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Im Visier der Nationalsozialisten

Pfarrer Joseph Wallé aus Ommersheim (1901-1985)[Anm. 1]

Joseph Georg Wallé wurde am 13. Juli 1901 auf dem Nußweilerhof in Ommersheim geboren. Nach dem Besuch der Volksschule wechselte er zum Progymnasium St. Ingbert, dem heutigen Leibniz-Gymnasium, bis er in das Bischöfliche Konvikt Speyer aufgenommen wurde. Das Abitur legte er 1922 in Heidelberg ab. Während seiner Schulzeit zog er sich eine Typhuserkrankung zu, deren Folgen ihn ein Leben lang beeinträchtigten.[Anm. 2]

Nach dem Studium der Theologie und Philosophie in Eichstätt wurde er am 3. Juli 1927 in Speyer zum Priester geweiht. Seine erste Kaplanstelle trat er am 15. Juli 1927 in Deidesheim an. Weitere Stationen folgten ab Januar 1928 in Pirmasens, Maikammer, Waldmohr (als Lokalkaplan) und Ensheim.

Schon als Kaplan engagierte sich Wallé in der Jugendarbeit. Er warnte früh vor dem aufkeimenden Nationalsozialismus, der auch in der christlichen Jugend Zulauf fand. Seine Warnungen blieben NS-Kreisen nicht verborgen. Nur wenige Monate nach der Machtergreifung Hitlers wurde am 16. April 1933 gegen den Kaplan Schutzhaftbefehl "wegen oppositioneller Äußerungen"[Anm. 3] erlassen. Seiner Verhaftung entzog er sich durch Flucht.[Anm. 4] Andere Geistliche in der Pfalz wurden in Schutzhaft genommen, darunter am 4. Mai 1933 der spätere Domkapitular Adam Hiller,[Anm. 5] der von 1918 bis 1925 Pfarrer in Ommersheim gewesen war. Nach Verhandlungen über die Haftentlassung der Pfarrer stimmte Bischof Sebastian einem Abkommen mit der Gauleitung zu, "in dem den Priestern strengste Zurückhaltung in politischen Fragen auferlegt wurde."[Anm. 6] Lokalkaplan Wallé wurde im Juni 1933 von Waldmohr nach Ensheim versetzt. Die Vermutung liegt nahe, dass ihn die Bistumsleitung mit dieser Personalentscheidung aus der Schusslinie nehmen wollte. Das Saargebiet unterstand bis zur Saarabstimmung 1935 einer Völkerbundregierung und war dem direkten Zugriff der Nationalsozialisten entzogen.

Am 1. Mai 1935 wurde Wallé zum Pfarrer in Heßheim bei Frankenthal berufen - und schon setzten die Repressalien gegen ihn wieder ein. Bald wurden neue, absurde Vorwürfe gegen ihn erhoben. Seine Fronleichnamsprozession habe den "Tag der Jugend" gestört. Mit dieser Begründung fand am 30. Juni 1935 ein SA-Aufmarsch vor dem Heßheimer Pfarrhaus statt. Vor einem Sturm des Pfarrhauses und der drohenden Festnahme gelang es Pfarrer Wallé zu fliehen. Ein weiterer Vorwurf gipfelte im Oktober 1936 in der Behauptung, Wallé habe durch Abhaltung der Volksmission eine Hitlerrede gestört. Auch diese Anschuldigung hatte einen SA-Aufmarsch zur Folge, in dessen Verlauf die Verhaftung des Pfarrers und der Patres, die die Volksmission durchgeführt hatten, durch ein herbeigerufenes Überfallkommando verhindert wurde. Allerdings wurde wegen der angeblichen Störung der Hitlerrede ein staatspolizeiliches Untersuchungsverfahren eingeleitet. Im Jahr 1938 war Wallé erneut Zielscheibe eines SA-Aufmarsches vor seinem Pfarrhaus. Bei der Reichstagswahl mit gleichzeitiger Volksabstimmung zum Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich war in Heßheim eine ungültige Stimme abgegeben worden, die man dem Pfarrer anlastete.

Am 15. Juni 1941 wurde Joseph Wallé Pfarrer in Hohenecken im Landkreis Kaiserslautern als Nachfolger Dr. lsidor Markus Emanuels, des späteren Speyerer Bischofs. Dort scheinen ihn die regionalen NS-Größen aus dem Blickfeld verloren zu haben. Politische Verfolgungen gegen ihn sind seit dieser Zeit nicht mehr aktenkundig.

Am 1. Januar 1949 trat Wallé seine letzte Pfarrstelle in Walsheim an. Hier, in "Heimatnähe", blieb er 19 Jahre lang, bis er 1968 krankheitsbedingt in den Ruhestand versetzt wurde. Er zog sich auf den Nußweilerhof zurück. Damit schloss sich für ihn der Kreis. Der Nußweilerhof befindet sich im Übrigen nicht, wie man vermuten könnte, auf dem Boden des untergegangen Dorfes Nußweiler, das westlich des Hofgeländes vermutet wird und vor 1450 zur Wüstung wurde.[Anm. 7] Der Hof wurde erst in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts erbaut. Im Königlich-bayerischen Kreis-Amtsblatt der Pfalz vom 9. Februar 1867 findet sich die folgende Bekanntmachung:[Anm. 8]

Königlich-bayerisches Kreis-Amtsblatt der Pfalz. 1867, 10 vom 9.2.

In seiner Freizeit war der naturverbundene Priester nun begeisterter Imker. Er half in der Seelsorge seiner Heimatpfarrei Ommersheim regelmäßig aus, solange seine Kräfte es zuließen. Am 2. Februar 1985 starb er im Krankenhaus St. Elisabeth in Zweibrücken.

Totenzettel von 1986.[Bild: In Privatbesitz]

In dem bereits erwähnten Nachruf aus dem Jahr 1986 wird aus der Predigt zitiert, die Pfarrer Richard Vinzent im Requiem zu Ehren Pfarrer Wallés am 6. Februar in der Pfarrkirche Mariä Heimsuchung zu Ommersheim hielt. Er charakterisierte seinen Mitbruder "als echten Bauernsohn vom Nußweilerhof, herb, Gerechtigkeit suchend".[Anm. 9] Bauernsöhne waren indes unter den Landpfarrern keine Seltenheit. Die tief religiös geprägten Eltern waren stolz, wenn sie einem ihrer Söhne, oft unter großen Entbehrungen, ein Theologiestudium ermöglichen konnten. Die Herkunft eines Geistlichen aus dem gleichen sozialen Umfeld wie die Mehrzahl der Pfarrangehörigen ermöglichte ihm ein tiefes Verständnis ihrer Sorgen und Nöte. Die Verstärkung der Charakterisierung mit dem Adjektiv  "echt" erschließt sich nicht aus dem Zusammenhang. Die Zurückhaltung und Bescheidenheit des "Nußweiler Pastors", wie er in der Pfarrei genannt wurde, mag auch herb gewirkt haben.

Auf sein mutiges Bekenntnis gegenüber den NS-Repräsentanten in der Pfalz ist offenbar in der Predigt nicht eingegangen worden. Umso mehr ein Grund, seine Haltung an dieser Stelle noch einmal zu würdigen.

Schlichte Grabplatte auf dem Friedhof Ommersheim.[Bild: Gerhard Abel]

Nachweise

Autor: Gerhard Abel

Erstellt am: 12.11.2020

Anmerkungen:

  1. Überarb. Fassung des auf https://ommersheim.de/geschichte/pfarrer-wall_/ im Oktober 2020 veröffentlichten Artikels. Zurück
  2. Vgl. zur Biographie Wallés: Schon als Junge mußte er Verantwortung übernehmen [Nachruf]. In: Pilger-Kalender 65 (1986), S. 90-91. Zurück
  3. a.a.O., S. 91. Zurück
  4. Vgl. hierzu und zu den im Folgenden geschilderten Repressalien: Hofen, Karl: Das Bistum Speyer in den Jahren religiöser Bedrückung durch den Nationalsozialismus : geschichtliche Notizen. Speyer 1980. (= Schriften des Diözesan-Archivs Speyer, Bd. 4), S. 47. Zurück
  5. a.a.O., S. 33. Zurück
  6. Fandel, Thomas: Zur Verfolgung katholischer und evangelischer Pfarrer in der Pfalz in der NS-Zeit. In: Pfälzisches Pfarrerblatt 101 (2011), S. 143-156. PDF-Ausg.  S. 6. - URL: http://pfarrerblatt.de/dr-thomas-fandel/zur-verfolgung-katholischer-und-evangelischer-pfarrer-in-der-pfalz-in-der-ns-zeit/Zurück
  7. Vgl. Staerk, Dieter: Die Wüstungen des Saarlandes : Beiträge zur Siedlungsgeschichte des Saarraumes vom Frühmittelalter bis zur Französischen Revolution. Saarbrücken 1976. (=Veröffentlichungen der Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung, Bd. 7), S. 308-309. Zurück
  8. Königlich-bayerisches Kreis-Amtsblatt der Pfalz. - 1867, 10 vom 9.2. - Auch unter dem Titel "Königlich Allerhöchste Bewilligung". In: Regierungsblatt für das Königreich Bayern. - 1867, 6 vom 11.2., Sp. 126. Zurück
  9. siehe Anmerkung 1. Zurück