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Wei(h)nachter in Rheinland-Pfalz

Bis ins späte Mittelalter hatten die Menschen in Europa in der Regel nur einen Namen – den Vornamen – mit dem sie eindeutig identifizierbar waren. Als die Bevölkerung jedoch zunahm, wurde dies schwieriger. In der Folge entstanden die Familiennamen, die gerade in der zunehmenden Schriftlichkeit Eindeutigkeit herstellen konnten, denn festgehalten wurde nun etwa, wer das Bürgerrecht einer Stadt innehatte, wer einer Zunft angehörte, wer weswegen von einem Gericht verurteilt wurde oder wer wann welche Abgaben zu leisten hatte. Letzteres konnte auch selbst zum Familiennamen werden. So wird davon ausgegangen, dass die ersten Träger von Familiennamen wie Montag oder Freitag an diesem Wochentag Abgaben leisten mussten. Auch besondere Tage im Jahr finden sich u. a. als Zinstermine in Familiennamen wieder, etwa Pfingsten, Neujahr, Fastnacht und Ostertag.

Verbreitung des Familiennamens Weinacht in Deutschland[Bild: Kroiß, Daniel, Weinacht, in: Digitales Familiennamenwörterbuch Deutschlands, URL: http://www.namenforschung.net/id/name/21405/1]

Da verwundert es nicht, dass sich auch der festliche Name Weihnacht unter den deutschen Familiennamen findet. In der Datenbank des Deutschen Familiennamenwörterbuchs (DFD) kommt er 37mal vor. Diesen Daten liegen die Telefonanschlüsse von 2005 zugrunde – durchschnittlich teilten sich damals 2,8 Personen einen Festnetzanschluss, sodass von rund 100 Namenträger:innen auszugehen ist. Häufiger als Weihnacht ist die Variante ohne h: Den Familiennamen Weinacht trugen im selben Jahr rund 495 Personen (177 Telefonanschlüsse). Der Verbreitungsschwerpunkt liegt hier eindeutig im südlichen Rheinland-Pfalz (genauer in der Pfalz in und um Ludwigshafen, Mutterstadt und Schifferstadt), wie die Karte des DFD zeigt.


Die Wei(h)nachter hingegen sind weiter westlich anzutreffen: Der seltene Familienname Weinachter (6 Telefonanschlüsse) ist nämlich v. a. im Saarland und an der Mosel beheimatet. Wie die Familiennamen Urlauber und Urlaub, so scheinen auch Weinachter und Wei(h)nacht zusammenzugehören. Doch hier spielt vermutlich ein weniger weihnachtliches (aber doch sehr regionaltypisches) Motiv eine entscheidende Rolle. Außerhalb Deutschlands ist Weinachter v. a. im französischen Département Moselle und in Luxemburg verbreitet. Das Luxemburger Familiennamenbuch gibt eine von der obigen abweichende Deutung an: Weinachter ist demnach „derjenige, der Maß und Wert des Weines abschätzt“. Das am Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz von Rudolf Steffens erarbeitete Wörterbuch des Weinbaus zitiert unter Weinächter aus einer Verordnung aus dem 15. Jahrhundert: „wer da wil wyn schenken, der sal den wyn lassin achten von den die dartzu gesatzet worden“ (wer Wein ausschenken will, der soll den Wein schätzen lassen von denen, die dafür eingesetzt wurden). Die rheinland-pfälzischen Weinachter dürften ihren Familiennamen also nicht von jemandem geerbt haben, für den Weihnachten ein besonderer Zinstag war, sondern von jemandem, der das Maß oder den Wert des Weines kontrollierte. Ob dieser dann in der Weihnachtszeit wohl als Glühwein getrunken wurde?

Verfasser: Dr. Daniel Kroiß
Literatur:

  • Bahlow, Hans (1985): Deutsches Namenlexikon. Frankfurt a. M.
  • Brechenmacher, Josef Karlmann (1960–1963): Etymologisches Wörterbuch der deutschen Familiennamen. Limburg a. d. L.
  • Kollmann, Cristian et al. (2016): Luxemburger Familiennamenbuch. Berlin, Boston.
  • Kroiß, Daniel, Weihnacht, in: Digitales Familiennamenwörterbuch Deutschlands, URL: http://www.namenforschung.net/id/name/82908/1
  • Steffens, Rudolf (2007): Wörterbuch des Weinbaus. Historischer Fachwortschatz des Weinbaus, der Kellerwirtschaft und des Weinhandels: Ahr, Mosel/Saar/Ruwer, Mittelrhein, Nahe, Rheingau, Rheinhessen, Pfalz, Hessische Bergstraße. Mainz.