Emmerichenhain im Westerwald

0.Die Herrschaft zum Westerwald

0.1.Die Anfänge

Ansicht von Haiger in der Topographia Hassiae von Matthäus Merian (1655)[Bild: Gemeinfrei]

Erstmals genannt wird der Westerwald in einer Urkunde vom 28. April 1048.Literatur[Anm. 1]. Der Trierer Erzbischof Eberhard (1047-1066) weihte damals die Kirche in Haiger und beschrieb dabei die Grenzen ihres Sprengels. Diese Grenze verlief von der Herborner Mark und dem Land der freien Männer her zum Westerwald und diesen herab zur kleinen Nister.[Anm. 2] Der Westerwald zwischen der Nister und der Südgrenze des Haiger Sprengels hatte seinen Namen von seiner Lage im Westen des Königshofes Herborn, zu dem dieser Wald ursprünglich gehörte.

Mit dem Land nördlich der Lahn kam der nicht ausdrücklich genannte Westerwald 1255 an Graf Otto I. (amtierte vor 1251-1289/90) von Nassau und seine Linie.Literatur[Anm. 3]

Die »Herrschaft zum Westerwald« begegnet zuerst im Jahr 1258. Sie umfasste das Gebiet der drei Kirchspiele Emmerichenhain, Marienberg und Neukirch im Hohen Westerwald. Am 6. Januar 1258 kam es zu einem Vergleich zwischen Graf Otto I. von Nassau und Siegfried von Westerburg.[Anm. 4] Der Graf sollte die »Weyterslude« unangefochten besitzen.[Anm. 5] Graf Otto und Siegfried sollten Fischerei und Wildbann in den Gerichten Emmerichenhain und Marienberg gemeinsam besitzen. Die Landbede sollte Siegfried als Lehen oder als Pfand von dem Grafen von Nassau erhalten oder diesem frei überlassen.
Über die Huben, die sich im Besitz des Gerhard von Wildenburg (1239-1283) befanden, sollte Graf Otto frei verfügen. Siegfried schwor dem Grafen Hilfe gegen die Grafen von Heinsberg, von Sponheim und von Böckelheim, die Erben des Grafen Heinrich von Sayn waren. Gerhard Herr von Wildenburg kommt als Blutsverwandter der Herren von Runkel und Westerburg (1270) und des Kölner Erzbischofs Siegfried von Westerburg (1275-1297) vor.

Als die Häuser Runkel und Westerburg im Jahr 1270 ihre Lande teilten, war ihnen das Lehen von Graf Otto I. von Nassau so wichtig, dass sowohl Westerburg als auch Runkel den Teilungsvertrag zu halten versprachen, widrigenfalls sie dieses Lehens verlustige gehen würden. Das gleiche Lehen hatte zweifellos bereits der gemeinsame Stammvater der beiden Linien Siegfried von Runkel und Westerburg (1191-1226) besessen, vielleicht auch schon dessen Vorfahr Siegfried von Runkel, als er 1159 im Gefolge der Grafen von Laurenburg-Nassau zuerst vorkommt.Literatur[Anm. 6]

0.2.Lehen der Kölner Kirche

Köln in der Cronica van der hilliger Stat van Coellen (1499), gedruckt durch Johann Koelhoff d. J.[Bild: gemeinfrei]

Zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt haben die Grafen von Nassau-Beilstein im Verlauf ihrer Streitigkeiten mit den Herren von Westerburg und Runkel Teile der Herrschaft zum Westerwald der Kölner Kirche zu Lehen aufgetragen,[Anm. 7] um sich die Hilfestellung der Kölner Kirche bei den territorialen Auseinandersetzungen im Westerwald zu sichern.

Eine Lehensherrschaft der Kölner Kirche über das Land Westerwald (terra, quadam dicta vulgariter Westerwalde) wird erstmals erwähnt, als der Erzbischof Wilhelm von Köln (1349-1362) dem Grafen Heinrich von Nassau-Beilstein im Jahr 1352 erlaubte, seine Frau darauf zu bewittumen.[Anm. 8]
Land, Leute und Herrschaft zum Westerwald werden 1425 noch einmal als Lehen des Kölner Erzstiftes bezeichnet, als Graf Johan von Nassau-Beilstein sein Erbe mit seinem Bruder Heinrich teilte.
Die kölnischen Lehnbriefe nennen nach 1464 bis 1786 stets nur noch die drei Dörfer Emmerichenhain, Marienberg und Neukirch (nicht deren Kirchspiele und Gerichte), die die Grafen von Nassau-Beilstein als Lehen trugen.Literatur[Anm. 9]
Auch später noch, vor dem sog. Limburger Abschied von 1587 [siehe weiter unten], suchte Nassau bei den Auseinandersetzungen mit Westerburg und Runkel seine Rechte mit dem Hinweis auf die kölnische Lehenshoheit über die ganze Herrschaft zu schützen.

Wenngleich der Umfang des kölnischen Lehens nicht ganz präzise gesichert ist, so besaßen die Grafen von Nassau ohne jeden Zweifel damals schon, ebenfalls als kölnische Lehnsleute, die hohe Gerichtsbarkeit in der Herrschaft zum Westerwald.Literatur[Anm. 10]

Die Herrschaft zum Westerwald nach 1343

Als Graf Heinrich I./III. von Nassau-Dillenburg (1289/90-1343) im Jahr 1343 verstarb, wurde die Grafschaft unter seinen Söhnen aufgeteilt. Sein Sohn Graf Heinrich I. von Nassau-Beilstein (1343-1378/80) erhielt als erster Graf von Nassau-Beilstein die Orte Beilstein, Mengerskirchen, Burg Eigenberg und Liebenscheid sowie die Herrschaft zum Westerwald. Seit dieser Zeit wurde Marienberg mit Emmerichenhain und Neukirch von dem jeweiligen Amtmann in Beilstein verwaltet.Literatur[Anm. 11]

Am 20. Mai 1396 regelte Graf Heinrich II. von Nassau-Beilstein (1378/80-1412) mit Reinhard II. von Westerburg (lebte 1354-1421) bzw. Dietrich III. von Runkel († 1402) ihre nach wie vor strittigen Rechte in der Herrschaft zum Westerwald.[Anm. 12] Hier wurden zum ersten Mal die Rechte der Herrschaft zum Westerwald näher beschrieben. Dem Nassauer standen danach das gräfliche Recht, Wasser und Weide sowie Gebot und Verbot (das Recht zu gebieten und zu verbieten), hoch und niedrig, und damit die Landeshoheit zu. Diese erstreckte sich auch über den Kirchsatz und das Patronatsrecht der drei Pfarrkirchen in Marienberg, Neukirch und Emmerichenhain. Graf Reinhard von Westerburg behielt im Gegenzug acht Mark jährlicher Manngelder, das Recht an den Mühlen, die Jagd und Fischerei. Ihre Jagdhunde durften sie jedoch nur ihren Eigenleuten zum Füttern ins Haus geben oder aber ein sog. Hundebrot von diesen verlangen. Sie und ihre Erben sollten wie von alters her ihre ständigen Fischer im Westerwald haben und behalten. Die sog. Wildfänge, Leute also, die in den Westerwald zogen und von keinem Leibherrn beansprucht wurden, sollten geteilt werden, ebenso gewisse Leibeigene.Literatur[Anm. 13]. Nassau durfte die im Mai und im Herbst fällige Bedeabgabe zwar festsetzen, doch sollte die Hälfte der vereinnahmten Gelder sowie die gerichtlich verhängten Strafgelder und die Dienstgelder für den Erlass der Weinfuhren an den Rhein, den Herren von Westerburg und Runkel zustehen. Beide Parteien durften einen mit besonderen Abgaben belasteten »Bannwein« auf den Westerwald verhängen. Die Einnahmen aus diesen Weinverkäufen standen der Herrschaft zu. Erst wenn der Bannwein in der festgesetzten Höhe verzapft war, durften die Gastwirte Wein auf ihre Rechnung ausschenken.

Am 1. August 1425 kam es erneut zur Teilung der Grafschaft Nassau-Beilstein. Johann I. von Nassau-Beilstein (1412-1473) erhielt Burg Beilstein und Mengerskirchen, zwei Drittel vom Anteil seines Hauses an Nassau, und zwei Drittel von der Herrschaft im Westerwald, Lehen des Erzstiftes Köln, Geldzinse und die Hälfte der Leibeigenen in der Herrschaft, nebst der Hälfte vom Zoll zu Emmerichenhain und Neukirch. Graf Heinrich III. von Runkel sollte ein Drittel der Grafschaft und die Burg Liebenscheid erhalten. Der dritte Bruder Wilhelm, Dompropst in Mainz, wollte auf seinen Anteil verzichten.[Anm. 14]

Aus den erhaltenen Weistümern der Herrschaft zum Westerwald (aus den Jahren 1427, 1435, um 1450, 1456, 1460, 1461, 1495 und 1500 erhalten) geht hervor, dass den Grafen von Nassau Beilstein als obersten Herren nach wie vor jegliches Weisungsrecht (Gebot) zustand: Alle Bewohner der Herrschaft zum Westerwald waren zur Kriegsfolge verpflichtet, wenn Feinde ins Land einfielen (belegt 1427), bei Fehde und Waffenlärm, am 2. Tag allerdings auf Kosten des Grafen (1456), sie mussten Wachdienste übernehmen (1427), sich am Bau der Landwehr mit Gräben und Toren (1456), von Flurzäunen und Toren (1495) beteiligen. Sie mussten dreimal im Jahr beim Grafengericht erscheinen (1427). Sie mussten sich nach Aufforderung an der Verteidigung des nassau-beilsteinischen Burgen beteiligen und einen bzw. zwei Tage beim Bau gräflicher Wehrbauten helfen. Alle in der Herrschaft lebenden Menschen mussten jährlich Geld für Wasser und Weide zahlen, Fuhrfahrten an den Rhein unternehmen, Landfutterhafer (1427), Weidehühner und Weidehämmel (1440) liefern und 1427 je einen Tag im Frühjahr pflügen und in der Erntezeit mähen.Literatur[Anm. 15]

Mit dem Tod Johanns III. von Nassau-Beilstein (1495-1561) fiel die Grafschaft Nassau-Beilstein und damit die Herrschaft auf dem Westerwald im Jahr 1561 an die Zweiglinie Nassau-Dillenburg. Graf Johann VI. (der ältere) von Nassau-Dillenburg (1559-1606) trat das Erbe an. Damit waren die ottonischen Stammlande, d. h. die deutschen Besitzungen, erstmals wieder vereint - wenngleich auch nur für kurze Zeit. Graf Johann VI. versuchte mit harten Maßnahmen, die Sonderrechte der Herren von Leiningen-Westerburg und Wied-Runkel in der Herrschaft zum Westerwald abzuschaffen. Im Limburger Abschied von 1587 verzichten die beiden Mitherren auf alle Einkünfte aus der Herrschaft für jährlich 150 Gulden Manngeld jährlich aus der Kellerei Beilstein. Der Vertrag wurde jedoch von Leiningen-Westerburg erst 1611 und von Wied-Runkel 1613 endgültig ratifiziert.

Der Nassau-Beilsteiner Landesteil fiel nach dem Tod Graf Johanns VI. an seine Söhne. Im Rahmen einer komplizierten Besitzteilung (1607/1620) erhielt Georg von Nassau-Dietz (1607-1623) u.a. die Herrschaft Beilstein mit Marienberg, Beilstein, Nenderoth, Emmerichenhain, Neukirch, Liebenscheid.[Anm. 16] Daraus entstand eine neue Grafschaft Nassau-Beilstein. Graf Georg von Nassau-Beilstein (lebte 1562-1623) ließ das Schloss in Beilstein ausbauen und erwarb von den Grafen von Leiningen-Westerburg und von Wied-Runkel Zehnten und grundherrliche Einkünfte, die diese auch im Kirchspiel Marienberg nach 1587 als Eigengut behalten hatten. Als er im Jahr 1620 den Landesteil Nassau-Dillenburg übernahm, behielt er diese Einkünfte, die seitdem an die Kellerei Driedorf entrichtet werden mussten.Literatur[Anm. 17]

Das Territorium der Herrschaft zum Westerwald umfasste die drei Kirchspiele Marienberg, Neukirch und Emmerichenhain, die zugleich Zentbezirke waren. Eine Aufstellung aus dem Jahr 1799 nennt auch die teilweise schon im Mittelalter untergegangenen Orte, die zum Territorium der Herrschaft zum Westerwald gehörten:
Zur Zent Marienberg gehörten die Orte: Bach, Bölsberg, Eichenstruth, Erbach (Erlebach), Fehl (zum Felde), Giebelhausen (Wüstung), Gilehayn (Wüstung), Großseifen, Hardt, Hinterhofen (Wüstung), Hof, Illfurt, Kaldenborn (Wüstung), Korb, Langenbach, Marienberg, Pfuhl, Ritzhausen, Rodenberg, Scheydongen (Wüstung), Stangenrod, Stockhausen, Unnau, Wartenberg (Wüstung) und Zinhain.
Zur Zent Neukirch zählten: Bretthausen, Kotzhausen (Wüstung), Kramphusen (Wüstung), Löhnfeld, Neukirch, Stein und Willingen.
In der Zent Emmerichenhain lagen: Breidenbach (Wüstung), Emmerichenhain, Homberg, Kindschue (Königshub, Wüstung), Mörendorf, Murndorf (Wüstung), Niederroßbach, Nister, Oberroßbach, Rehe, Salzburg, Waigandshain und Zehnhausen.Literatur[Anm. 18]

1.Gerichte in Emmerichenhain

Der Salzburger Kopf mit dem Galgenberg (links)[Bild: Kurt und Else Dietrich [CC BY-SA 3.0]]

Neben dem Landgericht (Oberhof), dem Gericht für die Herrschaft zum Westerwald, tagte in Emmerichenhain auch ein für Emmerichenhain zuständiges Orts- bzw. Kirchspielgericht, dass vor 1370 gebildet wurde. Es entstand wohl um 1231, als das Kirchspiel Emmerichenhain aus der Pfarrei Herborn herausgelöst wurde. Die Zuständigkeit des Orts- bzw. des Landgerichts lässt sich nicht immer von einander scheiden.

Das Gericht Westerwald (iurisdictionem, que dicitur Westerwalt) wird im Jahr 1303 genannt, als Graf Heinrich des von seinem Vater Graf Otto I. von Nassau übernahm.Literatur[Anm. 19]

Zum Gericht und Kirchspiel Emmerichenhain gehörten außer Emerichenhain selbst, die Orte Homberg (1456, 1476, 1511), Möhrendorf (1511), Niederroßbach (1435, 1456, 1511), Nister (1511), Oberroßbach (1456, 1511), Rehe (1435, 1456, 1511), Salzburg (1511), Waigandshhain (1511), und Zehnhausen (1511) sowie alle diese Orte in den Jahren 1534, 1563 und 1643; ferner noch die zum Teil vor diesen Erwähnungen wüsten Dörfer und Höfe oder Teile ihrer ehemaligen Felder, Wiesen und Wälder: Breidenbach (1511, 1534, 1563, 1569, 1570), Brennfeld (1534), Königshub (1435, 1456, 1511, 1534, 1563, 1570, 1740), Krombach (1566, 1631, 1705), Leydenhecken (1511, 1535, 1563), Murndorf (1456, 1511, 1534, 1563, 1570), Siegel (1535), Waldhausen (1535, 1563), Zalbach (1511, 1535, 1563), schließlich nach der Lage Fuhrmannshof, Grünhausen und Winteren.Literatur[Anm. 20]

Emmerichenhain war schon lange vor 1427 Sitz des Gerichts der drei Kirchspiele zum Westerwald. Als Platz dieses Gerichts wird 1456 eine Stelle genannt, »da man pflegt Gericht zu halten«, 1460 werden die schon 1396 genannten Gerichtsbänke im Dorf erwähnt (im dorffe uff dem platze an der kirchmuren by den bencken).

Die Blutsgerichtsbarkeit über »Hals und Haupt« stand 1482 Nassau-Beilstein zu. Von dem mit den je 7 Schöffen aus jedem Kirchspiel besetzten hohen Gericht heißt es 1645, dass auf einem ziemlich hohen Hügel nicht weit von Stein die Missetäter »peinlich« vorgestellt und danach hingerichtet wurden[Anm. 21]. Hochgerichtsstätten waren 1788 der Salzburger Kopf, im Jahr 1794 der Sael- oder Saalberg bei Neukirch und der dabei gelegene Galgenberg.[Anm. 22].

Den Vorsitz hatte der Zentgraf[Anm. 23]. Das Gericht war 1435 mit 21 Schöffen besetzt, je 7 aus den drei Gerichten Emmerichenhain, Marienberg und Neukirch, die als sieben Geschorene beim Gericht Marienberg schon 1336 genannt werden.[Anm. 24]

Das Gericht in Emmerichenhain war angeblich zwischen 1511 und 1602 Oberhof für die drei Gerichte in der Herrschaft zum Westerwald. Doch wurden Berufungssachen (Appellationen) schon 1536 an den Grafen von Nassau-Beilstein und nach 1561 an die Kanzlei und Regierung der jeweiligen Landesherrschaft gerichtet.Literatur[Anm. 25]

In keinem der oben genannten Weistümer werden die Rechte der Herren von Westerburg und Runkel erwähnt. Westerburg klagte schon im Jahr 1422, Nassau-Beilstein habe neben und über den gemeinsamen Zentgrafen einen eigenen Knecht angesetzt, der anstelle des Zentgrafen die Hoheitsrechte (Gebot hoch und nieder) ausübe, Gerichtsstrafen (Bußen) verhänge und von den gemeinsamen Vogtleuten Schatzung erhebe. Ein für Westerburg und Runkel am Gericht Emmerichenhain 1465 aufgezeichnetes Weistum nannte neben dem Oberherrn Nassau-Beilstein auch Westerburg und Runkel »Herren zum Westerwald« und sprach diesen noch einmal die Hälfte der Einkünfte der Herrschaft zu.[Anm. 26] Diese Ansprüche bleiben 1479 und bei Schiedssprüchen 1480, 1481, 1482 und 1489 ständig umstritten. Nassau-Beilstein, das schon vorher die meisten Strafsachen unmittelbar zum Verhör nach Beilstein gezogen hatte, zog 1530 auch alle Streitsachen zu einem möglichen Vergleich bzw. zum Fällen eines Urteils an sich. Die seit 1535 stets wiederholten Bemühungen von Wied-Runkel und Leiningen-Westerburg um ihre Mitherrenrechte, die Graf Reinhard von Leiningen-Westerburg 1555 und 1560 selbst am Gericht Emmerichenhain erzwingen wollte, blieben erfolglos. Wegen des Streites wurde zwischen 1560 und 1564 kein Gericht mehr gehalten.Literatur[Anm. 27]

Als Gerichtsherr in Emmerichenhain bzw. in der Herrschaft zum Westerwald werden genannt: die Grafen von Nassau (1258, 1303), die kölnischen Lehenempfänger der Herrschaft zum Westerwald (1352, 1464), die Herren von Nassau-Beilstein (1343-1561), von Nassau-Dillenburg (1561-1607), erneut von Nassau-Beilstein (1607-1620), die von Nassau-Diez, später die Nassau-Oranien (seit 1620). Ansprüche der Herren von Runkel und Westerburg werden genannt (1258, 1288, 1339, 1396, 1479, 1780/81.Literatur[Anm. 28]

Das von 1482 bis 1602 bezeugte gemeinsame Siegel der sämtlichen Schöffen auf dem Westerwald zeigt den heiligen Laurentius, den Patron der Pfarrkirche von Emmerichenhain, mit dem Rost in der Rechten und dem nassauischen Löwenschild in der Linken.[Anm. 29] Das Gerichtssiegel wurde in der Gerichtskiste zu Emmerichenhain aufbewahrt, zu deren vier Schlössern 1536 der Zentgraf und je ein Schöffe der drei Gerichte einen Schlüssel hatten.[Anm. 30] Bei dem Verfall des Gerichts wurde der Zentgraf von dem Landschultheißen zu Westerwald, der zumeist in Beilstein saß, verdrängt. Nach 1580 und vor 1583 nahmen diese das Oberhofsiegel an sich und siegelten, meist ohne Schöffen heranzuziehen. Der Landschultheiß und mehr noch das Amt Beilstein zogen fast alle Funktionen aus dem Untergericht für das Kirchspiel Emmerichenhain an sich. Die Untergerichte sollten 1536 besondere Gerichtsbücher führen, deren Eintragungen jedoch mit dem Jahr 1667 endeten. Das Gericht Emmerichenhain ließ nach dem Vorbild des alten Schöffensiegels noch einmal nur ein selten benutztes Gerichtssiegel anfertigen, das in einem Abdruck von 1651 den heiligen Laurentius mit dem nassauischen Schild in der Rechten und dem Rost in der Linken zeigt.Literatur[Anm. 31]

2.Vogtleute und Eigenleute

Die Grafschaft Nassau hatte neben seiner Hälfte an den mit Westerburg und Runkel gemeinsamen Vogtleuten auch Eigenleute, die 1258 »Weyterslude«, 1362 besonder Leute (sundirryn lude) und 1398 besondere Eigenleute (sondern eygen lude) genannt werden.

In den alljährlich von den Schöffen auf dem Westerwald wiederholten Weistümern des Gerichts Emmerichenhain von 1427, 1435, um 1450, 1456, 1460 und 1461, 1495 und 1500, ließ sich die Herren zum Westerwald immer mehr an Rechten und ständig neue Abgaben und Dienste von den Leuten zusprechen. Leute, die von keinem anderen Leibherrn beansprucht wurden, sollten schon 1427, Vogtleute aus anderen Vogteien 1461, bei einer Zuwanderung zu nassauischen Eigenleute werden. Von den sog. »freien Leuten« 1427, die 1450 als Eigenleute der fünf »Freihände zum Westerwald«, nämlich der Grafen von Diez, Wied und Sayn, von (Solms-)Greifenstein und der Schönhals, bezeichnet werden, waren damals nur noch Leute der Grafen von Sayn hier nachzuweisen. Die Grafen von Sayn, die 1412 die Schönhalsleute kauften,[Anm. 32] unterwanderten mit zahlreichen ihrer Eigen- und Vogtleute den Westerwald und versuchten dort Fuß zu fassen. Graf Dietrich von Sayn (reg. 1420-1452) verbot seinen Leuten Dienste und Abgaben an Nassau-Beilstein und ließ um 1440 alle Mühlen in der Herrschaft zum Westerwald zerstören sowie mehrere Dörfer wüst legen und plündern.[Anm. 33] Graf Heinrich von Nassau-Beilstein brachte 1457 als Heiratsgut seiner Ehefrau Eva von Sayn diese saynischen Leute an sich. Es sollen 108 saynische Höfe gewesen sein, die man noch 1581 »Eigenhove« nannte.[Anm. 34]

3.Das Gebück

Das Gebiet der Herrschaft zum Westerwald war an seiner Grenze im Norden und Nordosten durch ein Gebück geschützt, an manchen Stellen auch durch einen breiten Graben mit aufgeworfenem Wall (Landwehr). An einigen Stellen waren Durchlässe eingerichtet, die durch Falltore geschützt wurden. Einen solchen Durchlass soll es auch an der Grenze am Großen Wolfstein westlich von Bad Marienberg gegeben haben. In einem Protokoll heißte: »Von dem Grenzstein auf dem hintersten Galgenpüsch die Mauer entlang, forters auf die Lücke zu, welche ober dem Wolfstein in der Mauer ist, allwo vor alters ein Thor gehangen hat.«[Anm. 35] In den zahlreicheren Ansiedlungen im Süden der Herrschaft an der Nister waren solche besonderen Grenzwehren nicht erforderlich.

4.Amtsträger in der Herrschaft zum Westerwald

4.1.Amtmnnner im Westerwald

1339Jordan von Kuvelt, Amtmann im Westerwald

4.2.Landschultheißen im Westerwald

1362Rorich, Landschultheiß im Westerwald
1545-1548Geisseler
1551-1557Veit Schab aus Erolzheim in Beilstein
bis 1564Dietrich Schmidt in Löhnberg
1564-1566Peter Weidmann, auch Peter Frank in Beilstein
1569-vor 1586Veit Schwab, Landschultheiß im Westerwald
1577-1581Adam Reinhard in Driedorf
1585-1589Arnoldts Jost in Beilstein
1589-1597Adam Kipf (Kyff) gen. Frenz (Frentz), Landschultheiß im Westerwald
1597-1623Johann Hungrighausen, Landschultheiß im Westerwald
1623-1636Johann Gottfried Hatzfeld, Landschultheiß im Westerwald
1636-1640Johann Ebert Hungrighausen, Landschultheiß im Westerwald

4.3.Zehntgrafen im Westerwald

1438Tielgen, Zentgraf im Westerwald
1477Cuntzgin, Zentgraf im Westerwald
1562Kunckelhen, Zentgraf im Westerwald
1566-1570Jost von Zinhausen, Zentgraf im Westerwald
1587Jung Bastian zu Marienberg, Zehntgraf im Westerwald
1591Jost Flick zu Emerichenhain, Zentgraf im Westerwald
1659-1667Jonas Flick, Zentgraf im Westerwald
1724N.N. Flick, Zentgraf im Westerwald

Anmerkungen:

  1. Philippi, UB Siegen S. 2 Zurück
  2. Die Nister ist schon im Jahr 879 als Nordgrenze des Bifangs von Gemünden bezeugt. Struck, Quellen zur Geschichte zum Jahr 879. Zurück
  3. Gensicke, Kirchspiel und Gericht Neikirch S. 153. Zurück
  4. HHStA Wiesbaden Best. 170 Nr. 19. Zurück
  5. Die sonst nicht vorkommende Bezeichnung lässt sich nicht sicher deuten. Es kann sich dabei nicht um die gemeinsamen Vogtleute, sondern nur um nassauische Eigenleute handeln, die 1362 besondere Leute (sundirryn lude) und 1398 besondere Eigenleute (sundern eygen lude) der Grafen von Nassau genannt werden. HHStA Wiesbaden Best. 170 Urkunden. Zurück
  6. Gensicke, Kirchspiel und Gericht Emmerichenhain S. 232; Gensicke, Kirchspiel und Gericht Neukirch S. 152. Zurück
  7. Am 16. Dezember 1255 hatten Graf Otto I. (vor 1251-1289/90) und sein Bruder Walram II. (1255-1277) ihre Lande unter sich aufgeteilt und damit die beiden Hauptlinien des Hauses Nassau begründet. Vielleicht war es schon Graf Otto I., der die Herrschaft zum Westerwald dem Kölner Erzstift zu Lehen aufgetragen hat. Als der Kölner Erzbischof Siegfried von Köln (1275-1297) im Jahr 1290 den Sohn des Grafen Otto von Nassau, Heinrich III. (1289/90-1343), nach dem Verzicht seines Bruders Emich I. (1303-1334 Graf von Nassau-Hadamar) belehnte, werden die Dörfer Emmerichenhain, Marienberg und Neukirch nicht ausdrücklich genannt. Knipping, Regesten Erzbischöfe Köln II, III, 1901, 1915. Zurück
  8. HHStA Wiesbaden Best. 170 Urkunden; Janssen, Regesten Erzbischöfe Köln Bd. 6 Nr. 1977. Zurück
  9. Gensicke , Westerwald S. 163; Gensicke, Kirchspiel und Gericht Emmerichenhain S. 232f.; Gensicke, Kirchspiel und Gericht Marienberg S. 17, 163; Gensicke, Kirchspiel und Gericht Neukirch S. 152; HHStA Wiesbaden Abt. 171, 157 und 201. Zurück
  10. Gensicke, Landesgeschichte S. 163; Gensicke, Kirchspiel und Gericht Marienberg S. 16f. Zurück
  11. Gensicke, Landesgeschichte S. 406. Zurück
  12. HHStA Wiesbaden Best. 170 Urkunden; Arnoldi I 153/4; Wenck UB I 332; Gensicke, Kirchspiel und Gericht Neukirch S. 152f.. Zurück
  13. Heyn, Westerwald S. 189. Zurück
  14. HHStA Wiesbaden 3036 KHA Inv. 1 Nr. 39.Von den Marienberger Mühlen, die er ebenfalls erhalten haben soll (Gensicke, Landesgeschichte S. 165 und 283.) steht in der Urkundenabschrift nichts. Zurück
  15. Gensicke, Kirchspiel und Gericht Marienberg S. 17f. Zurück
  16. Gensicke, Landesgeschichte S. 347ff. Zurück
  17. Gensicke, Kirchspiel und Gericht Marienberg S. 19. Zurück
  18. Gensicke, Kirchspiel und Gericht Neukirch, S. 150ff.; Heyn, Westerwald. S 186. Zurück
  19. Gensicke, Kirchspiel und Gericht Neukirch S. 153f. Zurück
  20. Gensicke, Kirchspiel und Gericht Emmerichenhain S. 235f. mit allen Belegen. Zurück
  21. HHStA Wiesbaden Best. 171 Nr. B 246 a-e. Zurück
  22. HHStA Wiesbaden Best. 1163 Nr. 34. Zurück
  23. Ein Zentgraf wird 1344 und 1396, ein geschworener Zentgraf der vier Herren zum Westerwald 1438 und 1556, später der Landschultheiß zum Westerwald 1612, ein Landschultheiß zu Beilstein 1614 erwähnt. Gensicke, Westerwald S. 429. Zurück
  24. Angeblich war das Gericht noch 1645 mit 21 Schöffen besetzt. Gensicke, Kirchspiel und Gericht Emmerichenhain S. 235; Gensicke, Kirchspiel und Gericht Neukirch S. 154 Zurück
  25. Gensicke, Kirchspiel und Gericht Emmerichenhain S. 235; Gensicke, Landesherrschaft S. 430. Zurück
  26. HHStA Wiesbaden Abt. 170 Urkunden. Kopien ebd. Best. 171, Best. 158, Best. 201 und Best. 207. Zurück
  27. Gensicke, Kirchspiel und Gericht Emmerichhain S. 234. Zurück
  28. Gensicke, Westerwald S. 429f. Zurück
  29. Demandt/Renkhoff, Ortswappenbuch S. 700. Zurück
  30. HHStA Wiesbaden Abt. 171 B 1230. Zurück
  31. Gensicke, Kirchspiel und Gericht Emmerichenhain S. 234f.; Gensicke, Landesgeschichte S. 284. Zurück
  32. HHStA Wiesbaden Best. 340 Nr. 136q. Zurück
  33. HHStA Wiesbaden Abt. 171 Nr. 195a. Zurück
  34. Der ganze Abschnitt folgt den Ausführungen von Gensicke, Kirchspiel und Gericht Emmerichenhain S. 233f.; Vgl. Gensicke, Kirchspiel und Gericht Neukirch S. 154. Zurück
  35. Heyn, Westerwald S. 186f.: Protokoll eines Grenzbegangs im Jahr 1692. Zurück