Zur Geschichte von Bruttig
Bruttig in vorgeschichtlicher und römischer Zeit
Zu den ältesten Zeugnissen menschlicher Besiedlung auf der Gemarkung der heutigen Doppelgemeinde Bruttig-Fankel zählt eine Gruppe von sechs Hügelgräbern auf dem Bruttig-Fankeler Berg nördlich der heutigen Ortsgemeinde. [Anm. 1] Die Hügelgräber befinden sich in unmittelbarer Nähe zu dem sogenannten Rennweg, dem Teilstück einer wichtigen Fernhandelsstraße aus keltischer und römischer Zeit. [Anm. 2] Der größte der Grabhügel weist einen Durchmesser von 22 Metern und eine Höhe von über zwei Metern auf. In dessen Umfeld befinden sich in lockerer Anordnung fünf weitere Hügelgräber mit einem Durchmesser von jeweils 10 bis 14 Metern. Zumindest einer der Grabhügel lässt sich aufgrund weniger Einzelfunde aus einer dortigen Bestattung in die späte Urnenfelderzeit (ca. 1300-800 v. Chr.) datieren.
In römischer Zeit befand sich auf dem heutigen Flurstück „Im Wertchen“ vor dem Steilabfall zur Mosel ein Gutshof (villa rustica), von dem heute noch einzelne Mauerzüge erhalten sind. Dort gefundene Keramikstücke und Kleinbronzen werden in das zweite und dritte nachchristliche Jahrhundert datiert. [Anm. 3] Nach dem Zerfall der römischen Verwaltung ging der mittlere Moselbereich in den Besitz der merowingisch-fränkischen Könige über. [Anm. 4] Von dieser Zeit zeugen die Funde von merowingischen Reihengräbern im Bereich der heutigen Gemarkung Bruttig-Fankel.
„In villa Pruteca im Mayengau“ – Bruttig in mittelalterlicher Zeit
Die erste schriftliche Erwähnung des heutigen Ortsteils Bruttig stammt aus dem Jahr 898. In der Schenkungsurkunde des lothringischen Königs Zwentibold aus diesem Jahr ist von Äckern, Weinbergen und einem Hof in villa Pruteca im Mayengau die Rede, die dem Stift Essen überlassen werden. [Anm. 5] Der Ort ist wahrscheinlich etwas älter; nach Einschätzung von Reinhold Schommers geht Bruttig auf eine keltische Gründung zurück. So leite sich der heutige Ortsname vom keltischen „Brutiacum“ ab, das mit „Wohnung des Brut“ übersetzt werden könne. [Anm. 6] Der Ursprung dieser Siedlung sei in einer Hofanlage an der Mündung des Mühlenbaches in die Mosel zu sehen. [Anm. 7]
Die Vogtei und das Dorf Bruttig befanden sich seit dem Hochmittelalter im Besitz der Grafen von Sponheim, die einen Teil des Besitzes als Lehen an die pfalzgräflichen Ministerialen von Ulmen vergaben. Zudem verfügten verschiedene Klöster und Stifte zeitweise über Grundbesitz in Bruttig, darunter St. Pantaleon und St. Kunibert in Köln, das Augustiner-Chorherrenstift Springiersbach, das Prämonstratenser-Nonnenkloster Maria Engelport und das Kloster Himmerode. [Anm. 8] Im Jahr 1346 verkaufte Ritter Kuno von Ulmen seinen Anteil an den Erzbischof Balduin von Trier. [Anm. 9] In der Folgezeit kam es zu einer mehrere Jahrhunderte andauernden Auseinandersetzung zwischen den Grafen von Sponheim und den Trierer Erzbischöfen um die Hoheitsrechte in Bruttig, da Kurtrier alle Sponheimer Herrschaftsansprüche bis auf die Vogtei zurückwies. [Anm. 10] 1380 belehnten die Grafen von Sponheim die Waldpoden von Ulmen mit ihrem Anteil an Dorf, Hochgericht, Wasser und Weide von Bruttig. 1489 tauschten Pfalzgraf Johann und Markgraf Christian von Baden dieses Lehen gegen kurtrierische Rechte in Achtelsbach und Lötzbeuren ein. [Anm. 11] Der Streit zwischen Kurtrier und Sponheim konnte schließlich 1507 endgültig beigelegt werden, indem Kurtrier sämtliche Herrschaftsrechte in Bruttig zugesprochen wurden und Sponheim lediglich die Vogtei behielt. [Anm. 12] 1784 verzichtete Sponheim schließlich zugunsten Kurtriers auch auf die Vogteirechte in Bruttig. Der Trierer Erzbischof blieb bis 1789 alleiniger Landesherr in Bruttig.
Bruttig war bereits vor 1220 Zentrum eines Pfarrbezirks unter dem Patronat des Heiligen Remigius, der die Nachbarorte Ellenz, Ernst, Fankel, Poltersdorf und Valwig umfasste. Diese Pfarrei wurde 1471 in das Stift St. Castor in Karden eingegliedert, das bereits im 13. Jahrhundert Grundbesitz in Bruttig erworben hatte und dort über das Zehntrecht verfügte. [Anm. 13]
Bruttig in der Frühen Neuzeit
Im 15. Jahrhunderts erlebte die Gemeinde Bruttig eine wirtschaftliche Blüte, die zur Verleihung des Marktrechts für den St. Margarethentag (13. Juli) an den Ort beitrug. Seit 1534 befand sich zudem eine kurfürstliche Zollstation unter anderem für Wein, Frucht, Salz und Vieh in Bruttig. Einige Bekanntheit erlangte der aus Bruttig stammende Gelehrte Petrus Schade, bekannt als Petrus Mosellanus, der seit 1515 an der Universität Leipzig tätig war und dort im Juni und Juli 1519 die Disputation zwischen den Reformatoren Martin Luther und Andreas Bodenstein sowie dem katholischen Theologen Johannes Eck leitete. [Anm. 14] Einen Namen machte sich auch der 1562 in Bruttig geborene Johann Georg Goebelius, der als Leibarzt des Kurfürsten von Mainz tätig war und 1602 zum Rektor der Mainzer Universität ernannt wurde. [Anm. 15]
1551 fiel Bruttig der Brandschatzung durch die Truppen Albrechts von Brandenburg auf dem Marsch nach Lothringen zum Opfer. [Anm. 16] Auch während des Dreißigjährigen Krieges hatte der Ort schwere Verluste zu verzeichnen.
Infolge der Besetzung des Rheinlandes durch die französischen Revolutionstruppen wurde Bruttig 1798 Teil der dem Kanton Zell zugehörigen Mairie Beilstein; die Verwaltung lag jedoch beim benachbarten Kanton Treis. 1816 wurde Bruttig Teil des neu gegründeten Kreises Cochem innerhalb des Königreichs Preußen.
Vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart
Im Laufe des 19. Jahrhunderts erlebte der Moselort einen erneuten wirtschaftlichen Aufschwung. 1870 wurde mit der Moselstraße die erste befahrbare Wegeverbindung nach Cochem geschaffen. Zudem war die Einrichtung einer Bahnstrecke auf der rechten Moselseite von Koblenz nach Trier geplant, über die auch Bruttig einen Eisenbahnanschluss erhalten sollte. Aus finanziellen Gründen konnten diese Pläne erst 1917 wieder aufgegriffen werden, die Arbeiten wurden jedoch bereits 1923 aufgrund von Bestimmungen des Versailler Vertrags wieder eingestellt. [Anm. 17] Im Zuge dieser Arbeiten wurde der heute noch bestehende Bahndamm quer durch den Ort sowie ein Bahntunnel von Bruttig nach Treis angelegt.
Eine eigenständige jüdische Gemeinde bestand in Bruttig bis um das Jahr 1920. Seitdem war die Zahl der Gemeindemitglieder so stark zurückgegangen, dass keine Gottesdienste mehr abgehalten werden konnten. [Anm. 18] In der Folgezeit wurde die in den 1830er Jahren errichtete Synagoge verkauft und die noch in Bruttig lebenden jüdischen Familien zur Synagogengemeinde in Cochem zugeordnet. Zwischen 1933 und 1939 zog der Großteil der verbliebenen jüdischen Einwohnerschaft aus Bruttig weg bzw. wanderte aus. [Anm. 19] Seit 1996 erinnert eine Gedenkstele auf dem Friedhof von Bruttig an die während des Zweiten Weltkriegs ermordeten (ehemaligen) jüdischen Einwohner:innen von Bruttig.
Angesichts der zunehmenden Bombardements von kriegswichtigen Betrieben entschied sich die nationalsozialistische Regierung 1944 dazu, einen Teil der Kriegsproduktion unter Tage zu verlegen. In diesem Zusammenhang ließ die Firma Robert Bosch ab 1944 ihre Produktion von Zubehör für Flugzeugmotoren in dem zwischen Bruttig und Treis gelegenen Eisenbahntunnel einrichten, der bis dahin weitgehend ungenutzt geblieben war. [Anm. 20] Die hier notwendigen Umbauten sowie die spätere Rüstungsproduktion hatten Zwangsarbeiter aus den vom Deutschen Reich besetzten Ländern durchzuführen. Zu diesem Zweck entstand ab März 1944 in Bruttig auf dem Bahndamm außerhalb der Ortsbebauung („auf der Kipp“) ein Barackenlager, das als Außenlager des Konzentrationslagers Netzweiler-Struthof im Elsass diente. [Anm. 21] Weitere Außenstellen des Konzentrationslagers befanden sich in Cochem und Treis.
Zwischen März 1944 und August 1944 kamen aufgrund der unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen in den drei Außenlagern 92 Häftlinge ums Leben. [Anm. 22] Mitte September 1944 wurde das Lager evakuiert und die letzten dort verbliebenen Zwangsarbeiter in das Lager Ellrich im Südharz deportiert. Im Jahr 1985 wurde auf dem Friedhof von Bruttig eine Gedenkstätte zur Erinnerung an die Opfer des Konzentrationslagers von Treis-Bruttig eingerichtet. [Anm. 23]
Bereits seit 1923 gehörte Bruttig zum Amt Cochem-Land. Seit 1970 ist der Ort Teil der gleichnamigen Verbandsgemeinde Cochem-Land, die 2009 in die Verbandsgemeinde Cochem umgewandelt wurde. Seit der Verwaltungsreform von 1969 bilden die beiden Dörfer Bruttig und Fankel eine Doppelgemeinde. 1974 wurde der Bau der Peter-Altmeier-Brücke fertiggestellt, die sich an der Stelle einer früheren Fährverbindung befindet. Die Ortsgemeinde Bruttig-Fankel hat heute (Stand: 31. Dezember 2020) etwa 1100 Einwohner.
Nachweise
Autor: Max Hartmann
Verwendete Literatur:
- Berg, Axel von: Bruttig-Fankel: Grabhügel. In: Cochem-Zell. Landschaft an der Mosel. Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland, hrsg. v. Axel von Berg, Stuttgart 2005 (Archäologie an Mittelrhein und Mosel, Bd. 17), S. 96.
- Gattow, Walter: Der Mosel-Humanist Petrus Mosellanus aus Bruttig. In: Jahrbuch für den Kreis Cochem-Zell, hg. Von der Kreisverwaltung Cochem-Zell, Monschau 1988, S. 102-106.
- Heimes, Ernst: Bevor das Vergessen beginnt. Nachermittlungen über das KZ-Außenlager Cochem, Zell(Mosel) 2019.
- Ostermann, Manfred: Festschrift zur 1100-Jahrfeier Bruttig, Bruttig-Fankel 1999.
- Rettinger, Elmar (Bearb.): Historisches Ortslexikon Rheinland-Pfalz. Bd. 1: Ehemaliger Landkreis Cochem, Stuttgart 1985 (Geschichtliche Landeskunde, Bd. 27).
- Schommers, Reinhold: Gemeinde Bruttig-Fankel an der Mosel, Köln 1972 (Rheinische Kunststätten, Bd. 371).
- Schrader, Diethelm: Konzentrationslager-Häftlinge, Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter in Treis (Mosel), Mainz 2013.
- Wackenroder, Ernst: Die Kunstdenkmäler des Kreises Cochem, München 1984 (Die Kunstdenkmäler von Rheinland-Pfalz, Bd. 3).
- Wegner, Hans-Helmut: Bruttig-Fankel COC. In: Die Römer in Rheinland-Pfalz. Hrsg. v. Heinz Cüppers, Stuttgart 1990, S. 350.
Veröffentlicht am 23.07.2022
Anmerkungen:
- Siehe Berg 2005, S. 96; Ostermann 1999, S. 13-15. Zurück
- Siehe hierzu Ostermann 1999, S. 13; Schommers 1992, S. 3. Zurück
- Ostermann 1999, S. 17 f.; Wegner 1990, S. 350. Zurück
- Schommers 1992, S. 3. Zurück
- Wackenroder 1984, S. 111. Zurück
- Schommers 1992, S. 3. – In der Folgezeit erscheint der Ort in den Quellen im Jahr 1015 als prodaca, um 1220 als Prodecha, 1252 als Proderich, 1377 als Prothege und 1672 schließlich als Prüttig, Rettinger 1985, S. 31. Zurück
- Schommers 1992, S. 3. Zurück
- Wackenroder 1984, S. 111. – Zu den verschiedenen Besitzungen siehe Rettinger 1985, S. 33; Schommers 1992, S. 3. Zurück
- Ostermann 1999, S. 25. Zurück
- Ostermann 1999, S. 25; Rettinger 1985, S. 32. Zurück
- Wackenroder 1984, S. 111. Zurück
- Schommers 1992, S. 4. Zurück
- Rettinger 1985, S. 34; Schommers 1992, S. 4. Zurück
- Schommers 1992, S. 4. – Zu Petrus Mosellanus siehe auch Gattow 1988. Zurück
- Schommers 1992, S. 4. Zurück
- Ebenda. Zurück
- Schommers 1992, S. 5 Zurück
- Siehe hierzu Schleindl 1996, S. 151. Zurück
- Siehe hierzu Schleindl 1996, S. 151-157. Zurück
- Zu dem bei die von Diethelm Schrader veröffentlichte Dokumentation über das Konzentrationslager in Treis, Schrader 2013. Zurück
- Heimes 2019, S. 16. Zurück
- Ebenda, S. 25. Zurück
- Schommers 1992, S. 5. Zurück