Neustadt an der Weinstraße in der Pfalz

0.Zur Geschichte Neustadts an der Weinstraße

0.1.Vorgeschichte

Luftbild von Neustadt an der Weinstraße

Da es sich bei Neustadt an der Weinstraße um eine im Hochmittelalter neu gegründete Stadt handelt, sind nur vereinzelte Funde aus vorgeschichtlicher Zeit erhalten. Diese belegen, dass das Gebiet vor der eigentlichen Stadtgründung nicht besiedelt war. Jedoch können in der Umgebung mithilfe archäologischer Funde Siedlungen nachgewiesen werden. Unter anderem fand man keltische Tongefäße, Waffen und Münzen. Zudem hat sich an der Stelle des Hambacher Schlosses eine Fliehburg der Kelten befunden. Auch aus der Römerzeit ist eine Besiedlung des Gebiets der mittelalterlichen Kernstadt nicht bekannt.

0.2.Mittelalter

0.2.1.Frühmittelalter

Nachdem die Region im frühen 5. Jahrhundert nicht mehr dem römischen Herrschaftsbereich angehörte, folgte die alamannische Landnahme. Archäologische Funde aus dieser Zeit fehlen jedoch. Aufgrund von Erkenntnissen der Namensforschung kann der heutige Stadtteil Winzingen, der ehemals selbstständig war und 1892 eingemeindet wurde, aufgrund der Endung „-ingen“ der Phase der alamannisch-fränkischen Landnahme zugeordnet werden. Erstmals erwähnt wird der Ort 774 als Besitz des Klosters Weißenburg.

0.2.2.Stadtgründung im Hochmittelalter und Neustadt als Residenzstadt (1338 – 1353)

Neustadt entstand um 1220/30 unter dem Namen Nova civitas/Nuwenstat auf zuvor unbesiedeltem Gebiet am Ausgang des Speyerbachtals. Die Gründung der Stadt geht auf einen Pfalzgrafen bei Rhein zurück, wobei nicht geklärt ist, ob Ludwig I. (1214 – 1228) oder dessen Sohn Otto II. (1228 – 1253) diese initiierte. Ebenfalls unklar ist, ob Neustadt auf Gebiet errichtet wurde, das den Pfalzgrafen vom Speyerer Bischof als Lehen übergeben worden war. Die Stadt könnte zumindest teilweise auch auf pfälzischem Eigenbesitz erbaut worden sein. Die Burg und das Dorf Winzingen wurden von den Pfalzgrafen vermutlich schon früh aus dem Lehensverband herausgelöst.

Mitte des 12. Jahrhunderts hatten Speyerer Bischöfe das Gebiet um Neustadt an den Pfalzgrafen Konrad, den Halbbruder Kaiser Friedrich I. Barbarossa, weitergegeben. Dieser konnte somit die Grundlage für eine pfalzgräfliche Herrschaft auf der linken Rheinseite legen. Die Stadtgründung wurde möglicherweise von der Burg Winzingen aus geleitet, die wohl seit dem 12. Jahrhundert in Besitz der Pfalzgrafen war.

Die Lage Neustadts am Ausgang des Speyerbachtals bot strategische Vorteile. Gemeinsam mit der höher gelegenen Wolfsburg konnte der Verkehrsweg durch das Tal in Richtung Kaiserslautern kontrolliert werden. Östlich der „Neuen Stadt“ gab es Verbindungswege nach Frankenthal und Speyer. Auch die entlang des Haardtrandes verlaufende Handelsroute hatte man nun besser im Blick.

Aus dem Spätmittelalter ist die Unterteilung der Stadt in vier Stadtteile überliefert, die heute im Gebiet der Altstadt zusammengefasst sind. Dazu zählen das Frauenviertel, das Judenviertel, das Kesselringviertel und das Lauerviertel. Es wird davon ausgegangen, dass die Stadt gleich nach der Gründung umwehrt war und das Gebiet der heutigen Altstadt somit die Ausmaße des neugegründeten Neustadt wiedergibt. Belegbar ist diese Annahme mit der einheitlichen Straßenführung und der Tatsache, dass sich Markt, Kirche und Rathaus im Stadtzentrum und nicht in Randlage befinden.

Rudolf II. von der Pfalz[Bild: Redaktion Zeitschrift für Christliche Kunst [gemeinfrei]]

1275 erhielt Neustadt von König Rudolf von Habsburg das Stadtrechtsprivileg und entwickelte sich als Sitz eines Oberamtes in der Folgezeit zu einem bedeutenden Verwaltungszentrum innerhalb der linksrheinischen Kurpfalz. Neben Heidelberg war es zudem von 1338 bis 1353 kurfürstliche Residenzstadt, als es zu einer Landesteilung zwischen den drei pfalzgräflichen Herrschern und Brüdern Rudolf II. (1306 – 1353) und Ruprecht I. (1309 – 1390) sowie dem Neffen Ruprecht II. kam. Neustadt, von Rudolf II. als Residenz gewählt, wurde zum Zentralort der linksrheinischen Territorien und erfuhr einen wirtschaftlichen Aufschwung. Unter anderem erhielt die Stadt 1345 das Messeprivileg und 1404 das Jahrmarktsrecht. Rudolf II. hatte zudem vor in Neustadt eine dynastische Grablege einzurichten. Dieses Ziel wurde von seinem Bruder 1356 mit der Stiftsgründung erreicht.

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0.3.Reformationszeit

Die Ereignisse der Reformationszeit zwangen die Einwohner Neustadts zu einer religiösen Neuorientierung. Bis 1544 hatte der um Ausgleich bemühte Ludwig der Friedfertige in der Pfalz regiert, der in seinem Religionsedikt (1538) den Lutheranern sowohl die Predigt als auch die Kelchkommunion gestattete. Seit 1556 galt die evangelisch-lutherische Kirchenordnung als verbindlich.

Das Casimirianum unweit von Marktplatz und Stiftskirche

Mit dem Tod Friedrichs III. 1576 kam Neustadt gemeinsam mit Lautern und Böckelheim in die Hand des Pfalzgrafen Johann Casimir, da Friedrich III. diese Ämter testamentarisch aus dem Haupterbe seines Sohnes Ludwig VI. (Kurfürst) herausgelöst hatte. Bis zum Tod Johann Casimirs 1592 stieg Neustadt zur Hauptstadt des neu geschaffenen Herzogtums Pfalz-Lautern auf. In diese Zeit fiel ein wirtschaftlicher und kultureller Aufschwung, unter anderem durch die von Johann Casimir 1578 gegründete Neustadter Hochschule (Casimirianum). Grund dafür war die Säuberung der Heidelberger Universität von Calvinisten durch seinen lutherischen Bruder Ludwig. Somit zogen viele Theologen aus Heidelberg nach Neustadt, um dort ihre reformatorischen Überzeugungen zu lehren. In diesen Jahren war Neustadt eine der wichtigen Städte des Calvinismus in Europa. Neustadts Zeit als Universitätssitz endete, als Johann Casimir 1583 nach Heidelberg übersiedelte, um die Regentschaft für den noch unmündigen Sohn seines verstorbenen Bruders zu übernehmen. Als Johann Casimir starb, gelangte die Stadt wieder an die kurpfälzische Linie zurück.

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0.4.Neustadt im 17. und 18. Jh.

Während des Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648) war Neustadt von spanischen, schwedischen, französischen sowie kaiserlichen Truppen belagert und erobert worden. Die Pfalz verlor ihre Kurwürde, die erst 1649 im Anschluss an den Westfälischen Frieden von Karl I. Ludwig wiedererlangt werden konnte.

Im Verlauf des Pfälzischen Erbfolgekriegs wurde Neustadt von französischen Truppen eingenommen. Der Krieg war ausgebrochen, da Ludwig XIV. (1638 – 1715) die Kurpfalz als Erbe seiner Schwägerin Liselotte von der Pfalz (1652 – 1722) für das Königreich Frankreich beanspruchte. Nach dem Frieden von Rijswijk endete die Besatzung der Stadt 1697 ohne größere Schäden.

In Folge der Französischen Revolution endete die kurpfälzische Herrschaft. Neustadt und die linksrheinische Pfalz gehörten mit dem Frieden von Campo Formio 1797 zu Frankreich und erst nach der Niederlage Napoleons I. 1816 wieder zu Bayern. Neustadt, das zum Departement Donnersberg gehörte, wurde Kantonsstadt und blieb bis zum Ende der französischen Herrschaft Verwaltungsmittelpunkt.

Der Frieden von Lunéville 1801 bestätigte noch einmal die Zugehörigkeit der Pfalz zu Frankreich, ein Jahr später trat die französische Verfassung in den linksrheinischen Gebieten in Kraft. Herrschaftliche Güter und Kirchenbesitz wurden größtenteils säkularisiert und 1805 in Mainz als Nationalgut versteigert.

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Neustadt im 17. Jh.

0.5.Neustadt unter bayerischer Herrschaft (19. Jh.)

In Folge des Wiener Kongresses standen Neustadt und die Pfalz zunächst unter Österreichisch-Bayerischer Landadministration und gelangten 1816 zum Königreich Bayern, bei dem es bis 1945 blieb. Es gehörte zum Rheinkreis (das linksrheinische Territorium des Königreichs Bayern 1816 – 1837), ab 1837 Pfalz genannt.

Die französische Herrschaft hatte die Pfälzer zu freien und gleichberechtigten Bürgern gemacht, die nun Forderungen nach mehr politischen Freiheiten stellten. Dies stieß auf das Missfallen der bayrischen Regierung und des Königshofs. Mit dem Hambacher Fest von 1832 wurde ein Zeichen für diese Forderungen, mehr Freiheit in Deutschland und nationale Einheit, gesetzt.

Die französische Neuordnung des Kirchenwesens wurde unter der bayerischen Herrschaft vollständig rückgängig gemacht. Neustadt, das im Zuge des Konkordats (1801) zum Bistum Mainz gehört hatte, gelangte in Folge des bayerischen Konkordats (1817/21) an Speyer zurück.

Wirtschaftlichen Aufschwung brachten die Eröffnung der Bahnstrecke Ludwigshafen-Neustadt (1847) der Pfälzischen Ludwigsbahn, die bis zur damaligen preußischen Grenze bei Bexbach reichte sowie der Beitritt Bayerns zum Zollverein (1834). Mitte des 19. Jahrhunderts steigerte sich die Wirtschaftskraft der Stadt und neue Erwerbsquellen neben den traditionellen Bereichen Land- und Forstwirtschaft, Mühlenwesen, Papier- und Tuchindustrie konnten aufgetan werden. Es entstanden unter anderem Fabriken zur Erzeugung und Verarbeitung von Malz, Stärke, Tabak, Farben und Seife.

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0.6.Neustadt im 20. Jh.

Zur Zeit des Ersten Weltkriegs diente Neustadt als Lazarettort. Hatte es in den Kriegsjahren nur geringe Folgen für die Wirtschaft gegeben, verschlechterte sich die Situation unter der französischen Besatzung, die von 1918 bis 1930 andauern sollte. Neustadt, das Verwaltungs- und Einkaufszentrum für das ländliche Umland war, litt unter der Wirtschaftskrise von 1926, da etwa die Hälfte der Wirtschaftskraft auf Handel und Dienstleistungen beruhte. Der wirtschaftliche Niedergang setzte sich auch nach dem Abzug der französischen Truppen fort und erreichte 1932 seinen Höhepunkt.

Seit 1920 war Neustadt eine kreisunmittelbare Stadt. Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten ernannte man die Stadt zur Gauhauptstadt (1933 – 1938). 1935 war auf Betreiben des Gauleiters Josef Bürckel (1895 – 1944) die „Deutsche Weinstraße“ ausgerufen worden, deren geographischen Mittelpunkt Neustadt bildete. 1936 erfolgte die offizielle Umbenennung von Neustadt an der Haardt in Neustadt an der Weinstraße.

Im März 1945 zogen amerikanische Verbände in die Stadt ein. Zwei Monate später übernahm die französische Besatzungsmacht das Gebiet „Mittelrhein-Saar“. Diese gliederte die Regierungsbezirke Koblenz und Trier 1945 sowie das Saarland 1946 aus dem erst kurz zuvor geschaffenen Verwaltungsbezirk aus. Der restliche Teil wurde zum Oberregierungspräsidium Pfalz-Hessen später Hessen-Pfalz, dann Pfalz.

Aus den Regierungsbezirken Pfalz und Rheinhessen wurde im Zuge der Gebietsreform 1968 der Regierungsbezirk Rheinhessen-Pfalz, der fortan von Neustadt aus verwaltet wurde. 1969 erfolgten die Eingemeindungen von Geinsheim, Gimmeldingen, Haardt, Hambach, Königsbach, Lachen-Speyerdorf, Mußbach und Diedesfeld. 1974 folgte Duttweiler. Die Einwohnerzahl stieg damit von 30.000 im Jahr 1953 auf über 50.000 an.

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Verfasserin: Janina Kühner

Erstellungsdatum: 19.08.2013

 

Literatur:

 

Huyer, Michael: Stadt Neustadt an der Weinstraße. Kernstadt, in: Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz. Direktion Denkmalpflege (Hg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz. Stadt Neustadt an der Weinstraße, Band 19.1, Worms 2008.