Heppenheim in Rheinhessen

0.Die Synagoge in Heppenheim a.d.W. - von Werner Kropp

Die Heppenheimer jüdische Bevölkerung hielt bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts ihren Gottesdienst in verschiedenen Privathäusern ihrer Glaubensgenossen. Erst im Jahre 1907 konnte mit Frau Jakob Männchen Wwe. ein Mietvertrag abgeschlossen werden, in dem die Überlassung eines Raumes im Seitengebäude ihres Anwesens, Wormser Str. 24, festgelegt war. In diesem Raum wurden von nun an die Religionsübungen abgehalten. Die Situation war offensichtlich aber immer noch unbefriedigend denn der Wunsch nach einer eigenen Synagoge wurde immer stärker. Die Vorstandsmitglieder des jüdischen Kultus, Moritz Klein, Salomon Mayer und David Salomon, waren die Hauptinitiatoren. Sie drängten im beginnenden 20. Jahrhundert immer wieder dazu eine Synagoge in Heppenheim zu errichten.

1.Vorgeschichte und Bau der Synagoge

Die Horchheimer Juden bildeten eine eigene Kultusgemeinde. Sie kauften 1845 einen Bauplatz in der Oberen Hauptstr. 23. Über einem bereits vorhandenen Keller errichteten sie 1847 ihre Synagoge. Es gab viele Rivalitäten unter den Horchheimer Juden und mit den Juden der Nachbargemeinden, besonders weil die Horchheimer aus der Vergangenheit gewisse Vorrechte gegenüberauswärtigen Gemeinden beanspruchten. Die Streitigkeiten führten mit dazu, dass die Gemeinde immer kleiner wurde. Im Jahre 1855 gab es noch 35 Juden in Horchheim. Durch Abwanderung ging ihre Zahl jedoch stark zurück. 1867 waren es nur 3 Personen. Dieser Umstand führte zur Auflösung der Horchheimer Kultusgemeinde im Jahre 1873. Die Synagoge wurde an die evangelische Gemeinde verkauft, die den Raum umbaute und fortan als christliches Gotteshaus nutzte. Die evg. Gemeinde vergrößerte sich mit der Zeit und das kleine Gotteshaus wurde zu eng. Nachdem am 6. September 1908 die Gustav-Adolf-Kirche eingeweiht wurde, stand die Kapelle leer. Um die Finanzsorgen zu mildern, bot man das Gebäude zum Verkauf an. Dank der Anstrengungen des Heppenheimer Gemeindevorstandes, und der Spendenbereitschaft der Gemeindeglieder gelang es im Jahr 1911 die alte Kapelle und vormalige Synagoge zum Preis von 2000 Mark zu kaufen. Das Gebäude wurde abgebrochen und das gesamte brauchbare Material nach Heppenheim geschafft. In der Oberen Grabenstraße wurde die Synagoge in den alten Maßen und im alten Aussehen wieder aufgebaut. Als Bauplatz konnte man einen Acker nutzen, der Frau Mathilde Tryfuß gehörte. Der Synagogenplatz ist im Grundbuch Bd. 6 Blatt 362 verzeichnet (Flur I, Nr. 136). Das Grundstück war 172qm groß.

Schon am 18. November 1911 ging der Wunsch der Gemeinde in Erfüllung. Die Heppenheimer Synagoge war fertiggestellt und die Einweihung konnte stattfinden. Einem Zeitungsbericht vom 20. November 1911 kann man entnehmen, daß die Synagoge ein schönes Gebäude und eine Zierde Heppenheims war.

2.Einweihung der Synagoge

Bereits am Abend des 17. November 1911, einem Freitag, fand eine Vorfeier im Kurgarten statt. Der Rabbiner Dr. Holzer sowie der Lehrer und Kantor Leopold Agulnik, beide aus Worms, waren anwesend. Mit der Vorfeier zur Synagogenweihe wurde gleichzeitig auch die silberne Hochzeit des Ehepaares Isaak und Mathilde Tryfuß gefeiert. Dr. Holzer betonte in seiner Ansprache die selbstlose Hilfsbereitschaft des Jubelpaares. Als Anerkennung seiner Verdienste um die Gemeinde, überreichte er Herrn Tryfuß eine goldene Kette. Leopold Agulnik wies in seiner Rede darauf hin, daß nur der Opfersinn der kleinen Gemeinde und die Einigkeit der Gemeindeglieder den schon lange gehegten Wunsch nach einem eigenen Gotteshaus inErfüllung gehen ließ.

Die Einweihung fand am nächsten Morgen, dem Sabbat, statt. Der Bürgermeister von Heppenheim, Philipp Brauch, sowie alle Gemeinderäte waren eingeladen und gekommen. Die Geistlichen der Gemeinden Heppenheim, Pfarrer Fertsch, Horchheim und Offstein, die Lehrer des Ortes, sowie viele weitere Gäste waren erschienen. Dr. Holzer nahm die Weihe der Synagoge vor. Isaak Tryfuß hielt eine Ansprache, in der er allen dankte, die zum Gelingen des Festes beigetragen haben. Für den festlichen Rahmen sorgten der Kantor und der Synagogenchorverein Worms unter der Leitung des Organisten Hohmeier. Die Teilnahme zahlreicher nichtjüdischer Honoratioren beweist, daß die Meinungsverschiedenheiten, die, bedingt durch religiöse Unterschiede, im 19. Jahrhundert oftmals heraufbeschworen wurden, im beginnenden 20. Jahrhundert vollkommen überwunden waren.

Anläßlich der Synagogenweihe wurde in der Wormser Zeitung eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der ausführlich über den Verlauf der Feierlichkeiten berichtet wurde:

Heppenheim a.d.W., 18. Nov. Endlich ging der Wunsch der hiesigen isr. Gemeindemitglieder, ein eigenes Gotteshaus zu besitzen, in Erfüllung. Heute wurde die neuerbaute Synagoge ihrer Bestimmung übergeben. Es ist ein schmuckes, niedliches Gotteshaus, das als Gebäude für sich bereits eine nicht uninteressante Vergangenheit hat. Es wurde als Synagoge im Jahre 1847 in Horchheim erbaut. Als aber die isr. Gemeinde teils durch Wegzug, teils durch Aussterben der älteren Mitglieder sich auflöste, ging die Synagoge in den Besitz der evg. Kirchengemeinde Horchheim über, die diese als Kirche benutzte, worin noch bis vor kurzem Gottesdienst abgehalten wurde. Da nun die evangel. Gemeinde eine neue Kirche besitzt, kaufte die israel. Gemeinde Heppenheim a.d.W. die ursprüngliche Synagoge, um sie niederzureißen und das brauchbare Material zum Bau einer neuen Synagoge in ihrem Ort zu verwenden. Diese steht nun in früherer Größe und in gleicher Bauart in Heppenheim. Schon am Freitag fanden sich Herr Rabbiner Dr. Holzer, Herr Lehrer und Kantor Agulnik aus Worms und noch andere Gäste ein. Am Freitag Abend fand eine gemütliche Zusammenkunft im Kurgarten statt, um ein doppeltes Fest zu feiern. Mit der Vorfeier der Synagogenweihe sollte die Feier der silbernen Hochzeit des Hrn. Tryfuß u. Frau verbunden werden. Herr Rabbiner Dr. Holzer hob ein einer Ansprache den biederen schlichten Sinn der Jubilare, besonders aber die Selbstlosigkeit des Hrn. Tryfuß hervor, der sich in den Dienst der israel. Gemeinde in uneigennütziger Weise stellte. Im Auftrage der isr. Gemeinde Heppenheims überreichte Hr. Dr. Holzer dem Jubilar als Anerkennung eine goldene Kette. Hr. Tr.dankte tiefgerührt für die erwiesene Aufmerksamkeit. Hr. Agulnik wies auf den Opfersinn der kleinen Gemeinde, die Einigkeit und Einmütigkeit der Gemeindemitglieder hin, wodurch es möglich war, den schon langegehegten Wunsch in die Tat umzusetzen. Er wünsche das Fortbestehen des einträchtigen Sinnes innerhalb der Gemeinde. Das eigentliche Fest fand Samstag morgen statt, zu dem der Herr Bürgermeister des Ortes mit sämtlichen Herren Gemeinderäten, die Herren Geistlichen von Heppenheim, Horchheim und Offstein, die Herren Lehrer des Ortes und viele andere Gäste erschienen waren. Herr Rabbiner Dr. Holzer weihte in formvollendeter Predigt das neue Gotteshaus ein. Auch Herr Tryfuß hielt eine zu Herzen gehende Ansprache und dankte allen die zur Verherrlichung des heutigen Tages beigetragen haben. Als Einleitung trug Hr. Agulnik das Lied 'Gott Deine Güte reicht so weit' von Beethoven vor. In liebenswürdiger Weise wirkte eine erlesene Schar des Synagogenchorvereins Worms unter ihrem Organisten Hrn. Hohmeier bei der Feier mit. Durch ihren vorzüglichen Gesang und durch den des Hrn. Agulnik wurden der Frühgottesdienst und die Feier sehr gehoben. Herrlich brachten die Sänger zwei Lieder: 'Die Himmel rühmen' u. den 'Segen' zu Gehör. Die ganze Feier übte auf die Anwesenden ersichtlich einen tiefen Eindruck aus.

3.Geistliche Betreuung.

Heppenheim gehörte zum Rabbinat Worms. Der Rabbiner Dr. Stein aus Worms wardem zufolge der geistliche Betreuer der Heppenheimer Juden. Er wurde von Rabbiner Dr. Holzer abgelöst, der aber nur noch zu besonderen Anlässen, wie Hochzeiten und Beerdigungen die gottesdienstlichen Handlungen vornahm. Ansonsten wurde die kirchliche Handlung von dem Heppenheimer Isaak Tryfuß, assistiert von Max Gutmann vorgenommen. Um einen Gottesdienst feiern zu können, müssen nach altem Brauch mindestens10 jüdische Männer versammelt sein. Als Mann zählen alle männlichen Personen die die Bar Mizwa gefeiert hatten und somit als vollwertige Mitglieder der Gemeinde gelten. In kleinen Gemeinden, so auch in Heppenheim, gab es oftmals Probleme, die vorgeschriebene Zahl zu erreichen. Man behalf sich, indem man Verwandte und Freunde aus den umliegenden Dörfern einlud, die dann anschließend bewirtet wurden. Auch lud man arme Juden aus der Umgebung ein, die dann neben einem Essen noch eine kleine Zuwendung erhielten.

4.Lage und Beschreibung

Die Heppenheimer Synagoge stand nördlich der Grabenstraße, dort wo sich heute das Ladengeschäft der Metzgerei Braun befindet (heute Dorfgrabenstr. 103). Die Längsachse war in Ost-West-Richtung ausgerichtet. Das Gebäude war als Massivbau mit rechteckigem Grundriss erbaut. Das Dach hatte man als Satteldach ausgeführt. In der südlichen Längsmauer befanden sich 3 hohe Fenster. Vermutlich sah die nördliche Mauer identisch aus. Es fehlen aber Quellen, die dies belegen. Das Eingangsportal befand sich auf der Westseite. Darüber war das Okuli, ein rundes Fenster, eingelassen. Die Gebäudeecken waren mit Lisenen versehen. Das Mauerwerk war verputzt. Das Grundstück wurde zur Straße hin durch einen Maschendrahtzaun abgegrenzt.

5.Zerstörung der Synagoge

Die Synagoge wurde um die Mittagszeit des 10. November 1938 angezündet und bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Die Täter kamen auf einem LKW von außerhalb. Isaak Tryfuß stand dabei und beobachtete das sinnlose und zerstörerische Treiben. Er war einer der letzten Juden in Heppenheim. Die verbliebenen Mauerreste wurden auf Befehl der Regierung abgebrochen und auf den Schuttabladeplatz gefahren. Jede Erinnerung an ein jüdisches Leben in Hep-penheim sollte ausgelöscht werden. Das Grundstück der Synagoge grenzte direkt an das Anwesen der Familie Rasp. Aus diesem Grunde war die Familie am Kauf dieses Grundstückes interessiert. Das Ansinnen wurde von der Bürgermeisterei unterstützt, so daß es zum Verkauf kam.

 

Nachweise

Verfasser: Werner Kropp

Verwendete Literatur:

  • Heuser, Edmund: Horchheim - Weinsheim. Worms 1978.
  • Schmitt, Raimund: Heppenheim an der Wiese. Grünstadt 1971.

Quellen:

  • Dekanatsarchiv Worms.
  • Stadtarchiv Worms, Abt 50/XIII und Fotoarchiv Nr. F6217/10.
  • Wormser Zeitung vom 9. und 20. Nov. 1911.
  • Angaben von Zeitzeugen.

Aktualisiert am: 20.08.2014