Gymnasium am kurfürstlichen Schloss Mainz

"Es ist einfach nur grausam..."

Geliebte Familie,

hier, direkt an der Front in Verdun ist alles anders als es uns berichtet wurde. Es ist alles andere als schön und ehrenvoll für sein Vaterland zu kämpfen. Es ist einfach nur grausam. Das Gebiet um unseren Unterstand ist vollkommen zerbombt, riesige Löcher entstehen, die Luft ist erfüllt von dem Geruch der verwesenden Menschen, und der Rauch der Granaten und Bomben trübt unsere Blicke. Aus allen Ecken kommen Ratten, die  unsere letzten Vorräte auffressen. Der Durst und Hunger und das große Leid steht uns allen ins Gesicht geschrieben. Denn da wir schon seit Wochen in ein und dem selben Unterstand sind, verschwinden nun auch unsere letzten Nahrungsmittel. Der Durst wird nie gestillt. Jeder kleine Tropfen Wasser dient als kleine Hilfe gegen den Durst. Doch das Schlimmste für mich ist es, die Menschen sterben zu sehen. Es ist grausam zu sehen, wie meine Kameraden getroffen werden und in dem Dreck der Gräben klagvoll sterben. Man kann nicht von Ehre und Stolz sprechen, was wir für unser Vaterland tun und wie wir für es sterben müssen. Es ist   so unmenschlich, das ganze Leid und Elend ertragen zu müssen, unsere toten Kameraden um uns zu haben und ihnen nicht einmal ihre letzte Ehre erweisen zu können. Schon über die Hälfte meiner Truppe ist gestorben. Darunter auch meine engsten Kameraden, die ich schon seit meiner Kindheit kenne. 

Es ist grausam zu sehen, was geschieht, wenn sich Länder  verfeinden, und zu sehen, wie grausam sie zueinander sein können, nur weil sie sich um die Macht über ein anderes Land uneinig sind.

Meine Hoffnung, dass dieser Krieg bald enden wird, entschwindet langsam. Manchmal wünsche ich mir auch tot zu sein, damit ich diesem ganzen Elend, diesem Lärm, der einen verrückt macht und dieser ganzen grausamen Hölle nicht mehr standhalten muss.

In Liebe, euer Hans

(Karin Andres)