Herchweiler in der Pfalz

Herchweiler

0.1.Allgemeine Angaben

Lage an der Grenze zum Saarland

Ortsgemeinde in der Verbandsgemeinde Kusel

Einwohner (2002): 566, davon 24 mit Zweitwohnsitz, 2007: 573

Einwohner (2007): 573

Einwohner (2008): 560

Gemarkung: 290 ha, davon 76 ha Wald

Weitere Wohnplätze: Markeicherhof und Wolfsbornerhof

0.2.Lage

Herchweiler liegt im Tal des Selchenbachs, der von Süden herbeifließt, südlich der Ortslage einen weiten Bogen in westlicher Richtung beschreibt, nach Südwesten weiter fließt und bei dem Nachbarort Haupersweiler in die Oster mündet. Kleine Nebenbäche münden bei Herchweiler in den Selchenbach, darunter der Herchweiler Bach und der Judenbach. Der Ort selbst liegt etwa 340 Meter über NN, die Berge ringsum erreichen in dem südöstlich des Ortes gelegenen Kahlenberg mehr als 450 Meter. Im Norden der Ortslage erhebt sich der Prenzelberg (398 m). Hier nimmt das "Naturschutzgebiet Steinberg" seinen Anfang, das sich von Herchweiler her über den Steinberg in der Gemarkung Pfeffelbach erstreckt, und in dem selten gewordene Lurcharten vorkommen. Dicht am westlichen Ortsrand von Herchweiler verläuft die Grenze zum Saarland. Die Gemarkung des Ortes grenzt im Osten an die Gemarkung von Albessen, im Süden an die Gemarkung von Selchenbach, im Westen an die Großgemeinden von Sankt Wendel und Freisen im Saarland, im Norden an die  Gemarkung von Pfeffelbach. Der Wolfsbornerhof liegt im Nordosten des Dorfes, der Markeicherhof im Süden.

0.3.Siedlung und Wohnung

Das Dorf liegt mit dem Großteil seiner Häuser rechts des Selchenbachs entlang der Kuseler Straße, von der am westlichen Ortsende die Haupersweilerstraße (die Gass) nach Norden hin abzweigt. Hier bildete die Straßenmitte bis zum 31. Dezember 2003 die Grenze zwischen den Bundesländern Rheinland-Pfalz und Saarland. Das bedeutet, dass bis dahin knapp 10% der Ortsbewohner zum Saarland gehörten, damit eigentlich zu dem Nachbarort Haupersweiler zählten. Parallel zur Hauptstraße verläuft die Bergstraße, die Straße "Im Bruchgraben" als Neubaugebiet zweigt nach Norden hin ab. Nach Süden hin auf das linke Ufer des Selchenbachs verläuft die Brückenstraße. Bei den Bauernhäusern der älteren Siedlungsbereiche handelt es sich durchweg um die im Westrich allgemein üblichen Einfirsthäuser. Ein Laufbrunnen in der Dorfmitte, bestehend aus einer ornamentierten Metallsäule und einem Trog aus Sandstein, steht unter Denkmalschutz. Hinzuweisen ist auch auf hebräische Inschriften an früher von Juden bewohnten Häusern. Gemeindehaus und ehemaliges Schulhaus stehen an der Kuseler Straße. Ein großzügig angelegter Spielplatz erstreckt sich ebenfalls in der Dorfmitte, nahe bei einem Feuerwehrhaus. Der Friedhof mit Kapelle liegt am östlichen Ende der Kuseler Straße, der Sportplatz in einem Waldgelände südlich des Ortes an der Ostertalstraße. Der Ort errang mehrere Preise im Wettbewerb "Unser Dorf soll schöner werden". 

Heute Dorfgemeinschaftshaus

0.4.Name

Das Grundwort -weiler verbindet sich mit dem Bestimmungswort Herch, das wahrscheinlich seinen Ursprung in dem Personennamen "Hericho" hat. Demnach war Herchweiler in seinem Ursprung die Siedlung eines Mannes mit diesem Namen. Erstmalig erscheint der Ortsname in einer Urkunde der Grafen von Veldenz aus dem Jahr 1430 als "Herchwilr". Weitere Namensnennungen sind u. a. Hirchwiler (1446), Herchwilre (1460), Hörchweiler (1587). (Vgl. Dolch/Greule 1991 S. 204) Noch heute wird der Ort gelegentlich als Judenherchweiler bezeichnet. Schon im 18. Jahrhundert lebten verhältnismäßig viele Juden in dem Ort, außerdem entsteht so eine Unterscheidung zu dem klangähnlichen Herschweiler, Ortsteil von Herschweiler-Pettersheim. Wüstungen in der Gemarkung von Herchweiler werden in dem Buch von Dolch und Greule nicht genannt.

0.5.Wappen

Auf silbernem Grund schwebt über schwarzem und blauem Schildfuß ein blaues Tatzenkreuz (Griechisches Kreuz mit sich verbreiternden Armen). Der Schildfuß soll darauf hindeuten, dass das Dorf früher in einen zweibrückischen und einen lothringischen bzw. von der Leyen'schen, danach in einen bayerischen und einen preußischen Ortsteil aufgeteilt war. Die Grenze zwischen beiden Feldern stellt den so genannten "Judenbach" dar. Das Kreuz geht auf ein früheres Ortssiegel zurück. Die Bezirksregierung von Rheinhessen-Pfalz in Neustadt genehmigte dieses Wappen im Jahr 1983.

0.6.Abriss der Ortsgeschichte

0.6.1.Frühgeschichte

Die Umgebung des Ortes war wahrscheinlich schon zur späten Steinzeit bewohnt. Ein eisenzeitlicher Hügel, der zu der Grabhügelgruppe von Albessen gehörte, wurde während des 19. Jahrhunderts geöffnet, ist aber heute verschwunden. Es werden Grabbeigaben beschrieben (Bronzering, Fußring, Armringe, eine Bronzefigur), deren Aufbewahrungsort heute ebenfalls nicht mehr bekannt ist. Auch in der Epoche der Gallo-Römer war die Umgebung bewohnt, wenn auch aus dem Ort selbst keine Funde vorliegen. Eine Straße, die sich von Süden nach Norden durch die Gemarkung hinzieht, wird allgemein als Römerstraße bezeichnet. (Vgl. Bantelmann  1972 S. 49)

0.6.2.Mittelalter

Wann Herchweiler gegründet wurde, wissen wir nicht. Das ganze Dorf lag auf jeden Fall von Anfang an innerhalb des Remigiuslandes, und zwar hart an dessen Grenze. Möglicherweise bestand es schon, als 1112 Graf Gerlach I. aus dem Nahegau die Grafschaft Veldenz begründete und dabei auch die Vogtei (den Schutz) über das Remigiusland übernahm. Erst im Jahr 1430 erscheint Herchweiler in einer Urkunde der Grafschaft Veldenz, nach der unter dem Grafen Friedrich III. der Ritter Siegfried Blick von der Burg Lichtenberg seine Ehefrau Katharina von Sötern reich mit Gütern bewidmete, auch Herchweiler mit jährlich einem Malter Hafer und die Dörfer Herchweiler und Leitersweiler gemeinsam mit jährlich einem Malter Korn. (Vgl. Pöhlmann 1928 S. 108) Bis dahin erfahren wir nichts darüber, dass ein Teil des Ortes außerhalb des Remigiuslandes und damit auch außerhalb der Grafschaft Veldenz lag. Graf Friedrich III. war der letzte Graf der jüngeren Linie in der alten Grafschaft Veldenz. Friedrichs Tochter Anna heiratete den Pfalzgrafen Stephan von der Kurpfalz, der nunmehr im Jahr 1444 mit Eigenbesitz der Grafschaft Veldenz und mit der losgekauften Grafschaft Zweibrücken ein neues Fürstentum begründete, die Pfalzgrafschaft Zweibrücken, die später zumeist als Herzogtum bezeichnet wird.

0.7.Neuzeit

In der 1588 fertig gestellten Beschreibung des Oberamtes Lichtenberg durch den zweibrückischen Beamten Johannes Hoffmann erfahren wir hinsichtlich Herchweiler u. a. : "Der jetzt erwente Strich [gemeint ist der später so genannte Judenbach], teilet das Dorf Herchweiler in zwo undterschiedliche Hochgerichts Herligkeitten. Dan der eine Teil, so zur rechten Hand bleibt [bachaufwärts gesehen], gehöret in das ambt Lichtenberg, das überige Teill ist Lothringisch und höret in das Oberkirchische Gericht. Eß wirdt auch mit den Dörfern Seitzweiler unndt Haupertsweiler vor eine Gemein gerechnet." (Zit. nach Zenglein o. J. pag. 123/124, Mskr. S. 44) Wir erfahren damit, dass sich das Dorf über den Grenzbach hinaus erweitert hat, und dass ein Teil der Häuser zu dem etwa einen Kilometer weit entfernten Dorf Haupersweiler und damit zu dem damaligen Gericht Oberkirchen im Herzogtum Lothringen gehörte. Dass sich jetzt schon in dem damals an die Herren von Oberstein verlehnten Teil des Dorfes Juden niedergelassen hatten, ist nicht ganz auszuschließen, aber auch nicht zu beweisen. Tatsache ist, dass damals Juden im Herzogtum Zweibrücken gelegentlich geduldet wurden, aber doch einer wesentlich schärferen Kontrolle unterlagen als in den benachbarten Fürstentümern. So könnte es sein, dass sich schon damals Juden dicht an der Grenze ansiedelten, um im zweibrückischen Gebiet mehr oder weniger illegal dem Handel nachzugehen. Tatsache ist, dass in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nur Juden in dem nicht zweibrückischen Teil des Dorfes wohnten, in der Judengasse. Das Gebiet jenseits des Judenbaches gehörte ursprünglich zum Nahegau, der sich vom 12. Jahrhundert an in verschiedene Herrschaften aufteilte, wobei die reichsfreie Herrschaft Oberstein auch lothringisches Gebiet mit Haupersweiler als Lehen übernahm. 1766 kam dieses Gebiet an die Herrschaft von der Leyen, in der die Juden größere Freiheit genossen.

Nach dem Protokoll der Kirchenvisitation im Oberamt Lichtenberg lebten im Jahr 1609 im zweibrückischen Teil von Herchweiler 61 Menschen des reformierten Glaubens. Ob außerdem Juden im Dorf wohnten, verrät diese Statistik nicht. Im übrigen wissen wir, dass der gesamte Ort während des 30-jährigen Krieges und auch während der Kriege Ludwigs XIV. von Frankreich stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Von den Menschenverlusten während dieser Kriegszeiten erholte sich der Ort im Verlauf des 18. Jahrhunderts, und es setzten bald wieder Auswanderungen ein. Mit dem Einmarsch der französischen Revolutionstruppen ab 1793 fand die Herrschaft der alten Fürstentümer ein Ende, und 1801 annektierte Frankreich das gesamte linksrheinische Deutschland. Herchweiler blieb zweigeteilt. Beide Teile des Ortes lagen nun im Saardepartement mit der Hauptstadt Trier, der ehedem zweibrückische größere Teil des Ortes jedoch im Arrondissement Birkenfeld, im Kanton Kusel und in der Mairie Burglichtenberg, der Teil der nun aufgelösten Grafschaft von der Leyen im Arrondissement Saarbrücken, im Kanton St. Wendel und in der Mairie Oberkirchen. Nach einer Zählung der französischen Verwaltung lebten damals in Herchweiler 37 Juden, die alle auch dem Namen nach bekannt sind. Nach der Vertreibung der Franzosen 1815 und der territorialen Neuorientierung blieb Herchweiler wiederum zweigeteilt. Der Ortsteil des Kantons Kusel kam zu Bayern, die Judengasse des Kantons St. Wendel jedoch zu dem neu gegründeten Fürstentum Lichtenberg, das zu Sachsen-Coburg gehörte und 1836 an Preußen verkauft wurde. Obwohl die preußische Regierung die Ansiedlung von Juden scharf überwachte und Zuwanderungen verhindern wollte, nahm die jüdische Bevölkerung von Herchweiler kontinuierlich zu. In der Judengasse lebten im Jahr 1844 41 jüdische Bewohner, 1855 50 und 1868 64. (Vgl. Kirsch 2004 S. 39) Gleichzeitig ließen sich auch im bayerischen Teil des Dorfes zu dieser Zeit einige jüdische Familien nieder. Gegen Ende des Jahrhunderts setzte jedoch eine stetige Abwanderung ein, so dass schon beim Beginn der Naziherrschaft im Vergleich zur Mitte des 19. Jahrhunderts nur noch wenige jüdische Familien im Ort wohnten, einige wenige konnten bis 1945 im Ort überleben. Wiederholte Versuche, die beiden Ortsteile zu vereinigen, waren lange Zeit zum Scheitern verurteilt. Besonders hart erwies sich die Grenze mitten im Dorf während der Loslösungen des Saarlandes von Deutschland (1920-1935 und 1945-1955) nach den beiden Weltkriegen. Erst im Jahr 2002 wurde in einer gegenseitigen Vereinbarung zwischen den Regierungen der Bundesländer Rheinland-Pfalz und Saarland die Vereinigung der beiden Ortsteile beschlossen, die am 1. Januar 2004 endgültig vollzogen wurde. Heute gehört der ganze Ort Herchweiler als eine Ortsgemeinde zur Verbandsgemeinde Kusel.

0.8.Im pfälzischen Teil des Ortes Herchweiler folgende Wahlergebnisse (in Prozent, Bundestag Zweitstimmen)

SPDKPDDVPNSDAPBauern
1924 (Mai)36,425,4 36,4 ------
1928 (Mai)56,910,57,2 9,715,5
1930 (Sept.)29,229,84,328,64,0
1933 (März)19,526,2---3,2---
SPDCDUFDPGrüneLinkeRep.Sonst.
LT 200170,949,021,643,285,74
LT 200657,07,73,23,211,32,315,6
LT 201144,015,72,310,612,03,711,6
Bundestag 200258,823,64,54,5---
Bundestag 200537,718,36,03,227,8
Bundestag 200930,415,410,45,433,5--5,0
Bundestag 201340,619,93,65,614,3--16,0

0.9.Zeittafel

FrühgeschichteGrabhügel aus der Latènezeit
1430Ersterwähnung der Siedlung Herchweiler in einer Urkunde der Grafen von Veldenz
1444Herchweiler in der Pfalzgrafschaft (im Herzogtum) Zweibrücken
1537Einführung der Reformation nach Luther
1588Hinweis auf die Zweiteilung des Ortes bei Johann Hoffmann in einen zweibrückischen und in einen lothringischen Ortsteil
1588Übertritt der christlichen Bewohner zum Kalvinismus
1766Der Ortsteil rechts des "Judenbaches" liegt in der Herrschaft von der Leyen.
1801-1814Herchweiler im Saardepartement, der Ortsteil links des Baches im Arrondissement Birkenfeld, Kanton Kusel, Mairie Konken, der Ortsteil rechts des Baches im Arrondissement Saarbrücken, Kanton St. Wendel und Mairie Oberkirchen
1817Herchweiler links des Bachs im Königreich Bayern, Landcommissariat und Kanton Kusel, Bürgermeisterei Konken, rechts des Bachs Fürstentum Lichtenberg
1836Sachsen-Coburg verkauft das Fürstentum Lichtenberg an Preußen
1920Herchweiler links des Bachs weiterhin bei Bayern, H. rechts des Bachs im autonomen Saargebiet
1935Das Saarland wird ins Deutsche Reich eingegliedert. Die Ortsteile bleiben auch jetzt getrennt.
1945Eine jüdische Familie im Ort hat die Hitlerdiktatur und den Holocaust überlebt
1946-1956Das Saarland als autonomes Gebiet ist wirtschaftlich an Frankreich angegliedert. Die streng überwachte Grenze verläuft mitten durch den Ort Herchweiler
1972Herchweiler links des Baches selbstständige Ortsgemeinde in der Verbandsgemeinde Kusel
2004Vereinigung der beiden Ortsteile und Zugehörigkeit zum Kreis Kusel
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0.10.Religiöse Verhältnisse

Herchweiler im Remigiusland war ursprünglich ein Besitz des Bistums Reims bzw. des Klosters Saint Remi in Reims, gehörte aber kirchenorganisatorisch zum Erzbistum Mainz. Nach dem Grundsatz "cuius regio eius religio" traten im Zeitalter der Reformation ab 1523 die Bewohner nach Vorgabe der herzoglichen Verwaltung zunächst zum lutherischen Glauben über, und auf Anordnung des Pfalzgrafen Johannes I. erfolgte 1588 ein Übergang vom Luthertum zur reformierten Lehre des Johannes Calvin. Nach dem 30-jährigen Krieg wurde theoretisch die freie Konfessionswahl möglich, doch die christlichen Bewohner von Herchweiler blieben überwiegend reformiert. 1818 erfolgte die Vereinigung der lutherischen und der reformierten Konfession zur protestantischen Union. Während im frühen 19. Jahrhundert die Katholiken wieder ein Fünftel der Gesamtbewohner einschließlich des preußischen Ortsteils ausmachten, ist der Anteil bis heute auf etwas mehr als ein Zehntel zurückgegangen. Vom Mittelalter her gehörten die christlichen Bewohner des Dorfes zur Kirche von Konken. Die katholischen Christen gehören heute zur Kirche von Kusel. Juden ließen sich wahrscheinlich seit dem frühen 16. Jahrhundert im später saarländischen Ortsteil nieder, bildeten eine eigene Kultusgemeinde und besaßen seit 1790 ein kleines Bethaus, im Ort die Judenschule genannt. Daneben stand im frühen 19. Jahrhundert eine kleine Mikwe, das rituelle Judenbad. Sie war, wie alle Mikwen in Deutschland, im späteren 19. Jahrhundert nicht mehr in Gebrauch. Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof in Thallichtenberg beigesetzt. Bereits im späten 19. Jahrhundert ging die Zahl der jüdischen Bürger in Herchweiler auffällig zurück, was einer allgemeinen Entwicklung in der Westpfalz entsprach. Nach 1933 lebten nur noch drei jüdische Familien im Ort. Die Religionsausübung wurde ihnen verboten, das Bethaus ließ die Gemeinde 1937 wegen "Baufälligkeit" auf staatliche Anordnung hin abreißen. Wenn die Juden des Dorfes auch mancherlei Drangsal ausgesetzt waren, so kam es hier in der so genannten Kristallnacht vom 9. November 1938 nicht zu Ausschreitungen. Drei jüdische Bürger überlebten im Ort. Heute wohnen in Herchweiler keine Juden mehr. (Weitere Informationen in Kirsch 2004)

0.11.Bewohner

In Herchweiler lebten bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts vornehmlich kleinere Bauern, wobei der jüdische Teil der Bevölkerung, zeitweise fast 25% aller Einwohner, vor allem vom Handel lebte. Seit  der Mitte des 19. Jahrhunderts wandelte sich die Einkommensstruktur. Immer mehr Bewohner fanden Arbeit in Steinbrüchen, in den Kohlegruben und Eisenhütten des Saarlandes. Juden, die im Gebiet der Herrschaft von der Leyen mehr Rechte besaßen als im Herzogtum Zweibrücken, siedelten wahrscheinlich deshalb als Handelsleute dicht an der Grenze, weil sie ihre relative Freizügigkeit in der Herrschaft von der Leyen bewahren und trotzdem mit den Bauern im Herzogtum Zweibrücken Handel treiben konnten. "Bei den Bauern aber spielten die Juden in Handel und Wandel eine so wichtige Rolle, dass sie das ganze Ländchen als Arbeitgebiet unter sich aufteilten". (Eid-Krämer 1937 S. 79)  Heute ist der Ort für die Mehrzahl der Bewohner ein ruhiger Wohnsitz für Menschen der unterschiedlichsten Berufe, die zumeist zu ihrer Arbeit auspendeln müssen. In der nachfolgenden Statistik bis 1961 werden die ca. 40 bis später 60 Bewohner des früher preußischen bzw. saarländischen Ortsteils, bis 1933 durchweg Juden, aus Mangel an exakten Unterlagen nicht berücksichtigt.

0.12.Einwohnerzahlen (bis 1861 ohne die früher von Juden bewohnte Haupersweiler Straße)

160918251835197119051939196120042008
insgesamt61201231285360462538600580
katholisch---47 65
evangelisch61146 466

0.13.Schule, Kultur, Vereinswesen

0.13.1.Schule

Der Bericht Kramers, dass in Herchweiler eine katholische Schule bestand, muss auf einem Irrtum beruhen. Weiter wird berichtet, dass die Gemeinde 1759 für Kost und Logis eines Lehrers vier Gulden aufbrachte. 1777 lehrte der 19 Jahre alte Jakob Theis in Herchweiler, 1785 der zwölfjährige (!) Johann Jacob Schwarm aus Pfeffelbach. (Vgl. Kramer 1915 S. 433).  Als weitere Lehrer werden genannt Daniel Neu (um 1830), Adam Schöpper (um 1840), Ludwig Klensch (1851-1887).  Klenschs Nachfolger war für kurze Zeit Friedrich Lang. Die Bewohner des Dorfes waren mit dessen fachlichen Leistungen nicht zufrieden. Als Lang heiraten wollte, erteilte das königliche Bezirksamt keine Genehmigung. Der Lehrer litt später an chronischen Magenkrämpfen und wurde dienstunfähig. 1890 kam Ludwig Becker, der aus Ehweiler stammte, das Seminar Kaiserslautern mit guten Noten absolviert hatte und dann in Neuburg a. d. Donau im Dienst war.  Er erhielt 1895 die Erlaubnis, eine Katharina Näher aus Herchweiler zu heiraten. Im Nebenamt leitete Becker auch die Poststelle in Herchweiler, und der protestantische Schulinspektor Stepp aus Konken attestierte ihm großen Fleiß. In der Hungerzeit während des Ersten Weltkriegs erhielt dieser Lehrer dadurch Schwierigkeiten, dass er unerlaubter Weise in der Mühle des preußischen Nachbardorfes Seitzweiler einen Zentner Mehl mahlen ließ. Seit 1889 wurde die Schule zweiklassig geführt. Probleme ergaben sich gelegentlich mit den Schülern des preußischen Ortsteils, in dem 1878 61 zumeist jüdische Einwohner lebten, aber auch drei protestantische Familien. Bislang hatten die preußischen Eltern für ihre Kinder ein Schulgeld nach Gutdünken gezahlt, auch Sachspenden geleistet, z. B. durch die Lieferung von Heizmaterial. 1893 schaffte die bayerische Regierung die Zahlung jeglichen privaten Schulgeldes ab, und bevor es zu einer amtlichen Regelung mit der Nachbarschaft kam, verwehrte Lehrer Becker den preußischen Kindern den Schulbesuch. Das Bezirksamt forderte nun von der Nachbargemeinde Haupersweiler die Zahlung von 15 Mark jährlich für jedes Kind. Der Kirchenrat und auch Schulinspektor Stepp waren der Meinung, dieser Betrag sei viel zu hoch, und auch Haupersweiler lehnte ab. Man einigte sich schließlich auf die Zahlung von zwölf Mark. Seit Einführung der zweiten Klasse unterrichteten die Lehrer im Wechselunterricht, doch erst 1927 wurde die Forderung nach einem zweiten Schulsaal laut. Da die Gemeinde den nötigen Betrag von mehr als 30 000 Mark nicht aufbringen konnte, verzögerte sich der Anbau bis zum Jahr 1931. Heute müssen die Schüler von Herchweiler den Schulunterricht auswärts besuchen, die Grundschüler fahren nach Konken, die Hauptschüler auf den Roßberg nach Kusel. Kusel ist auch der zuständige Standort für weiterführende Schulen, für berufsbildende Schulen und für Förderschulen.

0.13.2.Kultur und Brauchtum

Herchweiler feiert drei Tage lang Kirmes am dritten Wochenende im Juli.

0.14.Gesundheits- und Sozialwesen

Allgemeinärzte, Zahnärzte und Spezialärzte werden hauptsächlich in Kusel aufgesucht. Weitere Institutionen des Gesundheits- und Sozialwesens bestehen in Herschweiler-Pettersheim und in Konken. Pflegebetreuung leisten u. a. die Sozialstation in Kusel - Altenglan. Nächste Krankenhäuser sind die Westpfalzkliniken in Kusel und in Kaiserslautern sowie die Universitätsklinik in Homburg. 

0.14.1.Wirtschaft und Verkehr

Herchweiler war ein Bauerndorf, in dem auch allzeit Handwerker und Handelsleute zu Hause waren. Die landwirtschaftlichen Betriebe waren im allgemeinen nicht sehr groß, der verhältnismäßige Anteil der Arbeiter, die vielfach in den Bergwerken des Saarlandes beschäftigt waren, vergrößerte sich beständig seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Jüdische Händler gibt es seit der Hitlerdiktatur nicht mehr. Die meisten Erwerbstätigen müssen zur Arbeit auspendeln, hauptsächlich nach Kusel und nach Kaiserslautern und in das Saarland. Einige selbstständige Betriebe bestehen vor Ort, ein Getränkevertrieb, eine Bauunternehmung, Brennereien. "Eine noch intakte Infrastruktur mit ländlichen Läden im Lebensmittelbereich und Gastronomie sowie das Angebot eines funktionierenden Vereinslebens mit vielen Möglichkeiten machen den Ort in der heutigen Zeit als Wohngemeinde und Lebensmittelpunkt für gestresste Stadtmenschen attraktiv." (Homepage VG Kusel) 

Der Ort liegt abseits der Überlandstraßen an der Kreisstraße 14, und einfache Ortsverbindungsstraßen führen über saarländisches Gebiet nach Schwarzerden und nach Haupersweiler. Somit ist der Ort nur durch geringen Durchgangsverkehr belastet. Zugleich liegt die Anbindung zur B 420 nur zwei Kilometer weit entfernt, zur Autobahnauffahrt bei Konken (A 62) sind es lediglich sechs Kilometer. Die nächsten Bahnhöfe sind die von Kusel, Glan-Münchweiler und St. Wendel. 

0.15.Nachweise

Verfasser: Ernst Schworm

Redaktionelle Bearbeitung: Ernst Schworm

Literatur:

  • Bantelmann, Niels: Die Urgeschichte des Kreises Kusel, Speyer 1972.
  • Dolch, Martin und Greule, Albrecht: Historisches Ortsnamenbuch der Pfalz, Speyer 1991.
  • Eid, Ludwig und Krämer, Wolfgang: Marianne von der Leyen, Leben, Staat, Wirken, Saarbrücken 1937.
  • Falk, Lothar: Naturschutzgebiet Steinberg, in: Westrichkalender 1998, S. 153-157.
  • Hamm, Christian: Wechsel in die Pfalz kostet nichts, in: Die Rheinpfalz 8. 3. 02.
  • Kirsch, Hans: „Juden-Herchweiler“ gibt es nicht mehr, in: Bündnis gegen Rechtsextremismus, Wider Gewalt, Heuchelei und Vergessen, Kusel 2004 S. 37-47,  auch in: Damit es nicht vergessen wird. St. Wendel, 1988.
  • Kleinschmidt, Wolfgang: Herchweiler i. O. - ein zweigeteiltes Dorf, in: Westrichkalender Kusel 1966, S. 108-110.
  • Kramer, Karl: Geschichte des Volksschulwesens im früheren Herzogtume Zweibrücken, Band I Kaiserslautern 1911, Band II Kaiserslautern 1915, vor allem Band II S. 429/30.
  • Pöhlmann, Carl: Regesten der Lehensurkunden der Grafen von Veldenz, Speyer 1928.
  • Zenglein, Dieter (Transkription): Gründtliche und warhafftige Beschreibung des Amptes Lichtenberg... durch Johann Hoffmann, bisher unveröffentlichtes Manuskript.

 

Quelle:

  • Quelle zum Schulwesen des 19. Jahrhunderts LA Speyer H 38 Nr. 1225, 1226, 1227.
  • Quellenangaben zur Geschichte der Juden des Ortes in Kirsch 1988.