Worms in Rheinhessen

Zur Geschichte Worms von Karl Johann Brilmayer

Worms verdankt seinen Ursprung den Kelten, welche mehrere Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung über den Rhein zogen und den größten Teil von Gallien besetzten. Damals hieß es Borbetomagus, ein Name, dessen Bedeutung nicht wohl erklärt werden kann. Aus diesem Namen entstand der Name Worms, aber zunächst nahm die Stadt noch einen anderen Namen an: "Civitas Vangionum" von dem germanischen Stamm der Vangionen, welche im ersten Jahrundert v. Chr., zu Cäsars Zeit, den Rhein überschritten und die Landschaft besetzten. Sie lebten hier als Freunde der Römer und bald als römische Untertanen. Worms wurde ihr Vorort, dem im 4. und 5. Jahrhundert auch ihr Name beigelegt war. Als Bestandteil des Römerreiches teilte Worms die Schicksale der Rheingegenden zur römischen Zeit, bis die Völkerwanderung der römischen Herrschaft ein Ende bereitete. Nach den Stürmen derselben gründeten Anfang des 5. Jahrhunderts die Burgundionen ein neues Reich, dessen Hauptstadt die alte Bangionenstadt wurde. Seit 413 ist Worms im ruhigen Besitz des Königs Gundahari, dessen Geschlecht in der Sage unter dem Namen der Nibelungen fortlebte. Er ist der König Gunter des Nibelungenliedes. Aber wie der Gunter der Sage, so erlag auch Gundahari mit seinem Volk den Streichen der Hunnen im Jahr 437. Alemannen und Franken dringen nun auf dem linken Rheinufer vor; die Schlacht von Zülpich (496), in der Chlodwig die alemannische Macht vernichtete, lieferte mit dem linken Rheinufer auch Worms in die Hände der Franken. Auch das Christentum gewinnt jetzt Boden und bereits unter der Regierung des Merowinger Königs Chilperich I. (561-584) besaß Worms einen Bischof, welcher der Domkirche vorstand. Vielfach hielten sich die merowingischen Könige und nach ihnen die karolingischen Kaiser in Worms auf. Sie besaßen einen Palast in der Stadt, welcher im Jahr 791 abbrannte. Pippin hielt 764 eine große Reichsversammlung in Worms ab. Ein Lieblingsaufenthalt war Worms für Kaiser Karl den Großen. Er hielt viele Reichsversammlungen hier ab, so 770, 776, 786, 787; Karl feierte mehrfach Weihnachten in Worms, auch vermählte er sich hier 786 mit Fastradana. Ludwig der Fromme hielt daselbst 836, 839, 840 Versammlungen. Ludwig der Deutsche legte um das Jahr 857 den Grund zu einem neuen Palast, den sein Sohn Karl der Dicke vollendete; der Wohlstand der Bürger war höchst bedeutend, was große Bauten und manche Stiftungen beweisen. Aber gegen Ende des 9. Jahrhunderts wurde auch die Stadt mehrfach durch Erdbeben, Hungersnot und Überschwemmungen heimgesucht; auch die Normannen zogen den Rhein aufwärts, drangen bis Worms vor und plünderten Stadt und Umgebung mehrmals.
Der Kaiser besaß, wie oben bemerkt, in Worms eine Pfalz und die Stadt gehörte ihm, der Bischof hatte nur die geistliche Gerichtsbarkeit, die weltliche besaß der Gaugraf, der in Worms seine Residenz und Burg hatte. Da die Grafen nach und nach die mächtigen Herzöge von Franken wurden, so erwarben sie große Macht. Die Ottonen suchten daher die Bischöfe zu heben, indem sie dieselben mit der obersten Gerichtsbarkeit belehnten. Otto II. schenkte im Jahr 979 alle Einkünfte, die bisher in königlichem Namen sein Vetter Otto, Herzog in Franken und Graf von Worms besessen hatte, dem Bischof und bestimmte, dass kein anderer irgendeine Gewalt in der Stadt ausüben dürfe, als der bischöfliche Vogt. Solange aber der Herzog von Franken in Worms residierte, gab es jetzt nur noch mehr Reibungen. Da bestimmte Kaiser Heinrich II. den Herzog Otto im Jahr 1002, dass er siene Burg ihm gegen den Königshof in Bruchsal abtrete und sofort übergab der Kaiser die Burg dem Bischof, der sie zugleich zerstören ließ. Bischof war damals der große Burkhard (1000-1025), der Freund und Ratgeber von drei Kaisern, Otto III., Heinrich II. und Konrad II. Er war der Wiederhersteller der Stadt, die fast verödet und durch die Zerwürfnisse mit dem Herzog tief gesunken war. Er stellte die Befestigung wieder her, welche später nach dem Hinzukommen eines erweiterten Mauerrings zu einer inneren wurde. Er baute den Dom neu und daneben die Taufkirche St. Johannes, er erbaute die Paulskirche und die Andreaskirche in der Stadt. Er sorgte auch für die Stifter und Klöster vor der Stadt. Er ordnete endlich deren Verfassung und Rechte. In seinen Gesetzten haben wir das ältere Wormser Stadtrecht.
Die Stadt hob sich durch Burkhards Einrichtungen zu neuer Blüte; die Könige hielten sich wieder gerne daselbst auf. Im Jahr 1053 feierten Kaiser Heinrich III. und Papst Leo IX. das Weihnachtsfest in Worms. Die Wormser hingen mit Liebe an dem Kaiser; das zeigte sich namentlich bei Heinrich IV., als dieser mit den Sachsen und dem Papst in Streitigkeiten geriet. Da wegen dieses Streites die geistlichen und weltlichen Fürsten damit umgingen, einen anderen König an Heinrichs Stelle zu wählen, erklärte sich Worms für den König und als im Jahr 1075 der Bischof Adalbert, ein Bruder des Gegenkönigs Rudolf, dem Kaiser den Eingang in Worms verwehren wollte, griffen die Bürger zu den Waffen, verjagten den Bischof und zogen wohlgerüstet dem Kaiser entgegen; der Kaiser machte Worms von jetzt an zu seinem Hauptwohnsitz und beschenkte es mit manchen Gnaden. Aus Dankbarkeit errichtete die Stadt später ein Denkmal an der Rheinseite mit des Kaisers Bildnis und folgender Inschrift: "Dem seeligen Heinrich IV., dem erlauchten römischen Könige, werden die Vangionen nie leugnen, unsterblichen Dank zu schulden."
Der langwierige Streit zwischen Kaiser und Papst über das Investiturrecht der Bischöfe wurde endlich unter Heinrich V. im Jahr 1122 durch das Wormser Edikt beigelegt, wonach der Kaiser die Bischöfe, die von jetzt an von den Geistlichen gewählt wurden, mit dem Zepter wegen ihrer weltlichen Lehen belehnte. Wiewohl Heinrich V. gleich seinem Vater Worms vielfach begünstigte und seine Rechte und Freiheiten erweiterte, geriet die Stadt doch selbst mit ihm zuerst in Streit. Bei einer strittigen Bischofswahl musste er die Stadt, die seinen Gegner begünstigte, erst durch eine harte Belagerung im Jahr 1124 zwingen, sich seiner Wahl zu fügen, doch entzog er ihr deshalb ihre Privilegien nicht.
Auch die hohenstaufischen Kaiser weilten oft in Worms und begünstigten es mehrfach. Friedrich I. hielt viele Reichsversammlungen daselbst an. Derselbe Kaiser erneuerte und vermehrte die Privilegien Heinrichs IV. Ein solches Privileg vom Jahr 1184 wurde in Erz gegossen und über dem Nordportal des Domes eingemauert. Trotzdem konnte Worms die unbeschränkte Freiheit nicht auf Dauer behaupten. Im Jahr 1233 gelang es dem Bischof eine Verfassung zu vereinbaren, die ihm wenigstens ein vorwiegendes Besetzungsrecht des Rats und den Vorsitz darin übertrug. Doch wurde das Gericht vom Rat getrennt, wobei es unentschieden gelassen wurde, ob es bischöflich oder städtisch sein solle. Im ganzen behauptete die Stadt ihre Selbstständigkeit und erstarkte an Reichtum und Kraft der Bürger. Glänzende und bedeutungsvolle Tage gingen damals über sie hin. Im Jahr 1235, am 4. Juli, zog Friedrich II. feierlich in ihre Mauern; zwölf Bischöfe empfingen ihn. Am 15. Juli fand seine Vermählung mit Elisabeth von England statt. Vier Tage dauerten die Festlichkeiten, auf die nur die Verhaftung des Königs Heinrich, des ungetreuen Sohnes Friedrichs, einen Schatten warf.
Im Jahr 1242 brach am Nachmittag des Palmsonntag ein Feuer aus, wodurch mehr als die halbe Stadt abbrannte. Sieben Kirchen lagen in Asche und über 300 Menschen sollen erstickt sein.
Im Jahr 1254 trat Worms dem in Mainz gegründeten berühmten Städtebund bei, der bald alle Städte am Rhein und weiterhin umfasste.
Als am Ende des Jahres 1257 der Graf Wilhelm von Holland an die Stelle Konrads von Hohenstaufen zum römischen König erählt wurde, hielten die Wormser fest zu Konrad, im entgegengesetzten Lager stand der  Bischof. Die Stadt trotzte dem Interdikt, um dem König treu zu bleiben. Doch gelang der Versuch nicht, die alte Verfassung wieder herzustellen. Einen gewissen rechtlichen Abschluss gewährte die Übereinkunft zwischen Bischof und Stadt vom Jahr 1293.
Ruhe im Verhältnis zwischen Stadt und Bischof war deshalb nicht. Die Konflikte zwischen beiden im kleinen und großen lasteten die folgenden zwei Jahrhunderte hindurch auf der Stadt, sie arteten öfter zu Fehden aus und wurden von Zeit zu Zeit durch Rechtungen unterbrochen, ohne deshalb jedoch aufzuhören. Endlich fanden die Kämpfe ihren Abschluss durch die Pfalzgrafenrechtung vom Jahr 1519. Die Stadt wurde darin definitiv als freie Reichstadt anerkannt. Im Jahr 1522 wurde die Verfassung durch Einführung des Kollegs der Dreizehner vervollständigt, welches bis zur Auflösung des alten Reichs tatsächlich die Herrschaft geführt hat. Mittlerweile hatte die Stadt einen schweren Angriff Franz von Sickingens zu bestehen gehabt, vor dem sie erst kaiserliche Hilfe rettete.
Im April 1521 war der berühmte Reichstag im Bischofshof in Worms, auf dem Luther sich über seine neue Lehre verantworten solle. Kaiser Karl V. weilte schon seit November 1520 in der Stadt. Es erschienen zu dem Reichstag noch 70 geistliche und weltliche Reichsfürsten und ca. 150 Ritter, Grafen, Edle, Prälaten und Gesandte. Wenn man bedenkt, welch zahlreiches Gefolge diese hohen Herren hatten und welch ungeheuere Menge von Zuschauern sich in Worms einfand, so wird man sich auch eine Vorstellung von dem Leben und Treiben in der Stadt während dieser Tage machen können. Es war der letzte Glanzpunkt in der Geschichte von Worms. Von nun an kamen von Zeit zu Zeit harte Schläge über die Stadt, welche ihren Glanz und ihre Hoheit und am Ende sie selbst vernichteten. Der Bauernkrieg, der Türkenkrieg und andere Streitigkeiten sind nicht ohne Einfluss darauf gewesen.
Der Dreißigjährige Krieg brachte neues Unheil über die Stadt. Schweden, Spanier, Franzosen, Deutsche besetzten, bedrängten, brandschatzten sie nacheinander, so dass sie in tiefe Not sürzte. Erst 1650 räumten die Franzosen die Stadt. Kaum hatte sie sich einigermaßen wieder erholt, so führte die Pfalzverwüstung durch die Franzosen im Jahr 1689 ein furchtbares Verhängnis über sie herbei; die ehrwürdige Reichsstadt wurde das Opfer französischer Mordbrennerei. Nachdem die Franzosen in den ersten Tagen des Oktober 1688 die Stadt besetzt hatten, zündeten sie am Pfingstdienstag, den 31. Mai 1689, dieselbe planmäßig an. Einige Monate vorher hatten sie die Befestigungswerke und namentlich die Türme zerstört. Es wurden 960 Gebäude verbrannt. Die Bewohner waren Flüchtlinge geworden, nur wenige schlichen wie Fremde in den verwüsteten Straßen umher, in Kellern und Ruinen eine ärmliche Unterkunft suchend. Nach einigen Wochen zog der Feind ab; langsam kehrten nun die Bewohner zurück. Viele blieben noch in der Umgebung, wo sie eine Zuflucht gefunden hatten; 1691 waren nur 133 Bürger in der Stadt, 210 Familien mit den Witwen, Dienern und Beisassen. Erst der ersehnte Friede hatte die allgemeine Rückkehr im Gefolge (1697). Nur allmählich erhob sich die Stadt wieder aus den Trümmern. Neue Leiden traf die Stadt am Ende des 18. Jahrhunderts; wiederum suchten sie in den 1790er Jahren die Franzosen wiederholt mit Brandschatzungen heim. Der Schluss des Jahrhunderts sah des alten Reichs Freistadt als französische Sadt. 15 Jahre blieb sie eine solche, anfangs in einer Republik, dann in einem Kaiserreich. Im Jah 1814 mussten die Franzosen das ganze linke Rheinufer räumen. Worms blieb nun in einem Zusatnd des Provisoriums, bis es 1816 mit der ganzen jetzigen Rheinprovinz an das Großherzogtum Hessen kam.

Zur Biographie Carl Johann Brilmayers.