Osterspai am Mittelrhein

Zur Geschichte von Osterspai

Osterspai ist erstmals in einer Urkunde aus dem Jahr 1074 zu fassen. In dieser schenkte Anno von Köln dem dortigen Kunibertstift das Dorf Osterspai mit Kirche. In den heutigen Gemarkungsgrenzen selbst finden sich aber Überreste früherer Besiedlung bzw. menschlicher Aktivitäten. Im Wald bei Osterspai, wo mehrere römische Straßen kreuzten, finden sich Überreste eines römischen Tempels. Von frühmittelalterlicher Besiedlung der Gemarkung zeugen indes mehrere Gräber, die aus der Merowingerzeit (ca. 450–751) stammen.[Anm. 1]    

Osterspai gehörte zunächst zur Grafschaft Marienfels. Diese wurde 1031 dem Erzbistum Trier übertragen. Die Trierische Landesherrlichkeit dauerte etwa bis 1300 an. In Osterspai selbst waren verschiedene Grundherren begütert, etwa St. Pantaleon und St. Kunibert aus Köln, das Kloster Eberbach, das Koblenzer St. Florinsstift, das Bopparder Kloster Maienberg sowie das Wetzlarer Marienstift. Daneben sind noch die Boos von Waldeck zu nennen, die etwa das Patronatsrecht innehatten, die Freiherren vom Stein sowie die von der Leyen zu nennen.[Anm. 2]

Der geistliche Landesherr ließ sich durch weltliche Vögte vertreten. Dies waren in Osterspai zunächst die Grafen von Arnstein und die Herren von Isenburg. Die Herrschaftsausübung in Osterspai veränderte sich aber. Als 1280 die Herren von Isenburg die Herrschaft über Osterspai verloren, traten die ihnen folgenden Grafen von Sponheim als Lehnsbesitzer auf, nicht als Vögte.[Anm. 3] Mitte des 14. Jahrhunderts trat das Haus Liebenstein in Osterspai in Erscheinung. 1359 erhielten die Herren von Liebenstein Osterspai und das Haus Liebenstein von Sponheim zum Lehen. Lehensgeber wurden bald die Grafen von Nassau.[Anm. 4]

Im Spätmittelalter (ca. 1250–1500) entwickelte sich Osterspai zu einem reichsunmittelbaren Territorium. Wie genau sich diese Entwicklung vollzog, ist nicht zu ergründen. Zwar erhielt Osterspai 1326 das Stadtrecht, diese Verleihung entfaltete aber keine langfristige Wirkung. Schon Mitte des 15. Jahrhunderts wurde Osterspai der Herrschaft des Hauses Liebenstein untergeordnet. Von größerer Bedeutung für die Begründung der Stellung als reichsunmittelbares Territorium war zum einen die direkte Unterstellung unter Kaiser und Reich, die etwa in mehreren Urkunden Friedrichs III. aus dem Jahr 1479 zum Ausdruck kommt, zum anderen war Grundlage der Landesfreiheit ein enges Band zum benachbarten Nassau. So erhielten etwa die Herren von Liebenstein einen Teil ihres Grundbesitzes als Lehen von Nassau. Zwar dürfte dieser Lehensbesitz nicht bedeutend ausgefallen sein, dennoch war aber der Akt der Belehnung an sich als wichtiger öffentlicher Akt bei der Begründung der Ortsherrschaft selbst anzusehen.[Anm. 5]

Zwischen 1470 und 1631 lag die Herrschaft über Osterspai gemeinsam bei den Herren von Liebenstein und bei Nassau, das in Person von Philipp II. von Nassau-Weilburg ein Viertel des Gerichts Osterspai nebst aller Herrlichkeit erlangt hatte. Dieses Viertel wurde 1631 zurückgekauft.[Anm. 6]

Osterspai blieb in der Reformationszeit Anfang des 16. Jahrhunderts katholisch. Dies lag auch an den besonderen Herrschaftsverhältnissen. Die geistliche Herrschaft über Osterspai lag beim Erzbistum Trier, die weltliche – bis 1631 – bei Liebenstein und Nassau, die beide protestantisch geworden waren. Gerade Nassau versuchte 1580 und 1581, auch in Osterspai die Reformation durchzuführen. Nassau forderte die Boos von Waldeck, die Rechte an der Osterspaier Kirche sowie das Patronatsrecht hatten, auf, einen Seelsorger Augsburgischer Konfession anzufordern. Boos von Waldeck, von Trier unterstützt, verweigerte dies zunächst, schien aber einzulenken. Im Sommer 1581 begab sich ein nassauischer Beauftragter samt protestantischem Pfarrer nach Osterspai. Die Gemeinde schien zwar zu kooperieren, allerdings hatten die Nassauer Schwierigkeiten, sich Zugang zur Kirche zu verschaffen. Zudem erschien wenig später eine bewaffnete Gruppe um den Schultheißen des trierischen Boppard, die sich über eine Leiter Zugang zur Kirche verschafften und den katholischen Priester wiedereinsetzten. Letztendlich wurde der Streit wegen des trierischen Widerstands vertagt und durch den Dreißigjährigen Krieg erledigt. Osterspai blieb katholisch.[Anm. 7]      

Im Dreißigjährigen Krieg selbst wurde Osterspai 1620 und 1622 von Truppen unter Mansfeld niedergebrannt. 1628 bis 1634 kam es in Osterspai zu mehreren Hexenprozessen. In der Gegend um Osterspai kam es damals, wie gleichzeitig stattfindende Prozesse in den Ämtern Boppard und Rhens nahelegen, zu einer echten Welle der Verfolgungen. Der Anstoß zu den Prozessen kam wohl aus der Bevölkerung. Nassau und Liebenstein, die damals gemeinsam in Osterspai herrschten, zeigten jedenfalls kein Interesse an den Prozessen. Bei den Osterspaier Prozessen kam es zu mindestens fünf Todesurteilen. Im Falle eines beschuldigten Paares ist das Ergebnis des Prozesses unklar. In einem Prozess kam es zu einem Freispruch, wobei der Angeklagte im Nachgang ausgewiesen wurde.[Anm. 8]

Die Herrschaft des Hauses Liebenstein endete 1637. 1651 übernahmen die Herren von Waldenburg die Ortsherrschaft. Wie bereits zuvor bei den Herren von Liebenstein fand auch hier eine Belehnung durch Nassau statt. Nach dem Aussterben der Herren von Waldenburg im Mannesstamm ging das Lehen 1793 an die Herren von Preuschen über. 1806 wurden die reichsunmittelbaren Territorien mediatisiert. Osterspai gelangte so zum Herzogtum Nassau.[Anm. 9]   

1817 wurde im Herzogtum Nassau die Schulpflicht eingeführt. Eine Schule hatte in Osterspai schon Jahrhunderte zuvor bestanden. Das genaue Datum der Schulgründung ist unbekannt, jedoch existierte die Schule schon vor 1619. Unterricht fand wohl zunächst in der Privatwohnung des Lehrers statt, bevor 1619, nach Erbauung des neuen Rathauses, der Unterricht dorthin verlegt wurde. Im 19. Jahrhundert machte der Anstieg der Schülerzahl ein neues, eigenes Schulgebäude notwendig. Dieses wurde 1831 erbaut und nahm 1832 seinen Betrieb auf.[Anm. 10]

In wirtschaftlicher Hinsicht vollzog sich in Osterspai um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ein Wandel. Der dominierende Weinbau fiel neu aufkommenden Rebkrankheiten zum Opfer. Lediglich auf der anderen Rheinseite, in der Lage Bopparder Hamm, besaßen einige Osterspaier auch im 20. Jahrhundert noch Weinberge. In der Osterspaier Gemarkung wurde nun auf Obstbau umgestiegen. Um die Jahrhundertwende sank zudem auch die Bevölkerungszahl im Ort. Neben den Schwierigkeiten im Bereich der Landwirtschaft war dafür wohl auch der industrielle Aufschwung in Ober- und Niederlahnstein verantwortlich.[Anm. 11]

Bevölkerungsentwicklung

JahrZahl der FamilienZahl der EinwohnerInnen[Anm. 12]
168245-
169943-
175393
1787115
1808-610
1827-886
1871-1036
1905-906
1939-1015
1955-1255
1992-1345
2019-1273

1914 begann der Erste Weltkrieg. In diesem fielen 25 Osterspaier, eine Person wurde vermisst. Nach dem Waffenstillstand vom 11. November 1918 rückten am 31. Dezember 1918 französische Truppen in Osterspai ein. Nach etwa sechs Monaten begann der allmähliche Abzug der Besatzungstruppen aus Osterspai, das aber noch bis 1929 Teil der französischen Besatzungszone blieb.[Anm. 13]

Politisch war Osterspai bis 1933 eine Hochburg der Zentrumspartei, also der Partei des politischen Katholizismus. Über die Zeit des Nationalsozialismus in Osterspai ist wenig bekannt.[Anm. 14]

Im Zweiten Weltkrieg wurde Osterspai direkt von Kriegshandlungen getroffen. Bis 1944 wurde die Gemarkung nur von ungezielten Bombenabwürfen getroffen. 1944 fand ein erster gezielter Luftangriff statt, der die Bahngleise unterhalb des Ortes beschädigte. Als im Frühjahr 1945 die Front näher rückte, wurde Osterspai auch durch Artillerie beschossen. Dabei starben zwei Personen, mehrere wurden verletzt. Am 25. März 1945 wurde der Ort von amerikanischen Truppen eingenommen. Bei den Kämpfen fielen vier Soldaten. Insgesamt fielen im Zweiten Weltkrieg 48 Osterspaier Soldaten, 29 werden vermisst. Wie nach dem Ersten Weltkrieg, so wurde auch Osterspai nun Teil der französischen Besatzungszone. Seit 1946 gehört Osterspai zu Rheinland-Pfalz, seit 1969 zum Rhein-Lahn-Kreis. 1972 bis 2012 gehörte Osterspai der Verbandsgemeinde Braubach an, die 2012 mit der Verbandsgemeinde Loreley zusammengeschlossen wurde.[Anm. 15]

Verfasser: Christoph Schmieder

Verwendete Quellen und Literatur:

  • Bender, Karl: Ortsgeschichte Osterspai. Koblenz 1993.
  • Ritter, Alexander: Die Osterspaier Hexenprozesse (1630-1634) im Kontext der Hexenverfolgungen in den Ämtern Rhens und Boppard. In: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 44 (2018), S. 107–128.
  • Freiherr von Preuschen-Liebenstein, Christopher: Reichsunmittelbare "Landesherrlichkeit" in Osterspai am Rhein. Eine Gemeindeautonomie aus dem Mittelalter bis in das Jahr 1806. In: Nassauische Annalen 118 (2007), S. 449–456.

 

Zuletzt geändert: 9. Juli 2021

Anmerkungen:

  1. Bender, S. 19–21, S. 26–28. Zurück
  2. Bender, S. 29–36; Von Preuschen-Liebenstein, S. 450. Zurück
  3. Bender, S. 40–43. Zurück
  4. Bender, S. 47f. Zurück
  5. Von Preuschen-Liebenstein, S. 450–452. Zurück
  6. Bender, S. 50f. Zurück
  7. Bender, S. 103–107. Zurück
  8. Ritter, S. 107, S. 110–112, S. 125–128. Zurück
  9. Bender, S. 58–60, S. 69–76. Zurück
  10. Bender, S. 137–140. Zurück
  11. Bender, S. 179. Zurück
  12. Bender, S. 179; Zahlen ab 1992 durch das Statistische Landesamt https://infothek.statistik.rlp.de/MeineHeimat/tscontent.aspx?id=103&l=3&g=0714109108&tp=33811&ts=tsPop01 (13.11.2020). Zurück
  13. Bender, S. 123f. Zurück
  14. Bemerkungen finden sich bei Bender, S. 183–185. Diese gehen jedoch nicht ins Detail. Zurück
  15. Bender, S. 124–129, S. 161. Zurück