Pfalz

Begriffsauswahl:

Karte 47 ‘Hausflur’, Georg Drenda: Wortatlas für Rheinhessen Pfalz und Saarpfalz, S. 200. [Bild: Georg Drenda (IGL)]

Hausflur

Die Atlasfrage bezog sich auf den Hausflur im Erdgeschoss des Hauses. Als Bezeichnungen wurden so gut wie durchgehend Gang oder Hausgang ge­meldet. In zahlreichen Belegpunkten kommen beide Wörter als Varianten nebeneinander vor. Mit Gang ist auch Eingang (dialektal Oigang) gebildet, das einmal gemeldet wurde. Neuhochdeutsch Gang resultiert aus germanisch *ganga‑, das eine Bildung zu dem Verb germanisch *ganga- ‘gehen’ ist. Gang hat im Laufe der Sprachgeschichte von der Grundbedeutung ‘das Gehen’ aus etliche weitere Bedeutungen entwickelt. Die heutige Standardsprache verzeichnet als Inhalt z. B. ‘Verlauf; Bewegung; abgegrenzter Weg; schmaler Vorraum und Ge­richt einer Speisefolge’. Im Sinne von ‘Hausflur’ wird das Wort eher in den Dialekten gebraucht.

Die insgesamt fünfmal belegten Ausdrücke Flur und Hausflur sind nicht genuin dialektal, sondern aus der Standardsprache übernommen. Die einschlägigen Dialektwörterbücher vermerken das explizit (vgl. Pfälzisches Wörterbuch III, 718, Südhessisches Wörterbuch II, 828). Die geringe Anzahl der Meldungen lässt keine Prognose zur zukünftigen Entwicklung zu, umso mehr als in drei Fällen ne­ben Flur noch die ursprüngliche Variante (Haus‑)Gang aktiviert wurde. Das Wort Flur ist aus germanisch *flora- ‘Boden’ herzuleiten. Dem liegt die Wurzel indogermanisch *pel- ‘breitschlagen’ zugrunde, die auch für die Substantive Feld und Fladen anzusetzen ist. Flur, Feld und Fladen bezeichnen also etwas Ausge­breitetes. Im Spätmittelhochdeutschen wechselt vluor, das die Bedeutungen ‘Feldflur, Saat­feld, Saat, Boden(fläche)’ trägt, das Genus von Maskulinum nach Femini­num. Als die Flur ist das Wort im Sinne von ‘landwirtschaftlich genutzte Bodenfläche, Feldmark’ bis heute geläufig. Die zweite Bedeutung von neuhochdeutsch Flur, nämlich ‘Vorraum eines Hauses/einer Wohnung, Korridor, Diele’ kommt aus dem Niederdeutschen. Mittelniederdeutsch flōr hat neben ‘Feldflur’ die Be­deutungen ‘Diele, Estrich’ (vgl. auch englisch floor ‘Fußboden; Stockwerk’). Der Inhalt des germanischen Ausdrucks wird hier von ‘Boden’ auf ‘Fußboden (aus Lehm?) und schließlich auf ‘Vorraum (mit ebensolchem Fußboden)’ erwei­tert.

Eine im Prinzip analoge Bedeutungsentwicklung macht Diele durch. Auf indogermanisch *tel(ə)- ‘flach, flacher Boden, Brett’ zurückführbar, haben die Vari­anten althochdeutsch dil(o), dilla, dili den Inhalt ‘Brett, Bretterboden, Bretterwand’. Mittelhochdeutsch dil, dille weiten den Bedeutungsumfang erheblich aus auf ‘bretterne Seitenwand eines Schiffes’, dann auch ’Schiff; Verdeck; Bretterfußboden; oberer Boden des Hauses’. Der neuhochdeutsche Wortinhalt ‘Flur’ ist vom Niederdeut­schen beeinflusst. Mittelniederdeutsch dīle bedeutet ‘Brett; Fußboden; Hausflur’. Analog zu Flur kann hier eine diachronische Entwicklung angenommen werden, die von ‘Brett’ über ‘Fußboden aus Brettern’ zu ‘Vorraum mit Bretterfußboden’ verläuft. Diele (dialektal auch Diel) kommt im Untersuchungsgebiet lediglich dreimal vor.

Das Wort Sommerküche (dialektal Summerkich) ist einmal, und das als Va­riante neben (Haus‑)Gang belegt. Das Pfälzische Wörterbuch (VI, 158) verzeichnet das Wort lediglich in der Bedeutung ‘Küche, in der im Sommer gekocht wird’. Möglicherweise hatte die Gewährsperson einen bestimmten Haustypus vor Augen, nämlich das altfränkische Bauernhaus. Dieses besitzt keinen Haus­flur. Man tritt, von außen kommend, unmittelbar in die Küche ein, von wo aus es weiter in Stube, Kammern sowie gegebenenfalls in eine weitere Kü­che (z. B. Futterküche) geht. Küche ist ein frühes Lehnwort aus mittellateinisch cocina ‘Küche’, das im Althochdeutschen als kuhhina belegt ist. Grundlage ist lateinisch coquere ‘ko­chen’.

Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links. 

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.

Nach oben