiser Ludwigs IV. gegenüber Pfalzgraf Adolf im sogenannten „Wittelsbacher Bruderzwist“. Nur wenige Tage nach der Stadtrechtsverleihung übertrug wiederum Adolf das Patronatsrecht von Weisel auf das Wiesbadener Kloster Klarenthal. Zu einer Stadt im umgangssprachlichen Sinne entwickelte sich Weisel in der Folge jedoch nicht. Allerdings wurde in der Folge eine Dorfbefestigung, bestehend aus Gräben sowie drei großen Toren, errichtet.[Anm. 5]    

1419 wurde die Verwaltung in der kurpfälzischen Exklave neu strukturiert. Die zuvor gemeinsame Verwaltung von Kaub, Weisel, Ober- und Niederdörscheid wurde getrennt. Weisel und Dörscheid erhielten ein gemeinsames Schöffengericht für die niedere Gerichtsbarkeit.[Anm. 6]

1556 erließ der Kurfürst Ottheinrich ein Religionsmandat, dass die Einführung der lutherischen Lehre anordnete. Entsprechend wurde auch Weisel lutherisch. Ottheinrichs Nachfolger wiederum gehörten dem reformierten Bekenntnis an, so dass sich die Konfession im kurpfälzischen Herrschaftsbereich abermals änderte.[Anm. 7] Die konfessionellen Differenzen blieben über mehr als ein Jahrhundert hinweg prägend.

1597 und 1613 suchte die Pest Weisel heim und kostete – bei einer Einwohnerzahl von etwa 400 Menschen – 85 bzw. 100 Opfer. Im Dreißigjährigen Krieg wurde Weisel 1620 zunächst von spanischen Truppen besetzt. Im weiteren Kriegsverlauf kam es zu wechselnden Besatzungen, zumeist verbunden mit Plünderungen und Kontributionen. Immer wieder mussten die EinwohnerInnen fliehen. Zeitweise war der Ort auch gänzlich entvölkert. Bei einer Plünderung durch spanische oder schwedische Truppen 1639 brannten große Teile Weisels nieder.[Anm. 8] Mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges setzte sich in der Kurpfalz endgültig das reformierte Bekenntnis durch. Das katholische und das lutherische Bekenntnis wurden allerdings geduldet.[Anm. 9]

Im Dorf waren die konfessionellen Konflikte damit keineswegs ausgeräumt. Nahrung erhielten diese durch die ab 1685 vom Haus Pfalz-Neuburg eingeleitete Rekatholisierung der Kurpfalz. In Weisel gab es vor 1685 drei katholische Familien. Später kamen noch zwei Familien hinzu. Diese waren zwar weniger begütert als die alteingesessenen Familien, wurden aber etwa bei der Besetzung der lokalen Ämter durch die pfälzische Verwaltung bevorzugt. Besonders umstritten waren allerdings die erweiterten Rechte bei der Benutzung der Kirche, zu der 1699 der katholische Pfarrer von Kaub Zugang forderte. Als der Zugang abgelehnt wurde, erzwangen ihn die Katholiken aus Kaub, Sauerthal und Weisel gemeinsam. Der Konflikt schaukelte sich weiter hoch. Im März 1699 kam es etwa zu einer größeren Schlägerei. 1705 wurde durch eine Deklaration des Kurfürsten eine Entscheidung für seine Territorien getroffen. Die Reformierten erhielten ihre Kirche zur alleinigen Nutzung zurück. Lediglich bei katholischen Hochzeiten und Begräbnissen sollte die Glocke geläutet werden. Fortgesetzt wurde allerdings die Bevorzugung des katholischen Bevölkerungsteils bei der Ämterbesetzung. So wurden ab 1705 stets katholische Schultheißen aus dem Ort ernannt.[Anm. 10]

1773 musste wegen Einsturzgefahr der Abriss der alten Kirche angeordnet werden. Das neue Kirchenschiff wurde wohl 1778 fertiggestellt. Gerade hinsichtlich des Neubaus eines Turms kam es aber zu Streitigkeiten mit der kurpfälzischen Regierung. Diese ließ zwar 1781 bis 1783 einen neuen Turm bauen, der allerdings niedriger als das Kirchenschiff war und zudem völlig frei stand. Der Turm wurde bald baufällig und musste schon 1815 ersetzt werden.[Anm. 11]

1803 endete die Zugehörigkeit Weisels zur Kurpfalz. Das Haus Nassau-Usingen erhielt die Orte des Unteramts Kaub, die 1806 mit zahlreichen weiteren Orten des heutigen Rhein-Lahn-Kreises in das Herzogtum Nassau übergingen. Im Rahmen der sogenannten Befreiungskriege überquerten um die Jahreswende 1813/14 preußische und mit ihnen verbündete Truppen bei Kaub den Rhein. Dabei wurde aber die Behelfsbrücke zerstört. Der Großteil der Truppen saß mehrere Tage rechts des Rheins fest. Es kam zu Plünderungen. Darüber hinaus brachten die Truppen eine Fleckfieberepidemie nach Weisel.[Anm. 12]

1819 wurde im Herzogtum die Simultanschule eingeführt. In der Folge wurde in Weisel 1829 ein neues Schulgebäude errichtet. 1866 wurde das Herzogtum Nassau von Preußen annektiert. Im 19., möglicherweise auch erst im 20. Jahrhundert veränderte sich auch das Wirtschaftsleben in Weisel. Die Landwirtschaft blieb zwar dominant, allerdings verdingten sich auch viele Weiseler als Handwerker oder im Bergbau – etwa im Rennseiterstollen in Kaub. Zumeist waren diese Arbeiter aber auch im Nebenerwerb noch Landwirte.[Anm. 13]

Kurz vor dem ersten Weltkrieg wurde das erste Gebäude in Weisel elektrifiziert. 1915 wurde der Bau einer Wasserleitung abgeschlossen. Im Ersten Weltkrieg wurden bis zu 200 Männer aus der Gemeinde zu Kriegsdiensten verpflichtet. 43 von ihnen fielen den Kampfhandlungen zum Opfer. Ab 1916 kamen in der heimischen Landwirtschaft Kriegsgefangene zum Einsatz. Nach der Kapitulation 1918 wurde Weisel als Teil des Brückenkopfes Koblenz besetzt. Weisel hatte von Januar bis August 1919 eine französische Besatzung.[Anm. 14]

Die Geschichte der nationalsozialistischen Herrschaft in Weisel ist noch nicht umfassend erforscht. Lediglich einige Teilaspekte sind näher beleuchtet worden. Ab 1927 fanden in Weisel Veranstaltungen der NSDAP statt. 1930 traten auch die ersten zwölf Weiseler BürgerInnen der Partei bei. 1934 wurde der Gemeinderat und Bürgermeister abgesetzt.[Anm. 15]  

Der Pfarrer von Weisel, Ernst Koenigs, schloss sich nach 1933 dem Pfarrernotbund und der Bekennenden Kirche (BK) an. Der Kirchenvorstand schloss sich im Herbst 1934 der BK an. Die Bekenntnisgemeinde umfasste dabei 20 bis 30 Personen. Pfarrer Koenigs wurde kurz nach Kriegsbeginn 1939 verhaftet, da er in einer Predigt behauptet habe, der Krieg könne nur mit dem Glauben gewonnen werden, und sich zudem gegen Ernten an Sonntagen ausgesprochen hatten. Vor dem Hintergrund seiner Mitgliedschaft bei der Bekennenden Kirche wurde Koenigs daraufhin verhaftet, aber bald freigelassen. Wenige Tage nach seiner Freilassung wurde er aber erneut verhaftet und ins Konzentrationslager Oranienburg gebracht. Aus diesem wurde er erst nach mehr als einem Jahr, im Dezember 1940, entlassen. Nach Weisel durfte er aber aufgrund eines Aufenthaltsverbots nicht zurückkehren.[Anm. 16]

Im Zweiten Weltkrieg waren erneut zahlreiche Bürger zum Kriegsdienst eingezogen. Ab 1940 wurden erneut Kriegsgefangene in der Landwirtschaft eingesetzt. Noch weit vor Kriegsende kam der Krieg durch alliierte Luftangriffe in die Gemeinde. Bei einem Angriff im April 1944 kam es nur zu Sachschäden. Am 29. Januar 1945 kam es erneut zu einem Luftangriff, bei dem sieben Personen starben. Im März 1945 wurde eine größere Gruppe von Kriegsgefangenen zu Schanzarbeiten nach Weisel gebracht. Bei Artilleriebeschuss starben am 21. März zwei Niederländer und wenige Tage später zwei Weiseler Bürger. Am 26. März nahmen amerikanische Truppen den Ort ein. Insgesamt kostete der Krieg 55 Weiseler das Leben. 17 werden vermisst.[Anm. 17]

Nach dem Krieg gehörte Weisel ab Juli 1945 zur französischen Besatzungszone und seit 1946 zu Rheinland-Pfalz. Die Gemeinde musste zahlreiche Geflüchtete aufnehmen – 1950 befanden sich noch 75 von ihnen in Weisel. Seit 1972 hat Weisel keine Schule mehr. Weiseler GrundschülerInnen besuchen seitdem die Schule in St. Goarshausen. Das alte Schulgebäude dient als Kindergarten. Wie in vielen anderen Gemeinden auch hat sich, vor allem seit dem Zweiten Weltkrieg, die Wirtschaftsstruktur stark verändert. Die Zahl der Voll- und Nebenerwerbslandwirte ist stark gesunken. Weisel hatte zum 31. Dezember 2019 1039 EinwohnerInnen.[Anm. 18]

Bevölkerungsentwicklung

JahrZahl der EinwohnerInnen[Anm. 19]
Um 1618300-400
1711275
1815615
1871905
1905839
1939781
1950921
1970951
1987944
20191039

Verfasser: Christoph Schmieder

Verwendete Quellen und Literatur:

  • Dienst, Karl (2010): Kirchenkampf" (1933-1945) zwischen Allgemeiner Geschichte und Kirchengeschichte. Die Gemeinde Weisel und ihr Pfarrer Ernst Koenigs. In: Nassauische Annalen 121 (2010), S. 391–409.
  • Forschungsgruppe Weiseler Geschichte (n) (Hg.) (2017): Das Dorf Weisel. Öffentliche Gebäude und öffentliches Leben. Weisel.
  • Gemeinde Weisel (Hg.): Weisel. Eine historische Bilddokumentation. Weisel 1985.
  • Göttert, Margit; Knecht, Renate: Das Dorf Weisel. Geschichte der Häuser und ihrer Besitzer vom 17. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Weisel 2012 (Weisel: Weiseler Geschichte(n), 3).
  • Herold, Rudolf (1987): Die Einführung der Reformation im heimischen Raum. In: Agnes Allroggen-Bedel (Hg.): Der Rhein-Lahn-Kreis. Landschaft, Geschichte, Kultur unserer Heimat. Oberwesel/Rhein 1987, S. 166–183.
  • Schmidt, Wolfgang: Der römerzeitliche Grabhügel bei Weisel - das Grab einer Keltenfürstin? In: Heimatjahrbuch Rhein-Lahn-Kreis 2017, S. 155–156.

Zuletzt geändert: 9. Juli 2021.

Anmerkungen:

  1. Schmidt, S. 155f.; Göttert/Knecht, S. 14. Nach Göttert/Knecht und Öffentliche Gebäude, S. 9, fanden die Ausgrabungen 1991 statt, nach Schmidt 1990. Zurück
  2. Göttert/Knecht, S. 15f. Zurück
  3. Göttert/Knecht, S. 14f.; Öffentliche Gebäude, S. 9. Zurück
  4. Göttert/Knecht, S. 16; Bilddokumentation, S. 8. Zurück
  5. Bilddokumentation, S. 8; Öffentliche Gebäude, S. 11; Göttert/Knecht, S. 18f. Zurück
  6. Öffentliche Gebäude, S. 239f. Zurück
  7. Öffentliche Gebäude, S. 14. Zurück
  8. Öffentliche Gebäude, S. 26–28; Göttert/Knecht, S. 25. Zurück
  9. Herold, S. 181. Zurück
  10. Öffentliche Gebäude, S. 40–42. Zurück
  11. Öffentliche Gebäude, S. 52–54. Zurück
  12. Öffentliche Gebäude, S. 64–66. Zurück
  13. Öffentliche Gebäude, S. 76; Bilddokumentation, S. 267f.; von verschiedenen Milieus, die sich im Ort gebildet hatten, berichtet auch Dienst, S. 397, S. 399. Zurück
  14. Öffentliche Gebäude, S. 93–96, S. 178. Zurück
  15. Öffentliche Gebäude, S. 110. Zurück
  16. Öffentliche Gebäude, S. 111–115; detailliert und mit Einordnung in den Kontext Dienst, S. 391–409. Zurück
  17. Öffentliche Gebäude, S. 115; Bilddokumentation, S. 10. Zurück
  18. Öffentliche Gebäude, S. 120; S. 309; https://www.weiseler-geschichte.de/de/geschichte-und-dokumente/geschichtlicher-ueberblick/geschichte-der-bewohner/ (22.12.2020); https://infothek.statistik.rlp.de/MeineHeimat/tscontent.aspx?id=103&l=3&g=0714109136&tp=1043&ts=tsPop01 (22.12.2020). Zurück
  19. Göttert/Knecht, S. 24, S. 26; https://infothek.statistik.rlp.de/MeineHeimat/tscontent.aspx?id=103&l=3&g=0714109136&tp=1043&ts=tsPop01 (22.12.2020). Zurück