Scheidt im Rhein-Lahn-Kreis

Zur Geschichte von Scheidt

Die Gegend um Scheidt war schon in vorchristlicher Zeit besiedelt, wie einige Gräber aus der Hallstattzeit (ca. 800–450 v. Chr.) bezeugen – etwa Brandgräber in Eppenrod oder Hügelgräber in Horhausen. Ab ca. 400 v. Chr. besiedelten die Kelten die Gegend, die etwa um 150 v. Chr. von den Germanen abgelöst wurden. Um Christi Geburt herum fassten auch die Römer in der Region Fuß. Etwa 500 n. Chr. besiedelten Franken das Land. Diese teilten das Land in Gaue ein, wobei das spätere Scheidt zum sogenannten Engersgau zählte.[Anm. 1]

Der Name Scheidt geht wohl auf das althochdeutsche Wort „sceit“ zurück und bezeichnet eine Gebietsgrenze. Es wird vermutet, dass der Name schon vor Gründung des Dorfes existierte und dann auf dieses übertragen wurde. Wann genau die Siedlung entstand, ist nicht bekannt. Spranger hat einen Zusammenhang mit dem Bau der Laurenburg 1093 angenommen, da Scheidt der geeignete Platz gewesen sei, um die Burgmannschaft zu versorgen. Der Gedanke erstaunt nicht, da Laurenburg und Scheidt von Anfang an eng verbunden waren und einen Gemeindeverband bildeten. Die Ersterwähnung Scheidts erfolgte schließlich wohl 1343 in einer Urkunde über einen Grundstücksverkauf. Der verkaufte Grund liegt dabei „bei dem halben Morgen des Wiprecht von Scheide“, einem Niederadligen, der sich zu anderen Gelegenheiten auch „von Laurenburg“ nannte. Eine zweite Erwähnung des Ortes folgt bereits 1348.[Anm. 2]

Scheidt war Teil des Kirchspiels Esten. Dieses gehörte zum Herrschaftsgebiet der Nassau-Oranier. Mit der Entscheidung der Nassau-Oranier zur Konversion zum Calvinismus wurde daher auch Scheidt calvinistisch.1629 konvertierten die Fürsten zurück zum Katholizismus. 1643 erwarb Peter Melander die Esterau und damit auch Scheidt. Sein neues Territorium wurde zur Reichsgrafschaft Holzappel erhoben, die neben der Esterau auch noch Isselbach, Eppenrod und Ruppenrod umfasste. Obwohl selbst protestantisch, zwang Melander seine Untertanen nicht zur Konversion. Dies erfolgte erst nach seinem Tod im Jahr 1648.[Anm. 3]

Durch den Kauf der Burg und Herrschaft Schaumburg wurde die Grafschaft 1656 erweitert. Herrscherhaus war bis 1707 das durch die Heirat der Tochter Melanders, Elisabeth Charlotte, mit Adolf von Nassau entstandene Haus Nassau-Schaumburg, danach das Haus Anhalt-Bernburg-Schaumburg. 1806 fiel die Grafschaft an das neugegründete Herzogtum Nassau.[Anm. 4]

Einwohnerlisten aus dem Jahr 1644 führen für Scheidt acht Haushaltsvorstände auf. 1669 und 1680 tauchen jeweils sechs Familiennamen in den Listen auf (1680 mit zusammen 36 Personen), 1684 sind es neun.[Anm. 5] Im 18. Jahrhundert sorgte die 1751 wiedereröffnete Grube Holzappel für Zuzüge aus dem Umland und damit für ein gewisses Bevölkerungswachstum.[Anm. 6]

Das beginnende 19. Jahrhundert scheint in Scheidt von großer Armut geprägt gewesen zu sein. Es kam um 1817 – Scheidt hatte damals etwa 143 Einwohner[Anm. 7] – im Herzogtum zu einer größeren Auswanderungswelle. Dies wiederholte sich Mitte des 19. Jahrhunderts, wobei hier auch die Beteiligung von Scheidterinnen und Scheidtern nachgewiesen ist. 1850 verließen drei Familien und zwei Männer die Gemeinde in Richtung Amerika. 1852 folgte noch eine Familie, 1880 noch einmal eine Person. Zu beachten ist aber, dass es sich dabei lediglich um die registrierten Auswanderer handelt. Eine höhere Zahl ist durchaus möglich.[Anm. 8] Zugleich setzte sich aber auch der Zuzug von Arbeitskräften fort, der vor allem durch das Aufblühen der Grube Holzappel geprägt war. Diese kamen weiterhin aus dem Nahbereich, wobei allerdings auch konfessionelle Grenzen Wirkung zeigten: aus den nahen Orten des Westerwalds kamen kaum Zuzüge, wohl weil es sich um ehemals kurtrierische Besitztümer mit katholischer Bevölkerung handelte. Die Grube Holzappel sowie die Aufbereitung in Laurenburg entwickelten sich spätestens im 19. Jahrhundert zum dominanten Arbeitgeber in Scheidt. Zeitweise waren etwa 94 Prozent der Schülerinnen und Schüler der Gemeinde Kinder von Bergleuten. 1889 waren 66 Männer aus Scheidt in der Grube beschäftigt. Im Nebenerwerb gingen sie häufig aber noch der Landwirtschaft nach.[Anm. 9]

1818 bekam Scheidt zudem seine erste Schule, die 1830 auch ein eigenes Schulhaus erhielt.[Anm. 10] Ab 1868 fanden zudem Abendkurse als Vorläufer des Berufsschulunterrichts statt. 1866 wurde Nassau von Preußen annektiert. Nach der Jahrhundertwende hatte der Ort einige Neuerungen zu verzeichnen. 1913 wurde das 1911 eingeläutete Projekt einer Hochdruck-Wasserleitung realisiert. Ab 1859 hatte zwar schon eine Tonleitung zwei Laufbrunnen versorgt, allerdings aufgrund der geographischen Lage nur die niedriger gelegene Hälfte der Gemeinde. Im Ersten Welkrieg von 1914 bis 1918 hatte die Gemeinde 18 Tote zu beklagen.[Anm. 11]

Auf den Weltkrieg folgte die französische Besatzung. Die ersten Soldaten trafen in Scheidt am 15. März 1919 ein. Die Beziehung zwischen den Soldaten und der Bevölkerung waren zwar keineswegs spannungsfrei, allerdings auch nicht unerträglich. Die Besatzung ging aber für die Bevölkerung mit großen Lasten einher. So mussten etwa 100 Soldaten und 100 Pferde versorgt werden, es kam zu Ablieferungen von Lebensmitteln, aber daneben auch zu Plünderungen. Daneben nutzten die Franzosen den Wald unbeschränkt zur Jagd, was sich noch einige Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte auswirkte. 1924 brachte schon der Dawes-Plan, der die Frage deutscher Reparationszahlungen an die Siegermächte regelte, einige Erleichterungen. Der Brückenkopf Koblenz, in dessen Rahmen Scheidt besetzt worden war, wurde schließlich 1929 geräumt.[Anm. 12]

Bei den Wahlen 1924 und 1930 erhielten jeweils die Sozialdemokraten die absolute Mehrheit der Scheidter Stimmen, wenn auch 1930 die NSDAP schon bei etwa 20 Prozent der in der Gemeinde abgegebenen Stimmen lag. Von der Weltwirtschaftskrise war Scheidt schwer betroffen. So waren zum 1.1.1931 alle 57 Arbeiter der Gemeinde arbeitslos. Über die Zeit des Nationalsozialismus in Scheidt ist kaum etwas bekannt. Aus der Schulchronik, die zumindest etwas Aufschluss geben könnte, wurde wohl alles entfernt, was für die Lehrer hätte belastend sein können. Weitergehende Forschung wären jedoch wünschenswert.[Anm. 13]

Im Zweiten Weltkrieg hatte die Gemeinde 21 Gefallene zu beklagen. Über einen Luftangriff auf die Gemeinde ist nichts bekannt. Dennoch sorgte mit einiger Verzögerung im Jahr 2007 eine Fliegerbombe für Aufsehen, zu deren Entschärfung Scheidt sowie Horhausen, Geilnau und Holzappel geräumt werden mussten. Am 27. März 1945 besetzten Amerikanische Soldaten die Gemeinde und beendeten damit für Scheidt den Krieg.[Anm. 14]

Nach dem Zweiten Weltkrieg stagnierte die Bevölkerungszahl der Gemeinde trotz der Erschließung einiger Neubaugebiete. Seit 1965 gehen die Scheidter Schülerinnen und Schüler – wie schon vor 1818 – in Holzappel zur Schule. Die Gemeinde gehört seit 1969 zum Rhein-Lahn-Kreis und seit 1972 zur Verbandsgemeinde Diez. Von wirtschaftlicher Bedeutung war die Errichtung einer Gas-Verdichterstation 1971/2. Heute hat Scheidt 297 Einwohner.[Anm. 15]

Verfasser: Christoph Schmieder

 

Verwendete Literatur:

  • Gemmer, Gerhard, Scheidt – über 200 Jahre vom Bergbau geprägt, in: Ortsgemeinde Scheidt (Hrsg.): Scheidt, Aus der Geschichte eines Dorfes, Scheidt 2009, S. 187–206.
  • Gemmer, Gerhard/Spranger, Dieter: Die erste Erwähnung des Dorfes Scheidt, in: Ortsgemeinde Scheidt (Hrsg.): Scheidt, Aus der Geschichte eines Dorfes, Scheidt 2009, S. 15–22.
  • Gemmer, Gerhard/Spranger, Dieter: Alte Scheidter Familien von 1343 bis heute, in: Ortsgemeinde Scheidt (Hrsg.): Scheidt, Aus der Geschichte eines Dorfes, Scheidt 2009, S. 23–32.
  • Heitbrink, Joachim/Maxeiner, Klaus, Die Erdgas-Verdichterstation in Scheidt, in: Ortsgemeinde Scheidt (Hrsg.): Scheidt, Aus der Geschichte eines Dorfes, Scheidt 2009, S. 211–212.
  • Krekel, Kurt: Ritter "von Scheyde". Entstehung und Geschichte des Dorfes Scheidt, in: Förderverein "Heimatmuseum Esterau" e.V. Holzappel (Hrsg.): Die Esterau. Aus der Geschichte einer ehemaligen Grafschaft, S. 104–107.
  • Krekel, Kurt/Symanzik, Horst/Spranger, Dieter: Alte Höfe und Häuser in Scheidt, in: Ortsgemeinde Scheidt (Hrsg.): Scheidt, Aus der Geschichte eines Dorfes, Scheidt 2009, S. 39–79.
  • Raetzer, Johannes, Scheidt im Kirchspiel von Holzappel, in: Ortsgemeinde Scheidt (Hrsg.): Scheidt, Aus der Geschichte eines Dorfes, Scheidt 2009, S. 97–102.
  • Schmiedel, Willi: Die Esterau - Land zwischen Lahn, Gelbach und Daubach. Aus der Vergangenheit der ehemaligen Grafschaft Holzappel, in: Förderverein "Heimatmuseum Esterau" e.V. Holzappel (Hrsg.): Die Esterau. Aus der Geschichte einer ehemaligen Grafschaft, S. 9–38.
  • Schmiedel, Willi, Eine englische Fliegerbombe hält die Esterau in Atem, in: Ortsgemeinde Scheidt (Hrsg.): Scheidt, Aus der Geschichte eines Dorfes, Scheidt 2009, S. 93.
  • Schmiedel, Willi, Die Gefallenen der Weltkriege mahnen zum Frieden, in: Ortsgemeinde Scheidt (Hrsg.): Scheidt, Aus der Geschichte eines Dorfes, Scheidt 2009, S. 165–166.
  • Schmiedel, Willi, Notizen aus der Schulchronik, Stationen der Scheidter Schulgeschichte (1818–1965), in: Ortsgemeinde Scheidt (Hrsg.): Scheidt, Aus der Geschichte eines Dorfes, Scheidt 2009, S. 103–134.
  • Spranger, Dieter: Das Dorf Scheidt und seine Entwicklung, in: Ortsgemeinde Scheidt (Hrsg.): Scheidt, Aus der Geschichte eines Dorfes, Scheidt 2009, S. 11–14.
  • Spranger, Dieter, Erwerbsmöglichkeiten der Bevölkerung, in: Ortsgemeinde Scheidt (Hrsg.): Scheidt, Aus der Geschichte eines Dorfes, Scheidt 2009, S. 185–186.
  • Spranger, Dieter, Die Wasserversorgung, in: Ortsgemeinde Scheidt (Hrsg.): Scheidt, Aus der Geschichte eines Dorfes, Scheidt 2009, S. 151–154.
  • Westerhoff, Erwin, Erinnerungen an meine Schulzeit in Scheidt, in: Ortsgemeinde Scheidt (Hrsg.): Scheidt, Aus der Geschichte eines Dorfes, Scheidt 2009, S. 135–142.
  • Westerhoff, Erwin/Erlenbach, Wilhelm, Aus der „Franzosen-Zeit“, Das Leben in Schiedt unter französischer Besatzung (1919–1928), in: Ortsgemeinde Scheidt (Hrsg.): Scheidt, Aus der Geschichte eines Dorfes, Scheidt 2009, S. 85–92.

Zuletzt geändert: 15.06.2020

Anmerkungen:

  1. Spranger, Dorf, S. 11. Zurück
  2. Spranger, Dorf, S. 11f.; Gemmer/Spranger, Ersterwähnung, S. 15–20; Gemmer/Spranger, Familien, S. 23. Zurück
  3. Raetzer, Scheidt, S. 98. Zurück
  4. Schmiedel, Esterau, S. 16f. Zurück
  5. Krekel, Ritter, S. 105; Gemmer/Spranger, Familien, S. 27; Schmiedel, Esterau, S. 37. Zurück
  6. Gemmer/Spranger, Familien, S. 29. Zurück
  7. Schmiedel, Esterau, S. 37. Zurück
  8. Gemmer/Spranger, Familien, S. 30. Zurück
  9. Gemmer, Scheidt, S. 188, S. 203; Spranger, Erwerbsmöglichkeiten, S. 185. Zurück
  10. Schmiedel, Notizen, S. 103–107, S. 112. Zurück
  11. Spranger, Wasserversorgung, S. 151f.; Schmiedel, Gefallenen, S. 165. Zurück
  12. Westerhoff/Erlenbach, „Franzosen-Zeit“, S. 85. Zurück
  13. Schmiedel, Notizen, S. 120f.; Westerhoff, Erinnerungen, S. 135, S. 141f. Zurück
  14. Schmiedel, Fliegerbombe, S. 93; Schmiedel, Gefallenen, S. 166; Schmiedel, Notizen, S. 121. Zurück
  15. Schmiedel, Notizen, S. 132; Krekel/Symanzik/Spranger, Höfe, S. 40; Heitbrink/Maxeiner, Erdgas-Verdichterstation, S. 211. Die Bevölkerungszahlen basieren auf den Angaben des statistischen Landesamts https://infothek.statistik.rlp.de/MeineHeimat/tscontent.aspx?id=103&l=3&g=0714103124&tp=1027&ts=tsPop01  Zurück