Aktionen

  • Türchen 5

Das kleine Einmaleins der Gewürze und Kräuter im Wein

Im späten Mittelalter und in der Frühen Neuzeit kannte man zahlreiche Zusatzstoffe, um Weine zu verbessern. Diese dienten nicht nur der Schönung der Weine, deren Qualität beispielsweise durch Klärungsmittel verbessert wurde, sondern man griff – vielfach nach antikem Vorbild – auch zu zahlreichen Kräutern und Gewürzen, um daraus völlig andersartige Getränke zu kreieren. Entgegen der manchmal in der Literatur anzutreffenden Darstellung endete der Konsum solcher Würz- und Kräuterweine nicht zu Beginn der Frühen Neuzeit zu Gunsten des Qualitätsweinbaus, sondern blieb parallel zu diesem bis mindestens bis ins 18. oder frühe 19. Jahrhundert erhalten. Selbst heute erfreuen uns vereinzelt noch an Würz- und Kräuterweinen – vor allem zur Weihnachtszeit in Form von Glühwein. Welche Kräuter oder Gewürze nutzte man zu früheren Zeiten? Eine Auswahl:

Die üblichen Verdächtigen

Nelken, Anis, Pfeffer, Muskat, Kardamom, Zimt, Safran, Ingwer, Apfel- und Birnenmost, Rhabarber, Schlehen, Zitrone etc. Außerdem Hopfenblumen und weitere Blüten, Beifuß, Bockshornklee, Aloe Vera, Myrrhe, Enzian, Deutscher Bertram, Aschwurz (= Diptam), Alantwurzel, Paradieskörner, Lorbeer.

Diese Zutaten sind auch heute noch gut vorstellbar. Sie verbesserten den Geschmack oder überdeckten geschmackliche Mängel. Letzteres führte hin und wieder zu rechtlichen Auseinandersetzungen. Von vielen Zutaten versprach man sich medizinische Wirkungen. Der Einsatz hochwertiger, teurer Zusätze konnte Ausdruck des sozialen Standes sein.

Ungewöhnlichere Zugaben

Senf, Senfkorn, Speck, Scharlachkraut, Springkorn, Eier, Eiweiß, Milch, gebranntes Salz, Branntwein, Mandelmilch, Weizenmehl, Reis, warmes Brot, Wachs.

Diese Stoffe hatten jeweils eine klärende, eine süßende oder eine konservierende Wirkung. Speck oder Branntwein konnten außerdem frühzeitig hinzugegeben wurden, um die natürliche Gärung zu unterbrechen (= mehr Restsüße).

Baustoffe?

Roter Ziegelstaub, Asche, Erde aus dem Weingarten, Lehm und Ton, gebrannter und ungebrannter Weinstein, Weinrebenasche, ungelöschter Kalk, glühende Eichenkohlen, Waidasche, Wacholderholz und weitere Hölzer, Kieselsteine, diverser Sand und verschiedene weitere Kohlen, gebranntes Glas.

Diese Stoffe dienten ebenfalls der Klärung des Weins und setzten sich am Boden ab. Teilweise zielte man auch auf eine (ent-)färbende Wirkung ab.

Chemieunterricht

Bleiweiß und Bleistücke, Quecksilber, Alaun bzw. Galiziensteine (= Vitriol, also das Salz der Schwefelsäure), waidäscherige Lauge, Spießglanzsalpeter.

Die Schädlichkeit vieler Stoffe war im Mittelalter und der Frühen Neuzeit umstritten. Häufig verblieben zudem nur kleine Mengen tatsächlich im Endprodukt. Beim Einsatz mancher Stoffe konnten Winzer, Weinhändler oder Wirte im schlimmsten Fall wegen Giftpanscherei angeklagt werden.

Begriffliche Unklarheiten

  • Kupferrauch (= Grünspan, Zinksulfat oder Kupfersulfat)
  • Gliet (= Kupfer- oder Zinksulfat)
  • Ziege (= vermutlich Ziegerklee und nicht das Tier)
  • Theriak (= irgendeine Arznei, wörtlich „Gegengift“)
  • blummen (= Muskatschale oder Nachtviole)
  • Galgant (= nicht genau zuzuordnende Ingwer-Art) etc. 
Ausschnitt aus dem "hortus sanitatis" Garten der Gesundheit, ein lateinisches Kräuterbuch, das 1491 in Mainz von Jacob Meydenbach erstmals gedruckt wurde. [Bild: MDZ / CC BY-NC-SA 4.0, http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00027846/image_484]

Verfasser: Simeon Guthier