Hachenburg im Westerwald

Vom Eisenhammer und Drahtzug bis zur Bürsten- und Pinselfabrik bei Hachenburg

Am 7. Mai 1725 gab Burggraf Georg Friedrich von Kirchberg, Graf zu Sayn und Wittgenstein, seinem Kammerrat Johann Hermann Wirth die Erlaubnis, einen Rad- (Reck-) und Zahnhammer samt einem Drahtzug und Nagelschmiede im Kirchspiel Kirburg an der Nister unterhalb der Arfelder Brücke zu erbauen. Er durfte sich den Platz selbst aussuchen, das Wasser aus der Nister ableiten, notwendige Wege und Stege anlegen, allerdings ohne Nachbarn und andere Hämmer und Hütten in der Grafschaft zu beeinträchtigen. Die alljährlich benötigten ca. 30 Wagen Kohle und etwa 10 Klafter Holz aus den benachbarten Kirchspielswaldungen sollten ihm preiswert überlassen werden.
Wirth wurde erlaubt, eine Zahnschmiede und einen Drahtzug sowie Unterkünfte für seine Arbeiter zu errichten. Die Arbeiter blieben aber verpflichtet, Dienstgeld, Fronen und Schatzungen zu zahlen, wenn sie über Eigengut im Amt verfügten. Die Firma musste auch Zoll für ausgeführte Waren bezahlen.[Anm. 1]
So entstand "gegenüber der Stelle am Fuß des Hachenburger Berges, den die Überlieferung mit "Junkerhof" bezeichnet, das Hammerwerk und 500 Meter bachaufwärts der Drahtzug. Die Verbindung stellte ein Drahtzugtunnel her.[Anm. 2]
Im Jahr 1753 wird bekannt, dass der Drahtzug der vormundschaftlichen gräflichen Regierung unterstand und auf sechs Jahre verpachtet war.[Anm. 3] Offensichtlich hatte die Herrschaft das Eigentum erworben und es dem Gründer der Fabrik, dem Kanzleirat Wirths, sowie dem Handelsmann Wilhelm Ludwig Freudenberg verpachtet.
Um 1763 starb Wirth. Der Hammer wurde von seinen Erben am 5. Juli 1763 erb- und eigentumsrechtlich an Bergrat Georg Friedrich Freudenberg verkauft. Nun bat der neue Hüttenmeister die Herrschaft, ihn und seine Nachkommen zusätzlich mit einer neuen Konzession für die oberen Nisterer Hammerwerke zu versehen, was ihm am 24. April 1769 auch zugestanden wurde.[Anm. 4]
Dieses zweite Hammerwerk, das bei der heutigen Schneidmühle (Straßenmeisterei) gestanden hat und an das heute noch die Flurnamen „Beim Hammer“ und "Hammerwiese" erinnern, hat offensichtlich bereits 1617 bestanden.[Anm. 5]
Die Freudenberg erwarben damals eine ganze Reihe stillgelegter Eisenerzgruben im Hachenburger Land und versuchten gleichzeitig die Verhüttung und Weiterverarbeitung in ihrer Hand zu vereinigen. Als Georg Friedrich Freudenberg verstarb, teilte seine Witwe am 10. November 1801 der Herrschaft mit, dass sie die beiden Drahtzüge, den sog. Obersten Drahtzug über der Arfelder Brücke und den unteren Drahtzug bei dem Dorf Nister, genannt der Nisterer Hammer, an Finanzrat Drucker verkaufen wollte. Nun habe sie verwundert erkennen müssen, dass der Nisterer Hammer lehensabhängig sei. Das dortige Gebäude sei am 16. Januar 1789 ihrem Schwiegervater und dessen Erben als Erblehen verliehen und ihnen erlaubt worden, das dortige Inventar zur Errichtung eines Hammers in Hanwerth zu verwenden. Der aber offensichtlich nicht stillgelegte Nisterer Hammer[Anm. 6] sollte nun durch die Fa. Drucker und Compagnie mit neuen Drahtzügen versehen werden.
Doch im Jahr 1802 wurden die Werksanlagen bei Nister an die "Britisch-Nassauische Eisenwerks-Gesellschaft" mit Sitz in Hachenburg veräußert. Gemäß einer herrschaftlichen Resolution vom 3. Mai 1802 wurde der Drahtzug bis 1805 in einen Grobhammer umgewandelt. Für den Betriebsleiter wurde damals ein im englischen Stil gehaltenes Haus in Ziegelbauweise errichtet, das heute noch das Hauptgebäude des Steupschen Hofes bildet. Der spätere Stall wird immer noch als "alte Schmiede" bezeichnet.[Anm. 7]
Während sich das Werk an der Schneidmühle (Straßenmeisterei) nach 1802 im Dunkel der Geschichte verliert,[Anm. 8] erfährt man um 1850 Näheres zum Aussehen und zur weiteren Geschichte des Nisterer Hammers und Drahtzuges.[Anm. 9] Er wurde als „domartiges Gebäude mit hohen Feueressen“ beschrieben, in dem eine Reihe von Puddling- und Schweißöfen nebst einigen Dampfmaschinen, sowie ein Wasserrad, in der Mitte aber einen langen Zug von Walzen zur Bearbeitung des gefrischten Eisens stand. Am oberen Ende dieses Walzenzuges war ein Dampfhammer aufgestellt.
Die geräumigen Nebengebäude enthielten eine Maschinenwerkstätte, eine Gießerei, einen Hochofen und Magazine. Auf der rechten Seite des Tals, dem Werk gegenüber, standen kasernenartig in Reih und Glied zahlreiche Arbeiterwohnungen.
In dem Werk waren bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts Hunderte von Arbeitern damit beschäftigt, das Eisen aus den Erzen herauszuschmelzen und für verschiedenen Zwecke weiterzuverarbeiten.
Doch 1850 war die Fabrik bereits verwaist, die Arbeiterwohnungen standen leer und verfielen. Das fertige Eisen in den Magazinen rostete mit den Dampfkesseln, die unter freiem Himmel auf dem Hof lagerten. Schuld an dieser Entwicklung war ein Rechtsstreit, der sich zwischen altem und neuen Besitzer entsponnen hatte.
Der alte Drahtzug bei Nister war im Jahr 1842 von der englischen Gesellschaft umfassend umgebaut worden. Aus diesem Jahr stammt auch der auffallende Grabstein des Walisers Thomas Eraes links des Turmeingang der Altstädter Kirche. Dieser war als Schmied am Nisterhammer am 27. Juli 1842 im Alter von nur 21 Jahre gestorben ist.[Anm. 10] Der an sich lohnende Betrieb wurde von den Engländern, die bisher mehr als 100.000 Pfund Sterling investiert hatten, für 60.000 Pfund Sterling an Dr. Albert Lange, der angeblich aus Philadelphia stammte, und die "Hachenburger Stahl- und Eisenwerks-Gesellschaft" verkauft. Albert Lange brachte sich zwar in Besitz einiger wertvoller Bestandteile der Firma, doch den Kaufpreis zahlte er nicht. Daraufhin wurde der Besitz beschlagnahmt, die Arbeit eingestellt und der Rechtsstreit eröffnet.
Von Anfang an war das Unternehmen Nisterer Hammer umstritten, da der Bezug des Rohmaterials an Eisen und die Versendung der fertigen Produkte problematisch war. Hätte die Gesellschaft zusätzlich, so die damalige einhellige Meinung, auf den schwierigen Import der Steinkohle verzichtet und die Verwendbarkeit der nahen Westwälder Braunkohle bei Bad Marienberg und Dillenburg geprüft,[Anm. 11] hätte man wohl mehr Erfolg gehabt.[Anm. 12]
Nach einigen Jahren scheint der Betrieb wieder aufgenommen worden zu sein. Denn für das Jahr 1853 heißt es, die nahen Stahl- und Eisenwerke würden seit kurzer Zeit ihre Puddelöfen wieder betreiben, nunmehr mit Braunkohlen, die aus den nahen Bergwerken bezogen würden.[Anm. 13] Doch trotz der Verbesserungen musste die Gesellschaft 1863 ihren Betrieb einstellen.
Seitdem befand sich der Nisterer Drahtzug mit den Ländereien der Umgebung in landwirtschaftlicher Nutzung, zunächst durch die Besitzer Johann Philipp Braun (1831-1891), dann Carl Heinrich Braun (1865-1923) und dann die Eheleuten Karl Steup und Lina geb. Braun.[Anm. 14]
Doch im Jahr 1892 wurden die alten Gebäude des Nister-Hammers von Fritz Bocks aus Barmen käuflich erworben,  der einen Bürsten- und Pinselfabrik einrichtete. Das Unternehmen war überaus erfolgreich und bot vielen Einwohnern der Umgebung Brot und Arbeit. Im jahr 1928 konnte sich die Firma großer Bedeutung erfreuen. Elektrische Energie erwirtschaftet man damals durch den Nister-Bach, der für den Betrieb sämtlicher Maschinen und der gesamten Beleuchtung sorgte. Die Firma stellte Besen. Bürsten und Pinsel für den Haushalt und die Industrie her.[Anm. 15]
Von den beiden Hammerwerken und Drahtzügen ist heute nur noch das Haupthaus des Drahtzuges stehen geblieben.

Redaktioneller Hinweis: Die hier vorgestellten Ausführungen sind inhaltliche Ergänzungen und Erweiterungen der entsprechenden Abschnitte des Buches „Geschichte der Stadt Hachenburg“. Die zugehörigen Basis-Informationen sind u.U. nur in der Druckausgabe zu finden. Die Inhalte dieser Seiten entsprechen also nicht denjenigen des Buches.


Anmerkungen:

  1. HHSTW Abt. 342 Nr. 1008. Dort eine Abschrift der Stiftungsurkunde. Vgl. zur Vorgeschichte des Nisterhammers: Vom Leben im Hachenburger Land S.53. Zurück
  2. Vom Leben im Hachenburger Land S.53. Zurück
  3. HHSTAW Abt. 342 Nr. 1009. Zurück
  4. HHStAW Abt. 342 Nr. 1008 und 1009. Zurück
  5. Am 20. Februar 1617 werden Wiesen an der großen Nister zwischen dem Dorf Korb und dem oberster Drahtzug bezeichnet (HHSTAW Abt. 342 Nr. 1186). 1752 wird der oberste Drahtzug in einem Streit zwischen der Gemeinde Korb und dem Kloster Marienstatt wegen einer Wiese an der großen Nister zwischen Korb und dem Drahtzug genannt (HHStAW Abt. 3423 Nr. 1190). Zurück
  6. Der Nisterdrahtzug wird im Frühjahr 1800 neben dem Hanwerther Hammer im Verzeichnis der Domänen der (ehemaligen) Grafschaft Sayn Hachenburg genannt. Er brachte an Zoll 2 Reichstaler, der zugehörige Wasserlauf, sogar 10 Reichstaler Zins ein (HHSTAW Abt. 151 Nr. 1314). Zurück
  7. Vom Leben im Hachenburger Land S.53. Zurück
  8. Den Reckhammer und Drahtzug oberhalb der Arfelder Brücke gab es im Jahr 1802 immer noch (HHStAW Abt. 342 Nr. 1008 und 1009). Zurück
  9. Ein altes Westerwälder Kreisblatt aus dem Jahr 1850 bringt, so Heuzeroth, unter der Überschrift "Das Eisenwerk im Nistertal" die Geschichte des Nisterhammers (Heuzeroth Nisterhammer). Zurück
  10. Vom Leben im Hachenburger Land S.55. Zurück
  11. Vergeblich suchten ein Steiger und ein Bergmann aus Westerburg 1756 für die Stadt bei der Ziegelhütte Braunkohlen (Gensicke S. 66). Zurück
  12. Dies hatte Dr. Lange erkannt. Er schickte seinen Ingenieur Mayer los, um die Verwendungsmöglichkeit dieser Braunkohlen für die Belange des Hammers zu prüfen. Vgl. Lehmann, Tonbergbau; Heuzeroth Nisterhammer. Zurück
  13. Henninger Nassau (1853), S.716. Zurück
  14. Vom Leben im Hachenburger Land S.53ff.; Vgl. Gensicke S. 66; Demian, Handbuch. Zurück
  15. Presse, Handwerk, Industrie, Handel 1928, S.56 Zurück