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Zitwer-Wein aus dem Jahr 1650

Das Original wurde vom Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden digitalisiert und liegt nun wieder im Familienarchiv in Schloss Vollrads.[Bild: HHStAW, HASV Abt. 2, Nr. 1238]

Das sogenannte Schönen (=verbessern) von Wein war in vergangenen Jahrhunderten häufiger anzutreffen als heute. Wir kennen solche Weine heute meist nur noch zur Adventszeit als Glühwein. Das folgende Rezept aus dem Jahr 1650 ist im Archiv der Familie Greiffenclau aus Schloss Vollrads im Rheingau überliefert.

Drei Tipps:

  • Zum besseren Verständnis (und Belustigung der Umstehenden) am besten laut vorlesen und nicht anhalten. Viele Worte wurden damals ganz anders geschrieben als heute, laut ausgesprochen versteht man den Text daher noch am besten.
  • “j ome” bedeutet “1 Ohm”; wobei Ohm ein kleines Fässchen von etwa 160 Litern war.
  • Gerne können Sie das Rezept auch mit weniger Wein nachkochen. Unterhalb des Rezepts folgt eine moderne Interpretation.

Eyn guten Zytwen wyn zumachenn

Wann mann j ome Zitwe wyns machenn will Sol man nemenn ein ome guts seines wyns vom bestenn gewechs unnd wie er vonn der kelter geth so ein sack zwey oder druwe mall gedruckt ist, unnd Ome nach sovil Zukelternn hait Das ist angewechts der mittelst wynn, der ist nit raib auch nit sauwer vonn denn drueckenn / Item dieselbig ome wyns soll mann thun In ein sauberenn kessell, unnd das tritteyll woll Lassen insedenn und sauber verscheuwmenn unnd so er nach Im kessell ist, sol mann diese nachgescharbent wurz, (die nit zuw kleynn gestossenn sein soll) darin thun und wol mengenn item iiij loit Ingwer It(em) iij loit negellen und iiij loit Zymmats

Darnach sol mann denn wynn In ein sauber buthis thun, darin lassenn vergerenn unnd kalt werdenn, unnd wan kein dampff mehr davonn geht, das man ein finger woll darin haltenn mag, Sol man dann wynn mit eine tuch zain zudeckenn, Unnd so er woll erkaltet, In abermals reynn schaumen unnd zur dann In suwber feßlein thun, unnd aber sovyl der abgescharbenn wurz nemenn, die Zurkuntschen und nit clein stossenn unnd alsdann inn eyne clein schmall secklein thun das lang ist Dasselbig mitten in denn wynn henckenn, Und so man davonn drincke, das secklin ye langer ye mehr, las hinab sanckenn, damit es alleweg inn dem wynn hange.

Nota man mag auch denn obgnantenn wynn, so mann daruß trinckt mit eynem gesottenn guttenn wyn (als alant) eynn zytlang widder fullen, Das schat Ime nichts Nach so man denn Zytwen wynn Getrinckt, mag man ein ändernn gutenn wynn Inn das feslein fullenn, wan er gewint [darum] gar ein sehr gutenn geschmack.

Eine Interpretation

Gießen Sie ein Drittel von einem guten, halbtrockenen bis lieblichen Rotwein in einen Topf - am besten keinen Dornfelder, sondern eine alte Sorte, die es auch 1650 schon gab; der Verfasser des Rezepts nutzte sehr wahrscheinlich Spätburgunder.[Anm. 1]

Dazu kommen nun grob zerschnittener, leicht gequetschter Ingwer, ganze Gewürznelken (negellen = Nägelein; der damalige Name für Nelken) und Zymmat, also Zimtstangen. Da Sie vermutlich weniger als 160 Liter zubereiten, nutzen Sie bitte auch weniger als die im Original empfohlenen jeweils 3-4 Lot (etwa 60-80g) der Gewürze; vernünftig für 1 bis 2 Liter wären z.B. eine Zimtstange, etwa 10cm Ingwer und max. 10 Gewürznelken - je nach Geschmack.

Das Ganze im Topf sehr gut verrühren bzw. aufschäumen und dabei erhitzen, aber nicht kochen. Kalt werden lassen und danach mit dem ganzen restlichen Wein vermengen. Die genutzten Gewürze nicht wegschmeißen, sondern in einem Tuch oder Teebeutel hineinhängen, so dass sie ganz von Wein bedeckt sind.

Das wichtigste: Wenn Sie nun ein Glas von dem Zitwer-Wein trinken, füllen Sie den Schwund hinterher direkt wieder mit neuem Rotwein auf. So hat man mehr davon und er “gewint [darum] gar ein sehr gutenn geschmack”.

Am besten das Behältnis immer möglichst voll halten, kühl lagern und luftdicht verschließen (wie ein spundvolles Fass im kühlen Keller), dann begleitet Sie der Wein durch den gesamten Advent.

[Forschungsschwerpunkt Weinbaugeschichte am IGL]

Verfasser: Simeon Guthier
Quellennachweis:

  • HHStAW, HASV (= Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Hausarchiv Schloss Vollrads) Abt. 2, Nr. 1238

 

Anmerkungen:

  1. Im Rezept steht genau genommen nicht, dass roter Wein verwendet wurde - dies ist eine moderne Interpretation. Der Wein solle nur von guter Qualität, nicht zu herb und nicht zu sauer sein. Zurück