Waldböckelheim im Naheland

Geschichte von Waldböckelheim

Ortsansicht Waldböckelheim [Bild: Prankster (Public domain)]

Die Ortsgemeinde Waldböckelheim gehört landschaftlich zum Unteren Nahetal. [Anm. 1] In einer Urkunde des Klosters Fulda ist Waldböckelheim 824 als „villa becchilenheim“ erwähnt, in weiteren Urkunden als „Beckelnheim“ oder „Beckilnheim“, mundartlich wird es heutzutage als „Beckelum“ bezeichnet. Von Heimatforschern gibt es verschiedene Deutungen des Namensursprungs (Ortslage an einem Bach oder Nutzung des Tiernamens „Bock“ beispielsweise). [Anm. 2] 1299 wird der Name „Waltbeckelnheim“ in der Urkunde einer Güterschenkung erwähnt, daraus entwickelte sich über verschiedene Zwischenstufen um 1623 dann „Waldböckelheim“. [Anm. 3]

Aus vielen Zeitepochen sind Fundstücke in der Gemarkung von Waldböckelheim bekannt, die auf die Besiedlung durch  Menschen hindeuten: Beispielsweise ein Steingerät mit Bandkeramik (Jüngere Steinzeit, ca. 5.700-2.000 v. Chr., Gemarkung „Kellerswies“), ein Grabfund (Henkeltasse und Bronzenadel) aus der Bronzezeit (ca. 2.200-750 v. Chr.), [Anm. 4] ein Eisenring mit Bronzeanhängern als Grabbeigabe (Jüngere Eisenzeit, 450-Chr. bis Christi Geburt, Gemarkung „Grieser Kopf“), [Anm. 5] oder aus der Römerzeit im Naheraum (etwa Mitte 1. Jahrhundert v. Chr. bis Mitte 5. Jahrhundert n. Chr.) römische Ziegel, Mauern und Estrichreste (beim Waldböckelheimer Wald, nahe „Marienpforter Hof“) und eine Bronzeschüssel aus dem 1. Jh. (an der Straße von Waldböckelheim nach Bockenau). [Anm. 6] Gute klimatische Bedingungen und fruchtbare Böden waren in Waldböckelheim ausschlaggebend für die frühe Besiedelung. [Anm. 7]

Katholische St. Bartholomäuskirche (Waldböckelheim)[Bild: Cmcmcm1 (CC BY-SA 4.0)]

In der fränkischen Zeit (bis etwa zum Jahr 1.000) gab es 819 und 839 Aufenthalte des Königs in Waldböckelheim, die auf eine überörtliche Bedeutung des Ortes zurückgeführt werden. Die Burg Böckelheim wurde als eine der ältesten Burgen der Naheregion auf dem Gebiet der späteren Gemarkung von Schloßböckelheim errichtet.  [Anm. 8] Die Burg Böckelheim hatte zusammen mit der Burg Klopp in Bingen militärisch-strategische und verwaltende Funktionen für den unteren und mittleren Naheraum. [Anm. 9]Urkunden über Lehenswechsel bringen das Gebiet von Waldböckelheim mit verschiedenen Adelsgeschlechtern und Bischöfen in Verbindung, so gab es beispielsweise ab dem 11. Jahrhundert auch Verbindungen zum salisch-wormsgauischen Haus, den Grafen von Sponheim und dem Mainzer Erzbistum. [Anm. 10]

1282 wurde auf Burg Böckelheim die Inbesitznahme der Burg durch den Mainzer Erzbischof und Kurfürsten Werner II. (1225-1284) beurkundet. Mainzer Burggrafen wurden auf der Burg zur Verwaltung der dazugehörigen Ländereien eingesetzt. [Anm. 11] Zu Beginn des 14. Jahrhunderts wurde die Burg an einen Ritter Dietrich von Randeck verpfändet, kam aber 1305 wieder ans Erzbistum zurück.  [Anm. 12] Sowohl vor einer Fehde-bedingten Einäscherung von Waldböckelheim im Jahr 1397, als auch danach, gab es aber vielfache weitere Eigentümerwechsel oder Verpfändungen des als „Amt Böckelheim“ bezeichneten Verwaltungsbereichs von Burg und zugehörigen Besitztümern.  [Anm. 13] Von 1471-1789/1801 unter Kurpfälzischer Herrschaft der Fürsten aus dem Haus Wittelsbach.  [Anm. 14] 

Außenansicht Bergkirche (Waldböckelheim)[Bild: Cmcmcm1 (CC BY-SA 4.0)]

Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) hinterließen 1620 spanische Truppen, 1631 schwedische und 1636 und 1646-1648 französische Truppen ihre Spuren im Naheraum. [Anm. 15] Seuchen, Hungersnöte und Plünderungen erschwerten das Leben, [Anm. 16] ebenso wie Unsicherheiten durch wechselnde Eigentümer und Situationen mit Treuhandverwaltungen des Ortes („Sequester“). [Anm. 17] 1688 kam der Pfälzische Erbfolgekrieg hinzu, der in der Naheregion für Verwüstungen sorgte. [Anm. 18]Im Jahr 1715 wurde das Amt Böckelheim in das Kurpfälzer Oberamt Kreuznach eingegliedert. [Anm. 19] Die Region litt aber im Weiteren unter dem Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714/15) und dem Polnischen Erbfolgekrieg (1734/35) sowie unter dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763). [Anm. 20] 1792 kamen napoleonische Truppen in den Naheraum. [Anm. 21] Schriftliche Aufzeichnungen vom Amt Böckelheim zeugen 1794 von Einquartierungen und Futterlieferungen (Fourage) an die französischen Soldaten. [Anm. 22] Nach dem Wiener Kongress 1815/16 wurde die Region dann preußisch. [Anm. 23]

1888 wurde die Landbürgermeisterei des Amtes Waldböckelheim gebildet, die neben Waldböckelheim (mit damals 1.630 Einwohner:innen) auch die Orte Bockenau, Boos, Burgsponheim, Oberstreit, Schloßböckelheim und Sponheim umfasste. [Anm. 24]

1911 bis 1913 entstanden die Drahtwerke Waldböckelheim, die für den gesamten mittleren Naheraum ein wichtiger Arbeitgeber waren. [Anm. 25] Sie beschäftigten 1913 200 Arbeitskräfte, die meisten Menschen blieben aber in der Landwirtschaft tätig. [Anm. 26]

Evangelische Bergkirche (Waldböckelheim) [Bild: Cmcmcm1 (CC BY-SA 4.0)]

Für den Ersten Weltkrieg wurden im Dezember 1914 106 Männer aus Waldböckelheim eingezogen. [Anm. 27] 1915 gab es russische Kriegsgefangene in der Region, die u.a. auch in der Waldböckelheimer Landwirtschaft eingesetzt wurden. [Anm. 28] 1916 waren 200 Männer aus Waldböckelheim zum Kriegsdienst eingezogen. Die Bevölkerung litt unter Lebensmittelrationierungen und Versorgungsengpässen. [Anm. 29] Bis 1918 starben 70 Waldböckelheimer Männer – meist in jugendlichem Alter – im Krieg oder an dessen Folgen. [Anm. 30]1918-1919 wurden französische Truppen in Waldböckelheim einquartiert, [Anm. 31] 1920 gab es Kohlenmangel und eine Maul- und Klauenseuche. [Anm. 32] Im Jahr 1923 litten viele Einwohnerinnen und Einwohner unter den Folgen von Arbeitslosigkeit und Inflation. [Anm. 33] 1927 wurden zusätzlich zu den französischen Truppen auch britische Truppen in der Bürgermeisterei einquartiert. Die Besatzung endete erst 1930. [Anm. 34]

 Seit 1932 gab es eine Ortsgruppe der NSDAP in Waldböckelheim, 1933 wurden Paul von Hindenburg und Adolf Hitler vom Gemeinderat zu Ehrenbürgern von Waldböckelheim ernannt. [Anm. 35] Nationalsozialistische Vereine wie die HJ und der BDM waren in Waldböckelheim aktiv. [Anm. 36] Ebenso beteiligten sich Waldböckelheimer Bürger:innen an den Judenverfolgungen der Pogromnacht am 9. November 1938 gegen jüdische Bürgerinnen und Bürger in Sobernheim und Odenbach. [Anm. 37] Der Zweite Weltkrieg zeigte sich in Waldböckelheim beispielsweise in Form von Truppeneinquartierungen, Beschlagnahmungen von Arbeitspferden und angespannter wirtschaftlicher Situation, [Anm. 38] sowie Einzug aller kriegstauglichen Männer. [Anm. 39] Circa 67 Soldaten starben an den verschiedenen Kriegsfronten, 21 Soldaten wurden vermisst und später für tot erklärt. [Anm. 40]

1947 erschwerte eine Missernte im gesamten Kreisgebiet das Leben der Menschen. [Anm. 41] Die Ernährungslage der Bevölkerung blieb bis 1949 kritisch. [Anm. 42] Bis 1950 kehrten noch Soldaten aus der Kriegsgefangenschaft zurück. [Anm. 43] 1957 hatte Waldböckelheim 1.883 Einwohner:innen, die 210 Schulkinder gingen auf zwei Schulen. Neubaugebiete und Verbesserungen der Infrastruktur machten den wirtschaftlichen Aufschwung sichtbar. [Anm. 44]

Von 1967 bis 1970 wurden in einer rheinland-pfälzischen Kommunalreform u.a. die Landbürgermeistereien in Verbandsgemeinden umgewandelt. [Anm. 45] 1970 wurden die Verbandsgemeinden Waldböckelheim, Wallhausen und Winterburg aufgelöst und Waldböckelheim als Ortsgemeinde der Verbandsgemeinde Rüdesheim zugeordnet. [Anm. 46]

NACHWEISE

Verfasserin Text: Marion Nöldeke

Verwendete Literatur:

  • Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (Hg.): Nachrichtliches Verzeichnis der Kulturdenkmäler Kreis Bad Kreuznach, Bad Kreuznach 1987, S. 111-112, http://denkmallisten.gdke-rlp.de/Bad_Kreuznach.pdf (Aufruf: 08.07.2022).
  • Seil, Rainer: Chronik der Ortsgemeinde Waldböckelheim. Ortsgemeinde Waldböckelheim 1999.

Erstellt am: 15.07.2022

Anmerkungen:

  1. Seil 1999, S. 17.  Zurück
  2. Seil 1999, S. 34 und 41.  Zurück
  3. Seil 1999, S. 35.  Zurück
  4. Seil 1999, S. 36.  Zurück
  5. Seil 1999, S. 37.  Zurück
  6. Seil 1999, S. 39.  Zurück
  7. Seil 1999, S. 39.  Zurück
  8. Seil 1999, S. 41.  Zurück
  9. Seil 1999, S. 49.  Zurück
  10. Seil 1999, S. 44, die komplexen Besitzwechsel führt der Autor auf den Seiten 41-47 aus. Zurück
  11. Seil 1999, S. 48.  Zurück
  12. Seil 1999, S. 49.  Zurück
  13. Seil 1999, S. 53, auf den Seiten 48-55 führt der Autor Details aus den wechselnden Zugehörigkeiten aus.  Zurück
  14. Seil 1999, S. 55.  Zurück
  15. Seil 1999, S. 74.  Zurück
  16. Seil 1999, S. 76.  Zurück
  17. Seil 1999, S. 78-88.  Zurück
  18. Seil 1999, S. 83.  Zurück
  19. Seil 1999, S. 88.  Zurück
  20. Seil 1999, S. 92-93.  Zurück
  21. Seil 1999, S. 101.  Zurück
  22. Seil 1999, S. 102, ausführlich: S. 102-105.  Zurück
  23. Seil 1999, S. 112. Zurück
  24. Seil 1999, S. 119.  Zurück
  25. Seil 1999, S. 124.  Zurück
  26. Seil 1999, S. 127.  Zurück
  27. Seil 1999, S. 130.  Zurück
  28. Seil 1999, S. 131.  Zurück
  29. Seil 1999, S. 132.  Zurück
  30. Seil 1999, S. 138.  Zurück
  31. Seil 1999, S. 142.  Zurück
  32. Seil 1999, S. 143.  Zurück
  33. Seil 1999, S. 146.  Zurück
  34. Seil 1999, S. 150. Zurück
  35. Seil 1999, S. 155.  Zurück
  36. Seil 1999, S. 158.  Zurück
  37. Seil 1999, S. 163. In Waldböckelheim wohnten seit dem Ende des 19. Jahrhunderts keine Jüdinnen und Juden mehr. Vgl. ebd., S. 157.  Zurück
  38. Seil 1999, S. 163.  Zurück
  39. Seil 1999, S. 165.  Zurück
  40. Seil 1999, S. 171.  Zurück
  41. Seil 1999, S. 171.  Zurück
  42. Seil 1999, S. 174.  Zurück
  43. Seil 1999, S. 178-179.  Zurück
  44. Seil 1999, S. 182 und 184.  Zurück
  45. Seil 1999, S. 174.  Zurück
  46. Seil 1999, S. 188.  Zurück