Martinstein im Naheland

Geschichte von Martinstein

0.1.1. Archäologischer Fund

Abb. 01: Römerzeitlicher Fund [Bild: Klaus Heimer]

Den ersten und bislang einzigen archäologischen Fund in der Martinsteiner Gemarkung entdeckte man im Jahre 1984. Es handelte sich um ein Steinkistengrab aus der Mitte des ersten Jahrhunderts n. Chr. An Beigaben konnten ein Tonkrug mit Henkel, ein Glasgefäß und eine Öllampe geborgen werden. [Anm. 1]

0.2.2. Entstehung von Burg und Siedlung

Martinstein zählt zu den wenigen Gemeinden, über deren Entstehung wir durch eine Urkunde genau unterrichtet sind. Dieses Dokument vom 9. Juli 1342 beendete die sogenannte Dhauner Fehde, an der fast alle Herrscher des Nahegebietes beteiligt waren.

Begonnen hatte die Fehde mit einem Streit um die Erbschaft des Wildgrafen Heinrich von Schmidburg (gest. 1329) zwischen dem Wildgrafen Johann von Dhaun (gest. 1350) und dem Trierer Erzbischof Balduin (1307-1354). Dem Trierer Kirchenfürsten gelang es, neben zahlreichen Grafen und Rittern auch seinen mächtigen Bischofskollegen aus Mainz als Verbündeten zu gewinnen. Um die Erfolgsaussichten zu erhöhen, errichteten die Erzbischöfe gemeinsam zwei Burgen, welche dem Wildgrafen von Dhaun den Zugang zum unteren Nahetal versperren sollten. Strategisch geschickt wählten sie als Standorte zwei Felsmassive ober- und unterhalb der Mündung des Simmerbaches, wo die Nahe auf der linken Uferseite nur einen schmalen Pass zur Durchfahrt freilässt.

Die Burg Johannesberg am oberen Ende des Passes bekam später der Trierer Erzbischof zugesprochen, während die westliche Festung in den Besitz des Mainzer Kirchenfürsten überging und von diesem in Anlehnung an den Bistumspatron den Namen Martinstein erhielt.

Abb. 02: Martinstein an der Nahe[Bild: G. Kneib]

Die Fehde wurde im Jahre 1340 unter Vermittlung von Kaiser Ludwig IV. (1314-1347) beendet. Der eigentliche Friedensschluss erfolgte allerdings erst zwei Jahre später und fiel in die Zeit der Anlage der Stadt Martinstein. Wörtlich heißt es in der Urkunde des Mainzer Erzbischofs Heinrich (1328-1446): "Und ist geredet um unser Burg zu Martenstein und die Stadt, die wir itzund darunter griffen und anfangen zu bauen.“

So entstand ab 1342 am Fuße der Burg eine Siedlung, welche im Jahre 1359 mit einer Mauer eingegrenzt und im 14. Jahrhundert oft als "Stadt" bezeichnet wurde. Seit 1388 verwenden die historischen Quellen fast nur noch die Redewendung "Schloss und Tal Martinstein". Lediglich eine Urkunde von 1403 bildet hier eine Ausnahme: Sie spricht vom „Schloss und Stettgen Mertenstein".

Da die Geldnöte der Mainzer Erzbischöfe einem zügigen Ausbau der Burg Martinstein im Wege standen, übertrugen sie die Fertigstellung und Burghut an finanzkräftige Adlige des Nahegebietes. Besondere Verdienste um den Ausbau von Martinstein erwarb sich Ritter Antilmann von Grasewege als Burggraf und Amtmann von Böckelheim (1349-1387). Er ließ, da in der Burg kein Kriegsvolk mit Pferden untergebracht werden konnte, eine Mauer um die Wohnsiedlung errichten, einen Brunnen in der Burg anlegen und das noch fehlende Stück der Burgmauer fertigstellen. [Anm. 2]

Die ausgebaute Festigungsanlage ist sehr anschaulich auf einer Abbildung aus dem Jahre 1559 festgehalten. Siedlung und Burg sind von einer Ringmauer umgeben. Die Siedlung im engen Tal ist durch zwei befestigte Eingangstore passierbar, denen Schlagbäume vorgelagert sind. An der Straße nach Simmertal erkennt man zusätzlich ein Pförtnerhaus und einen Brunnen. Auf der Ostseite stehen vor dem Dorf die Marienkapelle, die Lohmühle und die „Mertensteiner Mühle“. Auf dem Berg hinter der Burg führt eine Brücke zu Ställen und einem Brunnenhaus. Die Ökonomiegebäude der Burg sind aber auch über einen Weg von Martinstein aus erreichbar. [Anm. 3]

Abb. 03: Martinstein 1559[Bild: StA Würzburg: Mzr. Risse u. Pläne 291]

0.3.3. Pfandobjekt der Mainzer Erzbischöfe

Abb. 04: Martinstein auf einem Flugblatt von Spinola.[Bild: Sammlung von Hans-Eberhard Berkemann]

Für die Dienste des Ehepaares von Grasewege wurden diesen Burg und Siedlung Martinstein sowie ein Teil der Bede der Stadt Sobernheim pfandweise überlassen.

Das Paar blieb kinderlos, sodass Martinstein nach dem Ableben der Witwe im Jahre 1388 wieder an das Mainzer Erzstift zurückfiel. Dieses verpfändete Martinstein kontinuierlich an ständig wechselnde Pfandnehmer.

Philipp Erwein von Schönborn (1607-1668) gelang es, in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts Martinstein vom Mainzer Erzstift käuflich zu erwerben und somit unmittelbarer Herr des Nahedorfes zu werden. Zustatten kam ihm hierbei der Umstand, dass damals sein Bruder Johann Philipp das Mainzer Kurfürstenamt (1647-1673) innehatte. Die Schönborner waren fortan die Herren der "unmittelbar reichsritterschaftlichen Herrschaft Martinstein". [Anm. 4]

Wie alle Dörfer im Nahetal musste auch Martinstein häufig unter Kriegsereignissen leiden. Stellvertretend sei nur die Eroberung durch Ambrosio Spinola (1569-1630) im Jahre 1620 erwähnt, weil dieser die Siedlung und Burg Martinstein in der Serie seiner eroberten Orte auf Flugblättern darstellen ließ. Dabei handelt es sich um eine typisierte Ansicht. [Anm. 5]

0.4.4. Die Herrschaft Martinstein

Abb. 05: Die Gemarkung auf einer Skizze von 1747[Bild: LHA Koblenz: 33/555, fol. 199]

Martinstein besaß zunächst keine eigene Gemarkung. Erst im 16. Jahrhundert wurde diese endgültig festgelegt.

 

 

Abb. 06: Die Martinsteiner Herrschaft im 18. Jh. [Bild: G. Kneib]

Im Laufe der Jahrhunderte war es den Pfandherren gelungen, die Herrschaft Martinstein durch Erbschaften und Ankäufe immer wieder um Güter und Pfründe in den Nachbargemeinden zu erweitern.

Im Jahre 1771 zählten zur Herrschaft Martinstein folgende Untertanen: 21 Haushalte (d. h. alle) aus Martinstein, 20 Haushalte (von 57) aus Seesbach, 18 Haushalte (von 72) aus Weiler, 5 Haushalte (von 9) aus Horbach sowie die Erbbeständer der Gänsmühle, des Gonratherhofes und eines Hofes in Weitersborn. Neben der Alleinherrschaft in dem Dorf und der Gemarkung von Martinstein besaßen die Ortsherren Grundbesitz und verschiedene Rechte in Merxheim, Weiler, Pferdsfeld, Seesbach, Weitersborn, Kellenbach und Horbach. [Anm. 6]

0.5.5. Ortsgeschichte nach der Französischen Revolution

Abb.: 07: Hauptstraße vor der Straßenerweiterung[Bild: Pfarrarchiv]

Mit der Eroberung des linksrheinischen Gebietes durch die französischen Revolutionstruppen musste die Herrschaft Martinstein kurz vor 1800 einer politischen Neuordnung weichen. Es wurde während der napoleonischen Herrschaft der Mairie Monzingen zugeordnet, welche einen Teil des Kantons Sobernheim bildete und im Department Rhein-Mosel lag. Beim Wiener Kongress wurde das damals ca. 130 Einwohner zählende Dorf mit Monzingen dem Königreich Preußen zugeschlagen und wird seit dieser Zeit von der Bürgermeisterei Monzingen mitverwaltet.

Zu den für die Gemeinde bedeutsamsten Ereignissen des 19. Jahrhunderts gehörten die Errichtung der steinernen Brücke über die Nahe im Jahre 1850 und der Bau der Eisenbahnstrecke Kreuznach-Saarbrücken Ende der 1850er Jahre.

Einwohnerentwicklung

Anzahl Einwohner
1815 132
1835 202
1871 188
1905 194
1939 294
1950 345
1983 386
1989 338
2005 341
2015 301
2020 256 [Anm. 7]

Im 20. Jahrhundert veränderte die Erweiterung der Bundesstraße 41 in den Jahren 1952/53 tiefgreifend das Ortsbild, da dieser Baumaßnahme die Gebäude auf dem Streifen zwischen Straße und Nahe zum Opfer fielen. Betroffen waren zahlreiche steinerne Häuser des 16. und 17. Jahrhunderts. [Anm. 8]

Mit der Verwaltungsreform von 1970 wurde Martinstein Teil der Verbandsgemeinde (Bad) Sobernheim. Diese fusionierte 2019 mit der Verbandsgemeinde Meisenheim zur neuen Verbandsgemeinde Nahe-Glan.

 

NACHWEISE

Verfasser (Text): Gottfried Kneib

Redaktionelle Bearbeitung: Marion Nöldeke

Verwendete Literatur:

  • Fabricius, Wilhelm: Erläuterungen zum geschichtlichen Atlas der Rheinprovinz, Bd.6: Die Herrschaften des unteren Nahegebietes. Der Nahegau und seine Umgebung (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde, Bd. 12). Bonn 1914, S. 95-98.
  • Freckmann, Klaus: Burgen an der Nahe – Kulturgeschichte als bildliche Darstellung. In: Kultur- und Geschichtslandschaft Nahe – Hunsrück. Festgabe für Werner Vogt, hg v. Füllmann, Joachim, Herrmann, Heinz und München, Wolfgang. Kirn 1994, S. 111-118.
  • Kneib, Gottfried: Martinstein - seit 1340/42. Die Geschichte der Burg, der Gemeinde und der katholischen Pfarrei. In: Bad Kreuznacher Heimatblätter 2003, Heft 1: S. 1-4, Heft 2: S. 5-8 u. Heft 3: S. 10f.
  • Mohr, Wolfgang: Der Landkreis Bad Kreuznach in alten Ansichten. Bad Kreuznach 1984, S. 238-250.
  • Nikitsch, Eberhard J.: Die Inschriften des Landkreises Bad Kreuznach (Die Deutschen Inschriften, Bd. 34. Mainzer Reihe, Bd. 3). Wiesbaden 1993.
  • Reiniger, Wolfgang: Stadt- und Ortsansichten des Kreises Bad Kreuznach. 1523-1899. Bad Kreuznach 1990, S. 325f.
  • Schneider, Konrad: Versuch einer Geschichte der Veste Martinstein und ihrer Besitzer. In: Wetzlarische Beiträge für Geschichte und Rechtsalterthühmer, 2. Bd., Halle 1845, S. 27-52.
  • Toepfer, Friedrich: Martinstein. In: ders.: Urkundenbuch für die Geschichte des gräflichen und freiherrlichen Hauses der Vögte von Hunolstein, 3. Bd., Nürnberg 1867, S. 455-464.
  • VG Sobernheim [Hrsg.]: Verbandsgemeinde Sobernheim – Bilder aus vergangenen Tagen. Horb 1990, S. 61-68.
  • Weidenbach, A. J.: Das Nahethal. historisch und topographisch. Coblenz 1870 [= Rheinischer Antiquarius, Bd. II 18], S. 529-545.
  • Zimmermann, Walter: Die Kunstdenkmäler des Kreises Kreuznach (Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Bd. 18 Abt. 1). Düsseldorf 1935 (unveränderter Nachdruck 1985), S. 223-225.

Weitere Literatur:

  • Beuscher, Hugo: Seesbach - Geschichte eines Dorfes am Soonwald. Bad Kreuznach 1991, S. 27 u. 175.
  • Fabricius, Wilhelm: Erläuterungen zum geschichtlichen Atlas der Rheinprovinz, Bd. 5: Die beiden Karten der kirchlichen Organisation, 1450 und 1610, 2. Hälfte: Die Trierer und Mainzer Kirchenprovinz (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde, Bd. 12). Bonn 1913, S. 392f.
  • Fickinger, Jakob: Ein alter Vertrag über die Nutzung und Vererbung von Haus und Gut in Martinstein und Merxheim im Jahre 1442. In: Naheland-Kalender 1977, S. 49f.
  • Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz [Hrsg.]: Nachrichtliches Verzeichnis der Kulturdenkmäler Kreis Bad Kreuznach. Bad Kreuznach 1987, S. 47.
  • Gräff (Pfr.): Aus der Bedrückungszeit der evangelischen Gemeinde Martinstein. In: Verhandlungen der Kreissynode Sobernheim auf ihrer Tagung zu Hennweiler am 2. und 3. Juni 1929. Sobernheim 1929, S. 47-52.
  • Küstner, K[urt] Herbert: Die Kausalien der kath. Pfarrei Martinstein, 1823. Haan 1991.
  • Küstner, K[urt] Herbert: Einwohner in Martinstein (Nahe) 1597-1900 (Genealogie im Nahe-Hunsrückraum – Heimatkundliche Schriftenreihe der Verbandsgemeinde Kirn-Land, Bd. 14). Haan 1887.
  • Lorenzi, Philipp de: Beiträge zur Geschichte sämtlicher Pfarreien der Diöcese Trier, Bd. 2, Regierungsbezirk Coblenz. Trier 1887, (unveränderter Nachdruck 1984), S. 453-455.
  • Ohlmann, M[ichael]: Martinstein an der Nahe und seine Gründung. In: Naheland-Kalender 1954, S. 53.
  • Reisek, Julius: „Nahefluß plötzlich angeschwollen“ – Hochwasserschäden in Kirn, Martinstein und Kreuznach 1843-46. In: Bad Kreuznacher Heimatblätter 2008, S. 46f.
  • Schaus, Emil: Stadtrechtsorte und Flecken im Regierungsbezirk Koblenz. In: Rheinische Heimatpflege 9 (1937) Heft 3, S. 407].
  • Seibrich, Wolfgang: Die Entwicklung der Pfarrorganisation im linksrheinischen Erzbistum Mainz (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte, Bd. 29) Mainz 1977, S. 224f.
  • Vogt, Werner: Verbandsgemeinde Sobernheim. In: Naheland-Kalender 1978, S. 187-189.
  • Voigtländer, Karl: Das Nahetal – Vom Ursprung der Nahe bis zu ihrer Mündung – 22 Lithographien nach der Natur aufgenommen von Johann Caspar Scheuren. Frankfurt a.M. 1976, S. 44f.

Erstellt am: 20.06.2022

Anmerkungen:

  1. VG Sobernheim 1990, S. 68.  Zurück
  2. Kneib 2003, S. 1. Zurück
  3. Freckmann 1994, S. 114f.  Zurück
  4. Fabricius 1914, S. 95-97 / Schneider 1845, S. 31-45 / Toepfer 1867, S. 461-464 / Weidenbach 1879, S. 531 u. 533-539 / Kneib 2003, S. 2.  Zurück
  5. Reiniger 1990, S. 226.  Zurück
  6. Toepfer 1867, S. 455-460 / Fabricius 1914, S. 95-97 / Schneider 1845, S. 39-42 / Weidenbach 1879, S. 542f. u. 544f. / Kneib 2003, S. 2f.  Zurück
  7. Mohr 1990, S. 62.  Zurück
  8. Zimmermann 1935, S.225 / VG Sobernheim 1990, S. 63f. / Nikitsch 1993, S. 293f.  Zurück