Nieder-Olm in Rheinhessen

Zur Geschichte von Nieder-Olm

0.1.Archäologische Funde und Ersterwähnung

Luftbild von Nieder-Olm[Bild: Alfons Rath]
Das Bild wurde vom Turm der Freiwilligen Feuerwehr von Nieder-Olm geschossen.[Bild: Florian Weyl [Gemeinfrei]]

Die ältesten Spuren einer Besiedlung des Raumes um Nieder-Olm finden sich in Form von Fundstücken aus der Jungsteinzeit (ab ca. 5000 v. Chr.), wobei es noch große zeitliche Lücken zwischen den einzelnen Funden gibt.[Anm. 1] Mit den Römern kam deren Siedlungsweise, in Form von sogenannten „villae rusticae“, in die Region. Diese bäuerlichen Einzelhöfe an der römischen Rheinstraße, dienten der Versorgung des römischen Legionslagers Mogontiacum (heutiges Mainz), welches seit 13/12 v. Chr. ein wichtiger Truppenstandort war.[Anm. 2] Die Überreste eines solchen Gutshofes fand man in Nieder-Olm bei der Wingertsmühle im nordöstlichen Bereich des Orts.[Anm. 3] Nach dem Ende der römischen Herrschaft am Rhein und dem Abzug der Römer im 5. Jahrhundert, kam es im Zuge der fränkischen Landnahme zu einer Neubesiedlung Nieder-Olms. Diese fand vermutlich zwischen 500 und 650 n. Chr. statt, worauf gefundene fränkische Gräberfelder hindeuten.[Anm. 4]

Die erste namentliche Erwähnung des Orts findet sich in einer Urkunde aus dem Jahr 899. Hier ist von „Ulmena“ die Rede, wobei mit diesem Begriff damals sowohl Nieder-, als auch Ober-Olm bezeichnet wurden. Die frühste ausdrückliche Unterscheidung der beiden Orte findet sich erst 1143/53 in den Formulierungen „villa, que dicitur inferior Vlma“ und „villa, que dicitur superior Vlma“.[Anm. 5] Andere aus mittelalterlichen Urkunden bekannte Ausdrücke für Nieder-Olm waren „Ulmene“ (1092), „Olmene“ (1190), „Olmena“ (1194), „Nieder-Olmm“ (1312), „Niederohlem“ (1333) und „Nyderin Ulmen“ (1343).[Anm. 6]

Grundherrschaft (Von Sigrid Schmitt)

Alte Schmiede in Nieder-Olm.[Bild: Horst Goebel]

Nieder-Olm gehörte mit Ober-Olm und Klein-Winternheim zur Keimzelle des späteren Amtes Olm. Der Besitz des Mainzer Erzbischofs muss hier bereits in der Merowingerzeit umfassend und geschlossen gewesen sein. Die Zentrale der erzbischöflichen Güterverwaltung befand sich jedoch in Ober-Olm. Praktisch der gesamte hoch- und spätmittelalterliche Besitz anderer Herrschaftsträger lässt sich auf Übertragungen aus diesem ursprünglichen Mainzer Kirchengut zurückführen, entweder als Ausstattung für Mainzer Kirchen oder für die Mainzer Ministerialität. Bei letzterer spielte die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts erbaute Burg mit ihren Burglehen eine besondere Rolle. So beruhte wohl auch das Gut der Grafen von Sponheim in Nieder-Olm, darunter eine Mühle, auf einem im 13. Jahrhundert abgeschlossenen Burglehnsvertrag zwischen Graf Heinrich von Sponheim und Erzbischof Werner von Eppstein. Zum bei weitem größten Grundherrn in Nieder-Olm wurde aber das Mainzer Domkapitel. Außerdem waren folgende Kirchen in Nieder-Olm begütert: St. Peter, das Heiliggeistspital, St. Johannes, Kloster Eberbach, der Allerheiligenaltar im Mainzer Weißfrauenkloster, St. Agnes, St. Moritz, St. Viktor, Heiligkreuz, die Dominikaner, Mariengreden und der Deutschherrenorden.
Der Mainzer Erzbischof selbst behielt gleichfalls bedeutende Güter in Nieder-Olm, die zum Teil dem jeweiligen Amtmann als Ausstattung dienten.

Ortsherrschaft (Von Sigrid Schmitt)

Die Ortsherrschaft des Mainzer Erzbischofs war in Nieder-Olm zu keiner Zeit gefährdet. Die 1092 ausgesprochene Übertragung der Vogtei an das Domkapitel kann lediglich eine Befreiung von diesbezüglichen Abgaben, nicht aber eine Verleihung von Herrschaftsrechten bedeutet haben. Die Errichtung der erzbischöflichen Burg in Nieder-Olm dürfte wohl in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts als Gegenreaktion auf den Bau der Burg Stadecken erfolgt sein. Mit ihr wurde Nieder-Olm, das für den Standort der Burg aus geographischen Gründen bevorzugt wurde, und nicht der bisherige Zentralort Ober-Olm zum Verwaltungsmittelpunkt des entstehenden Amtsbezirks. 1301 wurde die Burg im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen König Albrecht von Habsburg und den rheinischen Kurfürsten vom König erobert. Das Urbar von 1390 verzeichnet Einkünfte des Erzbischofs und Rechtsverhältnisse, die denen im ältesten Nieder-Olmer Weistum aus dem 15. Jahrhundert bereits sehr ähneln. Die gemeinsame Behandlung von Nieder-Olm, Ober-Olm und Klein-Winternheim in diesem Urbar dokumentiert die noch immer enge organisatorische Einheit der drei Orte. Auch das Gericht war 1392 noch ein gemeinsames für die drei Gemeinden. Mit der Verpfändung von Burg und Amt Olm an Herzog Ludwig von Pfalz-Zweibrücken 1461 und der Eroberung der Burg durch Pfalzgraf Friedrich den Siegreichen 1471 erfolgte im Zusammenhang mit der Mainzer Stiftsfehde eine länger anhaltende Entfremdung Nieder-Olms vom Erzstift. Die 1491 von Berthold von Henneberg erlassene Gemeindeordnung ist daher wohl als Schritt zur Neuorganisation der Gemeinde und ihrer Integration in das Erzstift zu verstehen.

0.2.Mittelalter

Die Laurenziburg in Nieder-Olm auf einem Gemälde von Nanette Baetz; das Entstehungsjahr ist unbekannt. Vermutlich stammt das Gemälde aus dem 18. Jahrhundert.[Bild: Nanette Baetz [gemeinfrei]]

Nieder-Olm gehörte schon im frühen Mittelalter zum Besitz des Mainzer Erzbischofs. Zusammen mit Ober-Olm und Klein-Winternheim bildete es den Kern des späteren Amtes Olm. Allerdings befand sich die kurfürstliche Verwaltung zu dieser Zeit noch in Ober-Olm.[Anm. 7] Dies änderte sich erst im 13. Jahrhundert mit dem Bau einer Burg in Nieder-Olm. Diese, 1283 erstmals urkundlich belegte Burg, wurde der neue Sitz des Burggrafen und Amtmannes. Damit wurde das Verwaltungszentrum des vermutlich ebenfalls in dieser Zeit gebildeten Amtes Olm, welches 1318 das erste Mal namentlich in den Quellen erwähnt wird, vom Ober-Olmer Fronhof nach Nieder-Olm verlegt. Dieses Amt Olm, welches zunächst nur Nieder-Olm, Ober-Olm und Klein-Winternheim umfasste, wurde im Verlauf seines Bestehens bis Ende des 18. Jahrhunderts um zahlreiche Orte erweitert.[Anm. 8]

In Nieder-Olm selbst waren, neben dem Mainzer Erzbischof, noch zahlreiche weitere Institutionen mit Gütern ausgestattet. Das Mainzer Domkapitel wurde beispielsweise zum größten Grundherren des Orts. Aber auch die Stifte St. Peter  und St. Johannes, das Heiliggeistspital, das Kloster Eberbach, der Allerheiligenaltar im Mainzer Weißfrauenkloster, St. Agnes, St. Moritz, St. Viktor, die Stiftskirche Heiligkreuz, die Dominikaner, St. Mariengreden und der Deutschherrenorden hatten Güter im Ort.[Anm. 9]

Im Jahr 1503 wurde die Nieder-Olmer Burg im Auftrag des Mainzer Erzbischofs Berthold von Henneberg neu errichtet. Dabei bekam sie, neben der Erneuerung der Verteidigungsanlagen, ein repräsentativeres Aussehen, um ihrer Funktion als Adelsresidenz gerecht zu werden. Aufgrund der ebenfalls neu gebauten Kapelle im Burghof, welche dem Heiligen Laurentius geweiht war, wurde die Burg fortan Laurenziburg genannt (nicht zu verwechseln mit Laurenziberg bei Gau-Algesheim).[Anm. 10]

0.3.Frühe Neuzeit

Katholische Kirche gegründet in der Merowingerzeit. Sie wurde im laufe der Jahre in etwa 3 unterschiedlichen Entwicklungsstufen umgebaut. Zuerst Romanik (Turm) ca 7.Jahrhundert, dann Gotik (Choranbau) um ca. 1400, zuletzt Barock (Kirchenschiff) im Jahre 1776-1779.[Bild: Isabel Schulz]

Vom Ausgang des Mittelalters bis 1618 erlebte der Raum um Nieder-Olm eine eher friedliche Zeit ohne ernsthafte Kriegszerstörungen, obwohl es vereinzelt zum Durchmarsch von Armeen durch das Gebiet kam.[Anm. 11] Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) jedoch wurde Nieder-Olm, bedingt durch seine Nähe zur Festungsstadt Mainz, stark in Mitleidenschaft gezogen. Große Teile des heutigen Rheinhessens wurden in dieser Zeit abwechselnd durch schwedische, kaiserliche und französische Truppen besetzt. Neben Plünderungen und der Musterung von Nieder-Olmern zur Bewachung von Mainz, war der Ort auch durch Einquartierungen von Soldaten und die zwangsweise Zahlung von Kontributionen belastet. Es kam im Amt Olm auch zu Kampfhandlungen, wie zum Beispiel bei einer Schlacht zwischen Nieder-Saulheim und Nieder-Olm im April 1632 zwischen Spaniern und Schweden.[Anm. 12] Außerdem wurde Nieder-Olm 1666, wie viele Orte in der Region, von einer Pest heimgesucht, sodass von 102 Herdstätten vor dem Dreißigjährigen Krieg im Jurisdiktionsbuch aus dem Jahr 1668 nur noch 49 aufgelistet waren.[Anm. 13] Nach einer kurzen Friedensphase kam es während des Pfälzischen Erbfolgekriegs abermals zu Plünderungen durch ein zwischen Alzey und Nieder-Olm lagerndes französisches Heer. Dieses brandschatzte im Frühjahr 1691 mehrere Dörfer, darunter auch Nieder-Olm. Anschließend kam es beim Wiederaufbau des Orts seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts zu einem kleinen Bauboom.[Anm. 14] Dieser wurde nur durch die erneute Plünderung Nieder-Olms im November 1733, im Zuge des Polnischen Erbfolgekriegs, unterbrochen.[Anm. 15]

0.4.Koalitionskriege und französische Zeit

 Bei der Eroberung von Mainz 1792 und der darauffolgenden Ausrufung der „Mainzer Republik“, trafen die französischen Revolutionstruppen am 19. November auch in Nieder-Olm ein. Hier gab es eine Hand voll Freunde der revolutionären Idee, wie beispielsweise den Feldmesser und Gemeindevorsteher Georg Gabel. Dieser organisierte in Nieder-Olm die Aufstellung eines Freiheitsbaumes und wurde am 28. Dezember zum neuen Schultheiß gewählt. Bei der im gleichen Monat stattfindenden Abstimmung über die Annahme der französischen Verfassung unterschrieben, mit einer einzigen Ausnahme, alle der 79 anwesenden Nieder-Olmer Bürger. Nach dem Vorstoß der preußischen Armee und dem Rückzug der Franzosen aus dem heutigen Rheinhessen im März und April 1793, war die Region mehr als vier Jahre Kriegsgebiet, wobei sich die Fronten immer wieder verschoben und sowohl französische, preußische, als auch österreichische Truppen die Region besetzten.[Anm. 16] Der 1797 geschlossene Frieden von Campo Formio hatte den Anschluss der linksrheinischen Gebiete an Frankreich und damit das Ende der Jahrhunderte alten Zugehörigkeit Nieder-Olms zu Kurmainz zur Folge. Der Ort wurde zum Zentrum des neu gegründeten Kanton Nieder-Olm, welcher wiederum dem von Mainz aus verwaltetem Département du Mont-Tonnerre (Departement Donnersberg) untergeordnet wurde.[Anm. 17]

Während der französischen Herrschaft bis 1815 wurde ein für die Zukunft der Region bedeutender Wandel eingeleitet. Die Feudalrechte wurden aufgehoben, Kirchen- und Adelsgüter eingezogen und zur Versteigerung freigegeben und mit dem Code Civil das Rechtswesen reformiert. Außerdem wurde die Infrastruktur verbessert, was bei dem Bau der „Pariser Straße“ zur Verbindung von Mainz mit Paris dazu führte, dass die Laurenziburg in Nieder-Olm abgerissen wurde. Es gab jedoch auch Widerstand gegen einige Maßnahmen, besonders die forcierte Säkularisierung des öffentlichen Lebens.[Anm. 18]

0.5.Nieder-Olm im Großherzogtum Hessen

Altes Rathaus[Bild: Isabel Schulz]

Nach dem Ende von Napoleons Herrschaft wurde Nieder-Olm, im Anschluss an den Wiener Kongress (1814-1815), dem Großherzogtum Hessen (Hessen-Darmstadt) zugesprochen und wurde Teil der neu gebildeten Verwaltungseinheit „Rheinhessen“. Die Reformen, welche während der französischen Zeit in den linksrheinischen Gebieten eingeführt worden waren, nahm der Großherzog weitestgehend in die hessische Verfassung von 1820 auf. Das 19. Jahrhundert war für Nieder-Olm eine Zeit des Aufschwungs. Die Bevölkerung stieg sprunghaft von 606 Einwohnern im Jahr 1800, auf 1.381 im Jahr 1835, bis auf 1.872 Menschen im Jahr 1905 an. Am 18. Dezember 1871 wurde die über Nieder-Olm führende Eisenbahnstrecke Mainz-Alzey in Betrieb genommen und 1890 das Bahnhofsgebäude fertiggestellt. Damit verbesserte sich besonders die wirtschaftliche Anbindung an Mainz. Auch eine Straßenbeleuchtung in Form von Öllampen wurde in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts eingeführt. Außerdem wurden 1827 das alte Rathaus, 1892/93 eine neue Schule und 1894 ein Gebäude für das Amtsgericht erbaut.[Anm. 19]

Im Vorfeld des Ersten Weltkriegs wurde in der Region ein Festungssystem namens „Selzstellung“ angelegt. In diesem Zusammenhang bekam Nieder-Olm 1913 Besuch von Kaiser Wilhelm II. persönlich, da dieser einen wichtigen Teil der Stellung zwischen Ebersheim und Zornheim besichtigte. Während des sich anschließenden Kriegs, war die Region um Mainz zwar nicht durch direkte Kriegshandlungen betroffen, aber dessen Auswirkungen waren auch hier an der sogenannten „Heimatfront“ spürbar.[Anm. 20]

0.6.Weimarer Republik und Nationalsozialismus

Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs im Jahr 1918 und der Ausrufung der Republik kam nicht nur das Kaiserreich, sondern auch das Großherzogtum Hessen zu einem Abschluss. Hessen wurde zu einem republikanischen Volksstaat. In der Nachkriegszeit wurde die Gemeindepolitik Nieder-Olms vor allem von der wirtschaftlichen Not, Arbeitslosigkeit und Inflation beherrscht.[Anm. 21] In der Zeit von 1927 bis 1933 verloren die Parteien der demokratischen Mitte der Weimarer Republik (Zentrum, SPD, DDP, DVP) viele Stimmen. In Nieder-Olm sank ihr Stimmenanteil von 91,4 auf 65,9 Prozent, was im Vergleich mit anderen Orten (z.B. Essenheim von 55,4 auf 6,2 und in Stadecken sogar von 11,6 auf 2,1 Prozent) jedoch noch relativ viel war. Dieser Umstand war vor allem der starken katholischen Prägung des Orts geschuldet und der Treue der Zentrum-Wähler zu ihrer Partei. Der Stimmenanteil der NSDAP wuchs in Nieder-Olm von 0,3 Prozent im Jahr 1928, über 18,9 in 1931, auf 28,2 bei den Reichstagswahlen vom 5. März 1933. Zum Vergleich: In ganz Hessen waren es zu dieser Zeit bereits 50 Prozent. Nach der Machtergreifung Hitlers kam es in Nieder-Olm, wie in vielen anderen Städten des Reiches, zur Stürmung des Rathauses durch die SA. Der amtierende Bürgermeister Sieben wurde seines Amtes enthoben und stattdessen Jakob Eckes II. eingesetzt. Außerdem kam es im März 1933 auch zu ersten Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen von Unterlagen bei Nieder-Olmer SPD-Funktionären.[Anm. 22]

Die 18 Menschen jüdischen Glaubens, welche 1930 in Nieder-Olm lebten, sahen sich, seit der Machtergreifung der Nationalsozialisten, immer stärkeren Repressalien ausgesetzt. Prügel und Schikanierungen auf offener Straße sowie nächtliche Gewaltaktionen mussten sie in dieser Zeit erleiden. Das Nieder-Olmer Nachrichtenblatt veröffentlichte außerdem Anzeigen, die zu einem Boykott jüdischer Geschäfte aufriefen. Am 10. November 1938, dem Tag nach der sogenannten Reichskristallnacht, kam es auch in Nieder-Olm zu Ausschreitungen gegen Juden. Die Fenster des Hauses von Leopold Kramer wurden mit Steinen eingeschlagen und anschließend die Innenräume verwüstet. Ebenso wurden der Verkaufsladen des Tuch- und Weißwarenhändlers Marx Kramer und das Gebäude der Metzgerei von Max Mayer völlig demoliert. Auch bei Otto Baum wurde die Inneneinrichtung zerstört. Außerdem kam es zu Inhaftierungen und der Deportation von zwei Mitgliedern der Familie Mayer. Nach der Flucht von einigen Nieder-Olmer Juden ins Ausland und der Deportation der noch im Ort verbliebenen in Konzentrationslager, kam es zur Beschlagnahmung und Versteigerung des jüdischen Besitzes. Seit Dezember 1939 gab es in Nieder-Olm keine Menschen jüdischen Glaubens mehr.[Anm. 23]

Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Gemeinde, neben den Einschränkungen, die der Krieg in allen Lebensbereichen verursachte, von Luftangriffen der Alliierten getroffen. Während der Bombardierungen von Mainz am 1. und 27. Februar 1945 wurde auch Nieder-Olm zum Ziel, wobei die katholische Kirche, der Bahnhof und zahlreiche Wohnhäuser zerstört wurden. Am 21. März wurde Nieder-Olm von amerikanischen Truppen eingenommen, welche anschließend weiter nach Mainz vorrückten.[Anm. 24]

0.7.Bevölkerungsentwicklung seit 1950

JahrBevölkerung
19502795
19602097
19705478
19806599
19907029
20007793
20109603
20129639

0.8.Von der Nachkriegszeit bis heute

Die Firma Eckes wurde 1857 in Nieder-Olm gegründet. Heute ist die Eckes-Granini Group GmbH der größte Fruchtsaftherrsteller Europas.[Bild: Wikipedia-Nutzer Jan Hagelskamp1 [CC BY 4.0]]

In der Nachkriegszeit stieg die Bevölkerung Nieder-Olms im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklung des Rhein-Main-Gebietes stark an, von 2.800 Einwohnern im Jahr 1950 auf etwa 5.700 während der 1970er Jahre. In den Jahrzehnten darauf stieg die Bevölkerung weiter auf heute über 9.000 Einwohner. Sowohl der Produktionssektor, als auch der Dienstleistungssektor wuchsen in diesem Zeitraum, während die Zahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft abnahm.[Anm. 25] Nach dem Krieg stieg die 1857 in Nieder-Olm gegründete Firma Eckes zu einem deutschland- und europaweit agierenden Unternehmen auf. Heute ist Eckes-Granini der größte Saft- und Fruchtsaftgetränkehersteller Europas. Schon Anfang der 1970er avancierte das Unternehmen nicht nur zum größten Arbeitgeber, sondern auch zum stärksten Steuerzahler Nieder-Olms und trug wesentlich zur Entwicklung der Gemeinde bei.[Anm. 26] Wichtig war für den Ort auch der Anschluss an das Autobahnnetz durch den Bau der A63, welcher Ende der 1980er Jahre abgeschlossen wurde und Nieder-Olm für Unternehmen attraktiver machte. Bis heute entstanden in Nieder-Olm drei Gewerbegebiete, in denen sich unter anderem die Daimler AG, Möbel Erfurth und bis 2010 die Tengelmann/Plus-Gruppe ansiedelten.[Anm. 27]

Politisch war für den Ort besonders die 1972 erfolgte Bildung der Verbandsgemeinde Nieder-Olm, mit den dazugehörigen Ortsgemeinden Essenheim, Jugenheim, Klein-Winternheim, Nieder-Olm, Ober-Olm, Sörgenloch, Stadecken-Elsheim und Zornheim, von Bedeutung. Dass Nieder-Olm Sitz der Verbandsgemeinde wurde, ermöglichte weitere strukturelle Maßnahmen und Projekte. In den 1970er Jahren kam zu der bereits bestehenden Grundschule und der Schule für geistig behinderte Kinder, ein Gymnasium und eine Schule für körperbehinderte Kinder sowie im Jahr 2010 eine integrierte Gesamtschule dazu.[Anm. 28] Aufgrund der Entwicklung der letzten Jahrzehnte wurde der Nieder-Olm 2006 zur Stadt erhoben und bildet heute ein wirtschaftskräftiges Mittelzentrum neben dem Oberzentrum Mainz.[Anm. 29]

Nachweise

Verfasser: Christopher Brantsch

Verwendete Literatur:

  • Brilmayer, Karl Johann: Rheinhessen in Vergangenheit und Gegenwart. Geschichte der bestehenden und ausgegangenen Städte, Dörfer, Flecken, Weiler und Höfe, Klöster und Burgen der Provinz Rheinhessen nebst einer Einleitung. Gießen 1905.
  • Engelen, Ute: Eckes und die Nieder-Olmer Gewerbegebiete - Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert. In: Kirschner, Hans-Valentin; Kuhl, Dieter; Rettinger, Elmar (Hrsg.): Nieder-Olm im Herzen von Rheinhessen. Geschichte und Gegenwart. Mainz 2014. S. 261-272.
  • Grass, Karl-Martin: Die Orte der Verbandsgemeinde Nieder-Olm in der Weimarer Republik und der NS-Zeit. In: Spieß, Karl-Heinz (Hrsg.): Nieder-Olm. Der Raum der Verbandsgemeinde in Geschichte und Gegenwart. Alzey 1983. S. 212-264.
  • Kirschner, Hans-Valentin; Kuhl, Dieter: Die Stadt Nieder-Olm nach 1945. Der Versuch einer soziologischen Betrachtung. In: Kirschner, Hans-Valentin; Kuhl, Dieter; Rettinger, Elmar (Hrsg.): Nieder-Olm im Herzen von Rheinhessen. Geschichte und Gegenwart. Mainz 2014. S. 43-56.
  • Kneib, Gottfried: Das Kurmainzer Amt Olm. Alzey 1995.
  • Knöchlein, Ronald: Von den ältesten Besiedlungsspuren bis zu den Anfängen Nieder-Olms. Der Beitrag der Archäologie. In: Kirschner, Hans-Valentin; Kuhl, Dieter; Rettinger, Elmar (Hrsg.): Nieder-Olm im Herzen von Rheinhessen. Geschichte und Gegenwart. Mainz 2014. S. 125-144.
  • Rettinger, Elmar: Zweitausend Jahre wechselvolle Geschichte - Nieder-Olm von den Anfängen bis 1945. In: Kirschner, Hans-Valentin; Kuhl, Dieter; Rettinger, Elmar (Hrsg.): Nieder-Olm im Herzen von Rheinhessen. Geschichte und Gegenwart. Mainz 2014. S. 13-42.
  • Schmitt, Sigrid: Ländliche Rechtsquellen aus den Kurmainzischen Ämtern Olm und Algesheim. Stuttgart 1996 (Geschichtliche Landeskunde.44).
  • Staab, Franz: Die Orte der Verbandsgemeinde Nieder-Olm vom Frühmittelalter bis zum Ende des Alten Reiches. (in Spiess)In: Spieß, Karl-Heinz (Hrsg.): Nieder-Olm. Der Raum der Verbandsgemeinde in Geschichte und Gegenwart. Alzey 1983. S. 78-148.
  • Weisrock, Peter: Die jüdische Gemeinde von Nieder-Olm. In: Kirschner, Hans-Valentin; Kuhl, Dieter; Rettinger, Elmar (Hrsg.): Nieder-Olm im Herzen von Rheinhessen. Geschichte und Gegenwart. Mainz 2014. S. 107-124.

Aktualisiert am: 14.11.2018

 

 

Anmerkungen:

  1. Knöchlein, S. 126-128. Zurück
  2. Rettinger, S. 13-14. Zurück
  3. Knöchlein, S. 129. Zurück
  4. Staab, S. 80. Zurück
  5. Rettinger, S. 16. Zurück
  6. Brilmayer, S. 336. Zurück
  7. Schmitt, S. 427. Zurück
  8. Kneib, S. 46-47; Rettinger S. 16-17. Zurück
  9. Schmitt, S. 427. Zurück
  10. Brilmayer, 337; Kneib, S. 121-128. Zurück
  11. Staab, S. 112-113. Zurück
  12. Kneib, S. 246-257. Zurück
  13. Kneib, S. 271-272. Zurück
  14. Kneib, S. 314-315. Zurück
  15. Kneib, S. 325. Zurück
  16. Rettinger, S. 24-27. Zurück
  17. Kneib, S. 363. Zurück
  18. Rettinger, S. 29-30. Zurück
  19. Rettinger, S. 31-33. Zurück
  20. Rettinger, S. 36. Zurück
  21. Grass, S. 212-215. Zurück
  22. Rettinger, S. 39-40. Zurück
  23. Weisrock, S. 115-120. Zurück
  24. Rettinger, S. 42. Zurück
  25. Engelen, S. 262-263. Zurück
  26. Engelen, S. 264-266. Zurück
  27. Engelen, S. 269-270. Zurück
  28. Kirschner, Kuhl, S. 52. Zurück
  29. Engelen, S. 272. Zurück