Nievern im Rhein-Lahn-Kreis

Zur Geschichte von Nievern

Südlich der Lahn und nur wenige Kilometer von Bad Ems und Koblenz entfernt liegt das Dorf Nievern. Nievern ist Teil des Naturparks Nassau, einem nationalen Schutzgebiet in Rheinland-Pfalz.[Anm. 1]

0.1.Vor- und Frühgeschichte

Im 1. Jahrhundert n.Chr. siedelten die Römer im Gebiet des heutigen Rhein-Lahn-Kreises. Der Limes verlief als Außengrenze des Römischen Reichs bei Bad Ems über die Lahn, zu den Kastellen in Arzbach und Niederberg.[Anm. 2] Durch Verbindungswege zwischen den Kastellen entlang der heutige Nieverner Gemarkung gehört Nievern zum „unmittelbaren römischen Herrschaftsbereich“[Anm. 3]: Die Lahn nutzten die Römern zudem bereits, um Waren zu transportieren.[Anm. 4] Beim Bau der Nieverner Schleuse am Unterbach, einem Zufluss der Lahn, wurde im Jahr 1849 ein römisches Grab mit einer Knochenurne, zwei Töpfen sowie ein Trinkgefäß entdeckt.[Anm. 5] Eine römische Siedlung konnte in Nievern jedoch nicht nachgewiesen werden.[Anm. 6] Nachdem die Römer Ende des 3. Jahrhunderts n.Chr. ihre Kastelle und den Limes im Rhein-Lahn-Gebiet aufgaben, blieb das Gebiet um Nievern bis ins frühe Mittelalter unbesiedelt.

0.2.Grundstücke in „Niufern“ und die Entstehung eines Dorfes

Auf das 9. Jahrhundert wird ein Wehrturm datiert, aus dem um 1210 der romanische Westturm der Pfarrkirche in Nievern gebaut wurde.[Anm. 7] Erstmals urkundlich als Dorf erwähnt wurde Nievern um 1250,[Anm. 8] Mitte des 12. Jahrhundert wurde das „Kirchdorf Nivero“ außerdem im Zinsregister der Herren von Eppstein genannt.[Anm. 9] Wie der Name des Ortes entstand, ist bisher nicht bekannt. Der Name könnte jedoch „Neue Fähre“ bedeuten.[Anm. 10]

Im 13. Jahrhundert herrschten die Grafen von Sponheim über große Gebiete im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Zur Verwaltung dieser vergaben sie Lehen an Adelige im Rhein-Lahn-Gebiet. Als Gegenleistung für ein Lehen stellten sich die Belehnten als Vasallen in den Dienst der Grafen von Sponheim. Dies galt auch für die Familie von der Arken, die um 1290 erstmals mit der Hälfte der Vogtei Nievern belehnt wurde. Zu der Vogtei gehörten die Dörfer Nievern, Frücht und Fachbach. Die Belehnungsurkunde von 1290 ist besonders interessant, da sie erstmals alle drei Gemeinden der Vogtei nennt.[Anm. 11] Um den Arkenschen Anteil der Vogtei Nievern stritten sich Anfang des 14. Jahrhunderts die Familie von der Arken und vom Stein. Neben den Gütern hatte die Familie von der Arken auch das Recht an der Ausübung der Niederen sowie der Höheren Gerichtbarkeit im Kirchspiel inne. Die Familie vom Stein versuchte nun das Lehen aus Erbschaftsgründen anzufechten.[Anm. 12] Durch eine Neuverteilung der Lehen wurde der Streit um 1305 beendet: Die Familie vom Stein bekam die Vogteien Ems und Denzerheide, während die Familie von Arken ihren Anteil der Vogtei Nievern behalten durften.[Anm. 13] Um 1497 wurde das Lehen der Familie von der Arken an die Grafen von Staffel vergeben. Sie waren bereits mit der anderen Hälfte der Vogtei Nievern belehnt. Mit der Herrschaft über die gesamte Vogtei besaßen sie die Herrschaft über die juristische Verwaltung mit dem Sitz des Gerichts in Fachbach sowie die kirchliche Verwaltung mit dem Pfarrhaus in Nievern.[Anm. 14]

Innerhalb der Vogtei wurden die Dörfer Fachbach, Nievern und Miellen bis ins 19. Jahrhundert durch einen gemeinsamen Schultheißen verwaltet. [Anm. 15] Für diese gemeinsame Verwaltung etablierte sich der Name Kirchspiel. Ein „Beamter der Grafen von Katzenelnbogen zu Fachbach“[Anm. 16] wurde im Jahr 1143 als Schultheiß der Vogtei erwähnt. Die drei Dörfer stellten jeweils fünf bis sieben Schöffen zur Verfügung, die das Gericht bildeten.[Anm. 17] Das erste bekannte Gerichtssiegel zeigt den Heiligen Nikolaus als Patron der Pfarrkirchen. Der Schriftzug auf dem Siegel lautet „DAS GERICHT ZU NIVERN FACHBACH“.[Anm. 18] Das Dorf Miellen wird nicht im Siegel von 1562 genannt, obwohl das Dorf zur Vogtei gehörte. Im Zuge der Reformation wurden einige Gemeinden an der Lahn, darunter Frücht, reformiert. Die Glaubenslehre in Nievern blieb jedoch katholisch.

Bis zur Industrialisierung im 19. Jahrhundert lebten die Nieverner*innen überwiegend von der Landwirtschaft, darunter vom Weinbau. [Anm. 19] Ein Wingert des Edelknechts und Junker Werner Wenze sowie Weingärten des Pastors und der Pfarrei werden erstmals im Jahr 1371 erwähnt.[Anm. 20]

0.3.Nievern in der Frühen Neuzeit

Heinrich Augustin von Staffel verkaufte mit der Zustimmung seines Lehensherrn, nach dem Aussterben der Grafen von Sponheim waren dies die Markgrafen von Baden und die Pfalzgrafen, am 28. März 1629 die Vogtei Nievern an Damian von der Leyen.[Anm. 21] Die Herrschaft über die Vogtei wurde nun reichsunmittelbar, denn die Grafen von der Leyen gehörten zum Stand der Reichsritter.[Anm. 22]

Während des Dreißigjährigen Kriegs (1618 bis 1648) konnte sich die Bevölkerung kleinerer Dörfer an der Lahn selbst nicht schützen. Das Rhein-Lahn-Gebiet wurde durch die Nähe zur Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz zum unmittelbaren Kriegsschauplatz.[Anm. 23] Nach dem Dreißigjährigen Krieg, um 1671, wurde die Nieverner Hütte von den Unternehmern Peter Michael Mariot, Gottfried Eberhard Nottemanns und Gerhard Frank Bouille auf dem heutigen Gelände „Insel Oberau“ im benachbarten Fachbach gegründet. Bis zu ihrer Schließung im Jahr 1932 spielte die Eisenhütte wirtschaftlich eine zentrale Rolle der Nieverner Einwohner*innen.[Anm. 24] Zunächst wurde in der Hütte Eisenerz mit Holzkohle und mit Koks verhüttet, um Roheisen zu gewinnen. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Hütte in eine Eisengießerei umgewandelt.[Anm. 25]

0.4.Nievern im 19. Jahrhundert

Mit den napoleonischen Kriegen wurde die Herrschaft der Grafen von der Leyen über die Vogtei Nievern beendet und Nievern wurde Teil des 1806 gegründeten Herzogtums Nassau.[Anm. 26] Die Einwohner*innen der Vogtei Nievern weigerten sich jedoch den nassauischen Amtsmännern zu gehorchen. Sie leisteten aktiven Widerstand und ersetzten die nassauischen Hoheitszeichen durch die der Grafen von der Leyen. Graf von der Leyen hatte die nassauische Landeshoheit zudem noch nicht anerkannt. Erst als eine Garnison auf der Marksburg in Bereitschaft gestellt, eine Miliz aus Weilburg ausgesandt wurde und der Nieverner Schultheiß festgenommen wurde, erkannte Graf von der Leyen die Herrschaft Nassaus an und die Einwohner*innen Nieverns mussten sich der neuen Landeshoheit beugen.[Anm. 27] In den folgenden Jahren wurden im gesamtem Herzogtum Reformen eingeführt, darunter die Aufhebung der Leibeigenschaft am 1. Januar 1808 und die Einführung eines einheitlichen Steuersystems. Auch die Bewohner*innen der Vogtei Nievern wurden aus ihrer Leibeigenschaft enthoben. Im Jahr 1816 wurden Nievern, Fachbach und Miellen in drei selbstständige Gemeinden mit je einem eigenen Bürgermeister aufgeteilt.[Anm. 28] Die drei Verwaltungen einzurichten dauerte mehrere Jahre an: Während jede Gemeinde 1819 einen eigenen Schultheiß bekam, in Nievern war dies Jacob Labonte, wurde die Allmende unter den drei Dörfern vier Jahre später aufgeteilt. Die Teilung der Schulbezirke wurde erst 1826 umgesetzt. 1825 besuchten noch 174 Kinder aus allen drei Dörfern die Schule in Nievern.[Anm. 29] Im darauffolgenden Jahr konnte ein Lehrer in Fachbach eingestellt werden, 1845 ebenfalls in Miellen.[Anm. 30] Auch die Kinder jüdischer Familien aus Nievern besuchten die Volkschule in Nievern. Der Religionsunterricht fand um 1818 durch einen jüdischen Religionslehrer statt. In späteren Jahren fand der Unterricht jüdisch gläubiger Kinder wieder gemeinsam mit Kindern aus Frücht und Fachbach statt.[Anm. 31]

Zur Zeit des Herzogtums Nassau durften jüdischen Familien durch einen Schutzbrief in Nievern leben und arbeiten. In den 1840er Jahren bildeten die Gemeinden Nievern, Fachbach, Frücht und Braubach einen gemeinsamen Synagogenbezirk. Die Synagoge befand sich in Frücht. Obwohl nicht wesentlich mehr jüdisch gläubige Familien in den folgenden Jahren nach Nievern zogen, wurde Nievern durch eine 1852 neu erlassene Kultusverfassung zum religiösen Hauptort erklärt. In einem Betraum eines privaten Hauses wurden von nun an die jüdischen Gottesdienste gefeiert.[Anm. 32]

0.4.1.Verbesserungen der Infrastruktur in nassauischer Zeit

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte die herzoglich nassauische Regierung Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur auf dem Land und auf dem Wasser durch. Nach mehreren gescheiterten Versuchen seit Mitte des 17. Jahrhunderts gelang es nun die Lahn für die Schifffahrt auszubauen. Auch dem Königreich Preußen lag etwas daran den Transportweg auszubauen, um beispielsweise den ihm zugeteilten Kreis Wetzlar an der Lahn besser mit den übrigen preußischen Gebieten zu verbinden.[Anm. 33] Die nassauische, hessen-darmstädtische und preußische Regierung einigten sich auf einen Ausbau der Lahn von dessen Mündung bis nach Gießen. Zwischen 1844 und 1859 wurden Schleusen errichtet, um die Wassertiefe für die Schiffe regulieren zu können.[Anm. 34] Als die Schiffe noch die Lahn hinauf getreidelt wurden, etablierte sich der Name „Heckeböck“ für die Nieverner*innen. Dieser Name entstand, da die Treideler ihre Schiffe an Holzpfählen in Nievern festmachten.[Anm. 35]

Zu Beginn der 1850er Jahre wurde durch die Nassauische Rhein-Eisenbahn-Gesellschaft eine Eisenbahn-Strecke durch das Lahntal gebaut. Im Juni 1858 wurde der erste Streckenabschnitt zwischen Oberlahnstein und Bad Ems eröffnet. In den folgenden Jahrzehnten wurde das Streckennetz durch die Staatsbahn weiter ausgebaut und weitere Stationen, darunter der Bahnhof Nievern, in die bestehende Strecke integriert. Durch den Bau der Bahnstrecke wurden zahlreiche Arbeitsplätze über einen längeren Zeitraum für die Bevölkerung der Lahntal-Ortschaften geschaffen. Für die Tunnelarbeiten wurden Arbeiter aus den Bergwerken wie der Nieverner Hütte eingesetzt. Der Bedarf an Arbeitern war so groß, dass ‚Gastarbeiter‘ unter anderem aus Italien nach Nievern zogen.[Anm. 36] Durch den Anschluss an das Bahnnetz der Lahntalbahn wurde das Reisen in und aus der Region hinaus erschwinglicher und der Fremdenverkehr wurde angekurbelt. Von den Bad Emser Kurgästen reisten nun mehr als die Hälfte aus dem Ausland an. Ihre Ausflugsziele lagen an der Lahn, sodass die Gemeinde Nievern von Emser Kurgästen profitieren konnte.[Anm. 37] Betriebe wie die Frankeschen Eisenwerke hatten an der Bahnstrecke im 19. und 20. Jahrhundert ein hohes wirtschaftliches Interesse. Große Mengen an Eisenwaren konnten nun nicht nur per Schiff, sondern auch über den Schienenverkehr transportiert und verkauft werden. Im 20. Jahrhundert wurde der Anschluss an das Bahnnetz für Nieverner Pendler*innen wichtig, die vor allem in Städten wie Koblenz, Ober- und Niederlahnstein und Bad Ems arbeiten.[Anm. 38]

0.4.2.Verbesserungen im Gesundheitssystem in preußischer Zeit

Nach dem Ende des preußisch-österreichischen Krieg 1866 und der Auflösung des Herzogtums Nassau gehörte Nievern zum Königreich Preußen. Der Ort wurde dem Kreis St. Goarshausen, dem späteren Loreley-Kreis zugeteilt.[Anm. 39] Wenige Jahre späte, im Jahr 1870 kam es zum Deutsch-Französischen Krieg, der durch die Frage nach der spanischen Thronfolge durch Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen ausgelöst wurde. In den Krieg wurden ebenfalls Männer aus Nievern involviert und als Soldaten eingezogen: 24 Soldaten starben.[Anm. 40] Am 18. Januar 1871 wurde das Deutsche Kaiserreich gegründet, dessen Reichskanzler Otto von Bismarck war. In den 1880er Jahren wurden Sozialgesetze verabschiedet, darunter eine gesetzliche Unfallversicherung und eine gesetzliche Rentenversicherung, die zur Verbesserung der sozialen Lage führen, jedoch auch Aufstände von Arbeiterbewegungen vermeiden sollten. Für die Arbeiter*innen in den Industriebetrieben um Nievern herum waren Absicherungen durch Sozialgesetze von großer Bedeutung: Bereits im Jahr 1884 gründeten die Orte Nievern, Fachbach, Miellen, Ober- und Niederlahnstein eine gemeinsame Krankenkasse für alle Gewerbszweige. Zur Verbesserung des Gesundheitszustandes stellte die Gemeinde Fachbach 1881 eine Hebamme ein. Sie war für die drei Kirchspielgemeinden zuständig und verhalf in 50 Dienstjahren 2200 Kindern auf die Welt.[Anm. 41]

0.5.Nievern im 20. Jahrhundert

1907 wurde Nievern an das Elektrizitätswerk angeschlossen, zwei Jahre später folgte eine eigene Wasserversorgungsanlage.[Anm. 42] Am 5. Februar 1909 wurde Nievern, wie einige weitere Orte an der Lahn von einem außerordentlich hohen Hochwasser betroffen. Der Winter im Jahr 1909 war besonders kalt, sodass die Lahn 30-40cm dick zugefroren war. Vom 31. Januar bis 2. Februar fielen rund 25 cm Schnee, im Westerwald und im Taunus bis zu einem Meter. Nur wenige Tage später setzte das Tauwetter mit zusätzlichen Regenfällen ein.[Anm. 43] Die Lahn trat über die Ufer und überflutete das Dorf. Bis zu 2,5m stand das Wasser im Keller des Nieverner Schleusenhaus.[Anm. 44] 

Über die Zeit zwischen 1914 und 1918 ist in der Literatur über Nievern nicht viel bekannt. Der Erste Weltkrieg und seine Folgen hat jedoch voraussichtlich auch in die Lebenswelt der Einwohner*innen Nieverns eingegriffen. Am 11. November 1918 endete der Erste Weltkrieg mit dem Waffenstillstand in Compiègne. Im Waffenstillstandsabkommen war unter anderem die Stationierung französischer Soldaten im Rheinland vorgesehen.[Anm. 45] 1918 trafen 200 französische Soldaten in Nievern ein.[Anm. 46] Mit dem Friedensvertrag von Versailles wurde am 10. Januar 1920 die alliierte Rheinlandbesetzung als „Garantie für die immens hohen Reparationszahlungen“[Anm. 47] für 15 Jahre in Deutschland stationiert. Die Inflation von 1923 führte zu einem immensen Währungsverfall, auch im Kirchspiel Nievern. Der Ort vergab jedoch bereits im Jahr 1917 Kriegsgeld, um der Inflation entgegenzuwirken.[Anm. 48] Im Nachbarort Fachbach kostete beispielsweise ein Brot 1,2 Billionen Mark. Zwischen 1923 und 1929 gab es einen kurzen Wirtschaftsaufschwung, die als „goldene Zwanziger Jahre“ bekannt sind. Das Kirchspiel Nievern ließ eine Brücke zwischen Nievern und Fachbach errichten, die 1928 eingeweiht wurde.[Anm. 49] Nur ein Jahr später verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage durch die Weltwirtschaftskrise erheblich: In den folgenden Jahren kam es zur Massenarbeitslosigkeit und einer damit einhergehenden Armutswelle. Als im Januar 1932 die Nieverner Hütte schloss und wenige Monate später die Ton- und Dachziegelwerke im nahe gelegenen Friedrichssegen, war dies für viele Nieverner Einwohner*innen wirtschaftlich fatal.

0.5.1.Auswirkungen des nationalsozialistischen Systems auf Nievern

Links- und rechtsextreme Parteien machten die parlamentarische Demokratie für alle Nöte verantwortlich und nutzten die Krise für propagandistische Zwecke. Anhand der Reichstagswahlen ab 1921 lässt sich auch im Kirchspiel Nievern eine Radikalisierung zu Gunsten der NSDAP, aber auch der kommunistischen Partei KPD feststellen. Durch die stark katholisch geprägten Orte erhielt die Zentrumspartei dennoch bis 1933 mit Abstand die meisten Wahlstimmen.[Anm. 50] Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Die Gleichschaltung vollzog sich in kurzer Zeit bis auf die kommunale Ebene. Im Gemeinderat zählte nur noch die Stimme der NSDAP. Ihre Anhänger*innen sowie SA-Angehörige waren durch Partei-Stützpunkte in Nievern organisiert. Jugendorganisationen, wie die Katholische Jugendbewegung in Nievern wurden verboten, stattdessen wurden wie in den meisten Orten Verbände der Hitlerjugend und des Bundes deutscher Mädchen gegründet.[Anm. 51] Auf eigene Nachfrage beim Kreisleiter der Deutschen Arbeitsfront DAF Robert Ley wurde Nievern zu einem Urlaubsort für Fahrten der NS- Freizeitorganisation „Kraft durch Freude“ (KDF).[Anm. 52] Die Verbreitung der nationalsozialistischen Rassenideologie veranlasste alle Familien jüdischen Glaubens bis Ende 1938 die Gemeinden im Kirchspiel zu verlassen. [Anm. 53] Während 1933 noch 17 jüdisch gläubige Familien in Nievern und Fachbach lebten, lebten fünf Jahre später nur noch zwei jüdische Familien in Nievern. In der Pogromnacht am 9. November 1938 wurden die Häuser der Familien gestürmt und die Einrichtung zerstört. Auch der Betraum wurde von der SA geschändet. Familie Straß und Familie Mainzer zogen wenig später nach Frankfurt am Main.[Anm. 54]

Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs wurde die Versorgungslage zunehmend schwieriger. Die Lebensmittel wurden rationiert. Lichter wurden nachts ausgeschaltet, um von den Fliegern nicht gesehen zu werden. Die Nähe zu den Städten Koblenz und Lahnstein, die Lage an der Bahnlinie sowie die Industriegebäude der Nieverner Hütte machten auch das Kirchspiel Nievern zum Ziel der Alliierten. Im Dezember 1944 wurden einige Häuser und die Gleise in Nievern zerstört. Anfang Januar 1945 trafen die Bomben nur das Waldgebiet bei Nievern.[Anm. 55] Am 27. März 1945 wurde die Lahnbrücke zum Schutz vor den amerikanischen Truppen gesprengt. Mit dem Eintreffen der US-Truppen am selben Tag endete für die Nieverner*innen der Krieg. 30 Nieverner Soldaten starben im Verlauf der Kriegsjahre, 19 weitere gelten als vermisst.[Anm. 56]

0.6.Nachkriegszeit bis heute

Nach dem Krieg war das Dorf zunächst von amerikanischen Soldaten und anschließend von französischen Soldaten besetzt. Alle Bürger*innen wurden durch „Registrierungskarten“ erfasst. Vertriebene aus dem Osten wurden den Gemeinden in Westdeutschland zugewiesen. Auch in Nievern wurden Wohnungen für Vertriebene geschaffen.[Anm. 57] Im Jahr 1969 dem neu gebildeten Rhein-Lahn-Kreis zugeordnet und ist seit 1972 ist Teil der Verbandsgemeinde Bad Ems. Die folgenden Jahrzehnte galten dem Wiederaufbau Deutschlands. Eine neue Lahnbrücke zwischen Fachbach und Nievern konnte um 1950 eingeweiht werden. Die Pfarrkirche bekam zwischen 1951 und 1954 neue Kirchglocken, da die alten während des Krieges zugunsten von Rüstungsmaterial eingeschmolzen wurden. Im Jahr 1956 wurde eine Gemeindewäscherei in Nievern gebaut, da sich nicht alle Einwohner*innen eine elektrische Waschmaschine leisten konnten.[Anm. 58] Ab den 1950er Jahren wurde das gesellschaftliche Leben in Nievern durch die Gründung von Vereinen und Vereinsstätten „angekurbelt“. 1952 gründete sich ein Fischereiverein, 1953 konnte ein Sportplatz in Nievern eingeweiht werden, auf dem der Verein SV Hertha 1910 Nievern trainierte. In Eigenleistung konnte Mitte der 1970er Jahre auch eine eigene Sporthalle errichtet werden.[Anm. 59] Auch die Schießsportbegeisterten gründeten 1969 den Schützenverein „Auf der Eich e.V.“ und errichteten fünf Jahre später den Grundstein für ein eigenes Schützenhaus. 1985 wurde schließlich der Heimat- und Verkehrsverein e.V. gegründet, der im Jahr 1997 mit der finanziellen Unterstützung der Gemeinde Nievern eine umfassende Ortschronik erstellte. Nicht nur innerhalb Nieverns wurden Kontakte geknüpft, mit der Partnerschaft zwischen Nievern und Hohenstaaten in Brandenburg konnte ein überregionaler Austausch gefördert werden. 

Nachweise

Verfasst von: Jasmin Gröninger
Veröffentlicht am: 30.7.2020
Verwendete Literatur:

  • Baumann, Arno, Sarholz, Hans-Jürgen, Schröder, Barbara: Die Lahntalbahn: Lahnstein-Bad Ems-Nassau-Diez, Erfurt 2008. 
  • Custodis, Paul.Georg: Von der Autobahnbrücke bis zur Ziegelei: Zeugnisse aus Technik und Wirtschaft in Rheinland-Pfalz, Regensburg 2014.
  • Hufnagel, Gerhard: Geschichtstafel für das Kirchspiel Fachbach, Nievern und Miellen an der Lahn, 3. Ausgabe, Bonn 2011.
  • Heimat- und Verkehrsverein Nievern e.V.; Gemeinde Nievern (Hrsg.): Nievern: die Einwohner und ihr Handeln in der 725jährigen Geschichte, Red. und Zustellung: Sarholz, Hans-Jürgen, Birkelbach, Helmut, Van Ackern, Gerhard, Horb am Neckar 1997.
  • Sarholz, Hans-Jürgen: Aus der Geschichte des Kirchspiels Nievern. Bad Ems 1990 (Bad Emser Hefte Nr. 89).
  • Sarholz, Hans-Jürgen: Geschichte Fachbachs bis um 1800. In: Fachbach an der Lahn. Geschichte wird lebendig. Hrsg. v. Heimat- und Verkehrsverein e.V.; Ortsgemeinde Fachbach. Bassenheim 2006, S.33-66.
  • Sarholz, Hans-Jürgen: Fachbach im 19. und 20. Jahrhundert. In: Fachbach an der Lahn. Geschichte wird lebendig. Hrsg. v. Heimat- und Verkehrsverein e.V.; Ortsgemeinde Fachbach. Bassenheim 2006, S.67-119.
  • Sarholz, Hans-Jürgen:  Die Geschichte Nieverns von den Anfängen bis zum Ersten Weltkrieg, S.27-39. In: Heimat – und Verkehrsverein Nievern e.V.; Gemeinde Nievern (Hrsgg.): Nievern. Die Einwohner und ihr Handeln in der 725jährigen Geschichte, Horb am Neckar, 1997.
  • Sarholz, Hans-Jürgen: Nievern zur Zeit des Nationalsozialismus, S. 40-44. In: Heimat – und Verkehrsverein Nievern e.V.; Gemeinde Nievern (Hrsgg.): Nievern. Die Einwohner und ihr Handeln in der 725jährigen Geschichte, Horb am Neckar, 1997.
  • Van Ackern, Gerhard: Bomben und Granaten, S.45-47. In: Heimat – und Verkehrsverein Nievern e.V.; Gemeinde Nievern (Hrsgg.): Nievern. Die Einwohner und ihr Handeln in der 725jährigen Geschichte, Horb am Neckar, 1997.
  • Zentralausschuss für deutsche Landeskunde: Der Loreleykreis, Speyer 1965 (Die Landkreise in Rheinland-Pfalz, Bd. 5).

Weblinks:

 

  • Alicke, Klaus-Dieter: Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum, 2014. URL: www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/m-o/1459-nievern-rheinland-pfalz (30.06.2020).
  • Deutsche Limeskommission: Orte am Limes (Übersichtskarte). URL: www.deutsche-limeskommission.de/index.php (01.06.2020)
  • Gemeinde Nievern: Nievern. URL: www.nievern.de, (08.07.2020).
  • KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-264360 (22.07.2020).
  • Thielen, Katharina: Nach dem Krieg: Die alliierte Rheinlandbesetzung 1918-1930, URL: www.1914-1930-rlp.de/bibliothek/aufsaetze/nach-dem-krieg-die-alliierte-rheinlandbesetzung-1918-1930.html (05.06.2020).
  • Zwecksverband Naturpark Nassau: Naturpark Nassau. URL: www.naturparknassau.de (01.06.2020). 

Anmerkungen:

  1. Vgl. Zweckverband Naturpark Nassau. URL: https://www.naturparknassau.de (01.06.2020). Zurück
  2. Vgl. Sarholz, 2006, S.34; Deutsche Limeskommission. URL: http://www.deutsche-limeskommission.de/index.php?id=23 (01.06.2020). Zurück
  3. Sarholz, 1997, S.27. Zurück
  4. Vgl. Kuladig. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-264360 (01.06.2020) Zurück
  5. Vgl. Sarholz, 2006, S.34. Zurück
  6. Vgl. Ders., 1990, S.5. Zurück
  7. Vgl. Ebd. Zurück
  8. Vgl. Ebd.; Vgl. Sarholz, 1990. S.5. Zurück
  9. Vgl. Ebd. Zurück
  10. Vgl. Sarholz, 1990. S.5. Zurück
  11. Vgl. Ders., 1990, S.7, 8; Vgl. Ders., 2006, S.38, 39. Zurück
  12. Vgl. Ders., 2006, S.39. Zurück
  13. Vgl. Ders., 1990, S.7, 8; Vgl. Ders., 2006 S.39. Zurück
  14. Vgl. Ed., S.47. Zurück
  15. Vgl. Ebd., S.51; Vgl. Ders., 1990, S.9. Zurück
  16. Ders., 1990, S.10. Zurück
  17. Vgl. Ebd., S.9; Vgl. Ders., 2006, S.46. Zurück
  18. Vgl. Sarholz, 1990, S.10. Zurück
  19. Ebd., S.11. Zurück
  20. Vgl. Hufnagel, 2011, S.4. Zurück
  21. Vgl. Sarholz, 1990, S.8.; Vgl. Ders., 2006, S.41. Zurück
  22. Vgl. Ders., 2006, S.41; Vgl. Verbandsgemeinde Bad Ems, 1997, S.6. Zurück
  23. Vgl. Ebd., S.44. Zurück
  24. Vgl. Saarholz, 1990, S.68. Zurück
  25. Vgl. Verein für Geschichte/Denkmal- und Landschaftspflege e.V. Bad Ems, 1982, S.22. Zurück
  26. Vgl. Ebd; Vgl. Verbandsgemeinde Bad Ems, 1997, S.6. Zurück
  27. Sarholz, 1990, S.13. Zurück
  28. Vgl. Verbandsgemeinde Bad Ems, 1997, S.6. Zurück
  29. Vgl. Sarholz, 1990, S.14. Zurück
  30. Vgl. Hufnagel, 2011, S.64. Zurück
  31. Ebd.; Vgl. Alicke, 2014. URL: https://www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/m-o/1459-nievern-rheinland-pfalz (03.07.2020). Zurück
  32. Vgl. Alicke, 2014. URL: https://www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/m-o/1459-nievern-rheinland-pfalz (03.07.2020). Zurück
  33. Vgl. Custodis, 2014, S.219. Zurück
  34. Vgl. Ebd.; Vgl. Zentralausschuss für deutsche Landeskunde, 1965, S.32. Zurück
  35. Vgl. Gemeinde Nievern. URL: www.nievern.de (08.07.2020). Zurück
  36. Vgl. Baumann, 2008, S.7. Zurück
  37. Vgl. Ebd., S.43. Zurück
  38. Vgl. Zentralausschuss für deutsche Landeskunde, 1965, S.86. Zurück
  39. Vgl. Sarholz, 1990, S.13. Zurück
  40. Vgl. Hufnagel, 2011, S.84. Mehr zum Deutsch-Deutschen Krieg: Joachim Form, Der Deutsch-Deutsche Krieg, URL: https://www.regionalgeschichte.net/bibliothek/aufsaetze/forg-deutsch-deutscher-krieg-preussen-oesterrich.html. Zurück
  41. Vgl. Sarholz, 2006, S. 73. Zurück
  42. Vgl. Ebd., 1990, S.27. Zurück
  43. Vgl. Verein für Geschichte/Denkmal. Und Landschaftspflege e.V. Bad Ems, 1982, S.10. Zurück
  44. Vgl. Ebd., S.13. Zurück
  45. Vgl. Thielen, 2015, Beginn der Besetzung des Rheinlandes. URL: https://www.1914-1930-rlp.de/bibliothek/aufsaetze/nach-dem-krieg-die-alliierte-rheinlandbesetzung-1918-1930.html (5.6.2020). Zurück
  46. Sarholz, 1990, S.18. Zurück
  47. Ebd. Zurück
  48. Vgl. Sarholz, 1990, S.18. Zurück
  49. Vgl. Ebd. Zurück
  50. Vgl. Ders., 1997, S.41. Zurück
  51. Vgl. Ebd., S.43. Zurück
  52. Vgl. Ders., 2006, S.101. Zurück
  53. Vgl. Ders., 1990, S.23. Zurück
  54. Vgl. Licke, Klaus-Dieter: Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum, 2014, URL: https://www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/m-o/1459-nievern-rheinland-pfalz (30.06.2020). Siehe auch Sarholz, 2006, S.87-89. Zurück
  55. Vgl. Van Ackern, 1997, S.45. Zurück
  56. Vgl. Ebd., S. 93-95. Zurück
  57. Vgl. Ebd., S. 48. Zurück
  58. Vgl. Ebd., S.244. Zurück
  59. Vgl. Ebd., S.429. Zurück