Rheingauer Heimatforschung

Aus einer Hausordnung des Klosters Marienhausen

Kulturbilder aus der Geschichte des Rheingaues

von F. W. E. Roth - 1895

XXIX. Aus einer Haushaltsordnung des Klosters Marienhausen

 

Eine Handschrift in Octavoformat auf Papier im Jahre 1507 geschrieben ent­hält eine Ordnung, was die „Kellersen" oder Verwalterin des Klosters Marien­hausen an Festtagen und deren Vigilien an Speise und Trank dem Convent zu reichen hatte. Diese Ordnung erlaubt uns trotz der Spanne Zeit, die seitdem verflossen, den Marienhäuser Nonnen recht in den Topf zu sehen und ihr Essen und Trinken näher zu be­trachten. Die Ordnung bietet einen interessanten Beitrag zur inneren Ver­waltung dieses Klosters, seines hoch­entwickelten Wohllebens, auch zur rheinischen Kochkunst des 16. Jahr­hunderts bietet sich hier Vorzügliches an Material. Leider ist die Handschrift in einem Gemische von Niederdeutsch und mittelrheinischem Deutsch ge­schrieben und deßhalb dem Laien unverständlich, ich liefere hier nur einen hochdeutschen Auszug. Das Jahr begann nach Sitte des Mainzer Erzbisthums mit dem 25. December, nicht dem neuen Jahrstag, den das Mit­telalter nur als Festtag der Beschnei­dung Christi kannte. Weihnachten gab es Fische, gebraten Rindfleisch, dazu Gemüse, gesotten Fleisch mit Salat, eine Kanne Wein (halbe Maß), Lebkuchen, Obst und Confect. Abends zum Gratias (Danksa­gung) gesotten Fleisch, Salat, Erbsen­brei und eine Kanne Wein. Stefanustag Hecht oder Karpfen mit Speck, gebratenes Fleisch mit Reis und Ingwer, Gemüse mit Wildpret, eine Kanne Wein. Abends gesotten Fleisch mit gekochten Birnen, eine Kanne Wein.

Johannistag Evangelist Wildpret in einer schwarzen Brüh, Kraut, gesotten Fleisch, Salat, eine Kanne Wein. Abends Hecht oder Karpfen mit Salat und Speck, eine Kanne Wein. Beschneidung Christi gekochten Schinken oder ein Schweinsbraten mit Kraut, gesotten oder gebraten Lamm­fleisch mit Salat, eine Kanne Wein. Abends Wildpret in einer gelben Brühe, Erbsenbrei, eine Kanne Wein. Dem­nach huldigten die Marienhäuser Non­nen bereits 1507 dem Aberglauben, daß Weißkrautessen zum Neujahrstage gehöre und Glück verheiße. Dreikönigstag Fische mit Salat, Erb­senbrei und gebraten Fleisch mit Speck oder ein Spanferkel mit Hirsen­brei, eine Kanne Wein. Abends Wildpret mit Erbsenbrei, eine Kanne Wein. Maria Lichtmeß Fische mit Speck, Hüh­ner mit Salat, gesotten Fleisch mit Erb­senbrei, eine Kanne Wein. Aschermittwoch Milchsuppe, Stock­fisch mit Speck, Erbsenbrei oder Reis­brei mit Zimmt, eine Kanne Bier. Abends Pfannkuchen mit Salat, eine Kanne Bier.

Am Vorabend von Maria Verkündigung Fische oder Häringe mit Speck, eine Kanne Bier. Kloster Marienhausen  in Aulhausen dient heute als Jugendheim.

Maria Verkündigung Karpfen oder Hecht, gebraten Lämmlein mit Erbsen­brei, eine Kanne Bier. Palmsonntag Karpfen oder Hecht, ge­braten Fleisch mit Erbsenbrei, eine Kanne Bier.

Auf Gründonnerstag Suppe mit Körbel, zwei Häringe jeder Frau (Nonne), mit Speck, Reisbrei mit Zimmt, eine Kanne Bier.                                                                


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Charfreitag Milchsuppe. Charsamstag desgleichen. Ostern gesotten Fleisch mit Birnen, Schweinebraten in einer gelben Brühe, Fleisch mit Speck, zwei gesottene Eier jeder Frau, eine Kanne Wein zum Gratias. Abends Spanferkel in gelber Brühe oder ein Lammbraten, eine Kanne Wein.

Ostermontag gekochten Schinken mit Erbsenbrei, gesotten Fleisch mit Meerrettich, Fisch und eine Kanne Wein. Abends Geflügel mit Birnen, eine Kanne Wein.

Auf Philippi und Jacobitag Fisch mit Speck, gesotten Fleisch mit Erbsenbrei, eine Kanne Wein. Abends gebraten Fleisch mit Salat, eine Kanne Wein. Kreuzauffindung desgleichen. Christi Himmelfahrt gesotten Fleisch mit Gemüse, gebraten Fleisch mit Salat von Krautern, Fische und Obst nebst einer Kanne Wein. Abends gesottene Eier mit Salat, Kalbsbraten mit Reis, eine Kanne Wein zum Gratias.

Vortag vor Pfingsten Hecht oder Karp­fen, gebraten Fleisch mit Salat, Ge­müse mit Speck, eine Kanne Wein. Pfingsten Fleisch mit Speck, Krebs in einer Brühe, ein Gemüse mit Kalbsbra­ten,  gesotten  Rindfleisch  mit Salat, Obst, Confect und eine Kanne Wein „vom besten".

Pfingstmontag Geflügel mit Salat, Fische, gebraten Rindfleisch, mit einem „Kraut", gekochte Eier mit einer Kanne Wein. Abends wie Ostern. Frohnleichnamstag gebraten Tauben mit Salat, gesotten Fleisch mit Gemüse, gekochte Eier mit einer Kanne Wein. Johannistag Fisch mit Speck, Schin­ken mit Gemüse, gebraten Hühner oder Tauben mit Salat, gebraten Fleisch mit Gemüse, Obst, Confect, eine Kanne „rothen Wein von Aßmanshausen". Auf diesen Tag war nämlich „Kerb" im Kloster und da mußte es hoch her­gehen. Jede Nonne trug eine Art Braut­kranz von natürlichen Blumen geflochten, sie hatte das Recht, aus dem Kloster zu gehen und Verwandte oder Bekannte in der Umgegend zu be­suchen, mußte aber Abends bis acht Uhr zu Hause sein und sich „erbarlich und gezimblich" benehmen. Abends war große Tanzmusik im „Abtischenbuwe" d.h. der Wohnung der Äbtissin, man speiste im „Refender" d.h. dem Speisesaal die adeligen Herrn aus Rüdesheim, Lorch ec. nebst Pfarrern und Mönchen, Aebten und Beicht­vätern der benachbarten Mönchs- und Nonnenklöster, darunter den Abt von Eberbach, der als „geistlicher Vater" des Klosters bei Tisch obenan saß und den Tanz eröffnete oder wenn dieses seine alten Beine nicht mehr gestatteten, durch einen Mönch aus Eberbach eröffnen ließ. Diese Herrn tanzten mit den Nonnen aus Marienhausen und den geladenen Aebtissinen und „Priolinen" aus Eibingen und Gottesthal den „Rheihen", eine Art Quadrille. Schlag zwölf Uhr verstummte die Musik, die Marienhäuser Nonnen eilten in den Chor der Kirche zur Prim, die gelade­nen Gäste fanden Männlein wie Weib­lein Quartier im Abtsbau, wobei man­cher heiße Kopf sich abgekühlt haben mag. Morgens bekamen sie das „Gra­tias" ein Essen mit Wein, auf den Weg und wurden entlassen. Auf dem Hofe des Klosters und vor demselben war Krammarkt.

Auf Maria Heimsuchung wie Oster­montag.

Maria Himmelfahrt wie Pfingstmontag. Martini gebratene Gans mit Birnen, Fische in einer Brühe „süß oder sauer", gesotten Fleisch mit Bohnen, Confect und eine Kanne Wein. St. Nicolaus „ein Wildpret" in schwar­zer Brühe, ein Gemüse oder Kraut, ein gesotten Lamm mit Birnen oder Zwetschen, eine Kanne Wein. Auf alle diese Tage gab es Weißbrot, sonst nur Hausbrot, welches ein Ge­mische von Roggen und Gerste war. Auf Gründonnerstag gab es reines Gerstenbrot.

Jede Nonne erhielt zur „Zukost" d. h. für Zehnuhr und Vesperbrot eine Anzahl „Nonnenkäs", im Winter eine Anzahl Häringe, im Sommer eine Anzahl Eier und ein Quantum Butter und Brot. Nach ihrem Gefallen konnte sie das essen oder „umb Gots willen" den Armen geben lassen. An gewöhnlichen Tagen gab es Suppe, Fleisch und Gemüse, aber keinen Wein, sondern nur Bier, in der Fastenzeit selbst dieses nicht. In der Fasten wurde nur einmal und das Abends gegessen: Fische, Reisbrei, Hirsenbrei, Erbsenbrei, Häringe, Käs und Brot ohne Butter, Eier. Jede Nonne erhielt zu Michaelis ein Paar neue Winterschuhe oder „Boot­chen", ein Paar lederne „Hendschen", eine „Schaub" (Kopftuch), ein „Schapelier" eine Art Schürze von Wollen­stoff, die auch den Rücken bedeckte und den „Habit" schonen sollte bei der Arbeit, schwarz von Farbe, während der Habit ungebleichte graue Wolle war. Das gleiche gab es zu Georgi, aber leichter im Stoff für den Sommer. Das Abgelegte erhielten die Armen. Auffallen muß bei dieser Esserei die geringe Menge Suppen an Festtagen, die Unmasse Erbsenbrei, die geringe Anzahl Mehlspeisen, die Unmasse Häringe und Fische. Man hielt früher am Rheine die Mehlspeisen für schäd­lich und blähend; die Baiern waren ent­gegengesetzter Ansicht und sind es noch. Gekochte Aepfel galten für unge­sund und säurebildend, daher kom­men sie in der Marienhäuser Ordnung auch nicht vor. Man lebte in dem Wahne, gewisse Speisen seien zu gewissen Zeiten nicht zuträglich und hielt auch auf das Aderlassen viel. Eine der obigen Handschrift angehängte Diätordnung regelte dieses ebenfalls. Im Mai wurde das Blut durch Trinken von Wein mit Körbel und Rainfarren geläutert, im Juni galt kaltes Wasser morgens nüchtern getrunken für gesund, ebenso kaltes Essen genie­ßen, im August war der Aderlaß ver­pönt, dagegen galt Pimpernell essen für heilsam, Ziegenmilch im September getrunken stärkte sehr, Zwiebeln essen im Oktober wurde angerathen. Das ungewöhnliche Maß Wein zwei Liter täglich an Festtagen könnte auffallen, allein die Nonnen tranken ihn nicht immer selbst, er wurde vielfach nur angewiesen, aber an Kranke und Schwache gegeben. Sonsthin kann man der Speiseordnung das Urtheil nicht versagen, daß sich dieselbe einer anständigen Ausnutzung alles Dessen, was Eßbar in Luft, Wasser, Wald und Feld sich vorfand, bediente und zu des Leibes Wohlfahrt in Marienhausen anwandte.