Untershausen im Westerwald

0.Landwirtschaft in Untershausen im Amt Montabaur

Verfasser: Reiner Dennebaum

Erstellt am: 05.04.2024

1721–75
In den Pachtbriefen des Deutschen Ritterordens für das Gut Untershausen werden folgende Pächter und Abgaben genannt [Anm. 1]:

  • mit der Pacht für das Hofgut „drey Malter Hafer Hans Doenges und Adam Ferdinand Montabaurer Maaß“, Zehnten fünf Malter Korn und fünf Malter Hafer, Wiesenzins vier Reichstaler, Zehnt an „Ferkeln und Hahnen jährlich“ und die „Huben Hafer mit freier Kost für die Commende-Bedienten, s. Text: Haus Nr. 11.
  • Johannes Doenges und Adam Ferdinand über 12 Jahre einschließlich Marau und Wirzenborn mit der dortigen Huben Hafer drei Malter Korn und drei Malter Hafer;
  • alter Hofmann Stoffel Lentz, s. Text: Haus Nr. 12.
  • Adam Schlemmer, s. Text: Haus Nr. 8.
  • Christian Ferdinand und Adam Ferdinand
  • Mathias Lentz, Anton Ferdinand
  • Johannes Peter Ferdinand
  • Johann Jacob Mies, Adam Ferdinand
  • Johann Peter Ferdinand und der Hofmann Johann Stendebach

1786 Amt Montabaur
„An Produkten liefert das Amt Montabaur: Waitzen, Korn, Hafer, Gerste, Kohl, Wintersaamen, Sommer-Kohlsaamen, Erbsen, Linsen, Wicken, Hirse, Grundbieren, Kappes, gelbe Rüben, weiße Rüben, Stangenbohnen, deutsche Bohnen, Faigbohnen, Flachs, Hanf, Kümmel, Heu, Grummet, Viehzucht.
Die Landwirtschaft ist im hiesigen Amt in ziemlich gutem Stande; die mehresten Produkten, so zum menschlichen Unterhalt erfordert werden, werden darin gezogen, und von den mehresten wird noch auswärts verkauft.
[...]
Flachs wird sehr vieler gesät, derselbe von den Unterthanen selbst zubereitet, gesponnen, und das Tuch gemacht, mithin ist der Erlöß von verkauftem Tuch zuletzt lauter Gewinn, und thut derselbe in mittelmäßig guten Flachs Jahren gewiß aber so viel, als das Amt in Steuern abgibt.
Gerste wird ein Jahr ins andere gerechnet, obwohl mehr gezogen als in dem Amt selbst verbraucht; die mehreste kaufen die Franziskaner Conventen zu Montabaur, Hachenburg, Marienthal, und die Altenkirchische und Hachenburgische Bierbrauer auf; das Biertrinken ist nicht von dem Geschmack der hiesigen Amts Unterthanen und wird also dessen wenig gebrauet, hingegen desto übermäßiger theurer Wein getrunken.
Grundbieren oder Kartoffeln werden zum Nachteil der Hauptfrüchten wahrhaft nur allzuviele gepflanzet, diejenige, die es gar nicht nöthig hätten, glauben dabei etwas zu gewinnen, wenn sie dieselbe unter das Brod mischen, und bedenken nicht dabei, daß sie auf dem Feld, worauf die Grundbieren gestanden haben, so viel Korn weniger bekommen, als sie ersparen wollen, und daß das Grundbieren Brod gegen jenes von bloßem Korn nur halbes Brod seye.
Hafer wird sehr viel von den Unterthanen verkauft. Die mehreste aber von dem fremden Fuhrwesen in den Wirtshäusern und auf den Poststationen der beiden Landstraßen verzehret, jedoch nebst dem auch noch daran auswärts verführet.
Korn hat das Amt ein Jahr ins andere noch zu verkaufen, insonderheit wird dessen außer Miss-Jahren ziemlich vieles in das Hachenburgische und Altenkirchische verführet, hingegen nehmen die Stadt Montabaurer Bäcker wiederum vieles zu Coblenz, Limburg, Hadamar und Diez, wo die Güte der Früchten so viel besser ist, als die hiesige die Hachenburgische und Altenkirchische übertrifft.
Der Waitzen allein thut selten gut, sondern bekömmt kurz vor der Zeitigung den sogenannten Brand, jedoch gerathet derselbe zu Zeiten, und alsdann hat er noch den Vogelfraß auszuhalten, da die Vögel und insondert die Spatzen den Waitzen zu ihrer Atzung vorzüglich lieben. Hingegen wo wenig Waitzen gezogen wird, so werden diejenigen Stücke, worauf die Vögel ihren Flug bekommen, in wenigen Tagen ganz ausgefresssen, kurz, die Waitzenzucht will in hiesigem Amt nichts bedeuten, sondern die hiesigen Bäcker nehmen solchen so zu sagen alle zu Coblenz, Limburg, Hadamar und Diez.

Die Wiesen übersteigen das gewöhnliche Verhältniß gegen das Ackerland weit, sind schon angeführtermaßen durchgängig sumpicht, und ertragen daher vieles aber saures, und auch nicht sonderbar langes Heu.
Heu und Grummet ist wegen der darauf beruhenden Viehzucht, und wegen der von der Viehzucht wiederum abhängenden Besserung des Feldes von jeher das Hauptprodukt des hiesigen Amts gewesen“.[Anm. 2]

1786 Untershausen
„Der Boden ist zum Drittel bergig, im übrigen schier gleich, der Grund ist schier durchgehends steinig und trocken. Das Feld traget Korn, Hafer, Grundbiern, Hanf, Lein und Erbsen. Die Hafer hat den Vorzug, wovon sie mit Stahlhofen der Kammer jährlichs Futterhafer 9 Mltr. groß Maaß, mit Stahlhofen und Daubach Huben Hafer 84 groß Mltr. abliefern müssen, wovon der Kammer die Hälfte und dem Deutschherrn die Hälfte zukommt. Das Korn könnte so gut wachsen als die Hafer, wenn das Feld des häufigen Wilds befreyet würde, und daher könnte auch mehr Hafer und sonstiges eingehen. Die Wiesen sind schlecht durchgehends was Bauern Guth betrifft und sind wegen Wassermangel nicht zu verbessern, die beste sind Churfürstlich und Deutschherrisch. Ist deshalb von andern Produkten nichts erfindlich“ [außer Frucht und Viehzucht]. [Anm. 3]

1922 Unterwesterwaldkreis
In einer Übersicht über die Verbreitung der der Anzeigenpflicht unterliegenden Tierseuchen, ausgenommen Tuberkulose, sind im Unterwesterwaldkreis unter Rauschbrand 4 Gehöfte mit jeweils einem erkrankten Rind in Breitenau, Wirges, Hartenfels und Freilingen aufgeführt. Die häufigere Maul- und Klauenseuche wurde in 27 Gehöften festgestellt und hatte 147 Rinder, 7 Ziegen und 49 Schweine befallen, die Schweineseuche und Schweinepest betraf 9 Gehöfte mit 71 Schweinen, Rotlauf einschließlich Nesselfieber fand sich in 98 Gehöften bei 146 Schweinen.[Anm. 4]

1922–1924
„Die Zahl der im Unterwesterwaldkreis beschäftigen landwirtschaftlichen Arbeiter beträgt 94 und die Zahl der Industriearbeiter 8374. Alle übrigen sind selbständige kleine Landwirte und Krugbäcker, sowie Geschäftsleute und Händler (Hausierer).“ Die Kreisverwaltung hat die Brotversorgung durch den Bezug von rationiertem Mehl sichergestellt. Die rationierte Brotversorgung konnte am 31.12.1923 eingestellt werden. Die lästige Beschränkung des Butterhandels ist mit dem 1.6.1924 aufgehoben worden. Zwei kg Brot kosteten am 5. Jan. 1922: 7,50 Mark Deutsches Reich, am 4. Dez.1922: 250 Mark Deutsches Reich, am 3. Sept. 1923: 350.000 Mark Deutsches Reich, am 1. Okt. 1923: 20 Millionen Mark Deutsches Reich am 23. Okt. 1923: 400 Millionen Mark Deutsches Reich, am 19. Nov. 1923: 450 Milliarden Deutsches Reich (goldgedeckt nur bis1914, dann „Papiergeld“) und am 26. Nov. 1923: 0,86 Rentenmark, später Reichsmark (RM). [Anm. 5]

1928–1929
Die Landwirtschaft im Unterwesterwaldkreis befindet sich in einer schwierigen Lage. So wird insbesondere die fehlende Unterstützung der Landwirte durch die Gemeinden des Kreises beim Anlegen von Drainagen und Pflege der Wasserläufe beklagt. „In der Gemarkung Wirges ist eine 102 ha große Ackerdränage durch Erwerbslose ausgeführt worden.“ Vereinzelt konnten Ödlandaufforstungen vorgenommen werden.

Der Unterwesterwaldkreis hat 22 ländliche Fortbildungsschulen für die männliche Jugend mit insgesamt 395 Schülern und 14 ländliche Fortbildungsschulen für die weibliche Jugend mit insgesamt 423 Schülerinnen sowie eine landwirtschaftliche Schule in Montabaur. Dort gab es zweisemestrige Lehrgänge mit insgesamt 30 Schüler/innen, und zwar 18 in der Oberstufe und 12 in der Unterstufe.

Es gab es im Unterwesterwaldkreis insgesamt 807 Pferde, 14.418 Stück Rindvieh (Kälber, Jungvieh, Bullen, Stiere, Ochsen, Kühe), 10.971 Schweine, Ziegen 6.041, Schafe 1.957 und Federvieh (Gänse, Enten, Hühner) 81.239 Stück und 386 Kaninchen. Die Zahl der Pferde ist rückläufig, was eine Folge der dauernd steigenden Motorisierung der Betriebe und des Verkehrs ist.  Weiterhin gab es im Unterwesterwaldkreis 878 Bienenvölker, davon 689 mit beweglichen Waben und 189 mit unbeweglichen Waben. Faulbrut wurde nicht festgestellt.

Die Veterinärpolizei fand die Schweineseuche in 34 Gehöften mit 53 Erkrankungen. Davon endeten 43 mit dem Tod. Die Schweinepest wurde in 4 Gemeinden in 6 Gehöften festgestellt. Bei den 23 Erkrankungen gab es 21 Todesfälle. Der Rotlauf kam in 111 Gehöften bei 119 Schweinen vor. 64 davon sind gefallen, 27 wurden notgeschlachtet, der Rest wurde geimpft und genas.
„Die Zahl der Schutzimpfungen ist unter dem Druck der derzeitigen armen Verhältnisse erheblich zurückgegangen. Eine falsche Sparsamkeit, deren unheilvolle Folgen nicht ausbleiben können.“
Die Fleischbeschau wurde ausgeführt an: 1 Pferd, 3705 Stück Großvieh, 2373 Kälbern. 8824 Schweinen, 73 Schafen und 135 Ziegen.
„Die bakteriologische Fleischbeschau wurde veranlasst bei 1 Pferd, 26 Rindern, 13 Kälbern und 4 Schweinen.“ Von den 44 Fällen waren 35 Notschlachtungen.
Die Tuberkulose kam in der Fleischbeschau vor bei
3.705 Stück Großvieh in 598 Fällen, d. i. 16,14 %
2.373 Kälbern in 8 Fällen, d. i. 0,33 %
8.824 Schweinen in 122 Fällen, d. i. 1,38 %
73 Schafen in 2 Fällen, d. i. 2,73 % und
135 Ziegen in 2 Fällen, d. i. 1,48 %.
In der Abdeckerei in Ettinghausen wurden im Jahr 1929 insgesamt 701 tote Tierkörper angeliefert. [Anm. 6]

1931
Im Unterwesterwaldkreis gibt es Jungviehweiden in Helferskirchen und Marienhausen bei Dierdorf. Der Auftrieb erfolgt Mitte Mai und umfasste ca. 100 Stück Vieh, das ca. 5 Monate lang auf der Weide blieb. In dieser Zeit kam es bei den 60 Stück Vieh darunter 1 Fohlen in Helferskirchen zu einer Gewichtszunahme von durchschnittlich 71 kg und bei den 40 Rindern in Marienhausen um durchschnittlich 49 kg, das eine aufgetriebene Fohlen hatte 127 kg zugenommen. Die geringere Gewichtszunahme in Marienhausen wird auf die dort ausgebrochene Maul- und Klauenseuche zurückgeführt, woran sogar ein Tier eingegangen ist und ein zweites abgeschlachtet werden musste. [Anm. 7]
Aus Untershausen waren 6 Tiere mit einer mittleren Gewichtszunahme von 61 kg auf der Weide in Helferskirchen. Von den 6 Tieren gehörten 5 zur Lahn- und eins zur Westerwaldrasse. In Marienhausen waren keine Tiere aus Untershausen auf der Sommerweide. [Anm. 8] Das Weidegeld beträgt 40 Reichsmark pro Stück Jungvieh.

Der Regierungsbezirk Montabaur ist überwiegend landwirtschaftlich geprägt; auf den besseren Böden kann Ackerbau betrieben werden bei weit verbreiteter Dreifelderwirtschaft. [Anm. 9]

2.1.Bäuerliche Kleinbetriebe in Untershausen

Anfang des 20. Jahrhunderts lebten die Einwohner von Untershausen vorwiegend von den Erträgen der Landwirtschaft; zu den bewohnten Gebäuden gehörte fast immer eine Scheune. Die ab den 1920er Jahren errichteten Gebäude besaßen dann oft nur noch kleinere Wirtschaftsgebäude, und die Nebenerwerbslandwirtschaft nahm zu.

Kuhfurwerk 1929 mit Heinrich Gombert H3
Kuhfurwerk 1929 mit Heinrich Gombert H3[Bild: Otto Paul Gombert, Mettlach, ehem. H3]

Das Foto aus dem Jahr 1929 zeigt Heinrich Gombert H3 mit Kuhgespann und Jakob Born H35; im Hintergrund H32. Im Gegensatz zu den heutigen Milchkühen besaßen alle Untershäuser Kühe auch Hörner, da sie nicht nur für Nachwuchs und Milch zu sorgen hatten, sondern auch noch Pflug, Egge und Fuhrwerk ziehen mussten; an den Hörnern wurde das Joch eingehängt, an dem die Zugketten befestigt waren.

Dreschmaschine 1931
Dreschmaschine 1931[Bild: Hugo Herrmann, Untershausen H25]

Das Foto aus dem Jahr 1931 zeigt die erste Dreschmaschine, angetrieben von einem Bulldog von Josef Meuer aus Stahlhofen, gen. „Poss Jussep“, im Hof von H32 und die Nachbarschaftshilfe der Familie Born beim Dreschen. Unten v.l.: Christian Herrmann, Elisabeth Born H35, Katharina Herrmann, Jakob Herrmann H39, Rudolf Nink aus Ruppenrod, er war der Mechanist. Oben v.l.: Einleger des Getreides Gottfried Baumgartel aus Ruppenrod, Hugo Herrmann, Hermann, Paul und Willi Born H35, Ewald Klerner aus Eppenrod, Thekla Herrmann, Richard Herrmann, Magdalene Born H35 und Jakob Bender H42 als Zaungast. [Anm. 10]

Heuernte 1933
Heuernte 1933[Bild: Hugo Herrmann, Untershausen H25]

Das Foto zeigt die Heuernte im Jahr 1933 auf einer Wiese Unterm Dorf. Die Anhöhe im Hintergrund ist der Beul. Auf dem Leiterwagen Christian Herrmann. Unten Richard, Katharina und Thekla Herrmann H32.

Siehe auch Text: Einzelaspekte Brauchtum, Foto Umzug zum Erntedankfest 1933.

Der Gemeinderat hatte die Anschaffung eines Gemeindebullen zu beschließen und auch das Entgelt für den Deckvorgang festzulegen. Wenn die Kühe gedeckt werden sollten, wurden sie dem Zuchtbullen zugeführt, der im Stall von Peter Gombert H38 gehalten wurde. Die einzelnen Bauern bezahlten den Deckvorgang mit 2 oder 3 Simmer Getreide. [Anm. 11]

Die wenigen Ziegen im Ort wurden noch Anfang der 1950er Jahre zum Decken zu einem Ziegenbock nach Daubach gebracht. Ziegen besaßen eigentlich nur die Familien, in denen kaum Landwirtschaft betrieben wurde, die also selbst keine milchgebenden Kühe besaßen, z.B. H5, H18, H34 und H41.

Herrmanns beim Eggen 1934
Herrmanns beim Eggen 1934[Bild: Hugo Herrmann, Untershausen H25]

Das Foto aus dem Jahr 1934 entstand auf der „Hii“ (Höhe) und zeigt Christian Herrmann mit seiner Tochter Dorothea beim „Ehen“. Ein gepflügtes Feld wird mit einer hölzernen Egge „geeht“ (im Oberwesterwald „gezackert“), d.h. kleinscholliger gemacht.

Mähmaschine 1935
Mähmaschine 1935[Bild: Reiner Dennebaum, Mainz, ehem. Untershausen H13]

Auf dem Foto aus dem Jahr 1935 ist eine Mähmachine Typ Heinrich Lanz zu sehen mit einem angebauten Ableger für das Getreide sowie Erntehelfer des Müllers von Niederelbert. In der Mitte Walter Dennebaum (mit Hut) und davor seine jüngere Schwester Lieselotte.
Die Erntearbeiter haben gerade Besuch von 2 Mädchen, die ihre arbeitenden Verwandten zu einer kurzen Pause verhelfen. Seit 1936 besaß der Müller von Niederelbert mit dem Pferdegespann sogar einen „Binder“ zum Frucht-Abmachen. [Anm. 12]

Rapsernte 1938
Rapsernte 1938[Bild: Otto Paul Gombert, Mettlach, ehem. Untershausen H3]

Das Foto aus dem Jahr 1938 zeigt den Landwirt Heinrich Gombert H3 und seine Frau Anna auf der Straße im Oberdorf; sie bringen die Rapsernte von ihrem Feld in Stahlhofen mit ihrem Viehfuhrwerk nach Hause. Im Hintergrund sieht man die Linden der Wendelinus-Kapelle.


Haferernte 1941
Haferernte 1941[Bild: Otto Paul Gombert, Mettlach, ehem. Untershausen H3]

Foto aus dem Jahre 1941. Bei den abgebildeten Personen handelt es sich um Anna und Otto Gombert sowie um Manfred Stetenfeld mit seiner Mutter Rosa H3 im Haferfeld am Beul.
Es war ein nasser Sommer und das Getreide musste auch sonntags zum Trocknen gewendet werden.

Mähmaschinen besaßen nur Peter Gombert H38, Peter Schnee H29 und Christian Herrmann H32. [Anm. 13]

Kaffeepause bei der Weizenernte 1941
Kaffeepause bei der Weizenernte 1941[Bild: Hugo Herrmann, Untershausen H25]

Das Foto aus dem Jahr 1941 zeigt eine Kaffeepause bei der Weizenernte auf der Sturch mit Hausten (zeltartig/hausartig aufgestellte Getreidegarben) im Hintergrund. Die Personen sind v.l. Christian Herrmann H32, seine Schwiegertochter Maria, seine Schwägerin Elisabeth H39, Paul, ein französischer Kriegsgefangener, dessen Nachname nicht mehr bekannt ist, und die Tochter Thekla. Die Gefangenen waren in Holler im Saal Engers inhaftiert und als Erntehelfer den Bauern zugeteilt worden; weitere Kriegsgefangene waren eingesetzt bei Heinriche H3, einer aus Litauen bei Meiersch H37 und ein weiterer französischer bei Schulze H38. [Anm. 14]

Landleben
In der Gemarkung Untershausen wurde vorwiegend Getreide in Form von Korn, Weizen, Hafer und Gerste angebaut, weiterhin Kartoffeln sowie Rüben für das Vieh, bis 1930 sporadisch auch Flachs. [Anm. 15] Die Felder befanden sich vorwiegend in der Gewann, am Beul bis zum Reckenthaler Weg bzw. Wendelinus Kapellchen, in der Sturch und auf der Höhe. Die Wiesen lagen Unterm Dorf, Im Seifen und in der Seite.

Während des Zweiten Weltkriegs gab es in Unterhausen unter den 45 beschriebenen Häusern/Anwesen noch 26 kleine landwirtschaftliche Betriebe, darunter 2–3 mit etwas mehr Feld oder Vieh. Alle Bauern benutzten Kühe zum Ziehen der landwirtschaftlichen Fuhrwerke. Es gab vorübergehend keine Pferde mehr in Untershausen. Ein paar Schafe und einen Schafbock gab es nur in H3.
Fünf Familien besaßen noch eine Kleinstlandwirtschaft mit einer Kuh, sieben hatten lediglich einen Schweinestall und weitere sieben waren ohne Stallungen.

12 der 45 Häuser hatten nur einen kleinen Stall, in dem die jeweilige Großfamilie eine Kuh oder Ziege hielt, so dass man sich selbst mit Milch versorgen konnte; alle 12 besaßen auch noch einen Schweinestall, in dem ein Schwein bis zur Schlachtreife gehalten wurde. Schafe gab es in Untershausen nur vereinzelt, z. B. H3 und H11; alle 12 hielten auch Hühner, so dass für Eier und eine gelegentliche Fleischportion gesorgt war.

Die selbst erzeugten Nahrungsmittel reichten für ein kärgliches Leben. Nachbarschaftshilfe war für die Menschen eine solidarische Grundbedingung der Existenzsicherung, auch wenn das Vieh krank wurde oder andere Notlagen eintraten. Bargeld zum Einkaufen stand den Menschen kaum zur Verfügung. Die Arbeit begann mit dem Morgengrauen und wurde nur durch Sonntags- oder Feiertagsruhe unterbrochen. Das Läuten der Glocken von den Kirchtürmen – in Untershausen vom Backes – sorgte für einen gewissen Tagesrhythmus, s. Text: Einzelaspekte/Brauchtum; Uhren standen den meisten Menschen erst in der Nachkriegszeit zur Verfügung.

Zum Frühstück gab es Brot mit Rüben- oder Zwetschenkraut oder Haferbrei, zum Abendessen wurden die Kartoffel gebraten – die vom Mittagessen übriggeblieben waren – und Dickmilch. Brot – haltbares Sauerteigbrot aus Roggenmehl – wurde im Backes gebacken, stand aber bei weitem nicht jedem Menschen tagtäglich zur Verfügung.
Die Kartoffeln wurden im kühlen Keller auf dem kahlen gestampften Boden untergebracht, die Äpfel ebenfalls im Keller in Holzregalen gelagert, die ungekochten Eier wurden in einer Kalklösung in einem steinernen Topf für den Winter konserviert. Durch die Kühe stand den Menschen Milch zur Verfügung, der sich absetzende Rahm wurde zu Butter geschlagen.

Hausschlachtung eines Schweins 1941
Hausschlachtung eines Schweins 1941[Bild: Marita Gilberg geb. Born, Stahlhofen, s. H35]

Die Hausschlachtung der Schweine wurde im Winter durchgeführt, so um den 17. Januar herum („Ferkelsdünnes“), s.a. Text: Einzelaspekte Häuser/Haus Nr. 35, Foto Hausschlachtung 1940. Auf dem Foto sieht man Willi Born H35 bei einer Hausschlachtung in Stahlhofen. Das Fleisch wurde in einer Salzlauge in einem Holzbottich, der auf dem Speicher stand, gepökelt, manchmal auch in Gläsern eingekocht. Die Schinken wurden später vom Salz befreit, abgewaschen, auf dem Speicher luftgetrocknet und in der Räucherkammer - einem Kaminanbau auf dem Speicher - haltbar gemacht. Auch Blut- und Leberwürste wurden geräuchert, ebenso wie der Schwartenmagen.

Durch den Verkauf von Schafswolle konnte etwas Gewinn erwirtschaftet werden. Flachs wurde schon seit 2 Generationen kaum noch angebaut, somit kaum noch Tuch für Bettwäsche und Kleider gewebt. Das Schuhwerk war derb und einfach, wurde durch Fett gegen Wasser geschützt und die Ledersohlen durch breitköpfige Metallnägel und Metallblättchen an Spitze und Absatz vor allzu schnellem Verschleiß bewahrt.

In der Winterzeit wurde das in der Scheune gelagerte Getreide gedroschen, d. h. die Getreidekörner mit dem Dreschflegel aus den Ähren herausgeschlagen. Die Korn- und Weizenkörner konnten dann von einem Müller zu Mehl (Korn, Weizen) Kleie und Schrot weiterverarbeitet werden.
Die einzelnen landwirtschaftlichen Betriebe besaßen auch eine mechanische „Brockel“, mit der die Runkelrüben zu Bröckchen zerkleinert wurden, um diese dann zusammen mit Häcksel (Weizenstroh), Heu, Schrot und Kleie in einem Eimer mit lauwarmen Wasser dem Vieh zu fressen zu geben.
Das Roggen-Stroh diente geschnitten als Streu im Stall zum Auffangen der Ausscheidungen der Tiere und wurde dann als Mist auf dem Hof zwischengelagert, ehe dieser dann später auf das Feld gefahren und dort als nährstoffreiches Substrat untergepflügt wurde. In Unterhausen wurde der Mist häufig im Frühjahr auf den Äckern verteilt, auf denen später Kartoffeln oder Rüben gesetzt wurden.

Aus Bündeln von Strohhalmen haben in Heiligenroth die Männer im Winter „Wenzel“ für die kommende Getreideernte hergestellt. [Anm. 16] In Untershausen wurden derartige „Witt“ direkt bei der Ernte auf dem Feld „gewenselt“.

Der Winter war auch die Zeit zum Holzmachen, das dann später nach Hause geholt wurde. Dazu markierte der Förster die zu fällenden Bäume, die dann von den Holzfällern in 1 m lange Stücke geschnitten und als Raummeter (1 m x 1 m) aufgestapelt und verkauft (versteigert) wurden. Nach dem Spalten wurde das Holz in Stück geschnitten und dann mit dem Beil in Scheite gehackt und zum Trocknen aufgesetzt, um es dann in den kommenden Monaten verfeuern zu können. Im Winter wurden auch notwendig gewordene Reparaturen an Haus, Hof und Gerätschaften durchgeführt.

In Untershausen wurden in der Landwirtschaft vor allem Kühe als Zugtiere eingesetzt. Pferde gab es nur ganz vereinzelt: Peter Gombert H38 war auch als Heuhändler tätig und besaß 2 Pferde. Ein Pferd hatten Christian Normann H37, Wilhelm Klein H30 und Josef Simon H40; W. Klein war als Hausierer in den umliegenden Dörfern unterwegs, anfangs mit einem Hund, der sein Wägelchen zog, später mit einem leichten Pferd, das er vor eine kleine Kutsche spannte; J. Simon hatte auch ein leichtes Pferd, das ihn und seinen kleinen Wagen einmal wöchentlich nach Koblenz brachte, wo er Hähnchen, Butter und Eier verkaufte. Josef Weckbecker H35 hatte sich versuchsweise nach dem Zweiten Weltkrieg ein Pferd gekauft, den landwirtschaftlichen Betrieb aber dann doch aufgegeben.

Als Viehhändler kamen vorwiegend jüdische Viehhändler aus Isselbach ins Dorf. Von diesen Händlern besuchte z. B.  Kahn mit seinen Söhnen Heinriche H3 und Hermanns H32. Die Isselbächer Juden wurden nach der Zerstörung der dortigen Synagoge am 9. Novovember 1938 – an der auch Untershäuser SA-Männer beteiligt waren – deportiert /OPG/ und ermordet, s. Text: Einzelsaspekte/NS-Zeit.
Auch in den benachbarten Ortschaften trieben die Bauern bis zu diesem Zeitpunkt einen regen Handel mit jüdischen Viehhändlern. Wenn dem Bauer eine Kuh einging und er kein Geld hatte, um ein neue zu kaufen, konnte es sein, dass der jüdische Viehhändler ihm eine Kuh in den Stall stellte. Damit hatte der Bauer wenigstens Milch und Butter. Der Händler wurde dafür mit einem Kalb entschädigt.[Anm. 17]
Nach der Reichspogromnacht regelten die Untershäuser Landwirte ihren Handel dann direkt mit den Metzgereien Keiner und Lotz in Montabaur und Lehmler in Welschneudorf.

An allen 1945 bis 1950 errichteten Häusern, nicht nur an den Hofreiten, gab es einen Hausgarten, in dem vorwiegend Salat, Küchenkräuter und (Johannis- und Stachel-)Beeren angepflanzt wurden; hinzu hatten fast alle Familien einen Walnussbaum im Hof und weiter Obstbäume in der Nähe, wie Äpfel, Birnen, Zwetschgen und Kirschen. Die meisten Familien besaßen noch ein Grundstück im nahegelegenen Kappesfeld, auf dem meist Gemüse, manchmal auch Kartoffeln angebaut wurde. Alle Häuser waren in Familienbesitz – außer Gendarmerie H41 und Forsthaus H18. Es gab kaum offizielle Mietverhältnisse – außer bei Nenke H17, Gellebitze H39 und bei Bendersch H43. Personen ohne Einkommen blieben üblicherweise im elterlichen Haus wohnen, wobei erwartet wurde, dass sie sich aktiv in den Familienverband eingliederten und mithalfen, die erforderlichen Arbeiten zu erledigen.

1950
Auflösung des bäuerlichen Lebens
Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Untershausen noch 26 kleinbäuerliche landwirtschaftliche Anwesen; dabei handelte es sich vorwiegend um Selbstversorger, die Menschen lebten in eher ärmlichen Verhältnissen, mussten aber keinen Hunger leiden. Drei Landwirte waren etwas bessergestellt: Heinriche H3, die auch einen großen Stall besaßen, Scholze H38 betrieben noch zusätzlich einen Heuhandel und Meiersch H37 hatten 4 Kühe.

Ein Dutzend Familien besaßen zwar einen kleinen Stall für ein Schwein und evtl. eine Ziege und hielten sich Hühner, betrieben aber kaum Landwirtschaft. Eigenes Feld wurde mit Hilfe der bäuerlichen Nachbarn bearbeitet. An Futter für die Ziege kam man, indem man Feldwege von der Gemeinde pachtete. Alle Familien versuchten, sich als Selbstversorger mit Hilfe eines kleinen Grundstücks im Kappesfeld und ihrem Hausgarten ihre Existenz zu sichern. In Heiligenroth betrieb der Pfarrer seine Landwirtschaft sogar mit einem Ochsengespann. [Anm. 18] Die Lehrer hatten einen Schulgarten, um Kartoffel, Gemüse, Salat und Küchenkräuter anbauen zu können und den Schülern die Pflanzenkunde näherzubringen.

Ende der 1950er Jahre hatten fast alle landwirtschaftlichen Betriebe aufgegeben. Lediglich 3 Bauern versuchten eine Umstellung der Betriebe und kauften sich Traktoren: H21, H35 und H38. In den 1990er Jahren gab es dann mit Heinrich Gombert H21 nur noch einen landwirtschaftlichen Betrieb; dieser hatte sich auf Milcherzeugung spezialisiert, wurde aber auch Anfang der 2000er Jahre aufgelöst, s. Text: Nebenaspekte Haus Nr. 21.
Heute wird der Grund und Boden in der Gemarkung Untershausen vorwiegend von der Hollerer Familie Werner und Verena Engers bewirtschaftet und von Helmut Metternich und seinem Sohn Florian aus Untershausen H38, die auch heute wieder einen Heuhandel betreiben, s. Text: Nebenaspekte Haus Nr. 38.

Im Jahr 2022 nutzte die Landwirtschaft eine Fläche von 0,92 km².

Anmerkungen:

  1. Deutsch Ordens Commende zu Coblenz Hof und Zehende zu Untershausen 1721–75, Bl. 1–18, HHStAW Abt. 116, Nr. 916. Zurück
  2. Linz, Damian: Montabaurer Amtsbeschreibung vom Jahr 1786. Erster Theil, handgeschriebene DIN-A3-Blätter, 568 Seiten. HHStAW Abt. 116, Nr. 41; s.a. Auszug in Thamm, Melchior: Die Montabaurer Amtsbeschreibung des kurtrierischen Hofrats Damian Linz a.d.J. 1786, online verfügbar unter: https://www.dilibri.de/rlb/content/titleinfo/347849 (aufgerufen am 05.04.2024).  Zurück
  3. Linz, Damian: Montabaurer Amtsbeschreibung vom Jahr 1786. Zweiter Theil. 273 handgeschriebene Blätter DIN-A3; hier: Blätter 247–250 Untershausen. HHStAW Abt. 116, Nr. 42, Bl. 1–273. Zurück
  4. Vierteljahresübersicht 1922 über die Verbreitung der der Anzeigenpflicht unterliegenden Tierseuchen, ausgenommen Tuberkulose. Der Kreistierarzt, Unterwesterwaldkreis, 1922, S1–20. Zurück
  5. Verwaltungsbericht des Unterwesterwaldkreises für die Jahre 1922, 1923 und 1924. Aus den Unterlagen von Veterinärrat Dr. Schirmer, Montabaur, in Besitz von Hans Schulze-Gahmen, Welschneudorf, S. 1–23. Zurück
  6. Bericht über die Verwaltung und den Stand der Kreiskommunalangelegenheiten des Unterwesterwaldkreises im Rechnungsjahr 1929. Aus den Unterlagen von Veterinärarzt Dr. Schirmer, Montabaur, in Besitz von Hans Schulze-Gahmen, Welschneudorf, S. 1–40; Bericht des Kreisausschusses des Unterwesterwaldkreises über die Verwaltung der Staats- und Kommunalangelegenheiten im Rechnungsjahr 1928. Unterlagen von Veterinärrat Dr. Schirmer, Montabaur, in Besitz von Hans Schulze-Gahmen, Welschneudorf, S. 1–39. Zurück
  7. Collet, Vorsitzender des Kreisausschusses, berichtet über die Ergebnisse der Jungviehweiden in Helferskirchen und Marienhausen aus dem Jahr 1931 als Vorlage zur Veröffentlichung in den Zeitungen des Unterwesterwaldkreise, S.1–3. Zurück
  8. Schirmer, Dr., Veterinärrat: Weidliste Helferskirchen 1931, handschriftlich. Montabaur, 1931, in Besitz von Hans Schulze-Gahmen, Welschneudorf S 1–11.  Zurück
  9. Gensicke, Hellmuth: Wirtschaftsgeschichte. In: Heimatbuch des Regierungsbezirks Montabaur; 4 Karten einliegend; Hrsg. Nassauische Kulturstiftung Montabaur. Buchdruckerei F. Riedel, Marienberg/Westerwald, 1956, S. 152–167.  Zurück
  10. Hugo Herrmann, Zeitzeuge, Untershausen H25.  Zurück
  11. Otto Paul Gombert, Zeitzeuge, Keramikingenieur, Mettlach; ehem. Untershausen H3. Zurück
  12. Otto Paul Gombert, Zeitzeuge, Keramikingenieur, Mettlach; ehem. Untershausen H3. Zurück
  13. Hugo Herrmann, Zeitzeuge, Untershausen H25.  Zurück
  14. Richard Becher, Zeitzeuge, Untershausen H36.  Zurück
  15. Otto Paul Gombert, Zeitzeuge, Keramikingenieur, Mettlach; ehem. Untershausen H3.  Zurück
  16. Elisabeth Sander geb. Dennebaum, Heiligenroth.  Zurück
  17. Elisabeth Sander geb. Dennebaum, Heiligenroth.  Zurück
  18. Elisabeth Sander geb. Dennebaum, Heiligenroth.  Zurück