Oberwesel am Mittelrhein

Inschriften in und an Oberweseler Kirchen

Die folgenden Beiträge wurden dem Buch "Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises I (Boppard, Oberwesel, St.Goar)" entnommen, das von Eberhard Nikitsch herausgegeben und 2004 in Wiesbaden erschienen ist. Es ist zugleich der 60. Band der Reihe "Die Deutschen Inschriften"

Kath. Pfarrkirche Unserer Lieben Frau: Grabplatte eines unbekannten Stiftsherrn

Ursprünglich in der Liebfrauenkirche, wurde sie 1842/45 nach außen an die Wand des Kreuzgangsüdflügels versetzt und 1990/91 im neu errichteten Nordflügel des Kreuzgangs aufgestellt. Große Platte aus rotem Sandstein mit Umschrift zwischen Linien, im Feld in Ritzzeichnung ausgeführte Figur des Verstorbenen in priesterlichem Gewand mit gefalteten Händen, unter diesen ein Meßkelch. Rechte obere Ecke gebrochen und geflickt, die Ränder der unteren Hälfte stark beschädigt, dadurch erheblicher Schriftverlust.

H. 224, B. 111, Bu. 7 cm. – Gotische Majuskel.

ANNO - D(OMI)NI - M - CC/Co- XXX - VII - V - NO[NAS - - - / ...] -

CANONI[C(VS)] / H(VIVS) - ECC[LESIE - CVI(VS) - A(N)I(M)A -

REQVIESCAT - IN - PACE

Im Jahr des Herrn 1337 am 5. Tag vor den Nonen (des Monats ... ) Kanoniker dieser Kirche, dessen Seele in Frieden ruhen möge.

Im Vergleich zu dem ein Jahr zuvor entstandenen Grabdenkmal des Dekans Johannes ist die Grabplatte des nicht näher zu identifizierenden Stiftsherrn entsprechend seinem Rang deutlich schlichter und künstlerisch bescheidener ausgefallen. Allerdings ist ein verbindendes Element zu beobachten: Durch die Füllung der Ritzzeichnung und der flach ausgehauenen, unten aufgerauhten Buchstaben mit einer heute nur noch in Resten vorhandenen schwarzen, glattgestrichenen Masse wird auch hier ein eindrucksvoller, dekorativer Effekt erzielt. Als Worttrenner dienen Quadrangeln.

Kath. Pfarrkirche Unserer Lieben Frau: Fragmente der Grabplatte des Ritters Humbert von Schönburg auf Wesel (gen.) von Argenthal

Aufgefunden im Sommer 1988 als Bestandteile der in den Jahren 1842 bis 1845 zugemauerten Kreuzgangfenster, seit Sommer 1996 rekonstruiert und im neu errichteten Nordflügel des Kreuzgangs aufgestellt. Aus sechs Teilen bestehende, ansonsten gut erhaltene obere Hälfte einer Platte aus rotem Sandstein mit Umschrift zwischen Linien, im Feld ein großes reliefiertes Wappen.

H. 112 (frgm.), B. 95, Bu. 7 cm. – Gotische Majuskel.

ANNO - D(OMI)NI - Mo - / CCCo - XLo KAL(ENDIS) JULI[I ---/ ---/ -

--] ARGINDAL -

Datum: 1. Juli 1340.

Wappen: Schönburg auf Wesel (Stamm III).

Die Enden der in ausgewogenen Proportionen gearbeiteten Buchstaben laufen zum Teil in umgebogene Zierlinien aus oder weisen dreiecksförmige Sporen auf. Als Worttrenner dienen Quadrangeln.

Durch das Datum und den auffälligen Namenszusatz läßt sich der Unbekannte mit dem bislang als vor 1342 verstorben bezeichneten Humbert (I.) von Schönburg auf Wesel identifizieren. 1296 als "armiger" und ab 1334 als "miles" urkundlich erwähnt, war er ein Nachkomme des 1266 erstmals genannten "Merbodo dictus de Argental", vermutlich Herr des unweit Oberwesels gelegenen Dorfes Argenthal im Hunsrück. Humberts (I.) gleichnamiger Sohn war in kinderloser Ehe mit Peterse, Tochter des Lamprecht von Schönburg auf Wesel (Stamm I), verheiratet. Merbodo dagegen begründete über seinen gleichnamigen Sohn die später "Humbracht" genannte Linie, die 1534 mit Otto Humbracht von Schönburg auf Wesel im Mannesstamm ausstarb.

Die bis dahin unbekannte Grabplatte stellt das älteste sepulkrale Zeugnis der als Ganerben auf der Schönburg oberhalb von Oberwesel residierenden Herren von Schönburg dar und eröffnet damit die lange Reihe der Bestattungen von Mitgliedern der verschiedenen Linien, denen als hervorgehobene Familien-Grablege der nördliche Seitenchor der Liebfrauenkirche vorbehalten war.

Kath. Pfarrkirche Unserer Lieben Frau: Fragmente der Grabplatte des Ritters Lamprecht von Schönburg auf Wesel

1991 anläßlich des Einbaus einer Heizungsanlage in einem "Schacht im Bereich des nördlichen Nebenchores" aufgefunden und im neu errichteten Nordflügel des Kreuzganges aufgestellt. Längs in zwei Teile zerbrochenes, oberes Drittel einer Platte aus rotem Sandstein mit Umschrift zwischen Linien, oben zwei reliefierte Wappen, darunter Spitze eines genasten Kielbogens. Als Worttrenner dienen Punkte.

H. 64, B. 135, Bu. 7,5 cm. – Gotische Majuskel.

ANNO - D(OMI)[N]I - Mo - CCCo - LXI/III - [I - - - / - - - / - - - P]ACE

AM(EN)-

Wappen: Schönburg auf Wesel (Stamm I) Geispitzheim.

Aufgrund der vorliegenden, in der Genealogie der Schönburger des 14. Jahrhunderts nur einmal nachweisbaren Wappenkonstellation lassen sich die bislang unbestimmten und in die 1. Hälfte des 14. Jh. datierten Fragmente eindeutig als Teile der Grabplatte des am 9. August 1364 verstorbenen Lamprecht von Schönburg auf Wesel identifizieren. Der seit 1342 als Ritter bezeugte, älteste Sohn des Begründers der sogenannten Lamprechtschen Linie fungierte 1355 bis 1360 als erzbischöflich-trierischer Amtmann und Burggraf zu (Ober)Wesel und Sterrenberg und war mit der bereits am 2. Februar 1360 verstorbenen Margarethe von Geispitzheim (Gabsheim, Rheinhessen) in kinderloser Ehe verheiratet. Die Fundumstände der Fragmente lassen den Schluß zu, daß Lamprecht – wie sein wenige Jahre zuvor verstorbener Bruder Johann – in der Grablege der Schönburger im nördlichen Seitenchor der Liebfrauenkirche bestattet war.

Kath. Pfarrkirche Unserer Lieben Frau: Grabplatte des Stiftsherrn Friedrich Frey von Pfaffenau (des Jüngeren?)

Ursprünglich in der Liebfrauenkirche, wurde sie 1842/45 nach außen an die Wand des Kreuzgangsüdflügels versetzt und 1990/91 im neu errichteten Nordflügel des Kreuzgangs aufgestellt. Große Platte aus rotem Sandstein mit Umschrift (A) zwischen Linien, in der Mitte des Feldes vertieft ausgearbeitet Priesterkelch mit Kreuz. Innen parallel zur rechten Leiste findet sich eine zweite, später nachgetragene, unvollendete Inschrift (B). In den vier Ecken jeweils ein flachreliefiertes Wappen, die beiden oberen jedoch bis zur Unkenntlichkeit abgearbeitet.

H. 215, B. 109, Bu. 7 (A), 7-8 (B) cm. – Gotische Minuskel.

A     anno - d(omi)ni - m cccc xxx / - xvi k(a)l(endas) - augusti - obiit-           

       domin(us) - fredericus frie de / paffennauwe canonic(us) / hui(us) ecc

       (lesi)e et patron(us) cui(us) a(n)i(m)a req(ui)escat in pace amen

B     in die b(ea)ti thimothei

(A) Im Jahr des Herrn 1430, am 16. Tag vor den Kalenden des August (17. Juli) starb Herr Friedrich Frey von Pfaffenau, Kanoniker dieser Kirche und Patron. Seine Seele möge in Frieden ruhen, Amen. – (B) Am Tag des hl. Timotheus (24. Januar)

Wappen: [Frey von Pfaffenau]  unkenntlich, Schönburg auf Wesel unbekannt.

Die eher ungleichmäßig gearbeitete Minuskel zeigt für die Entstehungszeit einfache und wenig fortschrittliche Formen: Versalien und jegliche Zierformen fehlen, die Buchstaben mit Ober- und Unterlängen sind stark gebrochen und bleiben im Mittelband, w wird konservativ durch ein breites v mit mittig eingesetzter Haste gebildet. Als Worttrenner dienen kleine Quadrangeln.

Verschiedene Mitglieder der ursprünglich aus der Umgebung von Lorch im Rheingau stammenden Familie standen als Ministerialen in katzenelnbogischen Diensten und sind seit 1331 als Amtsträger in Oberwesel nachweisbar. Bereits 1339 hatten sie das Mit-Patronat über die Liebfrauenkirche inne. Da die oberen Wappen auf der Grabplatte des Verstorbenen fehlen und ein Konnubium Frey von Pfaffenau/Schönburg auf Wesel in den vorliegenden Stammtafeln nicht nachweisbar ist, läßt sich seine genaue Herkunft nicht mehr bestimmen. Höchstwahrscheinlich handelt es sich bei ihm um den seit 1382 als Stiftsherr in Liebfrauen bezeugten, 1387 an der Universität Heidelberg eingeschriebenen Friedrich Frey von Pfaffenau (den Jüngeren), von dem allerdings kein verläßliches Todesdatum überliefert ist. Möglicherweise war die nachträgliche verfaßte, aber nicht vollendete zweite Inschrift für seinen mutmaßlichen Neffen Friedrich Frey von Pfaffenau (den Jüngsten) bestimmt, der von 1423 bis 1447 als Kanoniker zu Liebfrauen nachweisbar ist. Mit ihm oder mit dem vor 1445 verstorbenen, mit Jutta von Ottenstein in kinderloser Ehe verheirateten Hermann Frey von Pfaffenau dürfte dieses für Oberwesel bedeutende Geschlecht ausgestorben sein.

Kath. Pfarrkirche Unserer Lieben Frau: Epitaph für Friedrich (den Älteren) von Schönburg auf Wesel

Eingelassen in die dafür vorbereitete Südwand des nördlichen Seitenchores, daher wohl noch am originalen Standort. Zweigeschossige Ädikula aus Tuffstein mit der halbreliefierten Standfigur des Verstorbenen in einer Muschelnische, deren Zwickel mit Drachen gefüllt sind. Sie wird gerahmt von zwei reich mit Renaissance-Ornamenten und je zwei Wappen geschmückten Pilastern. Zwischen den Wappen ist jeweils ein männliche – bzw. weibliche Büste im Medaillon angebracht. In den Verlängerungen der Pilaster finden sich zwei Täfelchen mit der Jahreszahl der Herstellung (A). Das Obergeschoß wird von einer volutengerahmten Tafel aus Schiefer mit der neunzeiligen Grab- und Stifterinschrift (B) gebildet, deren letzte Zeile mit dem Todesdatum golden gefaßt und dadurch hervorgehoben ist. Den oberen Abschluß bildet ein von Fruchtgehängen und Putten umgebener Bronzetondo, der einen langhaarigen bärtigen Mann in Profilansicht zeigt. Darüber befand sich eine heute fehlende Bekrönung. Der Verstorbene ist vollständig gerüstet dargestellt mit eckig beschnittenem Vollbart und betend gefalteten Händen, den Helm zu Füßen und den Blick nach rechts auf den Altar gerichtet. Das Gesicht ist zum Teil farbig gefaßt, die Schamkapsel abgearbeitet, das Schwert zur Hälfte abgebrochen. Der die Figur umgebende Reliefgrund ist von zahlreichen eingeritzten Jahreszahlen, Initialen und Namen des 17. bis 20. Jahrhunderts (C) verunstaltet.

H. ca. 335, B. 150, Bu. ca. 2 (A), ca. 2-3 (B) cm. – Kapitalis, erhaben (A); Humanistische Minuskel (B, C).

A              ANNO // - 1 - 5 - 5 - 5 -

             Nobili, singulariq(ue) prudentia, (et) animi mag=/nitudine consicuo

                uiro Frederico a Schoen/burgk, qui uiuens arcem Schoenburgk prope

                / Wesaliam partim defunctis, partim cedentib(us) / ominb(us) eius

                possesorib(us), quod multis ab hi(n)c/ annis nemini contigit, solus

                possedit adq(ue)/ posteros transmisit, Filii Fridericus (et)

                Maynhardus pietate mouente F(ieri) F(ecerunt)/ O(biit) Anno 1550,

                die Februarii 21

 

C          1603   1606   1608   1612   1619   1620   1621   164[.]   1675   1676  

            1677   1678   1679   Wilhelm / 1680   1680   1681

Dem edlen, durch außerordentliche Klugheit und Seelengröße ausgezeichneten Mann Friedrich von Schönburg, der zu seinen Lebzeiten die Burg Schönburg nahe bei Wesel – teils aufgrund des Todes, teils aufgrund des Verzichts aller ihrer Besitzer – allein besaß, was vor ihm viele Jahre lang niemandem gelungen war, und der (die Burg) seinen Nachkommen übergab, ließen seine Söhne Friedrich und Meinhard von (kindlicher) Liebe bewegt (dieses Denkmal) errichten. Er starb im Jahr 1550, am 21. Tag des Februars, im Alter von 66 (Jahren).

 

Wappen: Schönburg auf Wesel (Stamm IIb) Wallbrunn, Gerolstein Carben.

Die hervorragend ausgeführte humanistische Minuskel ist als frühester Vertreter dieser Schriftart im Bearbeitungsgebiet bemerkenswert und fällt zudem durch die breite Strichführung, stumpfe Schaftenden, die Verwendung von kapitalem K als Kleinbuchstaben und den erstmals im Bearbeitungsgebiet nachweisbaren Gebrauch von Kommata als Satzzeichen auf. Möglicherweise ist die Wahl dieser Schriftform eine Reaktion auf lokale Usancen, da der ausführende Bildhauer vielfach erhabene Kapitalis bevorzugte.

Friedrich (der Ältere) von Schönburg auf Wesel wurde 1484 als erstes Kind der Ehe Adams von Schönburg mit Guda von Wallbrunn geboren. Aus seiner 1509 geschlossenen Ehe mit der bereits 1518 verstorbenen Agnes von Dienheim resultierten zwei, aus der zweiten Ehe mit der vor 1547 verstorbenen Elisabeth von Langeln weitere sechs Kinder, darunter Friedrich (der Jüngere) und Meinhard I., die beiden inschriftlich genannten Stifter des Epitaphs. Durch das allmähliche Erlöschen der verschiedenen Linien derer von Schönburg im Verlauf des 15. Jahrhunderts sowie durch das Aussterben der verbliebenen Humbrachtschen Linie (Stamm III) im Jahr 1534 und wohl auch durch den in der Inschrift angedeuteten, nicht im einzelnen belegbaren Erwerb bestimmter Rechte gelangte Friedrich in den Alleinbesitz der ehemaligen Ganerbenburg. Die Wappen seines Epitaphs beziehen sich jedoch nicht auf diese Herrschaftserweiterung, sondern zeigen auf der linken Seite das Wappen seiner Linie (Stamm IIb) und das seiner Großmutter mütterlicherseits Elisabeth von Gerolstein (Gerhartstein), auf der rechten das seiner Mutter und das seiner Großmutter Agnes von Carben. Friedrich dürfte in unmittelbarer Nähe des Epitaphs in der Familiengruft seines Geschlechts im nördlichen Seitenchor der Liebfrauenkirche beigesetzt worden sein, eine Grabplatte hat sich nicht erhalten.

Das als 'Ewige Anbetung' gestaltete Renaissance-Epitaph weist zweifelsohne große Ähnlichkeiten in der Ausführung vieler Details mit dem 1542 hergestellten Grabdenkmal für Erzbischof Johann III. von Metzenhausen im Trierer Dom und mit dem 1548 entstandenen Epitaph für Johann von Eltz und Maria von Breitbach in der Bopparder Karmeliterkirche auf. Da beide Werke dem Trierer Meister Hieronymus Bildhauer zugeschrieben werden, dürfte ihm als Spätwerk auch das Schönburg-Epitaph zuzurechnen sein.

 

Oberwesel-Langscheid, Kath. Pfarrkirche St. Nikolaus: Glocke

Östliche Glocke im Glockenstuhl. Große Glocke mit einzeiliger Umschrift zwischen zwei doppelten Rundstegen, darunter ein Fries aus Blütenranken. Gewicht 800 kg, Ton ges.

H. (o. Kr.) ca. 92, Dm. 111, Bu. 2,2 cm. – Kapitalis.

 
   SANT IOHANNES GLOCK HEIS ICH

   ZV GOTES DINST BERVF ICH

   PAVEL FISCHER VON BINGEN GOS MICH

   1541

Deutsche Reimverse.

Die nicht immer zeilentreu ausgeführten Buchstaben weisen ein breites, flaches Profil auf. Sporen kommen nur bei Bogen- und einigen Schaftenden vor, während Balken zumeist keilförmig gestaltet sind.

Bei dem wenig bekannten Glockengießer handelt es sich vermutlich um den Sohn und Nachfolger des Glockengießers Hans Fischer aus Bingen. Möglicherweise hängt die verhältnismäßig geringe Anzahl von ihm überlieferter Glocken mit seiner 1527 durch den Mainzer Erzbischof Albrecht II. ausgesprochenen Ernennung zum Büchsenmeister und seiner Funktion als Feuerwachtmann zusammen. Der gleichzeitige Guß zweier Langscheider Glocken dürfte mit der damaligen Neuanfertigung des Glockenstuhls in Verbindung stehen, der in den heutigen, 1856 neu errichteten Turm mitübernommen wurde.

 

Quelle: Nikitsch, Eberhard (Hrsg): Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises I (Boppard, Oberwesel, St.Goar). Wiesbaden 2004  (Die Deutschen Inschriften, 60. Band); Redakt. Bearb. AKZ

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