Fachbach im Rhein-Lahn-Kreis

0.Zur Geschichte von Fachbach

 „Wo der Westerwald am Lahntal endet und in fast unmittelbarer Nachbarschaft zu Bad Ems liegt Fachbach [..]“ [Anm. 1]Fachbach ist Teil des Rhein-Lahn-Kreises in Rheinland-Pfalz und liegt nördlich der Lahn, [Anm. 2] rund 2 km nordwestlich von Bad Ems. Die Landschaft rund um Fachbach hat sich im Eiszeitalter, dem Pleistozän, vor 1,8 Mio bis 12.000 Jahren gebildet. [Anm. 3] „Als reißender Strom hat die Lahn das Tal ausgeschürft und ihm weitgehend sein heutiges Aussehen verliehen.“ [Anm. 4] Auf eine Meereslandschaft vor 408 Millionen Jahren weisen Fossilien in den „ehemaligen Weinbergen bei Fachbach“ [Anm. 5] hin. Die Gemarkung Fachbach ist Bestandteil des Naturparks Nassau, einem nationalen Schutzgebiet, dessen Verband „Maßnahmen in den Bereichen Landespflege, Naturschutz und naturverträglicher Tourismus“ [Anm. 6] unterstützt. 

 

0.1.Vor- und Frühgeschichte

[Bild: Marion Halft, CC BY SA 4.0]

Oberhalb von Fachbach wurden ein Steinbeil sowie ein Feuersteinschaber aus der Jungsteinzeit (5000 bis 1800 v.Chr.)  gefunden. [Anm. 7] Ein „vorrömische[r] Weg“ [Anm. 8] verlief von Fachbach bis nach Arzbach. [Anm. 9] Eine jungsteinzeitliche Siedlung konnte trotz einigen weiteren Funden nicht auf dem heutigen Gebiet Fachbachs bestätigt werden. [Anm. 10]Die Römer siedelten im 1. Jahrhundert n.Chr. im Gebiet des heutigen Rhein-Lahn-Kreises und befestigten auch hier die Außengrenze des römischen Reichs  durch den Limes sowie durch Kastelle in Ems, Arzbach und Niederberg. [Anm. 11] Der zuvor genannte Weg von Fachbach nach Arzbach diente auch den Römern als Weg über die Höhrer Höhen. [Anm. 12] Beim Bau der Nieverner Schleuse, zwischen Nievern und Fachbach, um 1849 wurde außerdem ein römisches Grab mit einer Knochenurne, zwei Töpfen sowie einem Trinkgefäß gefunden. Spuren einer römischen Siedlung unmittelbar in Fachbach fehlen. [Anm. 13]

0.2.Mittelalter: Die erste urkundliche Erwähnung Fachbachs

Der Ort Fachbach entstand wahrscheinlich zwischen dem 9. und 12. Jahrhundert. [Anm. 14] Erstmals urkundlich erwähnt wurde Fachbach gemeinsam mit den Gemeinden Nievern und Miellen unter dem Namen „vagbach“ um 1290. [Anm. 15] Die Grafen von Sponheim belehnten in dieser Urkunde die Familie von der Arken mit der Hälfte der Vogtei Nievern, welche die Gemeinden Fachbach, Nievern und Miellen beinhaltete. [Anm. 16] Zum Zeitpunkt der Belehnung der Familie von der Arken muss Fachbach zumindest aus mehreren Höfen bestanden haben.[Anm. 17] Der Name „Fachbach“ entwickelte sich aus dem althochdeutschen Wort „Fah“, das einen „Damm zum Fische fangen in Bächen“[Anm. 18] meint. Der dazugehörige Fachbach wurde bereits im Jahr 959 genannt.[Anm. 19] Ob Fachbach ein ehemaliges Fischerdorf war, wird von einigen Historikern vermutet. Hans-Jürgen Sarholz stellt dies jedoch in Frage, da die Fischerei in den Gemeinden im Rhein-Lahn-Kreis nur ein Nebenerwerb zur Landwirtschaft gewesen sei. [Anm. 20] Ein Fisch ist heute dennoch Teil des Wappens der Gemeinde.[Anm. 21]

Im 13. Jahrhundert waren die Grafen von Sponheim die Grundherren des Kirchspiels Nievern. Sie vergaben Lehen an verschiedene Adlige im heutigen Rhein-Lahn-Kreis, die über das entsprechende Gebiet herrschten. [Anm. 22] Im Gegenzug standen die Belehnten den Grafen von Sponheim als Vasallen zur Verfügung. Mit der Vogtei Nievern, die die drei Dörfer Nievern, Fachbach und Mielllen beinhaltete, wurden im Hochmittelalter jeweils zur Hälfte die Familie vom Stein und die Familie von der Arken belehnt. Die erste Belehnung der Familie von der Arken fand in der Urkunde von 1290 statt, die Fachbach erstmals erwähnt. Ende des 13.Jahrhunderts  kam es zu Erbstreitigkeiten mit der Familie vom Stein, die der Familie von der Arken ihren Teil der „Vogtei Nievern streitig“ machen wollten. [Anm. 23] Beendet wurde der Streit im Jahr 1305: Während die Familie von der Arken ihren Teil der Vogtei Nievern behalten durfte, erhielt die Familie vom Stein die Vogteien Ems und Denzerheide. [Anm. 24] Zum Lehen der Familie von der Arken gehörten nicht nur Teile der Güter von Nievern, Fachbach und Miellen, sondern auch Rechte, darunter die Niedere sowie die Höhere Gerichtbarkeit. [Anm. 25] Um 1497 wurden die Grafen von Staffel mit dem ehemaligen Lehen der Familie von der Arken belehnt. Sie waren bereits mit der anderen Hälfte der Vogtei Nievern belehnt und hatten nun mit dem Sitz des Gerichts in Fachbach die juristische Verwaltung sowie mit dem Pfarrhaus in Nievern auch die kirchliche Verwaltung inne. [Anm. 26]  

Bis ins 19. Jahrhundert wurden die Dörfer Fachbach, Nievern und Miellen durch einen gemeinsamen Schultheißen verwaltet. [Anm. 27] Um 1443 wurde erstmals ein „Beamter der Grafen von Katzenelnbogen zu Fachbach“[Anm. 28] im Amt des Schultheißen erwähnt, dessen Sitz sich überwiegend in Fachbach befand. Das Gericht setzte sich aus fünf bis sieben Schöffen pro Dorf (Fachbach, Nievern, Miellen) zusammen. [Anm. 29] Das erste nachweisbare Gerichtssiegel aus Fachbach stammt aus dem Jahr 1536 und bildet den Heiligen Nikolaus ab. Interessant ist auch das Siegel von 1634, da es zusätzlich die Umschrift „DAS LEIS: GERICHT ZV FACHBACH“ [Anm. 30] trägt. Mit dieser bestätigt sie den Sitz des Gerichts in Fachbach.

0.3.Fachbach in der Frühen Neuzeit

Mit der Zustimmung der Lehenherrn, mittlerweile waren dies die Markgrafen von Baden und die Pfalzgrafen, verkaufte Heinrich Augustin von Staffel am 28. März 1629 die Vogtei Nievern mit den Dörfern Nievern, Fachbach und Miellen an Damian von der Leyen.[Anm. 31] Die Herrschaft über die gesamte Vogtei wurde durch die Reichsritter von der Leyen reichsunmittelbar.[Anm. 32] Vor und nach der Reformation im 16. Jahrhundert gehörte Fachbach zur Pfarrei Nievern. Eine eigene Kirche besaß Fachbach daher nicht. Eine Zeichnung belegt jedoch, dass es eine Kapelle um spätestens 1825 gab.[Anm. 33] Zum Kirchgang sowie zur Taufe, Trauung und Bestattung mussten die Fachbacher*innen in die katholische Nieverner Kirche. Obwohl viele Gemeinden an der Lahn, darunter Beispiel Dausenau und Frücht, reformiert wurden, blieb die Pfarrei Nievern und damit auch Fachbach katholisch.[Anm. 34] Bis ins 19. Jahrhundert waren die Fachbacher*innen fast ausschließlich katholischer Konfession. Die wenigen Fachbacher*innen, die evangelisch waren, gehörten zur Kirchengemeinde Bad Ems.[Anm. 35] Fachbacher*innen jüdischer Konfession sind erst ab dem 18. Jahrhundert nachweisbar.[Anm. 36]

Im 17. und 18. Jahrhundert wurde das Rhein-Lahn-Gebiet durch die Nähe zur Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz zum unmittelbaren Kriegsschauplatz.[Anm. 37] Während des Dreißigjährigen Kriegs (1618 bis 1648) konnte sich die Bevölkerung kleinerer Dörfer an der Lahn selbst nicht schützen. Die Einwohner*innen von Ems und Kemmenau verließen zwischen 1636 bis 1638 ihre Ortschaften und suchten Schutz in den befestigten Städten wie Braubach. [Anm. 38] Da Fachbach in unmittelbarer Nähe zu den beiden Dörfern liegt, könnte dies auch für Fachbach gegolten haben.[Anm. 39]

Mehrfach wurden in Fachbach Soldaten einquartiert, darunter eine halbe Kompanie hessischer Soldaten während des Polnischen Erbfolgekriegs (1730 bis 1735) im April 1734. Die Fachbacher*innen mussten drei tagelang 45 Personen mit drei Mahlzeiten am Tag versorgen. Zusätzlich mussten 18 Pferde verpflegt werden und die Kompanie bei ihrem Abzug mit „18 Paar Ochsen bis nach Oberlahnstein begleitet werden“. [Anm. 40] Die finanzielle Belastung durch die Anwesenheit der Truppen wirkte sich auch Monate nach deren Abzug auf die Bevölkerung aus: Durch die Beanspruchung der Ochsen und Begleitpersonen als Geleit fehlten essentielle Helfer zur Bearbeitung der Landwirtschaft.[Anm. 41] Auch von Pest- und Ruhrepidemien sowie von Hungersnöten blieb die Gemeinde nicht verschont.[Anm. 42] Zu Linderung des eigenen Leids wuchs und wächst in Krisenzeiten der Wunsch jemanden zur Verantwortung ziehen zu können: In den Nachbargemeinden Fachbachs, darunter „Lahnstein, Nievern, Becheln, Ems, Frücht und Dausenau“[Anm. 43]  wurden vermeintliche Hexer und Hexen für sämtliches Unheil schuldig gesprochen und verurteilt. Dass Verfolgungen auch in Fachbach stattfanden liegt nahe, kann jedoch nicht belegt werden.

0.4.Fachbach im 19. und 20. Jahrhundert

Mit den napoleonischen Kriegen wurde die „politische Selbstständigkeit der Herrschaft“ [Anm. 44] der Grafen von der Leyen über die Vogtei Nievern beendet und Fachbach wurde Teil des 1806 gegründeten Herzogtums Nassau. [Anm. 45]  Dies akzeptierten die Fachbacher*innen jedoch nicht ohne weiteres: Als die Gemeinde Fachbach in das Herzogtum Nassau eingegliedert und dem Amt Braubach zugeteilt wurde weigerten sich die Fachbacher*innen die neue Herrschaftsform anzuerkennen. Auch Fürst von der Leyen hatte die nassauische Herrschaft nicht anerkannt. Die nassauischen Hoheitszeichen ersetzen die Fachbacher*innen durch die der Grafen von der Leyen. Erst als der Schultheiß und die Schöffen festgenommen wurden und mit militärischer Gewalt gedroht wurde, beugten sie sich ihren neuen Herrschern. [Anm. 46]

[Bild: Marion Halft CC BY SA 4.0]

In den folgenden Jahren wurden im gesamtem Herzogtum Reformen eingefügt, darunter die Aufhebung der Leibeigenschaft am 1. Januar 1808 und die Einführung eines einheitlichen Steuersystems. [Anm. 47] Um 1800 wurde Fachbach überwiegend landwirtschaftlich bewirtschaftet. Die Erträge waren jedoch zu gering um ausschließlich von diesen leben zu können. Mit 25 ha Weinanbaufläche in der eigenen Gemarkung spielte daher die Weinproduktion und der Vertrieb von Wein für viele Fachbacher*innen eine wirtschaftliche Rolle. Dieser wirtschaftliche Zweig nahm bis Mitte des 19. Jahrhunderts jedoch ab und verlagerte sich hin zur Industriearbeit: Fachbach wurde durch die Nieverner Hütte zu einem Wirtschaftsstandort mit mehreren Hundert Arbeitsplätzen. [Anm. 48] Auch in den Nachbarorten entstanden industrielle Betriebe, sodass Fachbach zu einem Zuzugsort für Arbeitsuchende wurde. [Anm. 49] Dies war einer der Gründe, die zu einem erheblichen Bevölkerungswachstum zwischen 1818 und 1925 in Fachbach führte. Während Fachbach im Jahr 1818 noch 248 Einwohner*innen zählte, so stieg die Zahl im Jahr 1925 auf 774 Einwohner*innen an. [Anm. 50] Eine Landflucht aus Fachbach fand im 19. Jahrhundert nicht statt.  Nur wenige wanderten zwischen 1849 und 1869 nach Nordamerika und in die USA aus. [Anm. 51]  Fachbach profitierte zudem „vom Fremdenverkehr im benachbarten Bad Ems“ [Anm. 52]. Lahnschiffe brachten die Kurgäste von Bad Ems nach Fachbach, wo diese die Nieverner Hütte besichtigten und in die Gasthäuser einkehrten. [Anm. 53] Um den Bad Emser Kurgästen in Fachbach etwas besonders bieten zu können, bot der Hüttenbesitzer Grisar im Landhaus „Lahntal“ Eisenschlackbäder an. Diese sollten die Beschwerden bei Gischt und Rheuma lindern. [Anm. 54]

Zu einer Verbesserung der sozialen Lage in Fachbach trug die Einführung einer Betriebskrankenkasse durch die Nieverner Hütte und die Hüttenverein AG 1863 bei. Die Orte Fachbach, Nievern, Miellen, Ober- und Niederlahnstein gründeten im Jahr 1884 eine gemeinsame Krankenkasse für alle Gewerbszweige.[Anm. 55] Unter dem Reichskanzler Otto von Bismarck wurden im Königreich Preußen, dem Fachbach nach dem Ende des preußisch-österreichischen Krieg 1866 und der Auflösung des Herzogtums Nassau angehörte, zudem Sozialgesetze verabschiedet. Eine gesetzliche Unfallversicherung sollte zur Verbesserung der sozialen Lage führen und Aufstände von Arbeiterbewegungen vermeiden. Zur Verbesserung des Gesundheitszustandes stellte die Gemeinde Fachbach 1881 die Hebamme Katharina Kapitän ein, die in ihren „50 Dienstjahren […] in den drei Kirchspieldörfern [Fachbach, Nievern und Miellen] 2200 Kindern auf die Welt“ [Anm. 56] verhalf. Trotz all diesen Maßnahmen herrschte in der Gemeinde Fachbach massive Armut. Ohne die Arbeit wohltätiger Organisationen und sogenannten „Gnadengeschenken“ von wohlhabenden Kurgästen, hätten Arbeitsunfähige Einwohner*innen und Witwen nicht überleben können. [Anm. 57]

0.4.1.Erster Weltkrieg, Revolution, Inflation und die goldenen Zwanziger Jahre

Der erste Weltkrieg und seine Folgen griffen auch in die Lebenswelt der Fachbacher*innen ein. Metallwaren musste an die Rüstungsindustrie abgegeben werden; die Lebensmittel wurden rationiert. [Anm. 58] Die Frankeschen Eisenwerke Nieverner Hütte GmbH produzierte anstatt Gebrauchs- und Kunsteisenwaren Granaten. In dieser Granatendreherei arbeiten auch Frauen mit. [Anm. 59] Zwischen 1914 und 1918 wurden immer mehr Fachbacher zum Kriegsdienst eingezogen. 18 starben im Krieg, einer in der darauffolgenden Gefangenschaft und vier weitere Soldaten blieben vermisst. [Anm. 60] Für die hinterbliebenen Familien richtete die Gemeinde Fachbach 1917 einen Wirtschaftsausschuss ein. [Anm. 61] Am 11. November 1918 endete der Erste Weltkrieg mit dem Waffenstillstand in Compiègne. [Anm. 62] Im Waffenstillstandsabkommen war unter anderem die Stationierung französischer Soldaten im Rheinland vorgesehen. Für ein Jahr besetzten französische Soldaten Fachbach. Mit dem Friedensvertrag von Versailles wurde am 10. Januar 1919 die alliierte Rheinlandbesetzung auf 15 Jahre festgesetzt, die als „Garantie für die immens hohen Reparationszahlungen“ [Anm. 63] fungierte.

Die folgenden Jahre waren von politischen und wirtschaftlichen Unruhen geprägt, führten jedoch auch zu Wahlreformen: Im Jahr 1919 waren Frauen erstmalig wahlberechtigt. Unter den Fachbacher Wähler*innen erhielten die Zentrumspartei sowie die SPD bei den Reichstagswahlen zwischen 1920 und 1933 die meisten Stimmen. [Anm. 64] Revolutionäre und möglicherweise auch Revolutionärinnen versuchten in Fachbach im Jahr 1920 einen Arbeiterrat zu gründen. Es gab Streiks, Demonstrationen, zum Teil auch gewalttätige Übergriffe. Letztere wurden jedoch von der Feldpolizei der französischen Besatzung „beendet“. [Anm. 65] Als es zu Angriffen auf den Betriebsleiter Franke der Frankeschen Eisenwerken kam, wurde das Werk für rund acht Wochen geschlossen. Erst nachdem alle Mitarbeiter entlassen und auf revolutionäre Machenschaften überprüft wurden, öffnete die Nieverner Hütte wieder. [Anm. 66]

Die Inflation von 1923 führte zu einem immensen Währungsverfall. Zeitweise kostete ein Brot in Fachbach 1,2 Billionen Mark. Mit der Währungsreform am 15. November 1923 wurde die Rentenmark eingeführt und die Währung konnte einigermaßen stabilisiert werden. [Anm. 67] Durch die wirtschaftlichen und sozialen Nöte bestärkt, forderten Anhänger der Separatistenbewegung im Rheinland eine Loslösung vom deutschen Reich.[Anm. 68]  Der Bad Emser Anhängerschaft der „Rheinischen Republik“ folgten auch einige Fachbacher. Ebenfalls stieg der Wiederstand gegen die französische Besetzung des Ruhrgebietes an, besonders im Bahngewerbe.[Anm. 69]

Die „goldenen Zwanziger Jahre“ führten in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts zu einem Wirtschaftsaufschwung, so auch in Fachbach: Das Kirchspiel (Fachbach, Nievern, Miellen) ließ eine Fachbach und Nievern verbindende Lahnbrücke bauen, die 1928 fertiggestellt werden konnte. [Anm. 70] Nur ein Jahr später verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage durch die Weltwirtschaftskrise erheblich. Viele Menschen im Kirchspiel waren von den Fabriken und Hütten in der Gegend abhängig. Als die Frankeschen Eisenwerke am 9. Januar 1932 schließen mussten, verloren viele Fachbacher ihre Arbeit. Um einer Hungersnot entgegen zu wirken, kaufte der Erwerbslosenausschuss der Gemeinde Fachbach in der Gemarkung Niederlahnstein 36 Hektar Land und stellte es unentgeltlich den besonders Bedürftigen Einwohner*innen zur landwirtschaftlichen Nutzung zur Verfügung .[Anm. 71]

0.4.2.Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg

Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Obwohl die Zentrumspartei in Fachbach bei der Reichstagswahl am 5. März 1933 noch immer mehr Stimmen als die NSDAP erhielt, setzte sich auch hier die Herrschaft der Nationalsozialisten schnell durch. [Anm. 72] Der 21. März 1933 wurde bereits als „Tag der nationalen Erhebung“ [Anm. 73] mit einem Fackelumzug in Fachbach gefeiert. Am 18. Juli 1933 wurden der Reichspräsident von Hindenburg und der Reichskanzler Adolf Hitler in der Gemeinde zu Ehrenbürgern erklärt. Mit einem neuen Gemeindeverfassungsgesetz vom 15.12.1933 stand die Verwaltung unter der Aufsicht eines NSDAP-Abgeordneten, der beispielsweise die „politische Zuverlässigkeit von Kandidaten für Gemeindeämter“ [Anm. 74] prüfte. 1935 wurden nur noch Kandidaten, die der NSDAP angehörten, zur Wahl des Gemeinderates aufgestellt. [Anm. 75] Auf eigene Nachfrage beim Kreisleiter der Deutschen Arbeitsfront DAF Robert Ley wurden Fachbach und Nievern zu Urlaubsorten für Fahrten der NS- Freizeitorganisation „Kraft durch Freude“ (KDF) erklärt. [Anm. 76] Die Reichspogromnacht blieb am 9. November 1938 in Fachbach aus. Grund dafür war, dass die letzten jüdischen Familien bereits im September 1938 ausgewanderten. [Anm. 77] Einige Fachbacher*innen waren jedoch an den Pogromen in Bad Ems beteiligt. [Anm. 78]

Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden wie überall die Fenster in Fachbach verdunkelt, um von den bombenabwerfenden Fliegern nicht gesehen zu werden. 1941 wurde in Fachbach das Lager Rebschnittgarten für Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter eingerichtet. In diesem arbeiteten 10-20 Personen aus Frankreich. Auch im Mineralwollwerk Linde und Dreibach arbeiteten Kriegsgefangene, darunter rund 80 Russ*innen. [Anm. 79] Mit den Kriegsjahren wurde die Versorgungslage immer schwieriger. Wie im Ersten Weltkrieg wurden die Lebensmittel rationiert. 1942 wurden sogenannte „Kartoffelkarten“ ausgegeben. [Anm. 80]  Die die Maschinenfabrik Goebel, die von 1937 bis 1945 auf dem Gelände der Nieverner Hütte bestand, beantragte 1944 den Bau von 10-12 „Behelfsheimen für Fliegergeschädigte“ [Anm. 81]. Für die Schulkinder wurde zudem ein Luftschutzdeckungsgraben gebaut. In diesem Jahr wurde Fachbach sowie der nahegelegene Wald von Bomben, die am Tag abgeworfen wurden, getroffen. [Anm. 82] Zum Schutz diente der Stollen der Nieverner Hütte, ebenfalls bauten sich zum Teil Privatpersonen eigene Stollen.  Anfang 1945 wurde die Lahnbrücke zum Schutz vor den US-amerikanischen Truppen gesprengt. Die Truppen trafen am 27. März 1945 in Fachbach ein. Insgesamt fielen 46 Soldaten aus Fachbach im Krieg, 14 blieben vermisst, 3 starben in Kriegsgefangenschaft [Anm. 83].  Jede*r 5. Einwohner*in aus Fachbach war Mitglied der NSDAP. Viele Frauen traten erst 1944 in die Partei ein. [Anm. 84]

0.5.Von der Nachkriegszeit bis heute

[Bild: Fritz Geller-Grimm CC BY SA 3.0]

Im Juli 1945 wurden die amerikanischen Truppen durch französische ersetzt.[Anm. 85] Die französischen Truppen richteten eine Autowerkstatt in Fachbach ein und schufen einige Arbeitsplätze. Einige Fachbacherinnen mussten für die französische Feldküche arbeiten. Zudem wurde mehrmals in der Woche eine Schulspeisung eingerichtet.[Anm. 86] Sie beschlagnahmten jedoch auch Wohnungen und Einrichtungsgegenstände. Am 22. Dezember 1945 wurde der erste Gemeinderat der Nachkriegszeit mit dem Bürgermeister Carl Collet gebildet.[Anm. 87]

Die 1950er und 1960er Jahre waren vom Wiederaufbau Deutschlands sowie vom wirtschaftlichen Wachstum geprägt. In Fachbach gelang es wieder Industriegewerbe anzusiedeln. 40 Arbeitsplätze schuf die Polstermöbelfabrik Fudickar.[Anm. 88] 1950 wurde die neue Lahnbrücke eröffnet. 1969 wurde ein Campingplatz in Fachbach eröffnet und der Tourismus wieder angekurbelt. In den 1970ern und 1980ern wurden einige Bauprojekte in Fachbach begonnen: 1973 wurde ein Kindergarten gebaut sowie Neubaugebiete wie „Auf der Oberau“ angelegt. 1982 wurde die alte Schule abgerissen und an dessen Stelle ein Gemeindezentrum errichtet. Das Gemeindezentrum  konnte zwei Jahre später eröffnet werden und ist seit dem ein wichtiger Ort für das vielfältige Vereinsleben der Fachbacher*innen.[Anm. 89]

Durch eine Kreisreform wurde die Gemeinde Fachbach 1969 dem neugebildeten Rhein-Lahn-Kreis zugeordnet. Seit 1972 bildet Fachbach gemeinsam mit Arzbach, Becheln, Dausenau, Frücht, Kemmenau, Miellen, Nievern und Bad Ems eine gemeinsame Verbandsgemeinde mit dem Verwaltungssitz in Bad Ems. Seit 2019 trägt die Verbandsgemeinde den Namen Bad Ems-Nassau.[Anm. 90] 

Verfasserin: Jasmin Gröninger
Erstellt am: 12.06.2020
Verwendete Literatur: 

  • Brendebach, Ulrich: Handel, Handwerk, Gewerbe und Kleinindustrie. In: Fachbach an der Lahn. Geschichte wird lebendig. Hrsg. v. Heimat- und Verkehrsverein e.V.; Ortsgemeinde Fachbach. Bassenheim 2006, S.241-261.
  • Flohr, Klaus; Quednow, Markus: Die Insel Oberau in Fachbach. In: Fachbach an der Lahn. Geschichte wird lebendig. Hrsg. v. Heimat- und Verkehrsverein e.V.; Ortsgemeinde Fachbach. Bassenheim 2006, S.262-289.
  • Mohn, Ernst-Otto: Von den evangelischen Fachbachern. In: Fachbach an der Lahn. Geschichte wird lebendig. Hrsg. v. Heimat- und Verkehrsverein e.V.; Ortsgemeinde Fachbach. Bassenheim 2006, S.126.
  • Ochs, Fritz: 1200 Jahre Haonstat-Siedlung. In: 1200 Jahre Hahnstätten. Beiträge zur Geschichte des Dorfes. Hrsg: Gemeinde Hahnstätten. Limburg 1980, S.74.
  • Pahl, Gottfried: Die Landschaft um Fachbach. In: Fachbach an der Lahn. Geschichte wird lebendig. Hrsg. v. Heimat- und Verkehrsverein e.V.; Ortsgemeinde Fachbach. Bassenheim 2006, S.19-30.
  • Rindsfüsser, Ursula: Kapellen und Wegkreuze. In: Fachbach an der Lahn. Geschichte wird lebendig. Hrsg. v. Heimat- und Verkehrsverein e.V.; Ortsgemeinde Fachbach. Bassenheim 2006, S.127.
  • Sarholz, Hans-Jürgen: Aus der Geschichte des Kirchspiels Nievern. Bad Ems 1990 (Bad Emser Hefte Nr. 89).
  • Sarholz, Hans-Jürgen: Geschichte Fachbachs bis um 1800. In: Fachbach an der Lahn. Geschichte wird lebendig. Hrsg. v. Heimat- und Verkehrsverein e.V.; Ortsgemeinde Fachbach. Bassenheim 2006, S.33-66.
  • Sarholz, Hans-Jürgen: Fachbach im 19. und 20. Jahrhundert. In: Fachbach an der Lahn. Geschichte wird lebendig. Hrsg. v. Heimat- und Verkehrsverein e.V.; Ortsgemeinde Fachbach. Bassenheim 2006, S.67-119. Zentralausschuss für deutsche Landeskunde: Der Loreleykreis, Speyer 1965 (Die Landkreise in Rheinland-Pfalz, Bd. 5)

Weblinks:

Anmerkungen:

  1. Gemeinde Fachbach Dieter Görg: Ortsgemeinde Fachbach. URL: www.Fachbach-online.de (01.06.2020).  Zurück
  2. Vgl. Ebd.; Vgl. Zentralausschuss für deutsche Landeskunde, 1965, S. 12. Zurück
  3. Vgl. Pahl, 2006, S. 19-30. Zurück
  4. Ebd. S. 28. Zurück
  5. Ebd., S.21. Zurück
  6. Zwecksverband Naturpark Nassau, URL: www.naturpakrnassau.de (01.06.2020). Zurück
  7. Vgl. Sarholz, 2006, S.33. Zurück
  8. Sarholz, 2006, S.33. Zurück
  9. Vgl. Ebd. Zurück
  10. Vgl. Ebd.    Zurück
  11. Vgl. Ebd. S.34; Deutsche Limeskommission: Orte am Limes (Übersichtskarte). URL: http://www.deutsche-limeskommission.de/index.php?id=23 (01.06.2020); Zurück
  12. Vgl. Sarholz, 2006, S.34. Zurück
  13. Vgl. Ebd. S.34. Zurück
  14. Vgl. Ebd. S.37; siehe auch ebd. S. 34-38. Zurück
  15. Vgl. Ebd. S.34, 36. Zurück
  16. Vgl. Ders., 1990, S.7, 8; Vgl. Ders., 2006, S.38. Zurück
  17. Mehr dazu siehe: Sarholz, 2006, S. 36-38. Zurück
  18. Verbandsgemeinde Bad Ems-Nassau:  https://www.vgben.de/gemeinden/fachbach/; Vgl. Sarholz, 2006, S.35. Zurück
  19. Verbandsgemeinde Bad Ems-Nassau:  https://www.vgben.de/gemeinden/fachbach/ Zurück
  20. Vgl. Sarholz, 2006, S. 35, 37. Die Historiker Adolf Bach und Hellmuth Gensicke gehen davon aus, dass Fachbach eine Fischersiedlung war. Vgl. Ebd. S. 35. Zurück
  21. Verbandsgemeinde Bad Ems-Nassau:  https://www.vgben.de/gemeinden/fachbach/ Zurück
  22. Vgl Sarholz, 1990, S.6. Zurück
  23. Vgl. Ebd. S.7, 8; Vgl. Ders., 2006 S.39. Zurück
  24. Vgl. Ders., 1990, S.7,8; Vgl. Ders., 2006, S.39. Zurück
  25. Vgl. Ders., 2006, S.39. Zurück
  26. Vgl. Ed., S.47. Zurück
  27. Vgl. Ebd., S.51; Vgl. Ders., 1990, S.9. Zurück
  28. Ders., 1990, S.10. Zurück
  29. Vgl. Ebd. 9; Vgl. Ders., 2006, S.46. Zurück
  30. Ders. 2006, S.47. Zurück
  31. Vgl. Sarholz, 1990, S.8.; Vgl. Ders., 2006, S.41. Zurück
  32. Vgl. Ders., 2006, S.41. Zurück
  33. Vgl. Rindsfüsser, 2006, S.127, 128. Zurück
  34. Vgl. Sarholz, 2006, S.54.  Zurück
  35. Vgl. Mohn, 2006, S.126. Zurück
  36. Vgl. Sarholz, 2006, S. 87, 88. Zurück
  37. Vgl. Ebd., S.44. Zurück
  38. Vgl. Ebd. S.43. Zurück
  39. Vgl. Ebd. Zurück
  40. Sarholz, 2006, S.43. Zurück
  41. Vgl. Ebd., S.44. Zurück
  42. Vgl. Ebd., S.41, 51. Zurück
  43. Sarholz, 2006, S.43. Zurück
  44. Sarholz, 2006, S.42. Zurück
  45. Vgl. Ebd. Zurück
  46. Vgl. Ebd. S.42, S.89. Zurück
  47. Vgl. Ochs, 1980, S.74. Zurück
  48. Vgl. Sarholz, 2006, S. 80, 83, 84. Zurück
  49. Vgl. Ebd. S.69 Zurück
  50. Vgl. Zentralausschuss für deutsche Landeskunde, Landkreise, 1965, S.67. Zurück
  51. Vgl. Sarholz, 2006, S.69 Zurück
  52. Sarholz, 2006, S.85 Zurück
  53. Vgl. Ebd; Vgl. Ders., 1990, S.15. Zurück
  54. Vgl. Sarholz, 1990. S.15,16. Zurück
  55. Vgl. Ders., 2006, S.75. Zurück
  56. Sarholz, 2006, S.73. Zurück
  57. Vgl. Ebd., S.80-83. Zurück
  58. Vgl.Ebd., S.96. Zurück
  59. Vgl. Ebd; Vgl. Flohr, Quednow, 2006, S. 262, 263. Mehr zur Nieverner Hütte und zur Insel Oberau vgl. Flohr, Quednow, 2006, S.262-289. Zurück
  60. Vgl. Sarholz, 2006, S.97. Zurück
  61. Vgl. Ebd., S.96. Zurück
  62. Vgl. Thielen, 2015, Beginn der Besetzung des Rheinlandes. URL: https://www.1914-1930-rlp.de/bibliothek/aufsaetze/nach-dem-krieg-die-alliierte-rheinlandbesetzung-1918-1930.html 5.6.2020. Zurück
  63. Ebd. Zurück
  64. Vgl. Sarholz, 2006, S.99, 100. Zurück
  65. Vgl. Ebd., S.97. Zurück
  66. Vgl. Sarholz, 206, S.97. Zurück
  67. Vgl. Sarholz, 2006, S.98. Siehe auch LEMO, Inflation, URL: https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/innenpolitik/inflation (01.06.2020). Zurück
  68. Vgl. LEMO, Separatistenbewegung, URL: https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/innenpolitik/separatistenbewegung.html (01.06.2020) Zurück
  69. Vgl, Sarholz, 2006, S.98. Zurück
  70. Vgl. Ders., 1990, S.18. Zurück
  71. Vgl. Ders., 2006, S.99. Zurück
  72. Vgl. Ebd., S.100, 101. Zurück
  73. Sarholz, 2006, S.101. Zurück
  74. Ebd. Zurück
  75. Vgl. Ebd. Zurück
  76. Vgl. Ebd. Zurück
  77. Vgl. Ders., 2006, S.88. Zurück
  78. Vgl. Ebd. Zurück
  79. Vgl. Ebd, S.105; vgl. Ders., 1990, S.23. Zurück
  80. Vgl. Ders., 2006, S.104. Zurück
  81. Sarholz, 2006, S.105. Zurück
  82. Vgl. Ders., 1990, S.23; Vgl. Ders., 2006, S.103. Zurück
  83. Sarholz, 2006, S.106. Zurück
  84. Vgl. Ebd., S.103. Zurück
  85. Vgl. Ebd. S.106. Zurück
  86. Vgl. Ebd.  Zurück
  87. Vgl. Ebd. S.107. Zurück
  88. Vgl. Ebd. S.108. Vgl. Brendebach, 2006, S.247. Zurück
  89. Vgl. Ders., 2006, S.110. Zurück
  90. Vgl. Ebd. S.109. Vgl. Verbandsgemeinde Bad-Ems-Nassau, URL: https://www.vgben.de (Aufruf 01.06.2020). Zurück