Rheingauer Heimatforschung

Der Rheingauer Bauernkrieg von 1525 - Teil 2

Der Rheingauer Bauernkrieg von 1525

von Archivdirektor Dr. Wolf - Heino Struck

Teil 2

Da ziehen die Ungeduldigsten am 2. Mai bewaffnet auf den Wacholder und veranlassen die gesamte Mannschaft des Rheingaus, ihnen mit dem Geschütz zu folgen. In strategisch geschützter Stellung will man von dort die erhobenen An­sprüche durchsetzen und trägt sie den Vertretern des Dom­kapitels und des Adels am 9. Mai vor. Friedrich von Greiffenclau erhebt Einwendungen gegen einzelne Artikel, läßt sich aber zum Hauptmann der Rheingauer Landschaft wählen. Die damals auf 31 Artikel vermehrten Forderungen müssen der erzbischöfliche Statthalter und das Domkapital am 19. Mai in Eltville verbrieten.

Die Artikel kreisen um zwei Hauptthemen: um die Einord­nung des bisher privilegierten Adels und der Geistlichkeit in die bürgerliche Gesellschaft und um die Stärkung der Selbstverwaltung und Milderung obrigkeitlicher Lasten. Am Anfang steht die Forderung nach Wahl eines Predigers, der die lautere evangelische Wahrheit sagt. Die Güter der Geist­lichkeit und des Adels sollen auch die bürgerlichen Lasten wie Steuern und Dienste mit tragen. Die Klöster sollen aus­sterben. Die vor allem an Geistliche bestehenden Renten­verpflichtungen sollen abgelöst werden oder unter bestimmten Bedingungen ganz wegfallen. Die Einwohner des Rhein­gaus darf man nur an ihrem Wohnort gerichtlich belangen. Sie sollen in Mainz und Bingen abgabenfrei kaufen und ver­kaufen, auch das Recht haben, ohne Behinderung der Main­zer, Bauholz und Bretter mit Flößen heranzuführen und da­mit zu handeln. Wasser, Weide und Wildfang sollen frei sein. Den Artikel über die Klöster setzten die Rheingauer so­gleich in die Tat um. Vor allem das benachbarte Eberbach hat die versammelte Landschaft ohne Entschädigung zu ver­pflegen. Das berühmte große Weinfaß von nahezu 100000 Liter wird zu fast zwei Dritteln ausgetrunken. Vom 20. bis 31. Mai müssen die Klöster Eberbach, Gottesthal, Johannisberg, Marienthal, Aulhausen und Eibingen urkundliche Ver­pflichtungen eingehen, die sie zum Untergang verdammen. Das an der Landesfestung des Gebücks gelegene Tiefenthal soll sogleich aufgehoben werden.

Der Aufstand der Rheingauer trug dazu bei, daß auch in Bingen, Kastei, Hochheim und Wiesbaden Unruhen aus­brachen. Die Rheingauer standen ihrerseits unter dem Ein­fluß der vorangehenden Empörung im übrigen Deutschland. Der Bauernkrieg brach Anfang Februar 1525 in den an die Schweiz grenzenden Gebieten Süddeutschlands aus. Zwi­schen dem 27. Februar und 1. März entstanden in Memmin­gen die zwölf Artikel, die Mitte März gedruckt wurden. Die freimachende Lehre des Evangeliums wurde darin als ein unmittelbar in Wirtschaft und Politik zu verwirklichendes Grundrecht betrachtet. Am 26. März wurde das mainzische Oberstift von dem Aufstand erfaßt. Am 1. Mai muß der erzbischöfliche Statthalter in Aschaffenburg die 12 Artikel zugestehen und am 7. Mai im Miltenberger Vertrag mit dem gesamten Erzstift in den Bund des Neckartal-Odenwälder Bauernhaufens eintreten, der unter Führung des Götz von Berlichingen stand. Am 22. April bewilligt der Rat der Reichs­stadt Frankfurt die Forderung seiner Gemeinde in 45 Arti­keln. Sie werden durch Agitatoren und den Druck weiter ver­breitet. Am 25. April empört sich auch die Bürgerschaft der Stadt Mainz. Schon zwei Tage darauf geht das Domkapitel auf deren Forderungen in 31 Artikeln ein.

Der Aufstand im Rheingau ist ohne Zweifel durch diese äußeren Einflüsse ausgelöst worden. Er hat jedoch tiefe eigene Wurzeln. Der vor allem vom Weinbau und Weinhandel lebende volkreiche Gau war im ganzen relativ wohlhabend, aber auch krisenanfällig. Die hohen finanziellen Verpflich­tungen an die Geistlichkeit wurden um so mehr als drückend empfunden, da die kirchliche Autorität zu wanken begann. Schon in den 60er und 70er Jahren des 15. Jahrhunderts predigte Johann von Wesel auf der Wacholderheide über das Unrecht der Zehnten und trat gegen die verweltlichte hohe Geistlichkeit auf. Die evangelische Lehre Luthers mußte gerade in einem geistlichen Staat den Ruf nach Frei­heit und Reformen laut werden lassen. So legte etwa Caspar Hedio 1523 in seiner Predigt, wiederum auf der Wacholder­heide, das Evangelium in sozialem Sinne aus. Die Rheingauer besaßen zudem bedeutende Selbstverwaltungsrechte, die sie noch auszudehnen suchten. Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts baute demgegenüber der Erzbischof und Kurfürst von Mainz zur Erfüllung der staatlichen Aufgaben und zur Stärkung der Staatsmacht eine zentrale Verwaltung auf. Dadurch entstanden weitere Spannungen.

So sind die Artikel der Rheingauer weitgehend aus ihren landschaftlichen Interessen auf politischem und wirtschaft­lichem Gebiet verständlich. Aber zu einer Einheit wurden sie doch erst durch die Aufruhrwelle und die geistigen Ein­flüsse von außen. Die Idee der Freiheit, Gleichheit und Brü­derlichkeit steht auch hier dahinter. Nicht in Verhandlungen, sondern mit Gewalt hatte man auch hier seine Forderungen durchgesetzt. Auch im Rheingau erhielt die Bewegung da­durch eindeutig revolutionären Charakter, da eigenmächtige Bündnisse nach Reichsrecht als Verschwörung (coniuratio) anzusehen waren und der Täter damit ohne weiteres der Reichsacht verfiel. Ebenso war die ideologische Basis frag­lich. Die evangelische Freiheit, wie sie Luther meinte, war nichts anderes als die autonome Bindung des Gewissens und keine politische Freiheit des „Fleisches". Die konfes­sionellen Gegner: der evangelische Landgraf von Hessen und der katholische bayerische Herzog bildeten daher eine Aktionseinheit in der Verteidigung der Obrigkeit; der baye­rische Kanzler war das geistige Haupt des Schwäbischen Bundes, der sich die Niederwerfung der Empörung zur Auf­gabe machte. Die Niederlage der Bauern in Süddeutschland, Thüringen, Franken und in der Pfalz wurde auch dem Rhein­gau zum Schicksal.

Am 11. Juni 1525 forderte der oberste Feldhauptmann des Schwäbischen Bundes, Lorenz Truchseß von Waldburg, die Rheingauer auf, sich auf Gnade und Ungnade zu ergeben. Die Durchführung übertrug er immerhin einem Angehörigen des Erzstifts, dem Hauptmann und Mainzer Hofmeister Frowin von Hütten. Am 27. Juni wurde der Unterwerfungs­vertrag in 17 Artikeln abgeschlossen. Die Rheingauer ver­pflichteten sich zu 15000 Gulden Kriegskosten und zur völ­ligen Entwaffnung. Nicht nur die neuen Gesetze, sondern auch die bestehenden Gemeindeorgane in Gericht und Rat wurden aufgehoben. Am 12. Juli nahm Frowin von Hütten mit 300 Reisigen auf dem Feld zwischen Eltville und Stein­heim die Unterwerfung entgegen. Neun Rädelsführer wur­den zwei Tage darauf in Eltville enthauptet. Es ist jedoch nicht so, als ob durch den Bauernkrieg die Verfassung des Rheingaus ganz vernichtet worden wäre. Das korporative Leben der Landschaft bei der Steuerbewil­ligung ging nicht unter. Aber der Primat der obrigkeitlichen Gewalt war entschieden. Sie äußerte sich im Rheingau schon in der kurfürstlichen Landesordnung vom 3. Januar 1527 mit seinen 57 Artikeln. Die Regierenden haben aus dem Auf­stand von 1525 gelernt. Es begann die Zeit des Wohlfahrts­staates, der fürsorglich alles zu regeln suchte. Das Freiheit­lich-Demokratische war freilich in Verruf geraten. Erst in der Französischen Revolution sollte die Forderung nach den Menschenrechten Weltgeschichte machen.

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