Hahnheim in Rheinhessen

Anschluss an das Eisenbahnnetz

0.1.Die Nebenbahn Bodenheim- Alzey über Hahnheim

Alter Bahnhof in Hahnheim

Nach der Reichsgründung 1870/ 71 kaufte der Staat nach und nach alle Privatbahnen auf, so auch die Hessische Ludwigsbahn, die ihren Hauptsitz in Mainz hatte[Anm. 1]. Erst 1896, als die Nebenbahn Bodenheim- Alzey in Betrieb genommen wurde, gelangte sie in Staatsbesitz und wurde „Preußisch- Hessische Staatsbahn"[Anm. 2]. Bereits durch den Bau der Mainz- Wormser (Mainz-Alzeyer) Eisenbahn 1853 tauchte der Wunsch der Gemeinden auf, das Selztal an das Eisenbahnnetz anzuschließen. Um nun Hahnheim infrastrukturell mit den anderen Gemeinden zu verbinden, bedurfte es jedoch mehr als die Beschaffung einer Eisenbahn. Um 1888 scheiterte der Plan eine Bahnstrecke von Worms über Hahnheim nach Nieder- Olm umzusetzen. Selztalgemeinden, wie Mommenheim und Selzen, forderten eine direkte Verbindung nach Mainz. Einen ersten Erfolg erzielten die Gemeinden, als die Regierung am 15. November 1890 den Bau der Nebenbahn Bodenheim-Alzey über Hahnheim und seine Nachbargemeinden genehmigte[Anm. 3]. Durch den Einsatz der Bürgermeister von Hahnheim (Heinz), Undenheim (Horter), dem Vertreter des Bürgermeisters von Gau-Odernheim (Diehl) und der Grunderwerbskommission in Bodenheim, schritt der Bau der Bahnstrecke schnell voran[Anm. 4]. Zur Finanzierung des Bauprojekts mussten die beteiligten Gemeinden insgesamt 400.000 Mark aufbringen. Dazu richtete man sich „zur Hälfte nach der Einwohnerzahl, zur Hälfte nach den Grundsteuerkapitalien von 1893/94“ [Anm. 5]. Im Falle Hahnheims musste die Gemeinde 33.492 Mark (8,4%) zum Projekt beitragen. Der Grunderwerbsankauf verlief ohne Komplikationen, sodass am 5. Juli 1895 mit dem Bau der Bahnstrecke begonnen werden konnte[Anm. 6]. Am 28. September 1896 wurde die Bahnlinie Bodenheim-Alzey eröffnet. Die Eröffnung wurde mit einem Festzug über sämtliche Stationen (Gau-Bischofsheim, Harxheim, Mommenheim, Selzen, Hahnheim, Köngernheim, Undenheim, Bechtolsheim und Gau-Odernheim) gefeiert, an dem sich u.a. Schulen und die Feuerwehr beteiligten. [Anm. 7] Die gesamte Bahnstrecke betrug 30,9 km. Durch die hügelige Landschaft in Rheinhessen gab es auf der Bahnstrecke ein starkes Steigungsgefälle und viele Kurven. Das Material der Querschwellen und Schienen stellten die Firma Krupp in Essen, die Firma Union in Dortmund, sowie die Firma Kockervill in Seraing. Die Bahn selbst bestand aus vier dreiachsigen Tenderlokomotiven der Firma Henschel und Sohn aus Kassel, sowie zwölf Personen- zwei Gepäckwagen aus der Fabrik der Gebrüder Gastell aus Mainz- Mombach und 30 Güterwagen aus der Firma Talbot in Aachen. Neben acht weiteren Gemeinden bekam auch Hahnheim eine eigene Bahnstation mit einem Bahnhofsgebäude. Für die Stationsbeamten war der Backsteinbau nicht nur der Arbeitsplatz, sondern auch Wohnort, denn im Obergeschoss wurde extra eine Wohnung für sie eingerichtet. Schon am 3. Oktober 1896 kam es zum ersten Unfall, da zwei Güterwagen das Gefälle von Gau-Bischofsheim nach Bodenheim hinunterrollten. Dabei entstand allerdings nur ein Materialschaden an einem dort abgestellten Wagen[Anm. 8].

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0.2.Wirtschaftliche Expansion Ende des 19. Jahrhunderts

Bahnhof Selzen-Hahnheim[Bild: Andreas Tscharn]

Der Anschluss an das Bahnnetz führte in Hahnheim zu einer wirtschaftlichen Expansion im 19. Jahrhundert. Besonders die Vieh- und Weinhändler in Hahnheim profitierten von der Bahn, da größere Mengen schneller transportiert werden konnten. Die Weinhandelsfirma Trum konnte nun nicht nur Fässer, sondern auch Weinflaschen sicher transportieren. A.Glagowskis versandte seine Molkereiprodukte über die Eisenbahnverbindung nach Mainz und auch Landwirte konnten Obst und Gemüse über das Selztal hinaus vertreiben. In Finthen gab es bis 1984 eine Annahmestelle für die Produkte. Dazu wurde um 1914 eine Be- und Entladerampe am Hahnheimer Knopf gebaut und von zwei Kränen ergänzt[Anm. 9]. Während des ersten Weltkriegs wurde der Betrieb der Eisenbahn intensiviert. Durch die französische Besetzung kam es am 30. Januar 1923 zum ersten Bahnstreik auf der Strecke zwischen Mainz und Alzey. Der Streik war eine Form passiven Wiederstands gegen die französische Besatzungsmacht[Anm. 10]. Durch technische Neuerungen konnte die Fahrtzeit von Mainz nach Alzey in den zwanziger Jahren von 83 /58min.[Anm. 11] auf ca. 40min reduziert werden. Die Anzahl der Personenzüge wurde auf 10 verdoppelt und am Wochenende wurde ein „Theaterzug“ von und nach Mainz eingerichtet. Dies brachte nicht nur Vorteile, denn durch schnellere Züge kam es auch zu Unfällen mit Todesfolge, z.B. 1933 in Selzen. Die Nebenbahn trug einerseits zur Technisierung in Hahnheim bei, andererseits wurde dadurch die Personenpost Oppenheim-Undenheim und Alzey-Alsheim eingestellt. Bis zur zunehmenden Motorisierung der Bevölkerung in den 1950er Jahren war die Nebenbahn das wichtigste Transportmittel für die Bevölkerung und für den Gütertransport. Der Personenverkehr wurde am 31.05.1985 stillgelegt. Güterzüge fuhren noch bis zum 01.01.1995[Anm. 12].

0.3.Das „Amiche“

Aus kostentechnischen Gründen konnte nicht jeder ständig zum Einkaufen in die Stadt fahren. Daher übernahmen einige Personen den Einkauf für Freunde und Nachbarn und wurden zu einer Art Privatspediteuren. Auf der Strecke Hahnheim-Selzen war dies Frau „Annemarie“. Durch ihren Namen entstand der Zugname „Amiche“. Später hieß nicht nur ein Zug auf der Strecke „Amiche“, sondern jeder. "Irgendwie hatte man das Gefühl, dass‚ „Amiche“ in jedem Zug sitzt, der vorbeikommt; die Bahnlinie wurde konsequenterweise von der Bevölkerung auf den Namen „Amiche“ getauft...“[Anm. 13].

Ob die Geschichte wahr ist, oder ob der Name „Amiche“ aus dem französischen „ami“ für Freund kommt, ist nicht geklärt [Anm. 14].

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Nachweise

Verfasserin: Jasmin Gröninger

Veröffentlicht: 23.05.2016

Redaktionelle Bearbeitung: Tobias Bast

Verwendete Literatur:

 

  • Höbel, Gunter: Amiche, Bawettche, Zuckelottche Co. URL: amiche.de/amiche/text.html (Aufruf am 11.01.2018).
  • Lubojanski, Gerhard: Das "Amiche" - die ehemalige Eisenbahnstrecke von Bodenheim nach Alzey. In: Heimatjahrbuch Landkreis Mainz-Bingen 1998, Jg. 42, S. 134-137.
  • Rick, Josef: Die Weinbaugemeinde Hahnheim. In: Die Rheinfront. Schriftenreihe für die Rheinfrontorte und Umgebung 2 (1966).
  • Tscharn, Andreas: Akkus in Rheinhessen: Bodenheim- Alzey, Teil 1, URL: www.nahebahn.de/nahebahn/rheinhessenbahn/akkurheinhessen1/akkurheinhessen1.html (Aufruf am 11.01.2018).
  • Zurowksi, Marek: Hahnheim 764-1990. Aus der Geschichte einer rheinhessischen Weinbaugemeinde. Horb am Neckar 1991.

 Aktualisiert am: 11.01.2018

Anmerkungen:

  1. Vgl. Lubojanski, S. 134 Zurück
  2. Vgl. Ebd. Zurück
  3. Vgl. Zurowski, S. 247 Zurück
  4. Vgl. Rick, S. 80f. Zurück
  5. Zurowski, S. 247 Zurück
  6. Vgl. Zurowski, S. 247f. Zurück
  7. Vgl. Rick, S. 80f. Zurück
  8. Vgl. Zurowski, S. 249 Zurück
  9. Vgl. Zurowski, S. 251; Vgl. Tscharn  Zurück
  10. Vgl. Zurowski, S. 253 Zurück
  11. Vgl. Ebd., S. 250 Zurück
  12. Vgl. Ebd., S. 253  Zurück
  13. Höbel. Zurück
  14. Vgl. Höbel.  Zurück