Kemmenau im Rhein-Lahn-Kreis

Zur Geschichte von Kemmenau

0.1.Frühe Besiedlungsspuren in Kemmenau

Die Gemeinde Kemmenau liegt zwischen Bad Ems und Dausenau im Rhein-Lahn-Kreis in Rheinland-Pfalz. Die Geschichte des Ortes ist zu großen Teilen noch unerforscht. Vorrömische Spuren lassen sind in Kemmenau durch einen Ringwall „Auf der First“[Anm. 1] nachweisen. Im 1. Jahrhundert n. Chr. besiedelten die Römer den heutigen Rhein-Lahn-Kreis. Zur Befestigung und zum Schutz der Außengrenze ihres Reiches legten sie den Limes sowie Kastelle, darunter in Ems und Arzbach, an.[Anm. 2] Wenige Meter hinter dem Dorf Kemmenau ist der Limes noch heute deutlich erkennbar. Eine Straße, die an Kemmenau entlangläuft und in den Westerwald führt wurde bereits von den Römern genutzt. Mitte des 3. Jahrhunderts n.Chr. verließen die Römer die Rhein-Lahn-Region und gaben den Limes auf.[Anm. 3] In den folgenden Jahrhunderten durchzogen nur selten Menschen die Region.

0.2.Mittelalter

0.2.1.Die erste urkundliche Erwähnung

Erstmals erwähnt wird Kemmenau um 1320. [Anm. 4] Wie viele andere Ortschaften könnte auch Kemmenau einige Jahrhunderte länger bestehen als ihre urkundliche Ersterwähnung vorgibt. Der Name des Ortes gibt möglicherweise Hinweise auf das Alter des Ortes: Kemmenau könnte sich vom „Kemmenate“ ableiten, dass ein alleinstehendes Gebäude, eine kleine Burg oder ein Zimmer mit Kamin bedeuten kann, so Hans-Jürgen Sarholz. [Anm. 5] Dass es Hinweise auf ein „befestigtes Haus an der alten Straße von Bad Ems in den Westerwald“ [Anm. 6] gab, lasse auf die ersteren beiden Namensbedeutungen schließen, so Sarholz. [Anm. 7] Als Siegfried von Cramberg um 1361 ‚seine Güter zu Pützbach und den Zehnten zu Kemmenaw dem Abt Wilhelm von Arnstein verkaufte‘ [Anm. 8] wird der Ort erneut erwähnt. In den folgenden Jahrhunderten verändert sich der Name nur wenig: Kemmenad, Kemmayd (1490), Kemmnad (1516) Kemnait, Kemenaw und Kemmenau (16. Jahrhundert). [Anm. 9] Der größere Teil des Dorfes lag oberhalb der zuvor erwähnten Straße und gehörte im Mittelalter zur Vogtei Ems. Damit unterstand dieser Teil Kemmenaus den Grafen von Nassau sowie den Landgrafen von Hessen und wurde demnach zweiherrisch verwaltet. Der untere kleinere Teil des Dorfes gehörte zum benachbarten Ort Dausenau und wurde durch das dreiherrische Nassau verwaltet. [Anm. 10] Obwohl die Gemeinde verwaltungstechnisch aufgeteilt war, lag sie nicht in unmittelbarer Nähe zu den beiden Nachbarorten. [Anm. 11] Als die Gemeinde Dausenau um 1348 Stadtrechte verliehen bekam und berechtigt war den Ort durch eine Stadtmauer zu befestigen, Märkte auszurichten und ein Gericht abzuhalten, brachte dies auch für Kemmenau Veränderungen mit sich. Die niedere Gerichtbarkeit wurde nicht nur in Dausenau selbst ausgeübt, sondern auch in einigen Nachbarorten wie Zimmerschied sowie im Dausenauer Teil von Kemmenau. [Anm. 12] Um die Kirche zu besuchen oder um in die Schule zu gehen mussten sich die Kemmenauer*innen ebenfalls an der jeweiligen Verwaltungszugehörigkeit orientieren. [Anm. 13]

0.3.Frühe Neuzeit

0.3.1.Die Reformation - Eine Glaubensfrage?

Im 16. Jahrhundert wurden Ems, Dausenau und Kemmenau reformiert und somit die protestantische Glaubenslehre eingeführt. [Anm. 14] Dass diese Entscheidung nicht von den Einwohner*innen, sondern von den Landesherren getroffen wurde, wird am Beispiel von Dausenau deutlich:

Um 1517 herrschten die Grafen Wilhelm von Dillenburg, Philipp von Nassau-Weilburg und Philipp von Nassau-Idstein über die Grafschaft Nassau. Sie mussten gemeinsam entscheiden ob und inwiefern sie ihre Gemeinden reformieren wollten. [Anm. 15] Da es in Glaubensfragen seit jeher Schwierigkeiten gab zwischen mehreren Parteien eine schnelle Entscheidung zu treffen, kam es in der Grafschaft Nassau nie zu einer „zeitlich einheitlichen Reformation des kirchlichen Lebens“. [Anm. 16] Erst am 18. März 1538 legten sie fest „die Priesterschaft zu reformieren, die Mißbräuche abzustellen und eine christliche Ordnung aus Gottes Wort fürzunehmen“. Ein weiteres halbes Jahr dauerte es eine Konferenz einzuberufen, in der die Grafen beschlossen „grundsätzlich die Kirche zu reformieren“. Inwiefern dies umgesetzt werden sollte führte wiederum zu abweichenden Meinungen. Am 16. Oktober 1538 sandten die „Vertreter von Nassau-Dillenburg und Nassau-Weilburg, die Reformatoren Erasmus Sarcerius und Henricus Romanus nach Dausenau und informierten die Gemeindemitglieder in der Kirche, ebenfalls über die Abmachungen zur Einführung der Reformation und die Absicht ihrer Landesherrn, künftig auch in Dausenau Gottesdienst und Gemeindeleben neu zu ordnen“. [Anm. 17] Seit diesem Tag ist Dausenau lutherisch reformiert.

0.3.2.Kriege in der Frühen Neuzeit

Durch den Dreißigjährigen Krieg wurde das Lahntal schwer verwüstet. Über die Nachbargemeinde Dausenau ist  bekannt, dass mehrfach die Stadtmauer durch Kriegsschäden ausgebessert werden musste. Besonders um 1636 und 1637 kam es zu Plünderungen und Hungertoten. [Anm. 18] Da sich die Einwohner*innen kleinerer unbefestigter Dörfer nicht schützen konnten, flohen sie in die größeren und nahegelegenen Städte, wie Braubach und Lahnstein. Die Kemmenauer*innen verließen in den Jahren 1636 und 1637 ihr Dorf und versuchten sich im benachbarten und vor allem befestigten Dausenau zu schützen. [Anm. 19] Wie es den Kemmenauer*innen in den folgenden Kriegen wie dem Pfälzischen Krieg (1688 bis 1697), im Spanischen Erbfolgekrieg (1701 bis 1713/14) oder im Österreichischen Erbfolgekrieg (1740 bis 1748) erging, wird in der verwendeten Literatur nicht erwähnt. Da die Nachbarorte Ems und Dausenau jedoch immer wieder Soldaten einquartieren und verpflegen mussten, und ebenso von feindlichen Truppen geplündert wurden, ist anzunehmen, dass diese vor dem ungeschützten, landwirtschaftlich geprägten Kemmenau nicht Halt machten. Über die Größe des Dorfes Kemmenau gibt es erst im 17. und 18. Jahrhundert Aufzeichnungen. Aus diesen wird zunächst einen Bevölkerungsabnahme zwischen 1629 und 1658 ersichtlich: Während um 1629 im Emser Teil von Kemmenau „fünf Haushalte“ [Anm. 20] wohnten, werden um 1658 nur noch drei Haushalte erwähnt. Auf der Dausenauer Seite wird in denselben Jahren jeweils nur ein Haushalt erwähnt. [Anm. 21] Ab Mitte der 1660er Jahre stieg das Bevölkerungswachstum in beiden Teilen Kemmenaus erheblich an. [Anm. 22] Vermutlich wurde das Dorf aufgrund dieses Bevölkerungswachstums immer eigenständiger: Während um 1700 eine eigene Schule in Kemmenau errichtet wurde, bekam das Dorf um 1816 einen eigenen Schultheißen. [Anm. 23]

0.4.19. und 20. Jahrhundert

0.4.1.Kemmenau wird Teil des Herzogtums Nassau

Um 1806 wurde Kemmenau Teil des neu gegründeten Herzogtum Nassau (1806-1866), das von den beiden Herzögen von Nassau-Weilburg und Nassau-Usingen verwaltet wurde. Da die nassauische Gemeindeverordnung vom 7. Juni 1816 „bestimmte, daß jede Ortschaft eine eigene Verwaltungseinheit mit eigener Gemarkung bilden sollte“[Anm. 24], wurde Kemmenau aus der Verwaltungseinheit der Vogtei Ems sowie aus Dausenau herausgelöst. Um 1817 wurde eine eigene Gemeindekasse eingerichtet sowie ein Zivilstandsregister eingeführt. Nachdem der Markwald um 1820/21 unter den Gemeinden aufgeteilt wurde, bildete Kemmenau endgültig eine eigene Ortsgemeinde.[Anm. 25] Die Kemmenauer*innen lebten nun vom Bergbau in den benachbarten Gruben, zum Beispiel in Ems, sowie von der Landwirtschaft. Wie in vielen Orten stieg die Bevölkerung im 19. Jahrhundert erheblich an. Grund dafür waren in Kemmenau wohl auch die Verbesserung der Lebensbedingungen durch die Einführung von Sozialgesetzen, technischen Entwicklungen und medizinischen Erkenntnissen. Von 92 Einwohner*innen um 1826 stieg die Einwohner*innenzahl in Kemmenau zu 201 Einwohner*innen um 1912.

0.4.2.Kriege und wirtschaftliche Unruhen

Um 1907 wurde das alte Schulgebäude durch einen Brand zerstört. Ein Jahr später konnte jedoch ein neues Schulgebäude aus Fachwerk errichtet werden. [Anm. 26] Im 20. Jahrhundert entwickelte sich das Dorf zudem zu einem Fremdenverkehrsort. Die Emser Kurgäste kamen bei ihren Tagesausflügen auch in Kemmenau vorbei. Das gesellschaftliche Leben wurde durch Vereine wie dem um 1871 gegründeten Gesangsverein und dem 1911 gegründeten Fußballverein SV 1911 e.V. Kemmenau belebt werden. Über die Zeit zwischen 1914 und 1918 ist in der Literatur über Kemmenau nicht viel bekannt. Der Erste Weltkrieg und seine Folgen hat jedoch voraussichtlich auch in die Lebenswelt der Einwohner*innen Kemmenaus eingegriffen. Am 11. November 1918 endete der Erste Weltkrieg mit dem Waffenstillstand in Compiègne. Im Waffenstillstandsabkommen war unter anderem die Stationierung französischer Soldaten im Rheinland vorgesehen. [Anm. 27] Mit dem Friedensvertrag von Versailles wurde am 10. Januar 1920 die alliierte Rheinlandbesetzung als „Garantie für die immens hohen Reparationszahlungen“ [Anm. 28] für 15 Jahre in Deutschland beschlossen. Die Inflation von 1923 führte zu einem immensen Währungsverfall. Mit der Einführung von Notgeld konnte sich die Wirtschaft um Kemmenau herum jedoch wieder weitestgehend stabilisieren. Nur ein Jahr später verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage durch die Weltwirtschaftskrise 1929 erheblich: In den folgenden Jahren kam es zur Massenarbeitslosigkeit und einer damit einhergehenden Armutswelle im Rhein-Lahn-Kreis. Für diese erneute Krise machten links- und rechtsextreme Parteien die parlamentarische Demokratie verantwortlich. Ihre Propaganda führte zu einer Radikalisierung zu Gunsten der NSDAP. Über die Zeit des Nationalsozialismus finden sich einige Informationen in der Kemmenauer Schulchronik. Diese müssen jedoch erst im Rahmen eines Forschungsprojektes ausgewertet werden.

0.4.3.Nachkriegszeit bis heute

Um 1973 wurde die Verbandsgemeinde Bad Ems gegründet, Zu dieser gehörte die Stadt Bad Ems sowie die Gemeinden Kemmenau, Dausenau, Becheln, Frücht, Fachbach, Nievern und Miellen[Anm. 29]. Als Teil des Naturparks Nassau ist Kemmenau heute ein staatlich anerkannter Erholungsort. Durch seine Nähe zum Westerwald und zur Lahn, aber auch zur Stadt, gilt die Gemeinde heute als Wohnraum „für den Großraum Bad Ems-Koblenz“.[Anm. 30] In den vergangenen 40 Jahren wurden neue Baugebiete erschlossen, darunter die Gebiete „Kirschgarten“ und „Wasem“. [Anm. 31] Im Jahr 1984 wurde Kemmenau an die Kläranlage in Bad Ems angeschlossen. Die Alte Schule wurde renoviert und zum Dorfgemeinschaftshaus umgebaut. Dabei wurden die Sanierungskosten von rund 350.000 DM von der Gemeinde selbst getragen. [Anm. 32] Zu Beginn der 1990er Jahren wurde die Friedhofskappelle in Kemmenau um einen Glockenturm erweitert und feierlich eingeweiht.

Erstellt am: 30.09.2020
Verfasst von: Jasmin Gröninger

Verwendete Literatur:

     

  • Bruchhäuser, Kurt: Aus der Geschichte der Kirchengemeinde. In: Dausenau und seine Geschichte: ein Heimatbuch; aus Anlaß des 650. Jahrestages der Verleihung der Stadtrechte; 26.7.1348 - 26.7.1998. Hrsg. v. Gemeinde Dausenau, Dausenau 1997, S.198-228.
  • Fischbach, Stefan: Die Türme und Pforten der Stadtbefestigung. In: Dausenau und seine Geschichte: ein Heimatbuch; aus Anlaß des 650. Jahrestages der Verleihung der Stadtrechte; 26.7.1348 - 26.7.1998. Hrsg: Gemeinde Dausenau, Dausenau 1997, S.437-488.
  • Sarholz, Hans-Jürgen:  Aus der Geschichte des Kirchspiels Nievern. Bad Ems 1990 (Bad Emser Hefte Nr. 89).
  • Ders.: Geschichte der Stadt Bad Ems, Bad Ems, 1994.
  • Ders. Bad Ems, Streifzug durch die Geschichte, Bad Ems, 2. Auflage, 2010.
  • Schäfer, Gerhard: Die Verleihung der Stadtrechte am 26. Juli 1348 und die Freiheitsbriefe der Nassauer Grafen. In: Dausenau und seine Geschichte: ein Heimatbuch; aus Anlaß des 650. Jahrestages der Verleihung der Stadtrechte; 26.7.1348 - 26.7.1998. Hrsg. v. Gemeinde Dausenau, Dausenau 1997, S.23-28.
  • Verbandsgemeinde Bad Ems (Hrsg.): 25 Jahre Verbandsgemeinde Bad Ems, Bad Ems 1997.

Verwendete Weblinks:

  • Deutsche Limeskommission: Orte am Limes (Übersichtskarte). URL: www.deutsche-limeskommission.de/index.php (01.06.2020).
  • Thielen, Katharina: Nach dem Krieg: Die alliierte Rheinlandbesetzung 1918-1930, URL: www.1914-1930-rlp.de/bibliothek/aufsaetze/nach-dem-krieg-die-alliierte-rheinlandbesetzung-1918-1930.html (05.06.2020).
  • VG Bad Ems-Nassau, Total Lokal, URL: https://www.total-lokal.de/pdf/56130.pdf. 

Anmerkungen:

  1. Sarholz, 2010, S.110; Vgl. Sarholz, 1994, S.205. Zurück
  2. Vgl. Sarholz, 2006, S.34; Vgl. Deutsche Limeskommission: Orte am Limes (Übersichtskarte). URL: http://www.deutsche-limeskommission.de/index.php?id=23 (28.09.2020). Zurück
  3. Vgl. Sarholz, 1994, S 205. Zurück
  4. Vgl. Ders., 2010, S.110; Vgl. https://www.total-lokal.de/pdf/56130.pdf S. 3. Zurück
  5. Vgl. Sarholz, 1994, S.205. Zurück
  6. Ders., 2010, S.110. Zurück
  7. Vgl. Ders., 1994, S.205. Zurück
  8. Ders., 1994, S.205. Zurück
  9. Vgl. Ebd. Zurück
  10. Vgl. Ebd., S.206; Vgl. Ders., 2010, S.110. Zurück
  11. Vgl. Ders., 1994, S.207 Zurück
  12. Vgl. Schäfer, 1997, S.25. Zurück
  13. Vgl. Sarholz, 1994 S.207. Zurück
  14. Vgl. VG Bad Ems-Nassau, URL: https://www.total-lokal.de/pdf/56130.pdf, S.3. Zurück
  15. Vgl. Bruchhäuser, 1997, S.217. Zurück
  16. Ebd. S.218. Zurück
  17. Ebd., zit. nach. HStAW 350 X a 1 II. Zurück
  18. Vgl. Fischbach, 1997, S.439. Zurück
  19. Sarholz,1994, S.98 Zurück
  20. Ebd., S.207. Zurück
  21. Vgl. Ebd., S. 207. Zurück
  22. Vgl. Ebd. Zurück
  23. Vgl. Ebd., S.142. Zurück
  24. Ebd., S.228. Zurück
  25. Vgl. Ebd., S.229. Zurück
  26. Vgl. 25 Jahre VG Bad Ems, Sarholz, 1997, S.66. Zurück
  27. Vgl. Thielen, 2015, Beginn der Besetzung des Rheinlandes. URL: https://www.1914-1930-rlp.de/bibliothek/aufsaetze/nach-dem-krieg-die-alliierte-rheinlandbesetzung-1918-1930.html (5.6.2020). Zurück
  28. Sarholz, 1990, S.18. Zurück
  29. Vgl. VG Bad Ems-Nassau, URL: https://www.total-lokal.de/pdf/56130.pdf, S.4. Zurück
  30. VG Bad Ems, Sarholz, 1997, S. 65. Zurück
  31. Vgl. Ebd. Zurück
  32. Vgl. Ebd., S. 66. Zurück