Holzappel im Rhein-Lahn-Kreis

Zur Geschichte von Holzappel

Die Gegend um Holzappel war auch schon lange vor Gründung der heutigen Gemeinde bewohnt. Der Grund für die Besiedlung, auf die mehrere Hügelgräber aus der Hallstattzeit (ca. 750–500 v. Chr.) hinweisen, liegt wohl nicht zuletzt in der Tatsache, dass sich mehrere Straßen bei Holzappel kreuzten.[Anm. 1]

Im Jahr 939 findet Holzappel unter der Bezeichnung „Astine“ zum ersten Mal in einer Urkunde Erwähnung. Der Ort ist Teil des Engersgaus und Mittelpunkt der Esterau.[Anm. 2] Die Existenz einer Kirche in Holzappel ist seit dem Jahr 1198 belegt. 1266 wird eine Pfarrei erwähnt. Zum Kirchspiel gehörten, so eine Urkunde aus dem Jahr 1345, auch Horhausen, Langenscheid und Laurenburg.[Anm. 3]

Herren der Esterau waren die Grafen von Nassau. Diese hatten zunächst als Grafen von Laurenburg ihren Sitz auf der gleichnamigen Burg. Nach der Erbteilung der Nassauischen Besitzungen 1255 in eine ottonische und eine walramische Linie wechselte die Esterau und damit auch Holzappel mehrfach ihren Besitzer. Herrscher waren Nassau-Dillenburg, Diez, Eppstein, Katzenelnbogen und Hessen. 1631 gelangte Holzappel in den Besitz des Fürsten Johann Ludwig von Nassau-Hadamar, der die Esterau aber schon 1643 aus Geldnot veräußerte. Peter Melander erwarb die Esterau sowie die Vogtei Isselbach-Eppenrod und vereinigte beide zur „Grafschaft Holzappel“.[Anm. 4]

Holzappel hatte bereits im ausgehenden Mittelalter zentrale Bedeutung für das Umland, unter anderem als Sitz des Estengerichts. Diese zentrale Bedeutung verstärkte sich nun als Hauptort der Grafschaft. Reichsgraf Peter Melander starb bereits 1648. Unter seiner Tochter Elisabeth Charlotte wurde Holzappel zur Stadt erhoben. Damit einher ging die Einräumung des Markt- und Zunftrechts sowie die Aufhebung der Leibeigenschaft. Die Erhebung zur Stadt bedeutete den Startpunkt für eine Blütezeit des Handwerks und Gewerbes. Damit einher ging ein für die Frühe Neuzeit (etwa 1500–1800) rasantes Bevölkerungswachstum. 1680 hatte Holzappel noch nur 34 Einwohner beherbergt, im Jahr 1800 waren es bereits 700. Spätestens seit 1697, wahrscheinlich aber auch schon zuvor, verfügte Holzappel auch über eine Schule.[Anm. 5]

Zu diesem Bevölkerungswachstum trugen auch protestantische Glaubensflüchtlinge bei, die zwischen 1687 und 1700 in der Esterau ankamen. Fürstin Elisabeth Charlotte ließ sich bei deren Anwerbung von wirtschaftlichen Überlegungen – nach dem Dreißigjährigen Krieg lag noch einiges Land brach – und eigenen Glaubensüberzeugungen leiten. Von den etwa 400 Flüchtlingen, die sich in vier Schüben in die Esterau begaben, blieben am Ende etwa 100 Personen.[Anm. 6]

1707 starb Fürstin Elisabeth Charlotte. Die Grafschaft ging an das Haus Anhalt-Bernburg über. Enorm große Bedeutung erlangte schließlich der Bergbau. Ab 1751 wurden in der Grube Holzappel Blei-, Zink-, Silber- und Kupfererze gefördert. Die Grube, die bis 1952 in Betrieb war, beschäftigte zu Spitzenzeiten bis zu 900 Menschen. Eine wichtige Rolle im Wirtschaftsleben kam allerdings weiterhin der Landwirtschaft zu. Im 18. Jahrhundert verdient hier die Einführung der Kartoffel Erwähnung. Zudem wurde an den Lahnhängen bis ins 19. Jahrhundert hinein noch Weinbau betrieben. Zum Ende des 18. Jahrhunderts entstand in Holzappel zudem eine jüdische Gemeinde.[Anm. 7]

1806 fiel die Grafschaft und damit auch die Stadt Holzappel an das Herzogtum Nassau. Mitte des Jahrhunderts geriet der Aufschwung ins Stocken. Das Handwerk geriet zunehmend in Schwierigkeiten, Landflucht setzte ein, und auch die Förderung von Erzen in der Grube erlebte eine „Flaute“. Folge waren unter anderem eine größere Zahl von Auswanderern. Ziel der Auswanderer war nicht nur Nordamerika, sondern auch das erzreiche Lothringen.[Anm. 8]

Die Bevölkerungsentwicklung spiegelt diese wirtschaftlichen Schwierigkeiten wider. So fiel das Wachstum im 19. Jahrhundert in Holzappel vergleichsweise gering aus.1815 hatte die Stadt 715 Einwohner, 1835 war die Zahl von 935 Einwohnern erreicht, die aber in der Folge im Sinken begriffen war.[Anm. 9]

Ein Wachstum erlebte hingegen die jüdische Gemeinde Holzappel. Diese umfasste 1843 bereits 28 Mitglieder. Ein Mitglied dieser Gemeinde wurde 1861 stellvertretender Bürgermeister der Stadt.[Anm. 10]

1866 wurde in Holzappel, zum ersten Mal seit 200 Jahren, in einer zur Kapelle umgewidmeten Scheune ein katholischer Gottesdienst abgehalten. Die Rückkehr des Katholizismus war vornehmlich auf zahlreiche österreichische und italienische Gastarbeiter zurückzuführen. 1878 wurde eine neue Kapelle errichtet, die allerdings so mangelhaft war, dass bereits kurze Zeit später Instandsetzungsarbeiten nötig wurden. 1889 wurde die katholische Einrichtung, die bis dato nur den Status einer Missionsstation gehabt hatte, zur Pfarrei erhoben.[Anm. 11]

Das Herzogtum Nassau wurde 1866 von Preußen annektiert. 1885 verlor Holzappel im Zuge der neuen preußischen Kreisordnung auch seine Stadtrechte. Mit der Wende zum 20. Jahrhundert setzte aber ein neuer Aufschwung ein. 1904 wurde Holzappel elektrifiziert, 1909 zudem eine Wasserleitung eingerichtet.[Anm. 12]

Im Ersten und Zweiten Weltkrieg verloren 62 Holzappeler an der Front ihr Leben. Von der Weltwirtschaftskrise war Holzappel stark betroffen. Im Mai 1931 stellte die Grube Holzappel den Betrieb ein. Zudem war ein Aufflammen des Antisemitismus zu beobachten. Im März 1931 wurden Hakenkreuze vor den Wohnungen einzelner Juden aufgestellt.[Anm. 13]

Über die Zeit des Nationalsozialismus selbst ist in Holzappel wenig bekannt, so dass weitere Forschungen wünschenswert erscheinen. Die Grube Holzappel erlebte allerdings noch einen kurzen Aufschwung und konnte einige Neueinstellungen verzeichnen, was wohl nicht zuletzt mit der nationalsozialistischen Autarkiepolitik erklärt werden kann.[Anm. 14]

Die evangelische Gemeinde war im Nationalsozialismus gespalten. Nur ein kleiner Kreis um den Pfarrer und die Gemeindeschwester können zur oppositionellen Bekennenden Kirche gerechnet werden.[Anm. 15] Die jüdischen Einwohner Holzappels verließen in der Zeit des Nationalsozialismus mehrheitlich die Stadt. Nur zwei Geschwister und eine Familie blieben noch in der Gemeinde, in der, wie in zahlreichen anderen Orten auch, am 10. November 1938 die Synagoge geschändet wurde. Im Holocaust wurden zehn Jüdinnen und Juden, die in Holzappel geboren worden waren oder dort ihren Wohnort hatten, ermordet.[Anm. 16]

Nach dem Weltkrieg hatte Holzappel zunächst mit den Wirkungen der Nachkriegszeit zu kämpfen. Neben den allgemeinen Schwierigkeiten, wie Mangel und Besatzung, waren auch die Lahnbrücken zerstört. Viele Vertriebene aus den Ostgebieten waren zudem aufzunehmen. 1952 schloss die Grube Holzappel zudem endgültig ihre Pforten.

Von diesen Rückschlägen hat sich die Gemeinde jedoch vergleichsweise schnell erholt. Ein Campingplatz am Herthasee sorgte bis 1973 für Einnahmen aus dem Tourismus. Ein im Anschluss geplanter „Ferienpark Herthasee“ konnte jedoch nicht realisiert werden. Seit 1969 gehört Holzappel zum Rhein-Lahn-Kreis, seit 1972 gehört Holzappel zur Verbandsgemeinde Diez. Holzappel hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg nach Norden und Osten ausgedehnt. Die Bevölkerung wuchs von 1950 bis 1994 von etwa 900 auf 1200 Einwohnerinnen und Einwohner, ist seitdem aber wieder auf etwa 1000 Einwohner zurückgegangen.[Anm. 17]

Verfasser: Christoph Schmieder

 

Verwendete Quellen und Literatur:

  • Arnsberg, Paul: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn. Darmstadt 1971.
  • Bundesarchiv (Hrsg.): Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945. Koblenz 2006.
  • Herrmann, Wolfgang: Kirche auf dem Weg durch die Zeiten. Die evangelische Kirchengemeinde Holzappel, in: Förderverein "Heimatmuseum Esterau" e.V. Holzappel (Hrsg.): Die Esterau. Aus der Geschichte einer ehemaligen Grafschaft, S. 146–153.
  • Keiling, Manfred: Keltische Hügelgräber und Ringwälle, in: Agnes Allroggen-Bedel (Hrsg.): Der Rhein-Lahn-Kreis. Landschaft, Geschichte, Kultur unserer Heimat, Oberwesel/Rhein 1987, S. 78–91.
  • Schmiedel, Willi: Astine - Esten - Holzappel. Die wechselvolle Geschichte der Hauptstadt der Esterau, in: Förderverein "Heimatmuseum Esterau" e.V. Holzappel (Hrsg.): Die Esterau. Aus der Geschichte einer ehemaligen Grafschaft, S. 39–55.
  • Schmiedel, Willi: Die Esterau - Land zwischen Lahn, Gelbach und Daubach. Aus der Vergangenheit der ehemaligen Grafschaft Holzappel, in: Förderverein "Heimatmuseum Esterau" e.V. Holzappel (Hrsg.): Die Esterau. Aus der Geschichte einer ehemaligen Grafschaft, S. 9–38.
  • Schmiedel, Willi: Die katholische Pfarrei Sankt Bonifazius Holzappel, in: Förderverein "Heimatmuseum Esterau" e.V. Holzappel (Hrsg.): Die Esterau. Aus der Geschichte einer ehemaligen Grafschaft, S. 154–161.
  • Schmiedel, Willi: Schulgeschichte der Esterau, in: Förderverein "Heimatmuseum Esterau" e.V. Holzappel (Hrsg.): Die Esterau. Aus der Geschichte einer ehemaligen Grafschaft, S. 162–170.
  • Schüler, Winfried: Das Herzogtum Nassau. 1806 - 1866 ; deutsche Geschichte im Kleinformat (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau, Bd. 75), Wiesbaden 2006.
  • Seibert, Hubertus: Der Aufstieg des Nationalsozialismus im Rhein-Lahn-Kreis (1925-1933), in: Agnes Allroggen-Bedel (Hrsg.): Der Rhein-Lahn-Kreis. Landschaft, Geschichte, Kultur unserer Heimat, Oberwesel/Rhein 1987, S. 219–251.
  • Simon, Heinz: Französische Glaubensflüchtlinge in der Esterau, in: Förderverein "Heimatmuseum Esterau" e.V. Holzappel (Hrsg.): Die Esterau. Aus der Geschichte einer ehemaligen Grafschaft, S. 230–256.

Zuletzt geändert: 07.07.2020

Anmerkungen:

  1. Keiling, S. 81–87. Zurück
  2. Schmiedel, S. 9. Zurück
  3. Herrmann, Kirche, S. 147–149. In den folgenden Jahrhunderten ändert sich dies jeweils in der Überlieferung. So werden 1544 Dörnberg, Geilnau und Langenscheid mit Kapellen sowie Obernhof genannt. Eine erste vollständige Beschreibung stammt aus dem Jahr 1563, als die reformierte Konfession eingeführt wurde: Bergerhof, Billenstein, Hof Bruchhausen, Dörnberg, Geilnau, Giershausen, Horhausen, Kalkofen, Hof Kirchayner, Langenscheid, Laurenburg, Obernhof, Scheidt, Hof zum Hane. Zurück
  4. Schmiedel, Esterau, S. 14; Schmiedel, Astine, S. 39. Zurück
  5. Schmiedel, Esterau, S. 16, S. 27–30; Schmiedel, Astine, S. 39, S. 47–49; Schmiedel, Schulgeschichte, S. 162. Zurück
  6. Simon, S. 231–233, S. 236, S. 255. Zurück
  7. Schmiedel, Esterau, S. 27-30. Zurück
  8. Schüler, S. 14f.; Schmiedel, Astine, S. 50f. Zurück
  9. https://infothek.statistik.rlp.de/MeineHeimat/tscontent.aspx?id=103&l=3&g=0714103059&tp=1027&ts=tsPop01 Zurück
  10. Arnsberg, Gemeinden, Bd. 1, S. 384; Der Israelit. Centralorgan für das orthodoxe Judentum. (10. April 1861). S. 181. Online verfügbar unter: http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/2446999 (15.04.2020). Zurück
  11. Schmiedel, Kirche, S. 155–160. Zurück
  12. Schmiedel, Astine, S. 51. Zurück
  13. Seibert, Aufstieg, S. 259. Zurück
  14. Seibert, Aufstieg, S. 242. Zurück
  15. Herrmann, Kirche, S. 149. Zurück
  16. Arnsberg, Gemeinden, Bd. 1, S. 384f.; Bundesarchiv (Hg.): Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945. Koblenz 2006. Online verfügbar unter: https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/intro.html.de (15.0.2020). Zurück
  17. Schmiedel, Astine, S. 54f.; Statisches Landesamt https://infothek.statistik.rlp.de/MeineHeimat/tscontent.aspx?id=103&l=3&g=0714103059&tp=1027&ts=tsPop01 (15.04.2020). Zurück