Bodenheim in Rheinhessen

Die römischen Funde in Bodenheim

Die Bodenheimer Gemarkung in römischer Zeit

Hätte der heutige Ort Bodenheim bereits in römischer Zeit bestanden, so hätte er direkt an einer wichtigen Fernstraße gelegen, die am Rhein entlang von Basel bis in die Niederlande führte. In Rheinhessen folgt die heutige Bundesstraße 9 ungefähr dem Verlauf dieser antiken Straße.[Anm. 1]
Auf der Bodenheimer Gemarkung befand sich – obwohl das von Heimatforschern lange angenommen wurde – nach heutigem Kenntnisstand keine einheitliche Siedlung. Vielmehr befanden sich in dem Gebiet einzelne Gutshöfe zur Versorgung der Kastelle und vici der Umgebung. Dies war im gesamten ländlichen Raum in Rheinhessen der Fall.[Anm. 2]

Villae rusticae und Grabfunde

Die meisten römischen Funde in Bodenheim wurden im 19. und am Anfang des 20. Jahrhunderts gemacht und liefern mit heutigen wissenschaftlichen Methoden nur noch wenige Informationen. Denn die Fundkontexte sind nicht mehr zu rekonstruieren und wurden damals nur unzureichend dokumentiert.[Anm. 3]
Es werden heute drei villae rusticae auf der Bodenheimer Gemarkung vermutet. 1906 wurden Reste eines Gutshofes nordwestlich der Quelle an der Kapelle Maria-Oberndorf am unteren Plateauhang gefunden. Sowohl Mauerreste als auch Streufunde (hauptsächlich Keramik) wurden dabei entdeckt. Weitere Informationen über die Art der Funde oder Angaben über Architekturformen der Mauerreste fehlen.[Anm. 4] 1908 wurde römischer Bauschutt mit Streufunden am Nordosthang des Hoheberges am Lörzweiler Pfad in der Nähe des Nußborn gefunden. Es scheint sich um eine große Menge von Bauresten gehandelt zu haben, da diese sogar zu der Legendenbildung führten, dass an dieser Stelle das antike Bodenheim – also ein kompletter vicus – gelegen haben muss. Genauere Angaben über Funde oder Architektur sind jedoch nicht vorhanden. Ein dritter Standort einer möglichen villa rustica wurde am Nordrand des Ortes gefunden. Auch hier handelte es sich um Mauerreste und Keramikfunde, nähere Angaben sind allerdings ebenfalls nicht vorhanden.[Anm. 5] Eine genaue Datierung der villae rusticae ist mit diesen sporadischen Angaben kaum möglich, die Keramikfunde wurden ins 1. bis 4. Jahrhundert datiert.
In der Gewann Neuberg wurden in den 1950er Jahren Funde gemacht, die eventuell zu einem Gräberfeld gehören. Es handelt sich dabei um Gefäßscherben, welche ins 2. Jahrhundert n. Chr. datiert wurden. Weitere Grabfunde wurden in der Gaustraße und „Im Hasenmaul“ gemacht.[Anm. 6]

Die Grabsteine

Die eindrücklichsten und am besten zu datierenden Funde sind zwei Grabsteine mit Inschriften, die in Bodenheim gefunden wurden oder sich zumindest heute dort befinden.
Der erste Grabstein wurde 1867 an der Landstraße nach Dexheim, auf Bodenheimer Gemarkung, zusammen mit Urnen und Glasgefäßen entdeckt. Der Stein wurde aus Sandstein gefertigt, ist 40 cm hoch und 26 cm breit.[Anm. 7] Die Inschrift lautet:

D(is) M(anibus) | FABRICIO | ET ACCEPTIO DE | CEMBRI PATERNIA | PRISCILLA MATER FI | LIS DE SUO FECIT

Übersetzung:

Den Manen. Ihren Söhnen Fabricius und Acceptius December hat ihre Mutter Paternia Priscilla (diese Inschrift) aus ihrem Vermögen machen lassen.[Anm. 8]

Aufgrund der Formel „Dis Manibus“ – einer für jene Zeit typischen Formel auf römischen Grabsteinen – wird der Grabstein auf den Anfang des 3. Jahrhunderts datiert.[Anm. 9] Die Manen waren in der römischen Religion die Totengeister oder auch die Geister der Verstorbenen. Mit den Riten des Trauerzuges und der anschließenden Bestattung wurde die verstorbene Person unter die Manen aufgenommen.[Anm. 10]
Der zweite hier zu erwähnende Grabstein (siehe Bild) wurde 1804 auf dem römischen Gräberfeld in Mainz-Zahlbach gefunden, gelang dann aber unter ungeklärten Umständen nach Bodenheim und ist heute an der Innenseite des Hoftores im Schönborner Hof eingelassen.[Anm. 11] Der Grabstein besteht aus Kalkstein, ist 87 cm hoch, 72 cm breit und oben mit einem Giebeldreieck mit floralen Mustern, Palmetten und Rosetten verziert.[Anm. 12] Unter der Inschrift ist die Stele abgebrochen, sie war somit eigentlich höher.[Anm. 13] Die Inschrift lautet:[Anm. 14]

Der Grabstein mit der Inschrift stammt ursprünglich aus dem römischen Gräberfeld in Mainz-Zahlbach. Heute ist der Stein an der Innenseite des Hoftores im Schönborner Hof in Bodenheim eingelassen.[Bild: Alte Geschichte Osnabrück. Epigraphische Datenbank Heidelberg. [CC BY-SA 4.0]]

M(arcus) NOVELLIUS | M(arci) F(ilius) OUF(entina tribu) ROM(anus) | MEDIOLANI | MIL(es) LEG(ionis) XXII PR(imigeniae) | AN(norum) XXXIII STI(pendiorum) | XIII H(ic) S(itus) E(st) EX T(estamento) | T(itulum) F(ieri) I(ussit) H(eres) F(aciendum CU(ravit)

Übersetzung:

Marcus Novellius Romanus, Sohn des Marcus, aus der Tribus Oufentina, Mediolanum (Mailand), Soldat der Legio XXII Primigenia, der 33 Jahre alt wurde, davon 13 im Dienst stand, ist hier bestattet. Im Testament ordnete er an, dass ihm dieses Denkmal errichtet werden soll. Sein Erbe sorgte dafür.[Anm. 15]

Da der Beiname „pia fidelis“ der 22. Legion fehlt, welche diesen 89 n. Chr. verliehen bekommen hatte, muss der Grabstein wahrscheinlich vor 89 n. Chr. entstanden sein. Außerdem war die 22. Legion von 39 bis 71 n. Chr. in Mainz stationiert und dann erst wieder ab 92/93 n. Chr. Folglich lässt sich der Grabstein auf die Zeit von 39 bis 71 n. Chr. datieren.[Anm. 16]

Fazit

Der Zeitraum einer Besiedlung der Bodenheimer Gemarkung zu römischer Zeit ist nur schwer zu benennen. Die sicherste Datierung weist der Grabstein von Fabricius und Acceptius December auf, eine Besiedlung zu Beginn des 3. Jahrhunderts kann also angenommen werden. Der Grabstein des Soldaten Marcus Novellius Romanus ist für die Ermittlung eines Besiedlungszeitraums Bodenheims nicht heranzuziehen, da er aus Mainz-Zahlbach stammt. Somit bleiben nur noch die gefundenen Keramik- und Glasfunde aus den vermuteten villae rusticae und den Gräbern. Diese Funddatierungen reichen vom 1. Jahrhundert bis ins 4. Jahrhundert n. Chr. Ob die Bodenheimer Gemarkung allerdings diese 300 Jahre durchgängig durch Gutshöfe besiedelt war, oder ob Besiedlungslücken entstanden, ist wohl nicht mehr festzustellen. Die Lage Bodenheims an der oben bereits erwähnten Fernstraße und die Nähe zum Legionslager in Mainz bieten aber die Möglichkeit der Annahme einer umfangreichen, landwirtschaftlichen Nutzung der Gemarkung über die gesamte römische Zeit in Rheinhessen.  

Nachweise

Verfasser: Lutz Luckhaupt

Verwendete Literatur:

  • Boppert, Walburg: Militärische Grabdenkmäler aus Mainz und Umgebung. Mainz 1992 (= CSIR Deutschland, Bd. II, 5).
  • Burger, Daniel: Bodenheim in der Antike. Auf den Spuren römischer Hinterlassenschaften am Römertag 2009. Berichte zur Archäologie in Rheinhessen und Umgebung 2 (2009), S. 74-79. 
  • Prescendi, Francesca: s.v. “Manes, Di.”, in: Der Neue Pauly. URL: http://referenceworks.brillonline.com/entries/der-neue-pauly/manes-di-e720560?s.num=0&s.rows=20&s.mode=DEFAULT&s.f.s2_parent=der-neue-pauly&s.start=0&s.q=manes (Aufruf am 28.02.2018)
  • Rupprecht, Gerd: Die römische Epoche. In: Bernhard Marschall (Hrsg.): 1250 Jahre Albansgemeinde Bodenheim. Beiträge zur Vergangenheit und Gegenwart. Alzey 2003, S. 25-27.
  • Schumacher, K.: Archäologische Karte der Umgebung von Mainz. MZ 3 (1908), S. 19-40.
  • Winhart, Karl: 1200 Jahre Bodenheimer Ortsgeschichte. 1200 Jahre Weinbau. Bodenheim 1955.

Erstellt am: 07.03.2018

Anmerkungen:

  1. Rupprecht, Gerd: Die römische Epoche. In: Bernhard Marschall (Hrsg.): 1250 Jahre Albansgemeinde Bodenheim. Beiträge zur Vergangenheit und Gegenwart. Alzey 2003, S. 25-27, hier S. 25. Zurück
  2. Ebenda. Zurück
  3. Burger, Daniel: Bodenheim in der Antike. Auf den Spuren römischer Hinterlassenschaften am Römertag 2009. Berichte zur Archäologie in Rheinhessen und Umgebung 2 (2009), S. 74-79, hier S. 75. Zurück
  4. Ebenda. Zurück
  5. Ebenda, S. 75-76. Für die Mauerfunde in der Nähe des Nußborn siehe auch Schumacher, K.: Archäologische Karte der Umgebung von Mainz. MZ 3 (1908), S. 19-40, hier S. 20. Zurück
  6. Ebenda, S. 75. Siehe auch Rupprecht, S. 27 und Winhart, Karl: 1200 Jahre Bodenheimer Ortsgeschichte. 1200 Jahre Weinbau. Bodenheim 1955, S. 9. Zurück
  7. Burger, S. 76. Zurück
  8. Für die Überschrift siehe Ebenda. Für die Inschrift siehe auch CIL XIII 6280. Zurück
  9. Burger, S. 76. Zurück
  10. Prescendi, Francesca: s.v. “Manes, Di.”, in: Der Neue Pauly. URL: http://referenceworks.brillonline.com/entries/der-neue-pauly/manes-di-e720560?s.num=0&s.rows=20&s.mode=DEFAULT&s.f.s2_parent=der-neue-pauly&s.start=0&s.q=manes (Aufruf am 28.02.2018). Zurück
  11. Burger, S. 76-77. Zurück
  12. Ebenda. Zurück
  13. Boppert, Walburg: Militärische Grabdenkmäler aus Mainz und Umgebung. Mainz 1992 (= CSIR Deutschland, Bd. II, 5), S. 252. Zurück
  14. Ebenda. Siehe auch CIL XIII 6967. Zurück
  15. Burger, S. 76-77. Zurück
  16. Ebenda, S. 77. Siehe auch Boppert, S. 252. Er spricht von 43-70 n. Chr. aus denselben Gründen. Da der Verstorbene 13 Jahre im Dienst war und wenn man davon ausgeht, dass er für die 22. Legion rekrutiert wurde, stammt der Stein frühestens von 52 n. Chr. -> 39+13=52 Zurück