Zornheim in Rheinhessen

Befestigungsanlagen im Ersten Weltkrieg

1. Der Festigungsgürtel um Mainz

Mit der Einführung von Geschützen mit gezogenen Rohren und der Brisanzgranate waren die bisherigen Festigungsbauten der Stadt Mainz wirkungslos geworden. Man erweiterte und verstärkte daher zunächst die bestehenden Militärbauten, ging aber ab 1900 dazu über, in einem Halbkreis von etwa 10 km um Mainz einen neuen Festungsgürtel anzulegen. Sie sollten bei Kriegsausbruch zu einem Festungsgürtel von Heidenfahrt über Wackernheim, Ober-Olm, Nieder-Olm, Ebersheim, Harxheim, Gau-Bischofsheim bis Laubenheim ausgebaut werden. Außerdem sollte der Generalinspekteur der Festungen den Entwurf für eine vorgeschobene, geschlossene, selbstständige Befestigungsgruppe auf den Höhen südlich von Zornheim erarbeiten. Der dortige Bergrücken vom Moosberg bis zum Selzer Berg war für einen solchen Vorposten optimal geeignet.

Befestigungsgürtel um Mainz im 1. WK
Befestigungsgürtel um Mainz[Bild: Gottfried Kneib]

Die durch diesen Befehl ausgelösten Planungen dauerten mehrere Jahre. Nachdem verschiedene Varianten geprüft und verworfen worden waren, kam es 1907 zur Entscheidung über den Verlauf der Selzstellung.

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2. Ursprünglicher Armierungsplan

Im Jahre 1909 begann man auch in Zornheim mit der Umsetzung. Mit preußischer Gründlichkeit erwarb der Reichsmilitärfiskus das benötigte Gelände und ließ den Eigentumserwerb in den noch erhaltenen Grundbüchern festhalten. Er erwarb Parzellen für den Stützpunkt auf dem Dechenberg in den Fluren Im Dechenberg und Auf dem Schemel, die 1912 ergänzt wurden. 1910 folgte der Geländekauf im Ausfeld für das Infanterie-Werk Zornheim. 1913 schließlich erwarb man den Pfarracker auf dem Selzer Berg und das Gelände Am alten Sportplatz für Lageplätze sowie einige Parzellen auf dem Moosberg für Befestigungsanlagen.

Der im Jahre 1909 angefertigte Übersichtsplan der im Bau befindlichen und projektierten Stützpunkte zeigt das damals in Angriff genommene Fort Dechenberg und das jenseits der Ebersheimer Gemarkungsgrenze liegende Fort Muhl, die nur ca. 500 Meter voneinander entfernt lagen und durch eine Militärstraße verbunden wurden. Sie sollten eine stark befestigte Linie hinter der vorgeschobenen Stellung Zornheim bilden. Für den Ernstfall war geplant, diese durch Infanteriestützpunkte westlich des Fort Muhl und Hüttberg östlich des Fort Dechenberg sowie die Infanteriewerke im Zornheimer Ausfeld und Sörgenloch zu ergänzen.

Bei Ausbruch des Krieges war nur der Infanteriestützpunkt auf der Muhl und der Lagerplatz bei Zornheim fertiggestellt. Auf diesem standen zwei Wellblechhallen mit einem eingebauten Geschäftszimmer und integriertem Telefonraum. Er war mit Drahtzäunen eingefriedet. Das Fort Dechenberg befand sich noch im Bau. Sicher ist nur, dass zwei Wachtürme 1913 errichtet waren. Alle noch nicht beendeten oder ins Auge gefassten Baumaßnahmen wurden zugunsten neuer Planungen aufgegeben.

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3. Der Ausbau der vorgschobenen Festung Zornheim

Mit Bekanntgabe der Mobilmachungsorder am 1. August veränderten sich nicht nur die bisherigen Armierungspläne, sondern auch die Art der Durchführung. Alle normalen privaten und gesellschaftlichen Angelegenheiten mussten sich widerspruchslos den Wünschen und Anweisungen der Militärbehörden unterordnen. Absoluten Vorrang hatte der Ausbau der Festungsanlagen um das Dorf.

Bereits in der zweiten Mobilmachungswoche kam es zu Einquartierungen von Arbeitern, die die Stützpunkte errichten sollten, und von Soldaten, welche beim Ausbau halfen und im Ernstfall diese beziehen sollten.

Eine der ersten Maßnahmen war die Anbindung Zornheims an die Festungsbahn, welche bereits in einem Halbkreis von Wackernheim bis Hechtsheim ausgebaut war. Eine Abzweigung führte von Ebersheim kommend am Fort Muhl vorbei, parallel der Ebersheimer Straße, zur Endstation am bereits fertiggestellten Lagerplatz (am alten Sportplatz).

Stationsschild der Zornheimer Endstation
Stationsschild der Zornheimer Endstation[Bild: Gottfried Kneib]
Rekonstruktion des Infanterie-Lagerplatzes bei Zornheim
Rekonstruktion des Lagerplatzes[Bild: André Brauch]

Gleichzeitig erfolgte der Ausbau der Festungswerke zur vorgeschobenen Stellung Zornheim, auch als „V Zornheim“ bezeichnet. Die wichtigsten Anlagen reihten sich an der Südgrenze der Gemarkung aneinander vom Moosberg, über den Hohberg, den Hahnheimer Knopf, den Selzer Berg bis zum Osterberg und bildeten die vorderste Front der Selzstellung. Von dieser Höhenlinie aus konnte der angreifende Feind schon von Weitem gesichtet werden.

Wegen der exponierten Stellung waren alle Infanteriestützpunkte betoniert. Deren zentralen Bestandteil bildeten die Infanterieräume. Man kann sie als kleine Kasernen beschreiben, welche neben den Unterkunftsräumen für die Mannschaft einen Befehlsraum, eine Küche mit Vorratsraum und einen Verbandsraum enthielten. Um diese Infanterieräume gruppierten sich einige unmittelbar davor oder seitlich liegende Unterstände und ein Wachtraum.

Vorgeschobene Stellung Zornheim (1914/15)
Vorgeschobene Stellung Zornheim (1914/15)[Bild: Gottfried Kneib]

In einigem Abstand zur Frontlinie lagen die Artillerieräume. Sie waren ähnlich wie die Infanterieräume aufgebaut und dienten der Unterbringung der Soldaten von Artillerieeinheiten. In der Regel gehörten zu ihrer Ausstattung neben den beheizten Mannschaftsunterkünften ein Offiziersraum, eine Küche mit Vorratsraum und eine Latrine.

Ebenfalls in sicherer Entfernung zur Front waren die Munitionsräume postiert. Die Munition erhielten sie aus weiter zurückliegenden Munitionsdepots.

Aufgrund der strategisch günstigen Lage befanden sich in der vorgeschobenen Stellung Zornheim neun betonierte Artillerie-Beobachter. Sie bestanden jeweils aus einem Beobachtungs- und einem Unterkunftsraum und waren zusammen mit den Unterständen und Wachträumen in das System der Schützengräben eines Infanteriestützpunktes integriert.

Eine weitere Besonderheit war der Maschinengewehr-Raum am Osterberg. Er diente zur Unterbringung von Maschinengewehren und der Unterbringung der für die Bedienung zuständigen Soldaten. Die Waffen wären im Ernstfall außerhalb dieses Raumes zum Einsatz gekommen.

Alle genannten Militäreinrichtungen wurden einschließlich des Ausbaus der Chaussee nach Sörgenloch und Hahnheim im Jahre 1918 fertiggestellt. Dabei sollen mehr als 20.000 Soldaten und Arbeiter im Einsatz gewesen sein. Zum Jahreswechsel lagen immer noch ca. 450 Mann im Quartier.

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4. Beseitigung der Befestigungsanlagen

Nach Kriegsende ordneten die alliierten Siegermächte die restlose Beseitigung und Einebnung der Militäranlagen auf Kosten des Deutschen Reiches an. Als Endtermin für die Schleifungsarbeiten wurde der Herbst 1921 festgesetzt.

Den Schotter der stillgelegten Feldbahn nach Ebersheim, welcher der Gemeinde überlassen worden war, ließ diese im November 1921 in die Schweizertalstraße, die Röhrbrunnengasse und die Untergasse abfahren und danach die dortigen Straßen schottern und walzen.

Die Sprengung der Festungswerke dürfte in der festgelegten Frist durchgeführt worden sein. Die endgültige Beseitigung der Überreste zog sich jedoch noch einige Jahre hin.

1928 erwarb die Gemeinde von dem Reichsmilitärfiskus die Überreste des ehemaligen Fort Muhl ebenso das Fortifikationsgelände auf dem Dechenberg und dem Selzer Berg, teilte die Grundstücke auf und versteigerte sie, wobei die früheren Eigentümer und die Zornheimer bevorzugt berücksichtigt wurden.

Schließlich ließ sich 1929 die Gemeinde alle ehemaligen Festungsanlagen übertragen und beauftragte eine Mainzer Firma, das Sprengen und Einebnen der Trümmer unter Aufsicht einiger Gemeinderäte durchzuführen. Anschließend wurden mit dem Schotter Dorfgassen und Feldwege ausgebessert und gewalzt. Bei der Vergabe dieser Transporte wurden nur Bewerber bedacht, welche sich verpflichteten, ausschließlich Arbeitslose aus Zornheim zu beschäftigen.

Trümmer eines Infanterieraumes bei Zornheim
Trümmer eines Infanterieraumes bei Zornheim. Nach dem Krieg ordneten die alliierten Siegermächte die Sprengung der Festungsanlagen an.[Bild: Sammlung Margarete Horn]

Der Lagerplatz der ehemaligen Fortifikationsanlage, der an das Rentamt des Mainzer Universitätsfonds zurückgefallen war, wurde 1925 der Gemeinde zum Kauf angeboten. Dem Gemeinderat war jedoch der geforderte Preis zu hoch. Daraufhin erwarb ihn 1928 der Turn- und Sportverein. Dieser konnte jedoch die eingegangenen Verpflichtungen nicht einhalten und bat daher 1938 die Gemeinde um Übernahme der Verbindlichkeiten. Nach der Verlegung des Sportplatzes an die Hahnheimer Straße wurde das Gelände in ein Neubaugebiet umgewandelt.

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(Gottfried Kneib)

Nachweise

Verfasser: Gottfried Kneib

Readktionelle Bearbeitung: Jonathan Bugert

Weiterführende Literatur:

  • Büllesbach, Rudolf et. al.: Bollwerk Mainz. Die Selzstellung in Rheinhessen. München 2013.
  • Gemeinde Zornheim (Hg.): 1200 Jahre Zornheim: 771 - 1971. Beiträge aus der Geschichte der Gemeinde, Zornheim 1971.
  • Kneib, Gottfried: Zornheim. Geschichte eines rheinhessischen Dorfes. Zornheim 2016.
  • Weitere Literatur

Aktualisiert am: 02.07.2021