Sankt Goar am Mittelrhein

Der historische Taucherschacht "Kaiman"

Der Taucherschacht "Kaiman"

Im Schutzhafen von St. Goar liegt ein ganz besonderes Schiff vor Anker: der historische Taucherschacht "TS Kaiman". Der gut 45 Meter lange und 10 Meter breite Koloss ist ein Relikt aus dem Kaiserreich, gebaut  im Jahr 1892 von der Schiffswerft Beringhaus in Duisburg. 114 Jahre lang war er zwischen Mainz-Weisenau und Bad Honnef unterwegs, um den Grund des Rheins von Hindernissen zu befreien. Seine fast 15 Meter hohen Aufbauten sind vielen Bewohnern dieser Gegend deshalb ein vertrauter Anblick. Die Zukunft des ältesten Dienstschiffes auf dem Rhein ist seit seiner Stillegung im Jahr 2006 allerdings unklar. Sogar eine Verschrottung stand im Raum, scheint aber - vor allem dank des Engagements der Denkmalgesellschaft Bingen am Rhein - mittlerweile abgewendet. Ob der "Kaiman", wie von Denkmalschützern gefordert, einmal als "schwimmendes Technikdenkmal" genutzt werden kann, steht noch nicht fest. Doch was ist eigentlich ein Taucherschacht und wozu wird er gebraucht?

Taucherglocken - eine mittelalterliche Erfindung

Ungefähr in der Mitte des 19. Jahrhunderts war die mangelnde Schiffbarkeit des Mittelrheins zu einem wirtschaftlichen Problem geworden, das die Anlieger nicht mehr ignorieren konnten. Große Felsbrocken auf dem Grund des Flusses behinderten immer wieder den zunehmenden Schiffsverkehr, der Ausbau der Fahrrinne war angesichts der starken Strömungen ein gefährliches Unterfangen. Die Koblenzer Rheinstrom-Bauverwaltung griff deshalb auf eine Erfindung zurück, die im Prinzip schon seit dem Mittelalter bekannt war: die Taucherglocke. Mit ihrer Hilfe war es möglich, trockenen Fußes in einigen Metern Tiefe auf dem Grund eines Flusses zu arbeiten, um dort Felsen zu zerkleinern oder die Fahrrinne zu vertiefen. In England waren solche Vorrichtungen schon seit dem 15. Jahrhundert beim Ausbau der Themse zum Einsatz gekommen. Das noch 1847 von Gotthilf Hagen in seinem "Handbuch der Wasserbaukunst" beschriebene Prinzip der ersten Taucherglocken war relativ einfach:

"Die Glocke besteht aus der Verbindung einer Decke mit Seitenwänden, die wasserdicht und hinreichend stark sind. Der umschlossene Raum ist unten offen, woher die Glocke beim tieferen Versenken durch die ursprünglich darin enthaltene Luft nicht ganz angefüllt bleibt, vielmehr tritt bei zunehmender Verdichtung immer mehr Wasser hinein.  Wenn man aber auch während des Versenkens der Glocke soviel Luft hineinleitet, daß sie damit fortwährend gefüllt bleibt, so nimmt diese Luft denselben Grad der Verdichtung an, welcher dem Wasserdruck  in der Höhe der Basis der Glocke entspricht."

Taucherglocken waren in der Regel am Schiffsbug angebracht und wurden durch handbetriebene Pumpen mit Luft versorgt.

Der Coulombsche Taucherschacht

Charles Augustin de Coulomb (1736-1806)

Perfektioniert wurde dieses System im 18. Jahrhundert, und zwar von dem französischen Ingenieur Charles Augustin Coulomb (1736-1806). Er gilt als der eigentliche Erfinder der Taucherschächte vom Typ des "Kaiman". Eine wesentliche Neuerung bestand darin, die Glocke nicht am Bug, sondern in der Mitte des Schiffes anzubringen, wo sie innerhalb einer Schachtkonstruktion herabgelassen und wieder heraufgezogen werden konnte. Ihr oberer Teil blieb dabei immer über dem Wasserspiegel, was die Zufuhr von Druckluft erleichterte. Zudem konnte das Schiff nun stabil über der herabgelassenen Glocke "stehen". Der Siegeszug der Coulombschen Taucherschächte setzte allerdings erst mit der Erfindung der Dampfmaschine ein, die es seit dem Beginn des 19. Jahrunderts ermöglichte, sowohl die Luftpumpen als auch die schweren Bohrer, mit denen man auf dem Grund des Flusses arbeitete, mechanisch zu betreiben. Einen eigenen Antrieb hatten die Coulombschen Taucherschächte nicht. Sie wurden von einem Schlepper jeweils von Einsatzort zu Einsatzort gebracht.

Taucherschächte auf dem Rhein

Im Jahr 1859 wurde der erste Coulombsche Taucherschacht auf dem Rhein zu Wasser gelassen. In den Jahren darauf wurde eine ganze Flotte solcher Apparate angeschafft; der "Kaiman" war der fünfte und letzte in dieser Reihe. Bei seiner Taufe im Jahr 1892 erhielt er übrigens den Namen "Kaiser Wilhelm".  Viele Jahre wurden mit seiner Hilfe vor allem Felsbrocken vom Grund des Rheins entfernt, bis nach den beiden Weltkriegen gefährlichere Aufgaben auf ihn warteten. Zusammen mit seinem 1890 erbauten Schwesternschiff "Krokodil" schaffte der mittlerweile umbenannte "Kaiman" nach dem II. Weltkrieg Fliegerbomben und Trümmer aus dem Rhein. Als in den 1960er Jahren der Rheinausbau in Angriff genommen wurde, leisteten die beiden Taucherschächte gute Dienste. Technisch gesehen wäre der "Kaiman" auch heute noch voll einsatzfähig. Daß er im Jahr 2006 stillgelegt wurde, liegt vor allem daran, daß sein Betrieb zu teuer geworden ist. Seine Aufgaben werden mittlerweile von dem Tauchglockenschiff "Carl Straat" wahrgenommen, das allerdings anders konstruiert ist als der klassische Coulombsche Taucherschacht. Es bleibt zu hoffen, daß der "Kaiman" als ein anschauliches Stück Technikgeschichte auch in Zukunft erhalten wird.

NACHWEISE

Verfasser: Sarah Spieß
Erstellt am:
22.03.2009
Verwendete Literatur
:

  • Andreas Kutscher: Taucherschacht Kaiman - brillante Technik des letzten Jahrhunderts. In: Der Ingenieur 1 (2008). S. 25-29.
  • Friedrich Ulbricht: Taucherschächte am Rhein oder zur Mechanisierung des Wasserbaus. In: Beiträge zur Rheinkunde 30 (1978). S. 11-22.